S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 23.09.2022 um 10.30 UTC

Niederschlagsreicher und kühler Witterungsabschnitt, Sturm nicht ausgeschlossen.
Zum Ende hin (moderate) Erwärmung, aber unter unbekannten Vorzeichen.

Synoptische Entwicklung bis zum Freitag, den 30.09.2022

Die Mittelfrist verspricht eine nasse Angelegenheit zu werden, was die Natur
angesichts der sommerlichen Trockenheit trotz zum Teil deutlich feuchterem
September bisher aber sicherlich weiterhin willkommen heißt. Letztlich ist
diesem Szenario sogar einem Hurrikan geschuldet, der aktuell vor der Ostküste
Nordamerikas liegt und auf den Namen FIONA hört. FIONA bewirkt bei ihrer
extratropischen Umwandlung vor Neufundland stromab eine Amplifizierung der
Rossbywelle, was einerseits im Sinne eines „Downstream Developments“ eine
Aufwölbung eines Rückens über dem Nordostatlantik, andererseits aber auch eine
Austrogung vom Nordmeer gen Mitteleuropa bewirkt.

Eben jener Trog verhält sich in der ab Montag beginnenden Mittelfrist aufgrund
der durch die Amplifizierung der Rossbywelle ziemlich meridionalen Strömung im
Wochenverlauf fast quasistatiönar, wobei er von Nordmeer kommend über der
Nordsee und Dänemark eindreht und dann bis mindestens Donnerstag um sich selbst
rotiert („TrM“). Am Boden sind damit ebenfalls Tiefdruckgebiete verbunden, die
mit nördlicher bis nordwestlicher Strömung über dem Meer erwärmte und feuchte
bzw. niederschlagsreiche Luftmassen polaren Ursprungs nach Deutschland lenken.
Die T850 hPa liegen entsprechend nur zwischen -1 und 5 Grad. Mit Entwicklung von
Randtiefs durch um den Trog herumlaufende Kurzwellen könnte es zudem einen
ersten Herbststurm geben (am heutigen Freitag ist übrigens Herbstanfang).

Am Freitag kommt ein wenig Bewegung in die Sache, wenn aus der Labradorsee
heraus ein Kaltluftvorstoß erfolgt, der wiederum eine Zyklogenese über dem
Nordostatlantik auslöst. Damit wird der Rücken über dem Nordostatlantik nach
Osten gedrängt, was auch unseren Trog Richtung Skandinavien verschiebt. Der
schnell abflachende Rücken erreicht im Tagesverlauf Frankreich, sorgt allerdings
höchstens für kurze Wetterberuhigung bei uns. Bei Drehung der Strömung auf West
steigen die T850 hPa auf 1 Grad im Norden bis 8 Grad im Süden.

In der erweiterten Mittelfrist ab Samstag gelangen wir auf die Vorderseite des
neuen Tiefdruckgebietes über dem Nordostatlantik, das nun auf die Britischen
Inseln zusteuert („SWz“). Die Ausläufer des Tiefs erfassen bereits am Samstag
Deutschland, sodass der Tiefdruckeinfluss erhalten bleibt. Bei weiterer
Rückdrehung des Windes wird aus Südwesten dann sehr milde Luft mit T850 hPa von
7 bis 13 Grad nach Deutschland geführt. Im Süden könnte damit sogar der
„Altweibersommer“ Einzug halten, da das Tief auf nordöstlicher Zugbahn nach
Skandinavien weiterzieht und der Hochdruckeinfluss dann zunehmen soll. Die
nächsten Kapitel werden jedoch klarmachen, dass dahinter größere Fragezeichen zu
machen sind.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die Konsistenz lässt bereits am Dienstag deutlich nach. Zwar wird an den
großskaligen Parametern mit dem Troggeschehen über Mitteleuropa kaum gerüttelt,
in den Details offenbaren sich jedoch größere Unterschiede mit durchaus
stärkeren Konsequenzen für unser Wettergeschehen. So hatte beispielsweise der
gestrige 12 UTC-Lauf des EZMW eine Art „Schnellläufer“ in petto, der am Mittwoch
über Frankreich bis Donnerstag nach Benelux wandern sollte. Mit recht starken
Gradienten wäre das auf Sturm hinausgelaufen. Im neuesten Lauf von heute wird so
ein Randtief mit weniger starkem Gradienten am Mittwoch über den Britischen
Inseln gezeigt, es soll bis Donnerstag nach Süddeutschland vorankommen, ganz im
Süden könnte es auch bei dieser Variante stürmisch werden. Am Freitag und
Samstag ist im neuesten Lauf sogar ein weiteres solches Tief auf ähnlicher
Zugbahn und mit ähnlicher Stärke zu erkennen. Die anschließende Trogvorderseite
in der erweiterten Mittelfrist ab Samstag haben zwar beide Läufe drin, der
gestrige 12 UTC-Lauf setzte diese aber südlicher an. Der gestrige 0 UTC-Lauf
brachte weder Schnellläufer/Randtief noch Trogvorderseite zum Ende der Woche.
Gemeinsam ist allen Läufen die recht üppige Niederschlagsentwicklung, lässt man
dabei Details wie zeitliche und räumliche Verläufe außer Acht.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Beim GFS und bei ICON ist ebenfalls Trog-/Tiefdruckeinfluss das Hauptthema,
allerdings nehmen die Unterschiede insbesondere ab Mittwoch zu.
Randtiefentwicklungen gibt es zwar nicht, dafür kommt GFS aber am
Freitag/Samstag mit einem ausgewachsenen Tief über Norddeutschland daher, das
ziemlich viel Wind bringen könnte. Beim ICON erfolgt dann ein Abtropfen über den
Britischen Inseln und Frankreich, wobei Deutschland unter anhaltendem
Tiefdruckeinfluss ohne Sturm verbleiben würde, es jedoch auch zu einer Erwärmung
kommen soll.
JMA schließt sich im Groben und Ganzen dem ICON an.
GEM ist der EZMW-Lösung recht nahe.
NAVGEM wandelt anfangs ebenfalls auf EZMW-Pfaden, ab Mitte der Woche übernimmt
aber ein Trog zwischen Island und den Britischen Inseln das Geschehen. Damit
verbunden wären der Tiefdruckeinfluss schwächer, die Niederschläge geringer und
die Temperaturen bereits ab Donnerstag höher.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

