S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 28.09.2022 um 10.30 UTC

Am langen Wochenende sehr unbeständig mit reichlich Regen und Schauer, dazu
windig, teils stürmisch. Im Laufe der nächsten Woche Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 05.10.2022

Zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums startet ein neuer Monat seine
Karriere, herzlichen willkommen Oktober 2022. Neuer Monat, neues Glück, ob
dieses leicht abgewandelte Sprichwort bezogen auf das Wetter Realität wird – man
weiß es nicht. Fakt ist, dass in der Nacht von Freitag zum Samstag ein in weiten
Landesteilen sehr regenreicher September zu Ende geht und Fakt ist auch – so
viel sei hier schon verraten – dass der Oktober alles andere als „golden“
startet. Im Gegenteil, am Wochenende und z.T. auch noch zu Beginn der nächsten
Woche setzt sich das niederschlagsreiche Wetter aus dem Vormonat nahtlos fort,
gegenüber den eher etwas verhaltenen Endseptembertagen Donnerstag und Freitag
nimmt es sogar richtig Fahrt auf. Das liegt übrigens nicht nur am Regen sondern
auch an einem merklich auffrischenden, regionsweise bisweilen sogar stürmischen
Wind aus westlichen Richtungen. Die Details:

Der Samstag wird bei uns von einem hochreichenden Sturmtief namens WALBURGA
(wahrscheinlich) bestimmt, das den Tag nahezu stationär im Seegebiet südöstlich
von Island verbringt. Der Kerndruck liegt zur Mittagszeit bei etwas unter 975
hPa, womit der Höhepunkt bereits überschritten ist. Bis Sonntagfrüh jedenfalls
soll sich das Tief unter leichter Verlagerung in Richtung Südnorwegen um 5 bis
10 hPa auffüllen. Das ändert aber nichts daran, dass der Südwest- bis Westwind
bei uns verbreitet auffrischt mit stürmischen Böen oder Sturmböen im höheren
Bergland sowie anfangs auch an der Nordsee. Darüber hinaus überquert uns die
teilokkludierte Kaltfront des Sturmtiefs mit ihrem frontalen Regengebiet zügig
ostwärts, wobei das im äußersten Süden nur die halbe Wahrheit ist. Dort hinkt
die Front noch vor den Alpen zurück (=> föhnige Aufheiterungen im südlichen
Alpenvorland und bis zum 20°C), kommt ins Schleifen und geht nach Westen in eine
langgestreckte Frontalzone über, die ihren Abschluss in einem Tief weit draußen
auf dem Atlantik findet (Sonntag 00 UTC fast bei 40° West und etwa 45° Nord).
Aus dieser Frontalzone heraus löst sich mit der lebhaften Zonalströmung eine
flache und stabile Welle, die am Abend so gerade die Normandie erreicht, etwa um
Mitternacht das Rhein-Main-Gebiet passiert und um 06 UTC bereits über Tschechien
liegt – flott, flott kann man da nur sagen. Mit der Welle kommt nicht nur neuer,
teils ergiebiger Regen in die Mitte und den Süden (vornehmlich, aber nicht
ausschließlich in Weststaulagen der Mittelgebirge soll es ordentlich schütten)
auf. Südlich der Welle frischt der Wind teils stürmisch auf, wobei neben der
dortigen Kompression der Isobaren (in einem Wort Gradientverschärfung) gerade im
Alpenvorland zusätzlich noch der Leitplankeneffekt greift. Bei aller
Wertschätzung für die Mitte und den Süden, natürlich gibt es auch im Norden Wind
und Wetter. Dort fällt der Regen eher in Schauerform, wobei das Maximum der
Schauerei – vereinzelt unterstützt von kurzen Gewittern – über der Deutschen
Bucht sowie im unmittelbar angrenzenden Binnenland zu erwarten ist. Die Nordsee
ist auch die Region, wo der Südwest- bis Westwind die stärksten Akzente setzt,
auch wenn es im Tagesverlauf vorübergehend mal etwas moderater mit nur wenigen
Böen 7 Bft zur Sache geht.

Am Sonntag zieht das Tief WALBURGA unter weiterer Abschwächung Richtung
Südnorwegen, wo es spätestens in der Nacht zum Montag anlandet. Derweil baut
sich über der Biskaya, unterstützt durch einen sich über dem nahen Atlantik
aufwölbenden Höhenrücken, ein veritables 1025-hPa-Hoch auf, das dafür sorgt,
dass der Druckgradient trotz des schwächelnden Tiefs bei uns erhalten bleibt.
Folglich werden wir einen windigen Sonntag erleben, wobei sich die höchsten
Windgeschwindigkeiten vom Süden in den Norden verlagern. Vor allem an der
Nordsee geht es zeitweise stürmisch zur Sache.
Ansonsten kommt es unter einer flotten, zyklonal konturierten
west-nordwestlichen Höhenströmung zu weiteren Regenfällen, die meist
schauerartiger Natur sind und an bzw. über der Nordsee in der Summe durchaus
größere Mengen zusammenbringen können (Gründe dafür gibt es viele: ausgeprägte
Randtrogpassagen, küstenkonvergente und diabatische Einflüsse, vereinzelte
Gewitter). Im Süden hingegen startet der Tag mit frontalem Regen hinter der
Welle (die Kaltfront schwenkt in Richtung Alpen), der sich im Tagesverlauf aber
mehr und mehr in den äußersten Süden zurückzieht. Hinzuzufügen wäre noch, dass
es in der einfließenden, gut durchmischen subpolaren Meeresluft (T850 um +4°C)
mit 14 bis 19°C trotz Bewölkung und Regen/Schauer gar nicht mal so kalt wird.
Die für den südlichen Oberrhein von MOS prognostizierten 21°C allerdings
erscheinen aufgrund des andauernden Regens etwas zu optimistisch.

Die neue Woche startet wie immer mit einem Montag, der dieses Mal aber ein
Feiertag ist (Tag der Deutschen Einheit). Die Atmosphäre scheint das aber nicht
sonderlich zu interessieren, die macht da weiter, wo sie am Sonntag aufgehört
hat. Heißt in der Höhe weiterhin eine zyklonale, zusehends auf Nordwest drehende
Strömung, am Boden ein nur zögerlich nachlassender westlicher Wind, der
weiterhin subpolare Meeresluft (T850 um +3°C) advehiert. Der dafür erforderliche
Gradient wird übrigens vom sich nur langsam dem französischen Festland nähernden
Hoch und einem neuen Tief über Finnland aufrechtgehalten, während Madame
WALPURGA ihre Wanderung über das unwegsame südnorwegische Gelände nicht überlebt
und nur noch als Bodentrog über die Ostsee und Nordostdeutschland
hinwegschwenkt. Ansonsten steht wechselhaftes Schauerwetter auf der Karte,
vereinzelte kurze Gewitter insbesondere im Norden und Osten inklusive. Im Süden
und Südwesten, wo sich ein Keil des o.e. Hochs bemerkbar macht, ist die
Schauerneigung am geringsten, teils bleibt es sogar ganztägig trocken.

Bis Mittwoch beruhigt sich das Wetter dann allmählich. Das Bodenhoch kommt von
Frankreich her immer näher und auch der etwas nach Westen versetzte, inzwischen
mächtig amplifizierte Höhenrücken zeigt progressiv. Er wird am Mittwoch genau
über Deutschland erwartet. Zuvor muss am Dienstag in der Nordosthälfte noch mit
einigen Schauern gerechnet werden, die in der Summe aber nicht mehr so ergiebig
ausfallen wie die Tage zuvor. Auch der Wind nimmt deutlich ab.
Niedertroposphärisch steigt die Temperatur von Südwesten her an, am Mittwoch
taucht die 10°C-Isotherme im Süden und Westen auf. Aufgrund nachlassender
Durchmischung und solider nächtlicher Abkühlung sowie der Tatsache, dass der
Hebel nicht sofort auf Sonne pur und Affenhochglanz umgelegt wird, wird die
Erwärmung nicht 1:1 an die bodennahen Luftschichten weitergegeben.

