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S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 07.09.2022 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
In feuchtwarmer Luft von Südwesten wiederholt organisierte Gewittertätigkeit,
dabei Unwettergefahr vor allem durch Starkregen. Allmählich zurückgehende
Temperatur.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC

Aktuell … erstreckt sich ein weit nach Norden ausgreifender Höhenrücken von
Mitteleuropa bis in die Norwegische See und weist dort ein Höhenhoch auf. Es
wird flankiert von einem Trog über dem nordöstlichen Europa, wo sich schon recht
kühle Luft aus der Arktis auf den Weg gen Süden macht und einem Höhentief bei
Irland. Bodennah liegen wir (wie schon seit langem) am Rande eines von dem
Rücken gestützten Hoch (Quintin) über Skandinavien und dem Nordmeer, an dessen
Südflanke nach wie vor mäßig warme und trockene Luft in den Nordosten gelangt.
So waren heute Nachmittag in Vorpommern vereinzelt noch Taupunkt unter 10°C zu
finden, während diese im restlichen Land meist um 15°C lagen. Von der Nordsee
bis zum östlichen Bergland liegt eine flache Tiefdruckrinne, an der bisweilen
auch flache kleine Tiefs auftreten. In dieser liegt die Grenze zu der feuchteren
und wärmeren Luft, die von Westen her am Rande des achsensenkrecht unter dem
Höhentief liegenden Bodentief Peggy einfließt. In dieser Luftmasse hat sich
heute vor allem im Süden, in der Mitte und im Osten wieder CAPE aufgebaut und
dort liegen die ppw’s bei 25 bis 30 l/m². Konvektion wurde auch ausgelöst und
mäßige hochreichende Scherung reichte für Multizellensysteme und einzelne
Superzellen aus, die nicht nur wegen Starkregens, sondern auch bezüglich des
Hagels mal unwettergefährlich werden konnten. Ganz im Nordosten hat ein nun
abziehender Kurzwellentrog auch Konvektionsreste herangeführt, die dort zwar am
sich Auflösen sind, aber für markante Gewitter hat es trotzdem gereicht. Zudem
feuchten sie die Luftmasse langsam durch den Regen von oben her an. Ganz im
Südwesten und Westen ist eine etwas trockenere und stabiler geschichtete
Luftmasse eingeflossen, in der die Gewittertätigkeit erst einmal nachgelassen
hat.