RAUCHFAHNEN:
Die Rauchfahnen sind bis zum Montag eng gebündelt, anschließend öffnen sie sich
jedoch. Temperatur- und Potenzialrückgang sind dabei allerdings unstrittig,
ebenso eine Erwärmung im Laufe der Woche. Ob es jedoch zu einer deutlichen
Erwärmung zum übernächsten Wochenende hin kommt, ist eher fraglich, läuft der
Hauptlauf doch sowohl bei T850 hPa als auch beim Geopot 500 hPa jeweils an den
oberen Rand der Streuungen. Die Trogvorderseite ist damit ebenfalls sehr
unsicher (und dadurch auch der „Altweibersommer“ im Süden). Niederschlagssignale
sind jeden Tag vorhanden, am stärksten am Montag/Dienstag und am
Freitag/Samstag.

CLUSTER:
Zwischen Mittwoch und Freitag werden 3 Cluster gebraucht, um die Unsicherheiten
im Ensembleraum zu beschreiben. Alle zeigen zwar den Trog im NAO negativ-Regime,
allerdings in unterschiedlicher Ausprägung bzw. Konfiguration. Damit stellt sich
vor allem die Frage der Randtiefentwicklung(en).
Zwischen Samstag und Montag (erweiterte Mittelfrist) gibt es 6 Cluster mit
erheblichen Unterschieden und allen möglichen Varianten, deren Erläuterungen
hier nicht zielführend wären, da mit einem neuen Lauf wahrscheinlich schon alles
wieder anders aussieht.

FAZIT:
Der Trog-/Tiefdruckeinfluss („TrM“) mit wiederholten Niederschlägen bei
sinkenden Temperaturen in der kommenden Woche ist gesichert, Details müssen aber
noch geklärt werden. Insbesondere die Randtiefvorhersage ist problematisch,
wobei die Modelle Lösungen von „Gibt es nicht“ bis „es kommen sogar Zwei!“
anbieten und Sturm daher eine Option ist. Bereiten diese Vorhersage schon
Schwierigkeiten, so wird es in der erweiterten Mittelfrist „vogelwild“. Eine
Vorhersage dafür ist eigentlich unmöglich, einzig eine moderate Erwärmung
scheint recht sicher.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

WIND:
EFI liefert von Montag bis Mittwoch schwache Signale für starken Wind im Süden
und Westen. In den Ensembles zeigen sich bisher aber nur an der Nordsee am
Montag und im Bergland erhöhte Wahrscheinlichkeiten für stürmische Böen Bft 8.

REGEN:
EFI gibt am Montag im Nordwesten Signale für überdurchschnittlich viel Regen
aus. Die Ensembles folgen diesen Signalen allerdings bisher nicht.
Beim COSMO LEPS sind dafür am Dienstag am westlichen Alpenrand geringe
Wahrscheinlichkeiten für mehr als 30 l/qm in 24 Stunden vorhanden.

SCHNEE:
Am Dienstag sind in höheren Lagen am Alpenrand (Schneefallgrenze auf rund 1200
bis 1400 m absinkend) die Wahrscheinlichkeiten für mehr als 15 cm/24 Stunden
leicht erhöht.

Basis für Mittelfristvorhersage
EZMW, EZMW-EPS. Zum Ende hin MOSMIX als klimatologisches Mittel.

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Simon Trippler