Kurz noch der Trend bis Samstag: nach Passage einer schwachen Frontensystems
(Mittwoch zu Donnerstag) Aufbau einen zonalen, brückenartigen Hochdruckzone (=>
ruhiges Herbstwetter mit Sonne, aber auch schon einigen zähen Nebel- und
Hochnebelfeldern).

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Legt man die Basisfelder der letzten drei Modellläufe von IFS (ECMF)
übereinander, lässt sich eine hohe Kongruenz feststellen. Unschärfen bzw. kleine
Unterschiede sind zwar vorhanden, bewegen sich aber im üblichen Rahmen
numerischer Wetterprognosen. Von daher kann dem Modell eine gute Konsistenz
attestiert werden. Trotzdem, auch wenn die Differenzen überschaubar sind, gerade
am kommenden Wochenende könnten sie einen hohen Impact haben. Vor allem die
flache Welle, die in der Nacht zum Sonntag wahrscheinlich über die Mitte hinweg
ostwärts zieht (die genaue Zugbahn weist noch gewisse Toleranzen auf), dürfte
für eine intensive Wetteraktivität sorgen (viel Regen insbesondere in der Mitte
und im Süden sowie evtl. stürmischer Wind im Süden). Unsicher ist derzeit auch
noch, wie schnell und wie nachhaltig der für nächste Woche apostrophierte
Hochdruckeinfluss greifen wird.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Prinzipiell simulieren die anderen Globalmodelle ähnlich wie IFS. Klar, die
flache Welle wird in Bezug auf Timing und Position noch leicht unterschiedlich
gerechnet, es zeichnet sich aber die Mitte Deutschlands als wahrscheinliche
Zugbahn ab. Etwas aus dem Rahmen fällt GFS (Basis 00 UTC), das nicht nur den
frontalen Regen am Samstag später auf den Vorhersageraum übergreifen lässt.
Zudem fehlt komplett die nachfolgende flache Welle, weil die Kaltfront aufgrund
einer deutlich ausgeprägteren Austrogung in der Höhe (die anderen Modelle sind
zonaler aufgestellt) zügig über die Alpen nach Süden geprügelt wird –
Außenseiterlösung. Im Laufe der nächsten Woche lassen die großen Fünf (IFS,
ICON, GFS, GEM, UK) unisono den Luftdruck steigen und den Höhenrücken
näherkommen, wenn auch noch mit unterschiedlichem Timing.

FAZIT: Das windige und nasse, teils sehr nasse lange Wochenende scheint rein
deterministisch ebenso sicher wie die Wetterberuhigung im Laufe der nächsten
Woche.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die IFS-EPS-Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte zeigen bis Anfang
kommender Woche einen gutmütigen Verlauf mit vergleichsweise eng gebündelten
Kurvenscharen. Beim Potenzial 500 hPa ist der Spread zwar geringfügig größer als
bei der Temperatur 850 hPa, was wohl auf unterschiedliches Timing zurückgeht.
Der Trend ist aber eindeutig. Im Laufe der nächsten Woche nimmt die Spreizung
der Kurven zu, wobei die Temperaturen ab Mittwoch nach vorherigem Anstieg ein
sehr unaufgeräumtes Bild ohne klare Tendenz abgeben. Beim Potenzial verläuft der
überwiegende Teil der Ensembles auf hohem Niveau, was auf Hochdruckeinfluss
hindeutet. Untermauert wird diese Aussage durch eine deutlich erkennbare Abnahme
der RR-Signale.

