S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 15.10.2022 um 10.30 UTC

Zeitweise leicht wechselhaft und mild.

Synoptische Entwicklung bis zum Samstag, den 22.10.2022

Die Mittelfrist vom Dienstag, den 18. Oktober bis Samstag, den 22. Oktober kann
insgesamt als ein ruhiger, milder und zeitweise leicht wechselhafter Abschnitt
zusammengefasst werden.

Mit Blick auf die Nordhemisphäre ergeben sich jedoch deutlich turbulentere
Eindrücke, denn vom Nordpazifik über Nordamerika bis in den nordatlantischen
Sektor hat sich ein ausgeprägter Rossby-Wellenzug etabliert. Dieser ist geprägt
von stark meridional ausgerichteten Wellenflüssen, wie z.B. die jüngste über 5
bzw. 7 Tage gemittelte Analyse vom japanisch meteorologischen Institut zeigt.
Dadurch konnten sich ausgeprägte Rossby-Wellen mit signifikanten Amplituden
etablieren mit den Achsen jeweils über dem Nordostpazifik (Bereich Aleuten), dem
östlichen Kanada und den USA sowie vor den Toren Europas. Dabei sorgt eine
vergleichsweise schwache Hintergrundströmung dafür, dass die wahre (negative)
Phasengeschwindigkeit der Rossby-Wellen und somit eine nahezu stationäre bzw.
westwärts gerichtete Verlagerung der Wellen dominiert. (einhergehend mit der
westwärts gerichteten Gruppengeschwindigkeit der Wellen mit großer Amplitude).
Allerdings gilt dies während der Mittelfrist nur für die
kanadisch/nordamerikanische Welle, weil die beiden anderen bereits zum Beginn
der Mittelfrist abgetropft sind (Nordostatlantik), oder im Begriff sind
abzutropfen. Die entsprechende Amplitudenverringerung sorgt wiederum für ein
progressiveres Wellenmuster, jedoch recht weit nördlich ansetzend.

Entsprechend sorgt dieses ausgeprägte Wellenmuster für zahlreiche stark von der
Klimatologie abweichende Geopotenzial- und Temperaturmuster. Z.B. liegen zum
Beginn der Mittelfrist die (positiven) 500 hPa Geopotenzialvorhersagen bezüglich
der Klimatologie von 1979 bis 2021 über Kanada, Grönland und Südeuropa nahe des
99 % Perzentils und schwächen sich erst mit den Abtropfprozessen in Kanada und
Südeuropa rasch ab, während sie über Grönland, gestützt durch den Langwellentrog
über Kanada/USA noch längere Zeit bestehen bleiben.

Sowohl im Nordatlantik wie auch über dem Nordostpazifik sorgen die abgetropften
Höhentiefs für eine erhebliche Unsicherheit der Entwicklung, zumal sich
polseitig dieser Anomalien je nach Modell mehr oder weniger stark ausgeprägte
positive Geopotenzialanomalien aufbauen. Bei IFS betrifft dies vor allem
Südgrönland und die Seegebiete zwischen Neufundland und Irland. Von daher
verwundert es nicht, dass sich die Entwicklung der Mittelfrist besonders zu
ihrem Ende als sehr unsicher gestaltet.

Wie unsicher die Entwicklung ist zeigen die jüngsten Analysen der Inkremente,
die bereits Auswirkungen auf die Zeit vor dem Mittelfristbeginn und somit auf
die Entwicklung des Abtropfprozesses haben. Dabei fällt auf, dass im Zuge eines
konvektiv sehr agilen warmen Förderbandes vor der Ostküste der USA (ostseitig
des Langwellentroges gelegen) die Konvektion eine deutliche Anpassung der 200
hPa Höhenwinde in der Analyse erfordert sowie eine Korrektur/Abschwächung des
Geopotenzials (regional leichte Abnahme des Geopotenzial in der jüngsten
Analyse). Dies wurde auch durch die Verknüpfung des warmen Förderbandes mit dem
umfangreichen Outflow des Tropensturms KARL im südwestlichen Golf von Mexiko
forciert.
Verschärft wird die Korrektur noch durch ein TUTT (grob gesagt ein Trog in
tropischen Breiten), der etwas östlicher bei rund 50 Grad West ebenfalls dank
agiler Konvektion für eine erhebliche flächenhafte Korrektur (Abnahme des
Geopotentials) in der Analyse sorgte. Die Folgen sind zum Beginn der Mittelfrist
geringe zonale Schwankungen der jeweiligen Amplituden des Rossby-Wellenzuges,
was in der thermisch recht stark baroklin geprägten Umgebung über dem
Nordostatlantik je nach genauer Lage der Keil- und Trogachsen stromab in Europa
für stärkere Modellschwankungen bzw. Überraschungen besonders zum Ende der
Mittelfrist gut ist (neben der eh schon aus numerischer Sicht schwer zu
erfassenden Verlagerung des von der zonalen Strömung abgetropften Höhentiefs und
der ausgeprägten Hoch-über-Tief Blockierung im gesamten Nordatlantik).

