S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 07.09.2022 um 10.30 UTC

Am Wochenende unbeständig, vor allem Samstag häufig Schauer und Gewitter. Bis
Montag Wetterberuhigung, danach nach wie vor größere Unsicherheiten.

Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 14.09.2022

Beim Blick auf die Geopotenzialverteilung in 300 bzw. 500 hPa fällt die total
gestörte Zirkulation über dem nordatlantisch-europäischen Raum auf mit deutlich
zu hohem Geopotenzial über dem Nordwestatlantik (Neufundland bis Island, was
sich inzwischen in einer exorbitant hohen positiven Anomalie der
Wasseroberflächentemperatur vor Neufundland mündet, und einer in mehrere
Höhentiefs bzw. -tröge zerfallene „Frontalzone“ weiter südlich.
Dazu mischen noch die beiden Ex-Hurrikane „Danielle“ und „Earl“ ordentlich mit,
was die Mittelfristprognose für das Vorhersagegebiet vor allem ab Beginn
kommender Woche noch zusätzlich erschwert. Im Groben kristallisieren sich dann
aber zwei Szenarien heraus. Dazu später mehr.

Zunächst aber zur Wetterentwicklung am Wochenende:
Am Samstag befindet sich Deutschland im Einflussbereich eines recht breit
angelegten Höhentroges bzw. Höhentiefs, das sein Drehzentrum in 500 hPa unter
Abschwächung bis Sonntag, 00 UTC allmählich vom Nordwesten in den Osten des
Landes verlagert, wobei sich ein weiteres hochreichendes Tief über dem Westen
der Ukraine entwickelt. Im Bodenfeld erstreckt sich eine breit angelegte
Tiefdruckrinne über den Norden und Osten des Landes ostsüdostwärts. Im
Einflussbereich des Troges sind über dem Vorhersagegebiet keine großräumigen
dynamischen Hebungsprozesse auszumachen, dennoch entwickeln sich mit dem
Tagesgang in feuchtlabiler und mäßig warmer Luftmasse (um 8 Grad in 850 hPa) vor
allem im Süden, Westen und in der Mitte immer wieder Schauer und Gewitter,
kleinräumig kann es auch mal längere Zeit schauerartig regnen. Dabei dürften
quasi alle Regionen mit Niederschlägen versorgt werden, wobei es bzgl. der
Mengen größere Unterschiede gibt. Lediglich im Norden und Nordosten, an der
Nordflanke der Rinne, gibt es im Einflussbereich der von Osten her einsickernden
etwas trockeneren Luftmasse auch längere trockene und sonnigere Phasen.

Am Sonntag kommt nun Ex-Hurrikan „Danielle“ ins Spie, der sich als
außertropisches Tief ins Seegebiet nordwestlich der Iberischen Halbinsel
verlagert. WLA auf dessen Vorderseite lässt über Frankreich und GB einen
markanten Höhenrücken aufwölben, der in der Nacht zum Montag auf die Nordsee
übergreift, wodurch der Höhentrog über Mittel- nun komplett nach Osteuropa
abgedrängt wird. Im Bodenfeld füllt sich die Tiefdruckrinne auf und weicht einem
flachen Hochkeil.
Die Luftmasse bleibt zunächst vor allem nach Osten du Süden zu noch feucht und
labil geschichtet, so dass sich vor allem dort erneut Schauer und einzelne
Gewitter entwickeln, die aber nicht mehr so verbreitet auftreten wie am Vortag
und auch schwächer ausfallen. Im Norden und Westen setzen sich bereits
trockenere Luftmasse durch. Abends und in der Nacht zum Montag sollte es dann
auch in der Südosthälfte trocken bleiben, der Himmel klart teilweise auf und es
bildet sich gebietsweise Nebel.

Zu Beginn kommender Woche wird die Prognose dann deutlich unsicherer. An diese
Stelle wird deshalb nur ein kurzer Abriss über die vom IFS simulierte
Entwicklung bis in die zweite Hälfte der kommenden Woche gegeben.

Zünglein an der Waage ist dabei (zumindest zunächst einmal) nicht „Ex-Earl“,
sondern ein Cut-Off-Tief südlich von Island. Dieses scheint nach Lesart des IFS
am Montag mit „Ex-Danielle“ als Dipol zu interagieren, kann von der latenten
Wärmeenergie des ehemaligen Tropensturms profitieren, gewinnt aber am Ende die
Oberhand und verlagert sich als kräftiges Höhentief am Dienstag zunächst
westlich von Irland nach Süden, dreht westlich der Biskaya schließlich nach
Osten bzw. Nordnordosten ab und kommt bis Donnerstag über die Biskaya und
England zur schottischen Nordseeküste voran.
An dessen Ostflanke kann sich der Höhenrücken über dem westlichen Mitteleuropa
zunächst deutlich verstärken und schwenkt bis Donnerstag allmählich über
Mitteleuropa hinweg ostwärts.
Im Bodenfeld etabliert sich aus dem Hochkeil über dem Vorhersagegebiet ein
eigenständiges Hochdruckgebiet, das sich bis Mittwoch allmählich nach Osteuropa
verlagert. An dessen Westflanke gelangt von Südwesten her seht warme, am
Dienstag und Mittwoch auch heiße Subtropikluft (850 hPa-Temperatur im Westen und
Süden vorübergehend um oder gar über 20 Grad!) ins Vorhersagegebiet. Dabei
scheint am Montag und Dienstag verbreitet die Sonne und es bleibt trocken, mit
beginnender Advektion potenziell instabiler Luftmasse in den Süden und Westen
kann es am Dienstag an den Alpen und im südwestdeutschen Bergland eventuell
vereinzelte (kräftige) Gewitter geben. Vor allem am Dienstag steht – außer im
Nordosten – vielerorts ein heißer Tag ins Haus.
In der Nacht zum und am Mittwoch nimmt dann die Advektion instabiler Luftmassen
zu, bereits nachts kann es im Westen und Nordwesten erste Gewitter geben, die
sich am Mittwoch auf die Westhälfte und den Südwesten ausweiten und kräftig sein
können. Vorher wird es vor allem im Süden und Osten nochmals heiß.

In der erweiterten Mittelfrist im Laufe der zweiten Wochenhälfte verlagert sich
das Höhentief über die Nordsee hinweg nordnordostwärts, trogt dabei nach
Südwesten, Richtung Britische Inseln aus, wobei der Trog durch von Nordwesten
hereinlaufende Randtröge regeneriert wird. Dabei stellt sich über dem
Vorhersagegebiet eine zunehmend zyklonale Südwestlage ein mit Schauern und teils
kräftigen Gewittern, wobei es mäßig warm bis warm bleibt.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Bis zum Wochenende kann dem aktuellen IFS-Lauf eine gute Konsistenz zu den
beiden Vorläufen bescheinigt werden.
Zu Beginn kommender Woche ändert sich das zum Teil drastisch, wofür „Danielle“
und das oben angesprochene Cut-Off-Tief verantwortlich sind. Diesen
Cut-Off-Prozess haben die beiden gestrigen Läufe nämlich gar nicht auf der
Agenda. Nach Lesart beider Läufe tropft der Trog nicht ab, sondern verlagert
sich über das Nordmeer nach Nordskandinavien. Dabei hängt am Dienstag ein
Randtrog südwestwärts bis zu den Britischen Inseln zurück, fängt den durch
„Danielle“ induzierten Höhentrog ein, der Mittwoch dann über bzw. westlich der
Iberischen Halbinsel abtropft, wobei der Resttrog den Norden des
Vorhersagegebietes passiert. „Ex-Danielle“ selbst verlagert sich als
außertropisches Tief nach dem gestrigen 00 UTC-Lauf bis Mittwoch über das
Vorhersagegeiet ostnordostwärts, während es sich im 12 UTC-Lauf über der Biskaya
allmählich auffüllte. Beide Läufe, vor allem aber der gestrige 00 UTC-Lauf haben
somit für das Vorhersagegebiet bereits ab der Nacht zum Dienstag deutlich
unbeständigeres Wetter mit teils kräftigen Schauern und Gewittern auf der
Agenda, wobei es lediglich im Süden/Südosten am Dienstag eventuell für einen
kurzen Hitzeeinschub reicht und es ansonsten her mäßig warm bleibt.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Wie bereits eingangs erwähnt, kristallisieren sich bei Betrachtung der
vorliegenden Globalmodelle zu Beginn kommender Woche im Groben zwei Szenarien
heraus:
GEM hat eine dem IFS sehr ähnliche Entwicklung auf der Agenda, allerdings
verlagert sich das Höhentief ab Mittwoch nicht über GB nordwärts, sondern bleibt
mindestens bis Donnerstag westlich der Biskaya quasistationär, womit der
Höhenrücken über Mittel- und Osteuropa robust bleibt und sich tatsächlich eine
Art Hitzewelle im dem Vorhersagegebiet einstellen würde.

GFS und ICON ähneln dagegen zunächst ein wenig den beiden gestrigen
IFS-Hauptläufen. Statt abzutropfen verlagert sich der Höhentrog über Island nach
Lesart des ICON bis Mittwoch nach Norwegen bzw. zur Nordsee und induziert eine
kräftige Zyklogenese über Skandinavien, deren Frontensysteme bereits ab der
Nacht zum Dienstag hierzulande ins Wettergeschehen eingreifen, zunächst mit
teils kräftigen Gewittern, am Mittwoch dann mit Passage einer markanten
Kaltfront, der ein Schwall maritimer Polarluft von Nordwesten her folgt. Somit
stünde ab Mittwoch gar schon herbstlich kühles und an den Küsten stürmisches
Wetter auf der Agenda. „Ex-Danielle“ füllt sich derweil westlich der Biskaya
bzw. der Iberischen Halbinsel zögernd auf.
Nach GFS kommt der Höhentrog mit seinem Drehzentrum über Island nur zögernd nach
Osten voran und erreicht erst Wochenmitte das Nordmeer. Allerdings weitet sich
der Trog bis Mittwoch allmählich über die Nordsee bis ins nördliche Mitteleuropa
aus und drängt den vorgelagerten Höhenkeil nach Osten ab.
„Ex-Danielle“ verlagert sich dabei zunächst westlich der Biskaya zur Südküste
Irlands, wo es am Montag/Nacht zum Dienstag als kleinräumiges Sturmtief,
durchaus noch mit subtropischen Eigenschaften ausgestattet (Sturm, ergiebige
Regenfälle), aufschlägt. Der davon ausgehende Randtrog wird teilweise vom
Höhentrog eingefangen (der Südteil tropft westlich der Iberischen Halbinsel ab)
und in dessen Zirkulationssystem integriert. Dabei entwickelt sich aus dem
Subtropensturm ein markanter Bodentrog, der am Mittwoch über die Nordsee und
Norddeutschland ost-, später nordostwärts schwenkt und zu Vertiefung eines
Sturmtiefs über Schweden bzw. der mittleren Ostsee beiträgt. Auf essen
Vorderseite gelangt am Dienstag sehr warme und potenziell instabile Luft
zumindest in den Süden und Osten des Landes, die aber rasch durch erwärmte
Subpolarluft ersetzt wird, wobei es kräftige Gewitter geben kann. Die Kaltfront
des Tiefs greift dann im Laufe des Mittwochs/Nacht zu Donnerstag auf das
Vorhersagegebiet über, ihr folgt erwärmte Polarluft, so dass es wohl nicht ganz
so frisch und stürmisch wird wie nach Lesart des ICON.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Kurvenschar sowohl der 850 hPa-Temperatur als auch des 500 hPa-Geopotenzials
verschiedener Gitterpunkte im Vorhersagegebiet verläuft bis Montag in einem sehr
engen Spread mit beginnendem Anstieg der Temperatur am Montag. Samstag haben die
meisten Läufe auch Niederschläge auf der Agenda, vor allem im Westen und
Südwesten.
Ab der Nacht zum Dienstag wird der Spread der 850 hPa-Temperatur dann
schlagartig größer, und zwar gilt das für alle Gitterpunkte. Haupt- und
Kontrolllauf bewegen sich dabei bis Mittwoch im oberen Bereich aller Member,
sind häufig sogar die „wärmsten“ Läufe. Dabei erstreckt sich der Spread ab
Dienstag häufig über eine Spanne von 10 bis 15 K, was die Unsicherheit der
Prognosen unterstreicht. Viele Läufe haben Niederschläge auf der Agenda, auch
diese sind im Haupt- und Kontrolllauf eher spärlich gesät.

Bereits im Zeitraum 72 bis 96 Stunden verteilen sich die 49 ENS-Member, der
Haupt- und Kontrolllauf auf vier Cluster, die sich, die Wetterentwicklung in
Mitteleuropa betreffend, kaum unterscheiden. Cluster 1 bis 3 deuten allerdings
bereits den Cut-Off-Prozess des im Hauptlauf mit Ex-Danielle interagierenden
Höhentiefs an, während Cluster 4 davon nichts wissen will.

Im Zeitraum 120 bis 168 Stunden tauchen dann auch schon fünf Cluster auf. Der
Hauptlauf befindet sich im mit 18 Membern besetzten Cluster 1, der den
Höhenrücken am Mittwoch, ähnlich wie das GEM, sogar noch stabiler auf der Agenda
hat als der Hauptlauf selber.
Cluster 2 (10 Member) tendiert Richtung Südwest antizyklonal, ab Mittwoch
zunehmend zyklonal, Cluster 3 (10 Member) ähnlich, am Ende aber mehr Wes
zyklonal mit einem kräftigen Islandtief. Beide lassen die Frontalzone deutlich
aufleben (NAO positiv), was angesichts der hohen Wasseroberflächentemperatur
rund um Neufundland nicht sonderlich wahrscheinlich erscheint.
Cluster 4 (8 Member) belässt es bei der gestörten Zirkulation mit einem bis
Mittwoch als hochreichendes Tief nach Frankreich ziehenden „Ex-Danielle“
-sicherlich eine interessante Wetterentwicklung hierzulande, die ein wenig den
beiden gestrigen IFS-Hauptläufen ähnelt.
Cluster 5 (5 Member) hingegen schwenkt eher Richtung ICON- bzw. GFS-Variante mit
einer Austrogung über Skandinavien und einem Höhenrücken über dem Nordwest- bzw.
Nordatlantik und einem ersten Vorstoß herbstlich kühler Luftmassen ins
Vorhersagegebiet.

FAZIT:
Bis Montag steht der Fahrplan einigermaßen fest, danach werden die
Unsicherheiten größer, von (kurzer) Hitzewelle bis herbstlich kühl ist wohl
alles noch möglich.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Gewitter/Starkregen:
Vor alle am Samstag gibt es innerhalb der feuchtlabilen Luftmasse verbreitet
Schauer und Gewitter. Spezifische Feuchte und PPW bleiben für die Jahreszeit
noch recht hoch, so dass zumindest markante Starkregenereignisse zu erwarten
sind und auch kleinkörniger Hagel und stürmische Böen in kräftigeren Gewittern
auftreten können. EFI hat vor allem von den westlichen bis in die zentralen
Mittelgebirge Signale für übernormale Regenmengen auf der Agenda, die
probabilistischen Verfahren geben noch unterschiedliche Signale.
Nichtsdestotrotz sind kleinräumig auch unwetterartige Mengen nicht
ausgeschlossen.
Etwas außen vor bleiben lediglich der Norden und Nordosten.

Am Sonntag kann es im Osten und Süden noch einzelne kräftigere Gewitter mit
Starkregen geben, allerdings nur noch isoliert und mit abnehmender Tendenz.

Danach werden die Unsicherheiten und die Modelldifferenzen größer. Nach sehr
wahrscheinlich ruhigem Montag könnte eventuell bereits wieder in der Nacht zum,
wahrscheinlicher dann aber am Dienstagnachmittag und Abend zumindest in der
Westhälfte das Gewitterpotenzial steigen, mit markanten Entwicklungen ist dabei
lokal eng begrenzt erneut zu rechnen. Je nachdem, ob „Ex-Danielle“ vielleicht
doch noch mitmischt, sind am Di/Mi gebietsweise auch mehrstündige
Starkregenfälle möglich.

Hitze:
Der vom IFS-Hauptlauf, vor allem aber vom GEM simulierte Vorstoß sehr warmer
bzw. heißer Luftmasse subtropischen Ursprungs am Dienstag und Mittwoch wird vom
EFI nicht gestützt.
GFS und ICON deuten dagegen lediglich am Dienstag und nur im Süden/Südosten
einen kurzen Subtropikluftvorstoß an.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS, MOSMIX

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Winninghoff