S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 11.10.2022 um 10.30 UTC

Mild bis sehr mild, zeitweise windig und gebietsweise wechselhaft, anfangs auch
unbeständig.

Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 18.10.2022

Die bevorstehende Mittelfrist steht ganz im Zeichen der weiteren Umstellung
großskaliger Strömungsmuster sowohl im pazifischen als auch im euro-atlantischen
Wetterraum. Erstes Indiz dafür ist der NAO-Index, der bereits am Wochenende aus
dem leicht positiven Bereich im Verlauf doch deutlicher ins Negative abrutschen
soll, laut GEFS-Forecast. Schaut man genauer auf die Wellenmuster, fallen zum
Ende der Woche doch zirkumpolar stark amplifizierte und zunehmend lange
synoptische Rossby-Wellen mit abnehmender zonaler Wellenzahl auf. Letzteres ruft
instantan die beschränkte Progressivität der Rossby-Wellen auf den Plan. Ursache
dafür dürften neben des andauernden Low-Frequency-State „La Nina“ im
äquatorialen Pazifik auch Rossby-wave trains sein, die vom Nord-Pazifik sowie
vom westlichen Nordatlantik stromab in mehren Wellen ablaufen. Eine Quelle für
solche wave trains sind u.a. starke meridionale Wärme- bzw. Wellenflüsse, die
jahreszeitbedingt (und bei entsprechendem background-flow) häufig tropischen
oder subtropischen Ursprungs sind und demzufolge in der Lage sind, den
Jet-Stream in mittleren, teils bis in hohe Breiten zumindest zu deformieren,
mitunter auch den Jet aufzuteilen (daher werden diese Wellenflüsse auch
Rossby-wave-Quelle genannt).

Am Freitag und Samstag kommt es im östlichen Nordatlantik zu einer starken
meridionalen Austrogung eines LW-Troges. Grund dafür ist u.a. ein markanter
Trogvorstoß in Nordamerika, stromab entsprechend mit der Aufwölbung eines stark
amplifizierten Höhenrückens verknüpft, der sozusagen den ostatlantischen LW-Trog
zur Wellenverkürzung und Amplifizierung seinerseits zwingt. Für West- und
Mitteleuropa bedeutet letzteres trogvorderseitige Warmluftadvektion bzw.
Schichtdickenadvektion in der mittleren und oberen Troposphäre und somit die
verstärkte Advektion negativer absoluter Vorticity, sprich ein Höhenrücken
spannt sich von Süd- über Mitteleuropa bis nach Südskandinavien auf, allerdings
mit negativer Achsneigung. Dieser Umstand begünstigt, dass in einer zyklonal
geprägten und recht straffen Südwestströmung Kurzwellen, bodennah auch
Wellentiefs in einer schleifenden Frontalzone ablaufen und stärkere
Hebungsimpulse liefern (v.a. ICON-Modell).

Am Sonntag wird der Höhenrücken durch die über den Westen und Nordwesten
verlaufende Frontalzone zwar etwas deformiert und abgeflacht, bevorzugt im Süden
verstärkt sich aber die Warmluftzufuhr aus Süd- bzw. Südwesteuropa noch. Das
erklärt zum einen den deutlich anspringenden EFI in Bezug auf die 2m-Temperatur
(trotz nicht idealer Durchmischung der unteren Troposphäre), zum anderen sollte
sich auf den Alpengipfeln ein veritabler Südwest-Föhnsturm einstellen können.
Am Montag soll laut IFS ein weiteres Wellentief mit anfänglichem dynamischen
Entwicklungspotenzial über die Britischen Inseln hinweg ziehen (siehe
Erläuterungen beim Modellvergleich). Vorderseitig soll sich der Höhenrücken über
West- und Mitteleuropa teilweise regenerieren und die Höhenströmung
vorübergehend von südwestlicher teils auf südliche Richtung aufsteilen. Die
Folge wäre eine Wetterberuhigung bei weiterhin sehr milden Verhältnissen.

Hier schlagen aber die Modellunterschiede allmählich zu Buche und die
Vorhersageunsicherheit nimmt zum Dienstag deutlich zu. Mittlerweile hat sich
laut IFS-Prognose auch tiefes Geopotenzial über Skandinavien etabliert,
demgegenüber soll sich unser Höhenrücken östlich von Neufundland (siehe oben)
bis nach Grönland erstrecken und mit positiver Achsneigung zunehmend kippen. Ja,
dann wird NAO deutlicher negativ und folgerichtig ein meridionaler Trogvorstoß
aus Skandinavien laut IFS-Hauptlauf suggeriert, der Kontrolllauf behält
allerdings den (wieder abgeflachten) Höhenrücken über West- und Mitteleuropa
zunächst noch bei.

In der erweiterten Mittelfrist lässt IFS im Kontrolllauf nach KW-Trogpassage
wieder eine antizyklonale Lösung zu, während der Hauptlauf einen veritablen
Kaltvorstoß suggeriert (siehe weiter unten in der Diskussion). Aufgrund dieser
unterschiedlichen Ansätze soll auf eine detailliertere Analyse verzichtet
werden. Ein wesentlicher Faktor ist neben den beschriebenen übergeordneten
Faktoren der abgetropfte Höhentrog, der westlich der Iberischen Halbinsel quasi
liegenbleibt und somit die Strömungsmuster ordentlich stören dürfte.

Zum Schluss bleibt nur die Anmerkung, dass in der kommenden Woche als
wesentliche Sequenz der Großwetterlage (Analyse des IFS-EPS) West bzw. Südwest
Antizyklonal (Wa bzw. SWa) vorherrschen soll, wenngleich bereits jetzt
Außenseiterlösungen wie Nordwest oder Nord zyklonal (NWz bzw. Nz) auftauchen.
Damit befinden wir uns wie eingangs erwähnt in einer unsicheren Übergangslage.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Der aktuelle IFS-Lauf weist bis einschließlich Montag eine gute Konsistenz
gegenüber den Vorläufen auf, die synoptischen Muster für Mitteleuropa bleiben
relativ gut erhalten – Südwest zyklonal, teils auch antizyklonal sollten ab dem
Wochenende zunächst die vorherrschende Sequenz bei der Großwetterlage bleiben.
Zum Ende bzw. Übergang zur erweiterten Mittelfrist deutet die Deterministik
einen zunächst kurzzeitigen Trogvorstoß von Skandinavien her an, der so bisher
nicht in den Vorläufen enthalten war.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Bei GFS sieht das synoptische Muster abseits der unterschiedlichen Deformation
der Frontalzone bis Montag recht ähnlich aus, hiernach etabliert sich bei GFS
der nahezu abgetropfte LW-Trog relativ ortsfest und leicht westlich der Biskaya
und soll so über West- und Mitteleuropa über die Wochenmitte hinaus für
antizyklonale Verhältnisse sorgen (Aufwölbung des Rückens, relativ achsstabil),
bei ebenso Trog Skandinavien. Bei ICON bleibt die Frontalzone gerade im
Vergleich zu IFS länger relativ zonal bzw. auch winkelwestförmig ausgerichtet,
da der Jet-Ausgang hier zunächst weiter östlich simuliert wird. Ein Grund dafür
mag sein, dass die ablaufenden Wellen bzw. Wellentiefs relativ gut und zyklonal
in die Frontalzone eingebettet und die Frontalzone insgesamt etwas südlicher
liegt. Das Wellentief mit originärer Genesis auf der antizyklonalen Seite des
Jets in der Nähe der Azoren einschließlich dessen Entwicklungspotenzial sieht
allerdings ICON am Montag ähnlich wie IFS und GFS. Zum Ende der Vorhersagefrist
des ICON am Dienstag wird im Gegensatz zu IFS eher noch die antizyklonale
Schiene a la GFS gefahren. Insgesamt bleiben also viel Spannung und Erwartung
der weiteren Entwicklung!

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Bezüglich der Clusteranalyse des IFS-EPS lässt sich folgendes sagen. Bei den
gruppierten Clustern t+120 bis t+168 h (trotz fünf verschiedener Lösungen)
überwiegen für Mitteleuropa abgesehen von kleinen synoptischen Unterschieden
antizyklonale Verhältnisse, bei einer weitgehend nordwestlich und leicht
nördlich gelegenen Frontalzone, also als Großwetterlage der Übergang zu West
bzw. Südwest antizyklonal (Wa bzw. SWa).

In der erweiterten Mittelfrist (t+192 bis +240 h) haben wir nicht nur sechs
gruppierte Cluster, diese divergieren auch zunehmend. So sieht der Kontrolllauf
nach der Trogpassage wieder einen Höhenrücken über Süd- und Mitteleuropa.
Demgegenüber sieht der Hauptlauf einen markanten Trogvorstoß aus Skandinavien
vor, bei der atlantischen Großwetterlage Atlantischer Rücken (AtR) in der
Ausprägung NAO negativ (Trog Skandinavien). Das würde einem veritablen
Kaltluftvorstoß entsprechen. Die Signale, siehe NAO-Prognose GFS sind immerhin
da, wenn auch in der Modell- und Ensemblekonsistenz nicht in gleichem Maße
plausibel nachvollziehbar.

Daher betrachten wir im Folgenden bei den Rauchfahnen nur einen beliebigen Ort
Mitteldeutschlands, im Flachland.

Bezüglich der 850 hPa-Temperatur liegen die Ensemble-Member zunächst recht dicht
gebündelt bei Werten zwischen + 7 bis +11 Grad, ab Dienstag stürzen sowohl
Haupt- als auch Kontrolllauf auf Werte nahe -5 Grad ab, die große Mehrzahl der
Member liegt allerdings deutlich darüber, teils über +10 Grad.

Beim Niederschlag sind über den gesamten Zeitraum Signale für meist leichte
Niederschläge vorhanden, Haupt- und Kontrolllauf gehen aber von zeitweise
trockenen Verhältnissen aus.

Bezüglich Geopotenzial in 500 hPa bleibt letzteres lange Zeit auf relativ hohem
Niveau, allerdings nimmt hier der Spread nach unten ab Dienstag deutlich zu,
gerade Haupt- und Kontrolllauf. Hier ist ebenfalls interessant zu erwähnen, dass
nichtsdestotrotz die Mehrzahl der Member bis zum Ende der erweiterten
Mittelfrist auf hohem Geopotenzial verbleibt.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Am Freitag und Samstag im Süden und Südwesten markanter Dauerregen 30 bis 40
l/qm in 24 h möglich. Am Samstag zudem an der Nordsee sowie im oberen Bergland
stürmische Böen oder Sturmböen (Bft 8 bis 9), auf exponierten Gipfeln auch
schwere Sturmböen (Bft 10).

Am Sonntag im Südwesten noch schwache Signale für markanten Dauerregen um 30
l/qm in 24 h. Bis Montag im Nordwesten und Westen stürmische Böen (Bft 8) gering
wahrscheinlich. An der Nordsee und im Bergland weiterhin stürmische Böen oder
Sturmböen, exponiert auch schwere Sturmböen (Bft 8 bis 9, vereinzelt auch 10).
Auf den Alpengipfeln Föhnsturm mit schweren Sturmböen (Bft 10) aus südwestlicher
Richtung.

Randnotiz: Am Sonntag und Montag springt der EFI bzgl. deutlich positiver
Temperaturanomalie (2m-Höchstwerte) an.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS, GEFS, ICON, MOSMIX, NOAA-NAO

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Dr. Jens Bonewitz