Zusammengefasst baut sich über dem Nordatlantik somit eine ausgeprägte
Hoch-über-Tief Blockierungslage auf, die je nach Lage und Ausprägung der
Protagonisten besonders zum Ende der Mittelfrist den Vorstoß subtropischer
Luftmassen oder modifizierter Polarluft nach Mitteleuropa unterstützen kann. Aus
aktueller Sicht im ENS überwiegen die warmen Lösungen jedoch mit 80:20 Prozent.

Wie verläuft nun die Mittelfrist aus heutiger Sicht?

Am Dienstag überquert Deutschland eine wetteraktive Kaltfront von Nordwest nach
Südost, wobei ihre Translationsgeschwindigkeit mit Passage einer flachen
stabilen Welle von Westen vorübergehend etwas abgebremst wird. Gleichzeitig
intensivieren sich die Hebungsvorgänge, sodass im Umfeld der Front anhaltende
skalige Niederschläge zu erwarten sind. Schwerpunkt am Dienstag ist die Mitte
und der Osten, wobei es noch geringe zeitliche Diskrepanzen der Wellen- und
Frontpassage gibt, sodass die zonalen Unsicherheiten recht groß sind (sprich:
auch der Westen kann noch von den dort bereits am Vortag einsetzenden
Niederschlägen betroffen sein). Fakt ist, dass die präfrontal aus Südwest
advehierte Luftmasse subtropischen Ursprungs ist mit PWs von 30 bis 35 mm, was
einem soliden 99-iger Perzentil (Modellklima 79-21) entspricht. Die Taupunkte in
2m Höhe liegen dabei um 15 Grad.
Unkontaminierte Vorhersagesoundings im präfrontalen Warmsektor zeigen eine
neutral bis hochreichend leicht labile Schichtung an, sodass je nach Timing und
Ausprägung der Welle und Hebung konvektiv verstärkte (vielleicht lokal auch
gewittrige) Niederschläge nicht ausgeschlossen sind. Darauf springt z.B: UK10 an
mit 24-std. Niederschlagsmengen von 30 bis 50 l/qm in einem Streifen von der
Eifel bis zum Erzgebirge, wobei die meridionalen Sprünge dieses
Niederschlagsstreifens in den jüngsten Läufen noch signifikant sind (jedoch
mittlerweile im Bereich des deutlich ruhigere/weniger sprunghaften IFS liegt).
Beim IFS werden in der Fläche 10 bis 20 l/qm in 24h angeboten, doch ggf. muss
hier in der Kurzfrist mehr Gewichtung auf die höher aufgelösten Wettermodelle
gelegt werden, was besonders den labileren südlichen Bereich der Kaltfront
betrifft.
Bei IFS erreicht die Kaltfront die Alpen bis zum Abend und beeinflusst dort das
Wetter auch in der Nacht zum Mittwoch, während sonst von Nordwesten dank eines
von England nach Nordwestdeutschland gerichteten Bodenhochdruckkeils eine
durchgreifende Wetterberuhigung einsetzt. In den Nachtstunden muss postfrontal
je nach Aufklaren in der feuchten Luftmasse besonders über der südlichen Mitte
mit teils dichten Nebelfeldern gerechnet werden, während dies im Norden dank
einer deutlich trockeneren Luftmasse meist unterdrückt werden sollte.

Am Mittwoch baut sich ein Höhenkeil mit seiner Achse über Frankreich und England
gelegen westlich von Deutschland auf, wobei wir noch auf dessen Ostflanke und
somit in einer nordwestlichen Anströmung verbleiben. Die Kaltfront vom Vortag
bleibt noch lange an den Alpenrand geschmiegt, bevor sie im Verlauf der Nacht
zum Donnerstag als Warmfront wieder nach Nordosten geführt wird. Dank der
hemmenden Wirkung der von Südwesten nahenden Keilachse sollte die Warmfront aber
abgesehen von etwas Regen im äußersten Südwesten mehr durch dichte Bewölkung im
Süden und Westen auffallen. Nach Nordosten zu verläuft die Nacht im Einfluss
einer mobilen/ostwärts wandernden schwachen Bodenantizyklone klar, örtlich mit
Nebelfeldern und windschwach.

Am Donnerstag erfolgt die Keilachsenpassage, wobei die Warmfront unter
Frontolyse nach Nordosten geführt wird und dem Westen und Süden einzelne Schauer
bringt.

Am Freitag dominiert zwar weiterhin der breite/flache Keil, allerdings passiert
eine Welle mit geringer Amplitude Norddeutschland von West nach Ost, sodass
wiederholt dichtere Wolkenfelder von Westen durchziehen. Allerdings kann sich
die Sonne teils effektiv gegen die Bewölkung durchsetzen, sodass es insgesamt
gesehen kein unfreundlicher Tag werden dürfte. Am Alpenrand besteht in leicht
labiler Luftmasse ein Schauerrisiko, sonst bleibt es meist trocken.

Zum Samstag nähert sich im jüngsten IFS Lauf das ehemals abgetropfte Höhentief
der Nordsee an und würde Deutschland einen windigen bis stürmischen und
wechselhaften Tag bescheren. Allerdings sind die Unsicherheiten diesbezüglich
weiterhin sehr groß.

Die Temperatur weist ein beständiges Südwest- Nordostgefälle auf. Während im
Südwesten milde bis sehr milde Verhältnisse vorherrschen (am Dienstag teils bis
24 Grad und in der Folge zwischen 16 und 20 Grad, entlang des Oberrheins auch um
20 Grad) sorgt die Zufuhr modifizierter Polarluft im Nordosten für Höchstwerte
im unteren zweistelligen Bereich und in den Nächten für 2m Minima von 1 bis 4
Grad mit leichtem Frost in Bodennähe (besonders in der Nacht zum Donnerstag und
Freitag).

Der Wind dreht von Nordwest über Nord und Ost und zum Ende der Mittelfrist
wieder auf Südwest und weist meist keine warnwürdigen Geschwindigkeiten auf.
Ausnahmen könnten die Küsten sein, wo zeitweise Böen Bft 6 bis 7 auftreten sowie
die exponierten Alpengipfel, wo ab Donnerstag vorföhniger Südwest- bis Westwind
oder gar Föhn aus Süd mit markanten Böen auftreten kann. Allerdings hängt das
von der genauen Passage des Höhen- und Bodentiefs ab. Nach dem jüngsten Lauf
wäre ein föhniger Abschnitt zum Ende der Woche denkbar. Die Windentwicklung ab
Samstag ist noch sehr unsicher, es besteht jedoch das Potenzial für einen
windigen bis stürmischen Abschnitt für weite Bereiche Deutschlands.

In der erweiterten Mittelfrist würde der Trog Mitteleuropa passieren, bevor dann
mit fallendem Geopotenzial vor Westeuropa mit einer Südwestströmung erneut milde
Luftmassen nach Deutschland strömen würden.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die jüngsten 4 IFS-Läufe zeigen für einen Großteil der Mittelfrist von Dienstag
bis Freitag eine homogene Entwicklung der Geopotenzialverteilung mit einem von
Westen nahenden Keil und einem nach Osten abziehenden Trog. Die Lage der
Keilachse weist geringe Diskrepanzen auf, jedoch umso mehr die Intensität des
Keils, die in den jüngsten Läufen eine Abschwächung erfuhr, während das
Geopotenzial südlich von Island immer weiter erhöht wurde. Zum Ende der
Mittelfrist am Samstag nehmen die Unterschiede von Westen deutlich zu, was vor
allem mit der Frage zu tun hat, ob und wenn ja, wie schnell ein abgeschlossenes
Höhentief vor Europa in die Westwinddrift mit eingebunden wird.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Beim Blick auf die internationale Modellpalette ergibt sich ein ähnlicher
Verlauf.
Bis Donnerstag wird die Annäherung und sukzessive Passage des Keils recht
homogen gezeigt, wenngleich ICON eine etwas langsamere Lösung als GFS und IFS
aufweist.
In der Folge nehmen dann die Unsicherheiten zu, wenngleich mittlerweile alle
Modelle (und somit auch GFS) das Einbinden des abgetropften Höhentiefs in die
Westwindzone über Nordwesteuropa andeuten. Allerdings ergeben sich weiterhin
gröbere zeitliche Diskrepanzen, die entscheiden, ab wann und in welcher
Intensität Wind und Niederschlag zum kommenden Wochenende auf Deutschland
übergreifen. IFS deutet mit einer kürzeren Wellenamplitude eine signifikantere
und zügigere Passage an als GFS, das noch sehr viel Restenergie im ehemaligen
cut-off belässt.
Zusammengefasst sollte man nach einer vorübergehenden Wetterberuhigung zum
kommenden Wochenende wieder mit einem wechselhaften Wetterabschnitt rechnen.
Nach keiner det. Modelllösung gelangen wir während dieser Mittelfrist auf die
Rückseite des Troges, sodass das Temperaturniveau weiterhin mild bleibt.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Cluster zeigen insgesamt eher eine blockierungsfreundliche Mittelfrist mit
Blick auf den nordatlantisch-eurasischen Sektor. Dabei beginnt die Analyse mit 2
Clustern (recht homogene Verteilung der Member), dem klimat. Regime
„Blockierung“ und dem Kontroll- und dem det. Lauf im 1. Cluster (C1). In beiden
Clustern ergibt sich über Westeuropa eine Brücke zwischen ungewöhnlich hohem
Geopotenzial südlich von Grönland (im 97-iger Perzentil bzgl. des Modellklimas)
sowie zu einer sich abschwächenden subtropischen Antizyklone über Südeuropa. Der
stark positiv geneigte Trog über Nordosteuropa greift in C2 nur geringfügig
weiter nach Westen aus. Insgesamt ergeben sich zwischen beiden Clustern somit
keine gröberen Diskrepanzen.

