S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 01.09.2022 um 10.30 UTC

Sommerlich warm mit zunehmender Gewitterneigung.

Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 08.09.2022

Das Ende des meteorologischen Sommers wurde eingeläutet und vielerorts wurde
dieses regelrecht herbeigesehnt. Erstellt man sich die Anomaliewerte des 500 hPa
Geopotenzials für die vergangenen 90 Tage, so erkennt man zirkumpolar auf der
Nordhalbkugel ein beständiges Wellenmuster k=4, das einigen Regionen in der
nördlichen Hemisphäre einen ungemütlichen Sommer beschert hat. Besonders
auffällig ist die umfangreiche positive Geopotenzialanomalie, die sich von der
Ostsibirischen See bis nach Europa erstreckt hat, die nicht nur an Land für zu
warme Verhältnisse, sondern auch für eine ausgeprägte marine Hitzewelle in
vielen Regionen gesorgt hat (Mittelmeer, Ostsee bis zur Laptewsee mit Anomalien
von 2 bis teils mehr als 6 Kelvin).

Schaut man sich auf globaler Ebene die Wellenflüsse über 30 Tage gemittelt an,
so fällt einem aber auch der asiatische Raum mit hohen Anomaliewerten ins Auge.
Mit den global größten negativen Werten mit Blick auf die sogenannte „outgoing
longwave radiation, OLR“ sticht Pakistan ins Auge, wo es u.a. durch die
intensiven Niederschläge zu den katastrophalen Überschwemmungen kam. (Hinweis:
negative OLR ist vereinfach gesagt ein Indiz für verstärkte Konvektion und mehr
Bewölkung). U.a. durch dieses „Aktionszentrum“ gestützt erlebte China eine je
nach Region grob 2 Monate anhaltende Hitzewelle, die mit Blick auf Intensität,
Dauer und Auswirkungen jegliche bisher gesetzte Maßstäbe (weltweit) gesprengt
hat. Innerhalb der letzten 10 bis 30 Tage war bei den Wellenflüssen jedoch im
Umfeld der blockierenden asiatischen Antizyklone zunehmend ein divergentes
Ausströmen in Richtung Nordpazifik auszumachen, was auch die Abschwächung dieser
Blockierung und letztendlich das Abklingen der Hitzewelle einläutete. Somit
gestaltet sich das Wellenmuster im asiatisch-nordpazifischen Sektor zunehmend
progressiv, wobei die Wellenflüsse nun über der Westküste der USA eine neue und
intensive Blockierung andeuten.

Folglich ist mit der neuerlichen Blockierung über dem Nordwesten der USA für den
atlantischen Sektor vorerst keine Zonalisierung zu erwarten – eher ist mit einer
Fortdauer der weit nördlich ansetzenden Blockierungsmuster und einhergehend
quasi-stationären Wellen zu rechnen, die nur durch Abbau ihrer Wellenamplitude
eine gewisse Progressivität an den Tag legen. Die Ensemblevorhersage der NAO
deutet ebenfalls eng gebündelt einen Rückgang in deutlich negative Gefilde an,
was auch in der „Wetterregimevorhersage“ des IFS-ENS für diesen
Mittelfristzeitraum mit einer teils überwältigenden 100 % Dominanz gezeigt wird.

Das Zeit-Längendiagram hebt eine quasi-stationäre negative Geopotenzialanomalie
knapp westlich des Nullmeridians hervor, die während der gesamten Mittelfrist
über Nordwesteuropa verbleiben sollte und Deutschland somit auf deren
Trogvorderseite belässt. Erst zum Ende der Mittelfrist schwenkt die Anomalie
etwas nach Osten, getrieben durch eine weitere negative Anomalie bei rund 50 bis
60 Grad West mit einer raschen Zunahme der Unsicherheiten in deren
Südostquadranten (30 bis 40 Grad West). Um diese Quelle der Unsicherheit zu
verstehen müssen wir noch kurz in die Tropen schauen.

Nach einem äußerst ruhigen Start in die Hurrikansaison mit einem ACE von rund 8
% zum klimatologischen Normalwert (die akkumulierte Energie von tropischen
Wirbelstürme, ACE) und einem August ohne einen einzigen Hurrikan (erst der 7
seit Aufzeichnungsbeginn) bzw. ohne eine einzige Benennung eines tropischen
Systems (erst der 3. bekannte Fall seit Aufzeichnungsbeginn) nimmt der
Nordatlantik nun etwas Fahrt auf und tut dies u.a. sehr weit nördlich (grob 35
Grad West und knapp 40 Grad nördliche Breite). Die Numerik zeigt sehr homogen
die Entwicklung eines (sub) tropischen Systems, das in der Folge an der
Südflanke der negativen Geopotenzialanomlie nahe des Nullmeridians nach Osten
geführt werden könnte. Sie wird mittlerweile als INVEST 93L geführt (INVEST =
ein Wettersystem, das durch das NHC genauer beobachtet wird und wofür spezielle
Daten und Modelldaten erstellt werden und L für „Atlantik“).

Die Numerik hat verständlicher Weise noch sehr große Probleme bei deren
Verlagerung, denn diese ist u.a. von der Intensität und vertikalen Ausprägung
des Systems abhängig. Von daher wurde das System in vergangenen Läufen in den
Trog eingebunden und nach Westeuropa geführt, mittlerweile deutet eine größere
Bündelung der Member eher ein destruktives Einbinden in den Trog und somit ein
langsames Driften nach Norden und später nach Osten an. Natürlich hat diese
Entwicklung auch Einfluss auf unser Wetter bzw. auf das Ende dieser Mittefrist,
weshalb eine zunehmende Unsicherheit zu diesem Zeitraum nicht verwundet. Im
IFS-ENS findet die Entwicklung des trop. Systems mit hoher Memberbündelung statt
und mündet zum Ende der Mittelfrist in eine deutliche Streuung der Member
(sowohl zonal, wie auch meridional gesehen). Dank der sommerlichen
Blockierungslagen weist der Nordatlantik teils deutlich zu hohe positive SST
Anomaliewerte auf, sodass besonders bei dynamischer Unterstützung aus den
Außertropen eine recht kräftige Entwicklung des Systems möglich erscheint. Der
Name wäre DANIELLE oder EARL (je nachdem, ob eine andere trop. Welle, vor der
Karibik gelegen, eher benannt wird).

Doch was erwartet uns nun während dieser Mittelfrist? Zusammengefasst eine
beständige Lage stromab eines quasi-stationären Troges über Nordwesteuropa und
somit unter einem Keil, der sukzessive abgebaut wird und nach Osten wandert. Von
daher gestaltet sich diese Mittelfrist insgesamt sommerlich temperiert und
leicht wechselhaft.

Am Sonntag, dem Beginn der Mittelfrist, zieht eine in Frontolyse befindliche
Warmfront über die Mitte Deutschlands nach Norden. Dichte Bewölkung und einzelne
Schauer markieren deren Passage. Zudem sorgt ein mäßiger Luftdruckgradient
präfrontal der Warmfront für einen böigen (Süd-) Ostwind im Umfeld der Küsten
und für einzelne stürmische Böen zwischen Fehmarn und Flensburg sowie über Sylt
und auf Helgoland.
Abgesehen davon bringen steigender Luftdruck und der sich von Süden nach
Deutschland aufwölbende Keil einen freundlichen bzw. sonnigen Tag für
Süddeutschland.

Am Montag löst sich die Warmfront über dem Nordosten auf und bringt neben
ausgedehnten Wolkenfeldern auch einzelne Schauer. Ansonsten passiert in der Höhe
die Keilachse Süddeutschland ostwärts, sodass wir bereits in der Nacht zum
Sonntag im Westen eher in ein leicht zyklonal geprägtes südwestliches
Strömungsmuster (in der Höhe) geraten. Besonders in der Mitte und im Süden
erwartet uns bei 850 hPa Werten von 15 oder 16 Grad ein sommerlicher und zumeist
auch sonniger Tag. Allerdings nimmt zum Abend im gesamten Westen dank etwas
Hebung und fallendem Geopotenzial das Potenzial für teils kräftige Schauer und
Gewitter zu. Die Zutaten sind eher mäßig gut, es fehlt besonders an Feuchte,
sodass eher nur der Wind (trockene Grenzschicht) und der Regen im Mittelpunkt
stehen.

Zum Dienstag ändert sich nicht viel. Der Keil bleibt mit seiner Achse über
Italien/dem Alpenraum liegen und belässt Deutschland in einer nun wieder leicht
antizyklonal geprägten Höhenströmung, jedoch mit einem schwachen Bodentrog, der
sich von Benelux bis nach Bayern erstreckt. Die 850 hPa Werte verbleiben über
der Mitte und dem Süden bei rund 13 bis 15 Grad, sodass bei freundlichem Wetter
wieder mit einem sommerlichen Tag gerechnet werden kann. Etwas kühler bleibt es
im Norden, wo, Stand heute, ausgedehnte hohe Wolkenfelder vorüberziehen
(vergleichsweise stärkste WLA/positive Schichtdickenadvektion) und die 850 hPa
Temperaturwerte bei rund 11 Grad liegen. Mit Schauern und Gewittern muss man
besonders ab der Mittagszeit deutschlandweit rechnen, wobei diese bei rund 1000
J/kg MUCAPE und 15 m/s DLS teils auch organisiert/unwetterartig ausfallen können
(besonders entlang der Rinne).

Am Mittwoch und Donnerstag nehmen dann die Unsicherheiten auch mit Blick auf die
trop. Entwicklung und deren Einfluss zu. Zusammengefasst verbleibt Deutschland
auf der Trogvorderseite in einer sommerlich warmen und feuchten südwestlichen
Strömung, sodass an beiden Tagen mit teils kräftigen Schauern und Gewittern
gerechnet werden muss – regional bis in den Unwetterbereich.

Die Höchstwerte liegen während dieser Mittelfrist mit 24 bis 28 Grad im meist
sommerlichen Bereich, am Montag sind im Westen auch heiße 30 Grad möglich. Etwas
kühler bleibt es im äußersten Norden mit 21 bis 25 Grad (noch frischer bei
dichter Bewölkung und auflandigem Wind). Der Ostwind frischt besonders zwischen
Fehmarn und Flensburg zeitweise stark böig bis stürmisch auf, sonst dreht der
Wind besonders im Süden zunehmend auf südwestliche Richtungen mit schwacher bis
mäßiger Intensität (abseits von Gewitterböen).

In der erweiterten Mittelfrist deutet sich dann die Passage des unter
Amplitudenverlust ostwärts ziehenden Troges an, der Deutschland etwas Nass
bringen sollte. Rein nach der Geometrie der Druckgebilde bzw. der angedachten
Zugbahn kann man dank der Interaktion mit den Alpen auch interessante
(regenreiche) Entwicklungen besonders für den Süden und Osten erahnen –
allerdings alles noch sehr unsicher.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die jüngsten Modellläufe des IFS zeigen einen recht homogenen Verlauf während
der Mittelfrist. Stromab eines quasi-stationär vor Irland liegenden Höhentiefs
wölbt sich über Mitteleuropa ein Keil auf, der zur Wochenmitte abgebaut wird
bzw. abflacht. Dadurch können Störungen in Form mehrerer Wellen von Westen auf
Mitteleuropa übergreifen.
Von Mittwoch zu Donnerstag ergeben sich dann größere Unsicherheiten mit Blick
auf die Verlagerung des Höhentiefs, dessen Zentrum vor 3 Läufen noch bei Irland
lag, im jüngsten Lauf jedoch bereits England erreichen soll. Das Resultat wäre
eine stärker aufgesteilte südwestliche Höhenströmung mit der Advektion warmer
Luftmassen vom westlichen Mittelmeer.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Ein sehr ähnliches Bild ergibt sich beim Blick auf die internationale
Modellpalette. Bis einschließlich Dienstag zeigen die Modelle meist durchgehend
den Einfluss des Keils über Mitteleuropa, wobei Deutschland an dessen Westflanke
verbleibt und somit gewitteranfällige Tage zu erwarten sind.
In der Folge nehmen die Unsicherheiten mit Blick auf die Zugbahn des Höhentiefs
über Nordwesteuropa zu (Mittwoch 18Z mit rund 700 km Unterschied zwischen der
nördlichen Variante von ICON und dem südlichen IFS). Bei allen Modellen
verbeiben wir jedoch bis zum Ende der Mittelfrist auf der Trogvorderseite,
jedoch mit immer weiter zunehmendem zyklonalen „touch“.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Clusteranalyse beginnt mit 2 Clustern und dem klimat. Regime „NAO negativ“.
Deutschland liegt in beiden Clustern unter einem schwachen Keil. Übrigens
verteilen sich der Kontrolllauf und der det. Lauf jeweils auf den ersten und
zweiten Cluster. Nennenswerte Diskrepanzen ergeben sich keine.

In der Folge nimmt die Anzahl der Cluster auf 3 zu mit dem klimat. Regime „NAO
negativ“. Der Kontrolllauf befindet sich weiterhin im ersten Cluster, der det.
Lauf im 3. Cluster. Alle heben einen schwachen Keil über Mitteleuropa hervor,
der im ersten Cluster am stärksten ausgeprägt ist. Viel würde sich im Cluster 2
und 3 für Deutschland nicht ändern, allerdings wäre das Niederschlagspotenzial
(und somit die Gewittertätigkeit) dank schwächerer Blockierung höher als im
ersten Cluster.
Zum Ende der Mittelfrist und darüber hinaus nehmen die Unsicherheiten rasch zu,
wenngleich jedoch das Übergreifen des sich abschwächenden Troges auf
Mitteleuropa von allen gezeigt wird. Doch sich entwickelnde trop. Systeme können
auch in einem Ensemble noch so einiges durcheinanderwerfen.

Die Meteogramme sehen recht unspektakulär aus. Durchweg spätsommerliche
Temperaturwerte und ab Dienstag eine Zunahme der konvektiven Niederschläge. Das
alles bei einer recht eng gebündelten Rauchfahne der 850 hPa Temperatur und des
500 hPa Geopotenzials (wobei der HRES zur Wochenmitte eher am oberen Rand der
Memberschar liegt).

Das GEFS sieht die Entwicklung sehr ähnlich, sodass auch im Ensemble die
Diskrepanzen überschaubar ausfallen.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

GEWITTER:

Immer wieder treten Gewitter auf, wobei ab Dienstag das Potenzial für
unwetterartige Entwicklungen zunimmt (besonders mit Blick auf den Starkregen).
Mögliche Schwerpunkte können noch keine genannt werden, es sollten aber weite
Bereiche Deutschlands betroffen sein.

TROCKENHEIT:

Auch wenn die Niederschlagswahrscheinlichkeit ab Dienstag zunimmt, so sorgt der
konvektive Charakter weiterhin für eine inhomogene Niederschlagsverteilung,
sodass die Trockenheit wenigstens regional weiterhin nicht gebrochen wird (und
vielerorts bedarf es eh mehr Niederschlag als einzelne kräftige Gewittergüsse).

WIND:

Im Umfeld der Küsten weht der Ostwind zeitweise stark böig. Besonders zwischen
Fehmarn und Flensburg sind zeitweise stürmische Böen Bft 8 nicht ausgeschlossen.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-ENS, GEFS, MOSMIX

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Helge Tuschy