In den weiteren Abend- und Nachtstunden zum Donnerstag wird ein Kurzwellentrog
über Frankreich wetterbestimmend, der in der zweiten Nachthälfte durch kräftige
PVA markante Hebung in den Alpen und im Südwesten Deutschlands bringen will.
Schon weit im Vorfeld sollen verclusterte Gewitter von der Schweiz und
Frankreich her auf den Südwesten Deutschlands übergreifen, später in der Nacht
soll eine weitere Gewitterlinie von Frankreich her aufziehen. Gerade zu Beginn
können auch noch größerer Hagel und mitunter schwere Sturmböen mit von der
Partie sein, weil das CAPE noch hoch ist und auch ordentlich Scherung im Spiel.
Im Verlauf der Nacht dürfte die Labilitätsenergie etwas abnehmen, zudem verteilt
sich die Energie auf die vielen verclusterten Zellen, was die Hagelgefahr dämpft
und durch zunehmend abgehobene Konvektion geht auch die Böengefahr zurück.
Allerdings dürfte gerade die zweite Gewitterlinie gut organisiert sein, denn die
Scherung nimmt noch etwas zu. Vor allem die bodennahe Scherung im untersten
Kilometer steigt teils auf über 10 m/s an, dürfte aber bei der abgehobenen
Konvektion kaum noch eine Rolle spielen. Im Zentrum des Interesses steht in der
Nacht der Starkregen, der vielfach im „ockernen“ Bereich erwartet wird, wobei
mitunter auch mal ein mehrstündiges Kriterium Anwendung finden kann. In diesem
Umfang dürfte der Niederschlag einigermaßen willkommen sein, allerdings gibt es
auch Hinweise auf unwetterartigen Starkregen, nach Lesart des ICON-D2 vor allem
von Baden-Württemberg bis nach Franken. Auch der äußerste Westen könnte stärker
betroffen sein, was insbesondere auch einige Globalmodelle unterstützen. Blickt
man in die konvektionserlaubenden Modelle, so zeigt SuperHD einen Schwerpunkt
eher von Baden-Württemberg nach Südbayern, Arome (von 06 UTC) zeigt dagegen
eigentlich nur über dem Elsass überhaupt warnwürdige Summen. Insofern bleiben,
was die Konvektion der Nacht angeht, noch einige Fragen offen und es wird wohl
wieder einmal sehr aufs Nowcasting ankommen. Im Vorfeld der erwähnten Gewitter
können die letzten der „Tagesgewitter“ noch etwas in den Nordosten vorankommen,
wo sie dann hinter der bodennahen Konvergenz zunehmend mit Gegenwind zu tun
bekommen und immer langsamer ziehen, so dass sich im Nordosten (nach ICON-D2 im
östlichen Sachsen-Anhalt und in der Uckermark) so eine Art „Gewitterfriedhof“
etabliert, in dem die Gewitter mangels Labilität langsam sterben, sich aber
vorher noch ordentlich ausregnen, so dass es auch dort markanten Starkregen
geben kann.
In den Regionen zwischen den Gewittern können die Wolken auch mal umfangreicher
auflockern, insbesondere in der nördlichen Mitte, wo der Wind recht schwach ist,
kann sich dann auch Nebel bilden. Gar nicht schwach ist der Wind dagegen Ostsee,
wo der Ostwind durchaus mal an den Warnschwellen kratzen kann, aber in der Nacht
wird wohl noch keine Windwarnung nötig werden. Die Temperatur geht überwiegend
auf 16 bis 12 Grad zurück.

Am Donnerstag … kommt das hochreichende Tief Peggy langsam ostwärts voran, es
liegt zur Mittagszeit über der Irischen See, der zugehörige Randtrog schwenkt
nordostwärts zur Mitte Deutschlands. Die mit dem Trog korrespondierende Rinne
orientiert sich bis zum Abend in etwa am Verlauf der Elbe. Dabei kristallisieren
sich innerhalb der Rinne modellübergreifend über der Nordsee und über der
Lausitz eingelagerte kleine Tiefzentren heraus, wie es bei derart
langgestreckten Rinnen häufig zu beobachten ist. Vor allem letztgenannten könnte
durch verstärkten Hebungsimpuls und begünstigte Scherungsbedingungen eine
entscheidende Rolle zukommen. Die in der Nacht aufgezogenen gewittrigen
Regenfälle, die sich stark auf die Bereiche der Rinne konzentrieren, werden
dabei auf dem Weg nach Norden und Osten entsprechend ebenso zunehmend
ausgebremst. Damit nimmt dort die Wahrscheinlichkeit speziell für mehrstündigen,
teils heftigen Stark- oder ergiebigen Dauerregen deutlich zu, obwohl die
Labilität der Luftmasse immer weiter aufgebraucht wird. Kräftige
Einzelentwicklungen mit Hagel und/oder Sturmböen werden somit immer
unwahrscheinlicher. Die Prognosetemps sind hochreichend gesättigt und auch die
0-Grad-Grenze ist mit etwas über 3000 m noch ziemlich hoch, weshalb wir es mit
einer klassischen „warmen Regenlage“ zu tun haben. Bei dieser unterschätzen die
radarbasierten Niederschlagsprodukte wie z.B. das RH gerne mal die Summen.

Was bietet uns die Modellwelt eigentlich so an? ICON6, IFS und UK10 haben durch
die Bank Signale für das Überschreiten markanter Warnschwellen mit 12-stündigen
Mengen zwischen 30 und 50 mm im Programm, vor allem für Teile des Ostens
(Stichwort: eigenständiges Drehzentrum). Die konvektionserlaubenden Modelle
gehen da gar nicht mal drüber, sondern sind in der Fläche teilweise sogar
verhaltener, was eindeutiges Indiz für den zunehmend reduzierten Anteil an
eingelagerten Gewittern ist. ICON-D2-EPS zeigt in einem breiten Streifen von der
Ostsee bis Thüringen flächendeckend 40-80% für mehr als 25 mm binnen 12 Stunden.
Die Wahrscheinlichkeiten für Unwetter mit Mengen über 40 mm binnen 12 Stunden
sind mit bis zu 50% vor allem in Sachsen-Anhalt und Thüringen, aber auch entlang
der Neiße am höchsten. Die Kunst wird im Warnmanagement auch darin bestehen, die
Regenmengen im Optimalfall mit ausreichend Vorlauf verbreitet ocker abzuwarnen
und gewittrige „HotSpots“ (die dann wohl erst zum
Überschreiten der Unwetterkriterien führen) entsprechend erst im Nowcasting
„drüberzulegen“.

Die ostseenahen Gebiete sind noch am längsten außen vor, da hier noch immer der
trockene Ostwind zu stark dagegenhält. Allerdings verschärft sich durch die
Annäherung der Rinne von Süden der Gradient weiter und es treten an den
auflandigen Küstenabschnitten Vorpommerns zunehmend stürmische Böen (Bft 8),
exponiert (Nordspitze Rügens) auch Sturmböen (Bft 9) auf. Rückseitig der Rinne
schiebt sich ein Keil nach Süddeutschland, was zu einer recht markanten
Druckanstiegswelle führt. So fließt mit ebenfalls spürbarem, in Böen teils
starkem Südwestwind trockenere und etwas kühlere (aber immer noch stark
erwärmte) Meeresluft (T850 zwischen 8 und 11°C) in den Süden und Westen ein. Sie
ist allerdings noch leicht labil geschichtet, sodass vereinzelte Schauer
auftreten können, auch kurze Gewitter sind nicht ganz ausgeschlossen. Neben
Schauern und Quellwolken zeigt sich aber vor allem im Südwesten längere Zeit die
Sonne. Die Höchstwerte liegen meist zwischen 20 und 24°C.

In der Nacht zum Freitag wird die Rinne mit den schauerartigen, anfangs teils
auch noch gewittrigen Regenfällen im Norden und Nordosten nur langsam nordwärts
herausgedrückt. Allerdings nimmt die Niederschlagsintensität sukzessive ab und
damit auch die Unwettergefahr durch den Stark- und/oder Dauerregen. Von
Schleswig-Holstein bis nach Vorpommern fallen dabei aber nochmal gut und gerne
20 bis 30 mm binnen 12 Stunden, lokal auch etwas darüber. Da dies sehr
gleichmäßig geschieht, ist es für viele ein Segen, wenn ein Signal der
Stark-/Dauerregenwarnung auf den Displays aufleuchtet. Mit der Verlagerung der
Rinne dreht auch ganz im Nordosten der Wind auf südliche Richtungen und nimmt
deutlich ab, so dass es an der See keine Windwarnungen mehr braucht.

In den übrigen Regionen klingen die Schauer unter dem Einfluss des Hochkeils
über dem Alpenraum zunächst ab und es klart auf. Im Südwesten nimmt die
Schauerneigung im Nachtverlauf aber wieder zu, da sich der Haupttrogbereich des
sich nach Südengland verlagernden hochreichenden Tiefs Peggy langsam annähert.
Die Luft kühlt ab auf 13 bis 7°C, an der Nordsee bleibt es mitunter milder.

Am Freitag … verlagert sich Peggy zur Themsemündung. Der Haupttrogbereich
greift auf die Südwesthälfte Deutschlands über und sorgt für zyklonale
Verhältnisse. Die schmale Tiefdruckrinne, die anfangs noch über dem Nordosten zu
finden ist, verliert an Kontur bzw. geht in einen breiter angelegten, zonal
orientierten Bodentrog über der Nordhälfte über. Letzte Regenfälle der
ehemaligen Rinne über dem Nordosten ziehen zur Ostsee ab, danach ist es dort wie
auch in Teilen des Ostens bei wechselnder Bewölkung überwiegend trocken.
Ansonsten labilisiert die einfließende maritime, erwärmte Meeresluft mit
Übergreifen des Trogbereiches und einigermaßen höhenkalter Luft (T500 bei
-18/-19°C, T850 zwischen 7 und 10°C). Somit stellt sich wechselhaftes
Schauerwetter ein. Bei ML-CAPE-Werten von einigen hundert J/kg sind auch kurze
Gewitter wahrscheinlich. Meist sind es pulsierende Einzelzellen, die vereinzelt
mal Starkregen mal bringen. Im Süden ist etwas mehr hochreichende Scherung am
Start, sodass ein gewisser Organisationsgrad zu erwarten ist und neben
Starkregen auch Hagel und Sturmböen möglich sind.

Der Südwestwind weht vor allem im südwestdeutschen Bergland mäßig bis frisch, in
Böen stark bis stürmisch. Exponiert sind im Schwarzwald Sturmböen möglich. Die
Höchsttemperaturen liegen recht einheitlich zwischen 19 und 24°C.

In der Nacht zum Samstag gelangt unser Land gänzlich in den Bereich des Troges
bzw. Höhentiefs, wobei der Kern des Höhentiefs am frühen Morgen in Ostfriesland
erwartet wird, das Bodentief Peggy knapp westlich davon. Im zentralen Bereich
des Höhentiefs erwartet uns zwar nur noch wenig Hebungsantrieb, allerdings
dürfte es in der „höhenkühlen“ und auch in der Nacht weiterhin leicht labil
geschichteten und feuchten Luftmasse zu weiteren Schauern und einzelnen Gewitter
kommen, wobei deren Zahl und Intensität im Nachtverlauf sinken sollte. Damit
kommt man auch häufiger mit gelben Gewittern aus und die Starkregenwarnungen
sollten höchstens ganz vereinzelt noch nötig sein. Ganz im Osten ist die
Luftmasse ein wenig trockener, so dass es dort auch mal größere Wolkenlücken und
generell weniger Schauer geben sollte. Meist kühlt es auf 14 bis 9°C ab.

Am Samstag … wandern Höhen- und Bodentief ganz langsam über Norddeutschland
hinweg ostwärts, wobei sich die bodennahe Peggy langsam auffüllt. Damit liegt
ganz Deutschland im Zentralbereich des Höhentiefs in einer Meeresluftmasse, die
in 850 hPa um +8°C warm ist, in 500 hPa sind es um -18°C, so dass die auch
feuchte (Temps oft hochreichend gesättigt oder sehr feucht) Luftmasse im Laufe
des Tages wieder einiges an Labilität gewinnt und im Tagesverlauf die aufgrund
mangelnder Scherung nur wenig organsierten Einzelzellen (pulsierende Konvektion)
wieder recht zahlreich werden, allerdings oft nur maximal steife Böen bringen,
kaum kleinkörnigen Hagel und wohl auch nur an manchen Zellen Starkregen. Etwas
mehr Organisation kann man sich ganz im Süden vorstellen, wo vielleicht mal
Multizellenkomplexe ostwärts ziehen und wo dann die Intensität etwas stärker
ist. Sieht man auf die Niederschlagsprognosen, so sind in allen Landesteilen die
Chancen auf etwas Regen gut. Zwischen den vielen Quellwolken kommt die Sonne nur
ab und zu zum Vorschein, immerhin erreichen die Temperaturen in der
Biskayaluftmasse jahreszeitgemäße 19 bis 23°C. Der Wind spielt im Norden keine
allzu große Rolle. Dort weht er im Bereich des Tiefs schwach und umlaufen. Im
Süden ist er stärker und weht mäßig, im Bergland frisch und in Böen auch stark
böig aus Südwest.

Modellvergleich und -einschätzung

Auf synoptisch-skaliger Ebene sind sich die vorliegenden Modelle sehr einig.
Selbst die kleinräumigen Tiefs in der Rinne, die für morgen simuliert werden,
sind sehr ähnlich positioniert. Dennoch gibt es sowohl heute Nacht als auch
morgen bezüglich der Positionierung und Stärke der Gewitter und des Starkregens
noch deutliche Unsicherheiten.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl.-Met. Peter Hartmann