In der Folge rufen die umfangreiche Blockierung sowie das abgeschlossene
Höhentief für den Rest der Mittelfrist erhebliche Unsicherheiten hervor, die
sich durchgehend in der maximal möglichen Anzahl von 6 Clustern äußern. Dabei
spielen in die Unsicherheiten mit rein, wie schnell und mit welcher Intensität
das Höhentief eigebunden wird (wenn überhaupt) und wie sich der progressive
Wellenzug über Grönland peripher der Blockierung (und dank ungewöhnlich warmer
Verhältnisse in Grönland auch in einer teils hyperbaroklinen Umgebung)
entwickelt. Nach den am stärksten gewichteten Clustern verbleiben wir bis zum
Ende der Woche im Keileinfluss, sodass dieser Abschnitt noch mit recht hoher
Sicherheit benannt werden kann. Darüber hinaus jedoch ist die Vorhersage
weiterhin sehr unsicher.

Die Rauchfahnen unterschiedlicher Städte in Deutschland zeigen jeweils schön die
Frontpassage mit Niederschlag am Dienstag sowie den zunehmend wechselhaften
Abschnitt zum kommenden Wochenende. Dabei wird es zur Wochenmitte vorübergehend
kälter (abgesehen vom Südwesten), jedoch bleibt es klimatologisch gesehen
weiterhin meist mild. Bereits zum kommenden Wochenende wird es auch im Nordosten
wieder wärmer. Die bis Freitag recht eng gebündelten Rauchfahnen (850 hPa
Temperatur und 500 hPa Geopotenzial) beginnen am Wochenende signifikant zu
streuen und erreichen z.B. bei der 850 hPa Temperatur Streubreiten von teils
knapp 20 Kelvin.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Abgesehen von einem leicht erhöhten EFI der 2m Temperatur im Südwesten springt
der EFI bei keinem anderen Parameter an.

Dennoch können sich, wie im Haupttext besprochen, mehrere regionale Schwerpunkte
ergeben.
Am Dienstag besteht über der Mitte besonders in Staulagen regional das Risiko
markanten DAUERREGENS mit Mengen von teils über 30 l/qm in 24h, wobei dieses
Potenzial noch recht unsicher ist und auch vom Grad eingebetteter Konvektion
abhängt.
Ebenfalls unsicher ist die Option markanter WINDböen auf exponierten
Alpengipfeln durch vorföhnigen West- bis Südwestwind oder Föhn aus Süd zum Ende
der Woche. Dies hängt von der finalen Geometrie des Druckfeldes ab und wird im
ENS noch nicht berücksichtigt.
Die diffusen Wahrscheinlichkeiten für markante Böen in Westdeutschland am
Samstag hängen ebenfalls von der Intensität und Zugbahn des Bodentiefs ab. Im
ENS lassen jedoch Wahrscheinlichkeiten für Bft 8 Böen von 40 bis 50 % in West
und Norddeutschland doch aufhorchen (mit einstelligen Prozentwerten für Bft 11
Böen über der Deutschen Bucht).

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-ENS, GEFS und MOSMIX

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Helge Tuschy