Die Clusterung startet am Wochenende (T+72…96h) gleich mal sehr facettenreich
mit der Maximalzahl sechs. Dabei weist die Konfiguration des hochreichenden
Tiefs kleine geometrische Unterschiede auf, was aber nichts an der windigen und
nassen Witterung bei uns ändert. Ab Montag (T+120…168h) reduziert sich die
Anzahl der Cluster auf vier. Alle zeigen die die Annäherung des Hochs bzw.
Höhenrückens, mal etwas eher, mal etwas später. Auch die Amplitude des Rückens
wird unterschiedlich simuliert. Bis auf CL2 (15 Fälle + HL), der eine nördliche
Westlage andeutet, läuft alles auf das Klimaregime „Blockierung“ hinaus. In
diese Kerbe hauen auch die Cluster 2 und 3 in der erweiterten Mittelfrist ab
Donnerstag (T+192…240h), wobei sich aber CL 3 (7 Fälle) alles andere als
störungsfrei zeigt. Ein schmaler Trog über dem östlichen Mitteleuropa gepaart
mit einer Bodenrinne verleiht der Strömungskonfiguration bei uns von Osten her
einen zyklonalen Einschlag. Störungsfrei sind auch die anderen beiden Cluster
nicht, insbesondere im Norden nicht, der am Rande der über Mitteleuropa
verlaufenden brückenartigen Hochdruckzone liegt.

FAZIT: Auch wenn Details noch offen sind, die anfangs regenreiche und windige
Witterung werden von der Statistik ebenso bestätigt wie die nachfolgende
Beruhigung.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Wind respektive Sturm und Regen sind die Themen, die den Beginn der Mittelfrist
prägen. Das geht am Samstag los, wenn erst der frontale Regen durchgeht, danach
einige Schauer folgen und in der Nacht dann der wellengebundene skalige Regen
folgt. Akkumuliert bis Sonntagfrüh muss insbesondere in den Weststaulagen der
westlichen, zentralen und südwestlichen Mittelgebirge mit Mengen zwischen 30 und
50 l/m² gerechnet werden. Da die Welle ziemlich schnell ziehen soll, ist
markanter Dauerregen in tieferen Lagen weniger wahrscheinlich, gebietsweise aber
nicht ganz ausgeschlossen. Am Sonntag dürfte sich der skalige Regen im Süden
rasch zurückziehen, gleichwohl könnte es anfangs im Stau von Schwarzwald und
Allgäu noch zu warnwürdigem Dauerregen reichen. Ein „Regenauge“ geht auch in
Richtung Deutsche Bucht, wo sich am Samstag und Sonntag eine Art
Dauerschauerlage einstellt und in der Akkumulation bis Montagfrüh einiges an
Regen zusammenkommen kann (laut IFS und ICON 40 bis 50 l/m², lokal noch mehr).
Ob man das bei Bedarf schlussendlich mit mehrstündigem Starkregen oder
Dauerregen abwarnt, muss zeitnah diskutiert werden.

Punkt 2 betrifft den Wind, der es von Samstag bis Montag auf die Anzeigetafel
schafft. Los geht es schon in der Nacht zum Samstag an und auf der Nordsee, wo
der S-SW-Wind präfrontal bis in den Sturmbereich geht. Tagsüber lässt das dann
aber nach, während das höhere Bergland durchweg anfällig ist für Böen 8-9 Bft,
exponiert sogar 10 Bft. Interessant wird es in der Nacht zum Sonntag im Süden
südlich der Welle, wo je nach Lage ebenfalls Böen 8-9 (10) Bft erwartet werden
können.
Am Sonntag wird es dann an der Nordsee wieder zunehmend stürmisch und am Montag
könnte es mit Winddrehung auf NW an beiden Küsten für Böen 8 Bft, exponiert 9
Bft reichen.

Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit IFS und IFS-EPS.

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann