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S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 11.09.2022 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Am Montag vorübergehender Zwischenhocheinfluss. Ab Dienstag Vierdruckfeld mit
Frontogenese und nachfolgend in der Südhälfte teils ergiebigen Regenfällen und
kräftigen Gewittern.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC

Aktuell … erkennt man über Deutschland einen etwas unaufgeräumten Himmel mit
mal mehr, mal weniger dichten Wolken und noch einigen Schauern, deren Ende nun
aber eingeläutet wird. Zum einen sorgt die nun untergehende Sonne für einen
Lieferstop der für konvektive Bewölkung und Umlagerungen erforderlichen
Strahlungsenergie. Zum anderen rückt von Westen her ein schöner Höhenrücken
immer dichter an den Vorhersagerum heran, was das Absinken und die Bildung einer
gleichnamigen Inversion forciert. Am Boden befinden wir uns schon den ganzen Tag
über unter Hochdruckeinfluss, auch wenn die Wahrnehmung vielerorts eine andere
war. Von Nordwestafrika über Mitteleuropa bis hoch zur Norwegischen See
erstreckt sich eine umfangreiche, nur wenig progressive Hochdruckzone, in der
der Schwerpunkt (RONALD) heute Mittag mit etwas über 1020 hPa über
Süddeutschland zu finden war.

Also, in den nächsten Stunden werden Wolken und Schauer immer weniger und es
bildet sich gebietsweise Nebel mit Sichtweiten teils unter 150 m. In der frisch
eingeflossenen Nordseeluft geht die Temperatur auf 12 bis 6°C, in einigen
Mittelgebirgsmulden noch etwas darunter zurück. Dafür bleibt es direkt an der
See etwas milder.

Montag … steht uns ein spätsommerlicher Wochenstart bevor und den sollte man,
sofern man trockene Verhältnisse für was auch immer benötigt, nutzen, denn ab
Dienstag kippt das Wetter bereits wieder. Morgen beehrt uns aber besagter
Höhenrücken, der sich über den gesamten Vorhersageraum legt. Vorderseitig wird
das Bodenhoch langsam nach Osten geschoben, die meridional exponierte
Divergenzachse überquert am Spätnachmittag/Frühabend die Oder und Neiße.
Dahinter dreht der weiterhin schwache Wind auf Ost bis Süd, was vor allem im
Süden und Westen einen Temperaturanstieg zur Folge hat. Am Abend reicht die
Spanne der 850-hPa-Temperatur von etwa 7°C an der Oder bis zu 15°C in Südbaden.
Bei vielfach sonnigen oder nur locker bewölkten, ganz im Osten auch mal wolkigen
Verhältnissen kann sich die Luft auf rund 20°C in Vorpommern und 25 oder 26°C am
Rhein und seinen Nebenflüssen erwärmen.

Im Tagesverlauf nimmt die Bewölkung von der Nordsee immer mehr zu, was der
Annäherung des kleinen, aber hochreichenden Tiefs QUEENIE geschuldet ist. Dieses
Tief befindet sich schon heute auf der Wetterkarte knapp süd-südöstlich von
Island, von aus es unter Intensivierung zur südnorwegischen Westküste zieht.
Morgen Mittag 12 UTC soll es mit etwas unter 1000 hPa zwischen den Färoers
respektive den Shetlands und Syinoy (NOR) aufschlagen. Die Warmfront des
zugehörigen Frontensystems steuert die Deutsche Bucht an und bringt in den
Abendstunden die ersten zaghaften Tropfen nach Nord- und Ostfriesland,
vielleicht auch nach Dithmarschen und Schleswig-Flensburg.

In der Nacht zum Dienstag fällt der Luftdruck von Nordwesten her weiter und von
der Nordsee her breitet sich frontaler Regen landeinwärts bis etwa zu einer
Linie Darß-Ostniedersachsen-Westfalen aus. Hier und da sind durchaus 5 bis 10
l/m² innert 12 h drin. Nach Süden und Südosten hin sorgt der sich zwar
abschwächende, zunächst aber noch präsente RONALD für eine gering bewölkte oder
klare Nacht mit einigen Nebelfeldern und Abkühlungsraten, die nicht selten
Tiefstwerte unter 10°C bringen.

Dienstag … macht die Zyklonalisierung bei uns weitere Fortschritte, was auf
zwei Prozesse zurückgeht. Zunächst kommt die teilokkludierte Kaltfront der auf
das südskandinavische Festland ziehenden QUEENIE noch etwas weiter in Richtung
Mitte voran, wo sie aber zusehends ausgebremst wird – womit wir bei Prozess #2
wären. Um den zu verstehen, müssen wir etwas großräumiger gucken und denken.
Inzwischen hat sich um uns herum ein fast schon als lehrbuchmäßig zu
bezeichnendes Viererdruckfeld etabliert, dessen frontogenetische Eigenschaften
zunehmend bei uns Einzug halten. Bestehen tut das Quartett aus dem sich Richtung
Südosteuropa zurückziehenden Hoch RONALD, dem ein noch namenloses Hoch
süd-südwestlich Islands diametral gegenübersteht. Den zyklonalen Part besetzen
besagte QUEENIE im Norden und der ehemalige Tropensturm Ex-DANIELLE, der mit
Doppelkernstruktur inzwischen die Biskaya und das Seegebiet knapp westlich der
Iberischen Halbinsel erreicht hat. Während das nördliche Pärchen polare
Meeresluft nach Süden verfrachtet, schaufelt das südliche Pärchen Warmluft in
Richtung Norden. Treffen tun sich die beiden Luftmassen über Teilen West- und
Mitteleuropas, darunter auch in Deutschland, wo sich ein mordsmäßiger
Temperaturgradient aufbaut. Am Abend reicht die Spanne der 850-Temperatur von
etwa 6°C an der Grenze zu Dänemark bis nahe 20°C im südlichen Alpenvorland, was
satten 14 Kelvin entspricht. Frontogenese pur, auch wenn die Verteilung der
Isothermen noch relativ äquidistant angeordnet ist (also keine ganz klare,
hochbarokline Frontalzone gegeben ist). In der Höhe ist der Rücken inzwischen
merklich durch das Höhentief gestutzt worden, wodurch bei uns eine Zonalströmung
entstanden ist.

Und was bedeutet das Ganze nun für den Wetterablauf? – Zunächst mal kommt das
frontale Regengebiet aus dem Nordwesten unter leichtem Intensitätsverlust noch
weiter in Richtung Osten und Mitte voran, wobei die Mengen meist unter 5 l/m²
bleiben. Rückseitig lockert die Wolkendecke von der Nordsee her auf und die Luft
trocknet so weit ab, dass Schauer selten sind und am ehesten über der See
auftreten. Ansonsten zeigt sich zeitweise die Sonne bei einem an der Küste
auffrischenden, auf West bis Nordwest drehenden Wind mit einzelnen Böen 7 Bft.

In der Mitte setzt zum Nachmittag hin von Westen her „neuer“ Regen ein, der der
Frontogenese geschuldet ist und eigentlich nichts mit dem o.e, frontalen Regen
aus dem Norden zu tun hat. Betroffen sind zunächst RP und das südliche NRW, von
wo aus ich der Regen via Hessen bis nach Franken ausbreitet. Die genaue
Positionierung muss allerdings noch ausgelotet werden.
Unbeeindruckt der komplexen Vorgänge weiter nördlich geben sich weite Teile
BaWüs und Bayerns, wo nicht nur die Sonne scheint, sondern auch noch mal ein
Sommertag mit über 25°C, am südlichen Oberrhein vielleicht sogar nahe 30°C auf
der Karte steht.

In der Nacht zum und am Mittwoch nehmen die frontogenetisch angefachten
Regenfälle richtig an Fahrt. Unterstützt durch flache, ostwärts ablaufende
Wellen kommt es zu einer Intensivierung der Niederschläge, die in der Südhälfte
gebietsweise in eine veritable, insbesondere in Staulagen bis in den
Unwetterbereich gehende Stark- und Dauerregenlage münden. Seien wir ehrlich, das
ist genau das, worauf einige Regionen seit Wochen warten, so dass eine sehr
wahrscheinlich am Dienstag herausgegebene Warnung – wie immer sie auch geartet
sein mag – mehr Segen als Fluch ist. Akkumuliert über 48 Stunden werden bis
Donnerstagmittag für große Teile der Südhälfte 10 bis 40 l/m², gebietsweise bis
60 l/m² und in Staulagen noch mehr Regen vorhergesagt. Nicht vergessen,
Ex-DANIELLE ist ein ehemaliger Hurrikan, der wahrscheinlich immer noch über ein
hohes Maß latenter Energie verfügt, so dass es nicht verwundern sollte, wenn
zumindest stellenweise noch mehr Regen fällt. Wie man das Ganze letztlich in
eine Warnung umsetzt, muss noch besprochen werden, weil das Ganze nicht allein
frontogentisch motiviert ist, sondern auf der warmen Seite auch noch eine nicht
unerhebliche konvektive Komponente dazu kommt. Bis in den Mittwoch hinein und
wahrscheinlich noch darüber hinaus kann es zu kräftigen, teils schweren
Gewittern kommen, die neben Starkregen auch Hagel und Sturmböen auf das Tableau
bringen. Auch abseits von Gewittern kann der westliche Wind im Süden mitunter
stark bis stürmisch auffrischen, je nachdem, ob eine Welle durchzieht oder
nicht.

In der Nordhälfte jedenfalls geht es wesentlich beschaulicher zu als im Süden.
In der einfließenden erwärmten Meereskaltluft stellt sich ein wechselnder
Wolkencharakter ein mit einer nur sehr geringen Schauerneigung. An der See weht
der West-Nordwestwind mäßig bis frisch mit Böen 6-7 Bft.

Mittwoch … siehe Abschnitt zuvor.

Modellvergleich und -einschätzung

Die beschriebene Entwicklung wird modellübergreifend simuliert, es wird also
hochinteressant und spannend nach einem aus synoptischer Sicht eher langweiligen
Wochenstart. Wo genau der meiste Regen fällt und wie der Spagat zwischen
skaligen (eher zur Mitte hin) und konvektiven (eher im Süden) Niederschlägen im
Warnmanagement umgesetzt wird, dürfte in den nächsten zwei Tagen noch reichlich
diskutiert werden. Möglicherweise kristallisiert sich ein mehr oder minder
schmaler Korridor heraus, für den eine 24- bis 48-stündige Dauerregenwarnung
ausgegeben wird (markant, Staulagen Unwetter), während die Gewitter weiter
südlich in situ abgewarnt werden. Auch das Instrument einer möglichen Vorabinfo
sollte schon im Laufe des Montags erörtert werden, auch wenn – ich kann es nicht
oft genug wiederholen – in vielen Regionen andauernder und auch ergiebiger Regen
mehr als willkommen ist.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann