S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 16.10.2022 um 10.30 UTC

Mild, im Südwesten häufig sehr mild und zum Wochenende wechselhaft. Nacht zum
Donnerstag und Freitag im Osten leichter Frost.

Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 23.10.2022

Nachdem wir gestern bereits auf die Wellenflüsse zwischen Nordpazifik und
Eurasien geschaut haben bleibt auch heute der Gesamteindruck einer sehr
verwellten/dynamischen Ausgangslage bestehen, die in Mitteleuropa jedoch vorerst
in eine vergleichsweise ruhige Mittelfrist ohne viel Warnaktivität mündet.

Bei einer zirkumpolaren Wellenzahl k=4 und den drei dominanten Rossby-Wellen
über dem Nordostpazifik, über dem Nordosten Nordamerikas/Ostkanada und dem
Nordostatlantik besteht wenig Hoffnung für eine durchgreifende Änderung dieses
eingefahrenen Musters. Zwar erfolgen die gestern bereits beschriebenen
Abtropfprozesse, die sich jedoch wiederholt regenerieren und beeinflusst werden
von der dominanten/intensiven stehenden Welle östlich der Rocky Mountains (100
bis 70 Grad West), was auch im Zeit-Längendiagramm des IFS-ENS mit
beeindruckenden Anomaliewerten zu erkennen ist. Da sich an dieser
Wellenkonfiguration die Mittelfrist über nichts ändert, dürfte auch die
„extended range“ Vorhersage der 2m Temperaturanomalie vom ECMWF in die richtige
Richtung gehen, die beeindruckende positive Anomaliewerte in polaren Breiten
andeutet (teils mit Abweichungen von mehr als 6 Kelvin) – eine
Temperaturverteilung, die besonders durch so stark amplifizierte Wellenmuster
gefördert wird.

Für Europa ist dabei die Interaktion zwischen einem von Kanada über Grönland zur
Barentssee ablaufenden progressiven Trog mit dem abgetropften Residuum westlich
der Biskaya von großem Interesse. Sah es bis gestern noch danach aus, als ob
dieses cut-off unter sukzessivem Einbinden in die Frontalzone Boden gut macht in
Richtung Nordwesteuropa, deutet sich mittlerweile eher eine Regeneration vor Ort
(westlich von Europa) an. Dieses Szenario erscheint bei dem stationären
Wellenmuster stromauf recht plausibel und wird mittlerweile im IFS-ENS mit einer
üppigen Memberschar bezüglich des tiefen (Boden)Kerndrucks unter dem cut-off
hervorgehoben, die sich durch die gesamte Mittelfirst verfolgen lässt.
Dennoch ändert diese Darstellung nichts an der Tatsache, dass man dem Schein
einer milden Gesamtlösung nicht sofort verfallen sollte, ruft man sich die
gestern beschriebenen Unsicherheiten inklusive der erheblichen Korrekturen in
der Analyse (Inkremente) in Erinnerung. Die Geometrie der positiven
Geopotenzialanomalie vor Grönland und die ungewöhnlich hohen
Temperaturabweichungen nahe der Rekordwerte bzgl. der 79-21 Klimatologie deuten
an, wie volatil diese hyperbarokline Umgebung ist und wie schnell kleine
Störungen innerhalb der Numerik kaskadenartig anwachsen können. Mehr dazu in der
Clusteranalyse.

Zuletzt sei noch kein kurzer Blick auf den Polarwirbel in der Stratosphäre
gestattet, der momentan etwas schwächelt und den Status „versetzt“ einnimmt,
ausgelöst wohl durch mehrere positive Wellenflüsse (Welle 1). Daran ändert sich
vorerst wenig – im Gegenteil, es wird sogar eine noch stärkere positive Anomalie
(Welle 1) erwartet, auch erkennbar in der zonalen Mittelung der vertikalen und
horizontalen Wellenflüsse, die eine ausgeprägte Vertikalkomponente aufweisen
(vertikal nach oben wandernde Wellenflüsse mit positivem Wärmefluss). Alles
natürlich noch vergleichsweise schwach ausgeprägt, doch soll der zonal
gemittelte Wind in 10 hPa auch über das Ende dieser Mittelfrist hinaus unter dem
klimatologischen Mittel verbleiben. Summa summarum also schwächelt der
Polarwirbel in der Stratosphäre etwas und das äußert sich auch in leicht
negativen NAM-Werten. Zudem ruft das aktuelle Wellenmuster eine sehr negative
NAO hervor.

Wie verläuft nun diese Mittelfrist?

Wie bereits gestern erwähnt ist der Beginn ein ruhiger. Am Mittwoch klingen
letzte Stauniederschläge am Alpenrand im Umfeld einer schleifenden Kaltfront bis
zum Abend zögernd ab und auch im Osten kann es einzelne Schauer geben
(Schneefallgrenze bei rund 2500 m im Süden und 1500 m im Osten). Ansonsten
lockern die Wolken im Tagesverlauf dank der von Westen nahenden Keilachse immer
weiter auf und zum Abend ist es bei steigendem Bodendruck vielerorts freundlich
und trocken. Besonders im Nordosten sogt eingeflossene modifizierte Polarluft
für ein rasches Abklingen der dem Tagesgang folgenden Bewölkung.
In der Nacht zum Donnerstag wird die ehemals kaltaktive Front nun als Warmfront
unter sich verstärkendem synoptischen Absinken recht wetterinaktiv nach
Nordosten und somit in den Westen und Süden Deutschlands gedrückt. Sie äußert
sich wohl hauptsächlich durch dichte Bewölkung im Westen und Süden und
vielleicht gibt es in Richtung französischer Grenze den einen oder anderen
kurzen Schauer. Im Nordosten verläuft die Nacht klar und es kann stark
auskühlen.

Am Donnerstag erfolgt die Keilachsenpassage mit viel Sonnenschein im Osten und
ausgedehnten hohen Wolkenfeldern im Westen. Nach IFS würde der Keil bis zum
Abend jeden Niederschlag von Deutschland fernhalten, doch es sei erwähnt, dass
der Keil z.B. bei ICON schwächer ausfällt und Niederschläge bereits zum
Nachmittag auf den Westen übergreifen können.
In der Nacht zum Freitag liegt die Keilachse auch im IFS bereits im Osten von
Deutschland, sodass von Westen eine Warmfront neben dichten Wolken auch etwas
Regen bringt.

Von Freitag bis zum Ende der Mittelfrist am Sonntag würde dann in einer
moderaten Südwestströmung sehr wechselhaftes, zeitweise auch regnerisches Wetter
mit viel Bewölkung den Ton angeben. Je nach Tagesgang und Passage der jeweilige
Hebungsimpulse sind einzelne Gewitter mit Starkregen nicht ausgeschlossen, denn
die Luftmasse bleib mit PPWs um 30mm sehr feucht, was sich durch 99-iger
Perzentilwerte zum Klima 79-21 äußert. Vorhersagesoundings stützen auf jeden
Fall mit neutraler bis hochreichend leicht labiler Schichtung dieses Potenzial.

Es bleibt weiterhin mild, da wir unverändert auf der Vorderseite des
nordatlantischen Troges verbleiben. Die Höchstwerte liegen im Südwesten zwischen
17 und 20 Grad (zeitweise/regional auch etwas höher) und verbleiben auch im
Norden mit 13 bis 17 Grad im milden Bereich.
In der Nacht zum Donnerstag droht im Osten dank der eingeflossenen modifizierten
Polarluft und effektiver Ausstrahlung eine frostig-kalte Nacht mit 2m
Tiefstwerten von +2 bis -1 Gad und verbreitet leichtem Frost in Bodennähe von 0
bis -5 Grad. Auch die Nacht zum Freitag bringt dem Osten verbreitet leichten
Frost in Bodennähe und lokal Luftfrost, bevor in der Folge frostfreie Nächte
anstehen. Sonst verlaufen die Nächte mit Minima zwischen 10 und 5 Gad deutlich
milder.

In der erweiterten Mittelfrist würde sich vorerst an dieser milden und
wechselhaften Witterung wenig ändern, wenngleich zu diesem Zeitpunkt die
Unsicherheiten sehr hoch sind.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die jüngsten Modellläufe von IFS sehen die Keilachsenpassage von Mittwoch zum
Freitag sehr homogen, wenngleich der letzte 00Z Modelllauf den Keil wieder etwas
kräftiger andeutet. Egal wie, nach allen Lösungen findet in Deutschland eine
vorübergehende Wetterberuhigung statt.

In der Folge entscheidet die Geometrie des nordatlantischen Troges über die
Intensität und Lage des Keils, der sich immer wieder über dem östlichen
Mitteleuropa bzw. Südosteuropa regenerieren soll. Somit ist die Keilachse
östlich von Deutschland zu finden, sodass ab Freitag wiederholt Feuchtefelder in
einer südwestlichen Strömung über Deutschland ziehen und das Wetter vielerorts
recht wechselhaft ausfällt. Es bleibt mild.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Der Blick auf die internationale Modellwelt zeigt wenig Neues. Die
Keilachsenpassage wird recht homogen gezeigt, wenngleich ICON ein bisschen
schnell ist als GFS und IFS, weshalb nach ICON die Warmfront bereits recht früh
im Verlauf des Donnerstags nach Deutschland bringt und mit ihr den Regen.
In der Folge nehmen die Unsicherheiten rasch und deutlich zu, sodass z.B. am
Sonntag um 6 UTC ein Versatz von rund 1400 km zwischen dem Höhentief in GFS und
IFS zu erkennen ist. Entsprechend der variablen Platzierung und Geometrie des
Troges unterscheidet sich auch die Strömung über Deutschland, was Auswirkungen
auf die Passage der Niederschlagsgebiete bzw. auch auf mögliche föhnige Phasen
entlang der Alpen hat. Nach allen Rechnungen verbleiben wir jedoch auf der
Trogvorderseite in einer milden südwestlichen Anströmung.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

In der Clusteranalyse ist verständlicher Weise wenig Ruhe reingekommen. Die
Analyse beginnt mit 3 Clustern und geht durchweg mit 5 Clustern weiter (gestern
waren es noch 6).
Zum Beginn der Mittelfrist heben 3 Cluster mit dem klimat. Regime „Blockierung“
und dem Kontroll- und dem det. Lauf in C1 die kräftige Blockierung hervor, die
sich über Kanada, Grönland bis nach Westeuropa erstreckt. Nach allen Lösungen
verbleibt Deutschland im Einflussbereich des Keils.

In der Folge dauert die hohe Unsicherheit weiter an, hervorgerufen durch die
umfangreiche Blockierung über dem Nordatlantik und dem abgetropften Höhentief.
Der Kontroll- und der det. Lauf liegen im C1, wobei Deutschland durchweg auf der
Trogvorderseite in einer wechselhaften Südwestströmung liegen würde. Diese
Lösung wird jedoch nur von knapp 30% der Member gestützt, während der Rest
variable andere Optionen andeutet, die je nach Lage der Blockierung das Anzapfen
modifizierter Polarluft oder eine kräftige Südströmung ermöglichen würden.
Insgesamt überwiegt jedoch die Anzahl milder Lösungen und der Gesamteindruck ist
ein wechselhafter. Besonders in Norddeutschland besteht je nach Intensität eines
von Grönland nahenden Troges die Gefahr markanter Windböen. Mehr als diese grobe
Übersicht wäre bei all den Unsicherheiten zu viel des Guten.

Die Meteogramme in Deutschland heben den trockenen Abschnitt zum
Mittelfristbeginn ebenso hervor wie den wechselhaften ab Freitag. Die
Temperaturen verbleiben in einem milden Bereich. Insgesamt hat in den
Rauchfahnen die Streubreite zum kommenden Wochenende etwas nachgelassen, doch
z.B. bei der 850 hPa Temperatur ergeben sich weiterhin einzelne Differenzen von
bis zu 20 Kelvin. Insgesamt aber gruppieren sich mehr Member um den Kontrolllauf
und den HRES und deuten womöglich einen Trend zu einer zunehmenden
Stabilisierung innerhalb der Numerik an.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Weiterhin ist die 2m TEMPERATUR fast der einzige Parameter, der im EFI
Abweichungen zum Modellklima andeutet, wobei die leicht positiven Werte zunächst
den Südwesten und zum kommenden Wochenende den gesamten Westen und Süden
betreffen.

Markante WINDBÖEN auf exponierten Alpengipfeln sind zwar weiterhin in föhnigen
Episoden möglich, allerdings dauern die Unsicherheiten der Geometrie des Troges
und somit die Anströmungsrichtung über die Alpen weiter an. Ab Donnerstag
besteht auf jeden Fall das Potenzial von Sturmböen auf exponierten Alpengipfeln,
allerdings ist noch unsicher, wie ausgeprägt, anhaltend und verbreitet diese
letztendlich auftreten werden.

Zum Samstag (nach anderen Modellen wie dem GFS auch bereits am Freitag) können
im Südwesten einzelne GEWITTER mit STARKREGEN auftreten. Die nach Deutschland
geführte Luftmasse ist sehr feucht (erhöhter EFI Wasserdampffluss in
Südwesteuropa bis in den Südwesten Deutschlands reichend) und
tageszeitenabhängig auch leicht labil geschichtet, sodass markanter Starkregen
punktuell möglich ist.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-ENS, MOSMIX, GEFS

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Helge Tuschy