SXEU31 DWAV 231800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 23.10.2022 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Von Westen herbstliche Gewitterlinie mit sommerlichem Touch. In den nächsten
Tagen leicht wechselhaft und weiterhin sehr mild bis warm.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC

Aktuell … zeigt die großräumige Potenzialverteilung einen ausgeprägten Trog
über dem nahen Atlantik mit Drehzentrum im Bereich UK/Irland. Dort befindet sich
auch das korrespondierende Bodentief HELGARD (int. Beatrice), das aufgrund
seiner senkrechten Achsstellung in den Auffüllprozess eingetreten ist. In der
18-UTC-Analyse dürfte allerdings noch eine größere 995-hPa-Kernisobare zu finden
sein. Relevanter für uns ist allerdings die Tatsache, dass der heute über weite
Strecken präsente Höhenrücken nach Osten abwandert, was uns unter eine diffluent
angeordnete und damit hebungsgünstige südwestliche Höhenströmung bringt.
Darunter befindet sich die thermisch extrem schwach ausgeprägte Kaltfront von
HELGARD (im Grunde möchte man das Wort gar nicht in den Mund bzw. in den Stift
nehmen; kaum Baroklinität und rückseitig trotz Rückgang in 850 hPa auf 9 bis 6°C
nur wenig Abkühlung), die in der Nacht auf den Vorhersageraum übergreift.
Während sie im Norden einigermaßen zügig vorankommt, hinkt sie im Süden deutlich
zurück und kommt dabei mächtig ins Schleifen, was dort auch am morgigen Montag
noch zu spüren sein wird.

Zunächst aber mal wird mit süd-südwestlicher Strömung sehr milde, feuchte und
labil geschichtete Subtropikluft herangeschaufelt. Taupunkte um 15°C, vereinzelt
17°C, wie heute in Frankreich gemessen (im Süden waren sie z.T. noch höher),
muten eher sommerlich an, als dass sie auf einen 23. Oktober hindeuten. Aber
nun, es ist, wie es ist, und so verwundert es wenig, dass sich in diesem Setup
schauerartige Regenfälle und einzelne Gewitter von Westen her über die Mitte und
den Norden ost-nordostwärts ausbreiten. Aufgrund sehr guter Scherungsbedingungen
(LLS teils um 20 m/s, DLS teils 25 bis 30 m/s) hat sich über Ostfrankreich eine
ordentlich organisierte und recht blitzintensive Gewitterlinie gebildet bis hin
zu Ansätzen für Rotation. Diese Linie hat am frühen Abend den äußersten Westen
(RP, südliches NRW) erreicht, von wo aus sie such langsam ost-nordostwärts
voranarbeitet. Neben Böen 7-8 Bft, vereinzelt 9 Bft (alles schon über Frankreich
beobachtet) und Starkregen um oder etwas über 15 l/m² ist vor allem anfangs auch
Hagel nicht ausgeschlossen. Mit zunehmender Nachtlänge geht die
Wahrscheinlichkeit für Gewitter immer mehr zurück, im Gegenteil, von Westen her
trocknet es ab und die Wolkendecke lockert auf.

Etwas anders die Situation im Süden, wo sich die schleifende Front eingroovt und
in einem relativ schmalen Korridor, der etwa vom südlichen BaWü bis hinüber in
die Oberpfalz reicht, schauerartige verstärkten und teils gewittrigen Regen
induziert. Gebietsweise kommen bis zu 10 l/m² innert weniger Stunden zusammen
und für die Region Schwarzwald-Schwäbische Alb liegen sogar Hinweise (vor allem
von ICON-D2) für Starkregen vor. Dieser muss nicht zwingend in Verbindung mit
Gewittern fallen, sondern kann auch ungewittrig auftreten, was präventiv aber
schwer zu warnen sein wird, zumal nicht alle Modelle das Spielchen mitspielen.

Noch ein paar Anmerkungen zu Wind und Temperatur. Der Föhn in den Alpen nimmt
allmählich ab. Zwar nimmt die südwestliche Höhenströmung zu, was den Gipfeln
weiterhin Böen 8-9 Bft bringt, dafür wird die Druckdifferenz zwischen Süd und
Nord mehr und mehr abgebaut. Windig bis stürmisch wird es in den meisten
Mittelgebirgen, wo in den Kamm-, Kuppen- und Gipfellagen Böen 8-9 Bft, auf dem
Brocken 10 Bft auf der Karte stehen. Anfällig zumindest für Böen 7 Bft sind bei
südlicher Anströmung weiterhin einige Leelagen, was u.a. auch der fehlenden
Stabilisierung geschuldet ist, womit wir bei den Temperaturen wären. Abgesehen
vom äußersten Südosten, wo es noch für längere Zeit klar bleibt und auch der
Wind nicht besonders sportlich unterwegs ist, verbleiben die Nachttemperaturen
verbreitet im zweistelligen Bereich zwischen 16 und 10°C. Vor allem die recht
gute Durchmischung, teils aber auch die Bewölkung zeichnen hierfür
verantwortlich.

Montag … verbleiben wir unter der relativ flotten, leicht zyklonal
konturierten südwestlichen Höhenströmung, die allerdings etwas nach rechts
dreht. Ursache ist ein ausgeprägter Randtrog, der über die Nordsee hinweg gen
Südnorwegen schwenkt. Nennenswerte kurze Wellen, die bekanntermaßen ja das Salz
in der Suppe ausmachen, sind zumindest mit dem altersmüden Auge des Verfassers
nicht zu erkennen, was vielleicht auch die vergleichsweise zurückhaltenden
Niederschlagsprognosen der Modelle erklärt. Zwar ist die von Südwesten
postfrontal einfließende „Kaltluft“ – es handelt sich um eine stark modifizierte
Luftmasse, die zwar ihren Ursprung in nördlichen Gefilden hat, von dort
allerdings einen ganz weiten Bogen um das Tiefdrucksystem über dem nahen
Atlantik schlagen musste – weiterhin labil und zumindest in Teilen auch feucht
genug. Trotzdem will es zumindest auf numerischer Basis nicht so richtig funzen,
weil es möglicherweise an den nötigen Triggern fehlt. Das meiste CAPE,
gebietsweise immerhin um 500 J/kg, wird in einem vom BaWü bis in den Nordosten
reichenden Korridor simuliert, wo dann auch am ehesten einzelne
Überentwicklungen auftreten können. Bei weiterhin ausreichend Scherung und
solider Zuggeschwindigkeit muss mit Böen 7-8 Bft, weniger mit Starkregen
gerechnet werden.

Den könnte es – man beachte den Konjunktiv – ganz im Süden geben, wo die
schleifende Kaltfront nur sehr zögerliche Anstalten macht, sich alpinem Terrain
zu nähern. Vor allem um die Donau herum und weiter südlich kommt es zu
schauerartig verstärkten, vereinzelt auch gewittrigen Regenfällen, die sich nur
langsam in den Südosten Bayerns zurückziehen. Insbesondere im südlichen
Alpenvorland ist am Nachmittag eine gewisse Wahrscheinlichkeit für mehrstündigen
Starkregen (max. 3-4 Stunden) nicht wegzudiskutieren.

Während also potenzielle Gewitter- und Starkregenwarnungen auf keinem besonders
stabilen Sockel stehen, sieht das beim Wind anders aus. Das Tief HELGARD bekommt
neues Leben eingehaucht, heißt, es vertieft sich noch mal auf etwas unter 990
hPa (genau genommen handelt es sich um einen neuen Teilkern, aber das nur am
Rande) mit Sitz knapp westlich der Hebriden (12 UTC). Davon ausgehend reicht ein
vernünftiger Gradient bis in den Westen und Nordwesten sowie in Teile des
zentralen Mittelgebirgsraums, wo der auf Südwest drehende Wind tagsüber für
einige Stunden merklich anspringt. Dabei treten Böen 7 Bft, in höheren Lagen, in
exponierten Leelagen sowie teilweise an der Nordsee 8 Bft, auf dem Brocken bis
10 Bft auf.

Mit Temperaturmaxima zwischen 16 und 22°C (T850 6-10°C) startet die letzte
Oktoberwoche fast schon ungewöhnlich mild, obwohl auf dieser Welt – auch beim
Wetter – nichts unmöglich mehr erscheint.

In der Nacht zum Dienstag schwenkt ein sehr flacher, dafür relativ breit
aufgestellter Sekundärtrog über Deutschland hinweg ostwärts. Er sorgt vor allem
in der Mitte und im Norden für Schauer und vereinzelte kurze Gewitter. Zwar
schläft der Südwestwind nicht ein, warnwürdige Böen 7 Bft sind aber nur noch an
und auf der Nordsee (nordfriesische Seite eher als ostfriesische) sowie in
höheren Lagen zu erwarten. In exponierten Kamm- und Gipfellagen sind noch einige
„8er“ am Start, auf dem Brocken (schwere) Sturmböen 9-10 Bft.

Etwas gediegener verläuft die Nacht im Süden, wo der Druck ansteigt und die
lästige Front nun endlich alpines Gelände erreicht. Anfangs fallen noch ein paar
Tropfen am Alpenrand, ansonsten bleibt es weitgehend trocken. Unter er
auflockernden Wolkendecke bilden sich örtliche Nebelfelder. Außerdem kühlt es
bis in den einstelligen Temperaturbereich ab (9 bis 5°C), während es weiter
nördlich überwiegend zweistellig bleibt (14 bis 10°C).

Dienstag … regeneriert sich der Tief- respektive Trogkomplex über dem nahen
Atlantik, wobei sich westlich von Irland im Bereich 20° westlicher Länge ein
neues Zentraltief mit rund 985 hPa Kerndruck etabliert. Damit ist bei uns die
Fortsetzung des sehr milden bis warmen Endoktoberwetters garantiert, wobei sich
am Dienstag Zwischenhocheinfluss durchsetzt. Trogvorderseitige WLA sorgt für
Potenzialgewinn und den Aufbau eines Rückens, der sich im Tagesverlauf nach
Abzug des o.e. Troges immer näher an den Vorhersageraum heranschiebt. Er stützt
ein kleines 1020-hPa-Hoch mit Schwerpunkt über dem Alpenraum, das relativ weit
nach Norden ausstrahlt. Zudem stabilisiert die einfließende Meeresluft (T850 4
bis 9°C), so dass (gewittrige) Schauer bei verbreitet wechselhafter Bewölkung im
Tagesverlauf immer seltener werden. Den meisten Sonnenschein gibt es in Bayern
und BaWü, wo die Temperatur punktuell auf 20°C, im Oberrheingraben sogar bis zu
22°C ansteigt. Aber auch sonst bleiben wir angesichts avisierter 15 bis 19°C von
herbstlicher Frische nach wie vor meilenweit entfernt. Etwas Wind gibt es aus
Südwest bis West kommend am ehesten an den Küsten, an der Nordsee mit Böen 7
Bft.

In der Nacht zum Mittwoch legt sich der Höhenrücken genau über den
Vorhersageraum, während sich das Zentrum des Bodenhochs langsam in Richtung
Balkan verabschiedet. Von Frankreich her bohrt sich ein kleiner Randtrog in den
Rücken hinein, der in den frühen Morgenstunden den Grenzbereich zu West- und
Südwestdeutschland erreicht. Auf seiner Vorderseite verdichtet sich die
Bewölkung und in der 2. Nachthälfte kann es im Westen und Südwesten hier und da
etwas regnen. In den übrigen Landesteilen bildet sich bei geringer Bewölkung
oder klarem Himmel gebietsweise Nebel. Insgesamt wird die Nacht etwas frischer
als die Nächte zuvor, gleichwohl sind wir von Frost weiterhin weit entfernt.

Mittwoch … kämpft sich der kleine Randtrog durch den über Mitteleuropa
stationär werdenden Rücken hindurch. So ein bisschen erinnert er an das berühmte
gallische Dorf, das der römischen Übermacht immer wieder getrotzt hat. Wie auch
immer, die ganz großen Bäume reißt er nicht aus, es reicht aber für ein paar
Schauer oder etwas Regen insbesondere in der Südhälfte. Später lockert es von
Südwesten her aber wieder auf. Summe summarum ein eher unspektakulärer, aber
sehr milder bis warmer Spätoktobertag, an dem nicht nur T850 ansteigt auf 8 bis
12°C. Auch in 2 m Höhe wird noch einer draufgepackt mit 17/18°C im äußersten
Nordosten und bis zu 23/24°C im äußersten Süden und Südwesten.

Modellvergleich und -einschätzung

Die Modellunterschiede sind gering, die Entwicklung ist ziemlich unstrittig.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann