S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 25.08.2022 um 10.30 UTC

Zunächst zunehmende Wetterberuhigung mit nachlassenden Schauern und Gewittern im
Osten und Süden, kühler als zuvor. Ab Mittwoch von Südwesten erneut unbeständig.

Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 01.09.2022

Die Einordnung der Geopotential- und Luftdruckmuster scheinen mit Blick auf die
letzten Tage recht variable zu sein. Dominierten am Dienstag noch die zyklonalen
Strömungsbedingungen mit bevorzugter Wetterlage Trog-Westeuropa bzw. Hoch
Nordmeer zyklonal, so sind es heute eher die antizyklonalen Wetterlagen Hoch
Britische Inseln oder Hoch Nordmeer-Fennoskandien antizyklonal, die das Bild
bestimmen. Genau diese kleine, aber feine Veränderung hat signifikante
Auswirkungen beim Wetter in Mitteleuropa und somit auch Deutschland.

Zu Beginn des mittelfristigen Zeitraums am kommenden Sonntag liegen weite Teile
Europa unter einem breit aufgespannten Langwellentrog, der aber aufgrund seiner
schwachen Geopotentialunterschiede nur regional durch zusätzliche Impulse
ausreichend Hebung für Niederschläge generiert. Den gewissen Antrieb liefern
beispielsweise kleinräumige Höhentiefs, die sich vom Nordostatlantik westlich
von Irland bis nach Nordwestrussland mit schmalen, markanten Rücken abwechseln.
Demnach wirbeln die Drehzentren am Sonntag etwa westlich von Cornwall, über
Nordwestdeutschland und über Weißrussland. Das Höhentief westlich der Britischen
Inseln ist am Boden nahezu überhaupt nicht zu finden und allenfalls durch eine
dünne Rinne gekennzeichnet. Anders das Höhentief über Deutschland, welches am
Boden mit einem kräftigeren Tief über der südwestlichen Ostsee korreliert.
Dagegen ist das Höhentief samt Bodenkonfiguration über Weißrussland und
Nordwestrussland ehr harmloser Natur. Von besonderer Bedeutung für das Wetter in
Deutschland ist aber der schmale Rücken zwischen den erstgenannten Höhentiefs,
der am Boden eine Hochdruckzone von den Britischen Inseln und der Nordsee bis
zum Nordmeer aufspannt.
Mit den beschrieben Geopotential- und Luftdruckverteilungen lassen sich
bezüglich des Niederschlags aber auch der Temperaturen bestimmte Merkmale
festhalten. Demnach strömt schon am Sonntag zwischen der Hochdruckzone und dem
Tief über der westlichen Ostsee deutlich kühlere Luft polaren Ursprungs ins
Land. Dies macht sich bei den Temperaturen in 850 hPa bemerkbar, indem diese von
10 bis 15 Grad am Samstagmorgen auf 4 bis 13 Grad am Sonntag zurückgehen, wobei
die Werte im Süden kaum eine Änderung erfahren.
Bei den Niederschlägen stehen zwei Regionen im Blickpunkt. Zum einen sorgen etwa
südlich der Donau in der noch sehr warmen und feuchten Luft, diabatische und
orografische Hebungsimpulse für vertikale Umlagerungen, die schließlich in
Schauern und Gewittern münden. Zum anderen sind es im Nordosten und Osten Trog
basierte PVA und frontogenetische Prozesse, die den vertikalen Austausch
ankurbeln und Schauer sowie Gewitter induzieren. Ansonsten dominiert schon der
von Westen aufkommende hohe Luftdruck das Geschehen und gräbt sämtlichen
Bemühungen zur Niederschlagsbildung zunehmend das „Wasser“ ab.
In der Nacht zum Montag ist es dann nur noch das hochreichende Tief über der
westlichen Ostsee, dass ausreichend Hebung generiert und so im Nordosten
Niederschlagsnachschub produziert. Unterstützung vom Höhentief gibt es dann kaum
noch, da dieses schon in den Nordwesten Polens wandert und somit dessen Achse
Deutschland überquert hat. Da auch das Höhentief zwischen Irland und Cornwall
weiter an Kraft verliert, hat der Rücken freie Fahrt. Dieser kann vor allem an
Wellenlänge, aber auch an Amplitude zulegen und erstreckt sich mit seiner Achse
nun vom westlichen Mittelmeerraum über Frankreich hinweg in die westliche
Nordsee. Zudem kann sich nordöstlich von Schottland ein eigenständiges Höhenhoch
ausbilden. Beide Strukturen zusammen spannen schließlich eine große
Hochdruckzone auf, die vom Nordmeer über die Britischen Inseln und der Nordsee
hinweg bis in den zentralen Mittelmeerraum reicht.

Von Montag bis Mittwoch bleiben die Geopotential- und Luftdruckmuster weitgehend
bestehen. Westlich der Britischen Inseln niestet sich ein Trog ein, der das
schwächelnde Höhentief auffängt, und über der westlichen Ostsee wirbelt weiter
das hochreichende Tief vom Sonntag und eiert dabei umher. Dazwischen bleibt der
Rücken überwiegend stabil und wird nur zeitweise je nach Position und Stärke der
Höhentiefs im Bereich England und der südliche Nordsee in die Zange genommen.
Durch den Rücken bleibt auch die Hochdruckzone am Boden stabil und beeinflusst
auch weite Teile Deutschlands auf dessen Südostflanke. Ausreichend
Hebungsimpulse gibt es wohl nur im Ostseeumfeld, wo das hochreichende Tief
wirbelt und bedingt noch an den Alpen, wo gezwungene Hebung diabatische Prozesse
unterstützt.
Bei den Temperaturen stellt sich ein deutliches Nordwest-Südost-Gefälle ein, mit
einer Temperaturspanne auf 850 hPa von 7 bis teils 17 Grad.

Am Mittwoch schwenkt der Rücken mit seiner Achse nach Deutschland. Auf der
Rückseite kann sich der Trog nach Süden amplifizieren, sodass der Westen des
Landes schon auf die Vorderseite von diesem gelangt. Da gleichzeitig auch der
hochreichende Tiefdruckwirbel von der westlichen Ostsee nach Nordwestrussland
wandert, kommt also Bewegung in die Struktur. Bodennah stützt der Trog über
Westeuropa eine Tiefdruckzone, die zunehmend auch größere Teile Deutschland
einnimmt. Eingebettet in die Zone liegt zudem ein Frontenzug. Somit werden am
Mittwoch durch PVA und frontogenetische Prozesse nach IFS wieder Niederschläge
erwartet, die vor allem die Westhälfte betreffen.

Am Donnerstag ist der Rücken dann vollends Geschichte. Seine Relikte liegen dann
schon über Osteuropa, sodass hierzulande der Trog das Wetterzepter komplett
übernimmt. Am Boden spannt dieser dabei eine Tiefdruckzone auf, die vom Nordmeer
bis in den zentralen Mittelmeerraum reicht und beispielsweise über
Westdeutschland ein Drehzentrum hat. Je nach genauer Lage der Rinne inklusive
Drehzentrum verhalten sich auch die Niederschläge und Temperaturen.
Grundsätzlich würde der Nordosten in kühlerer Luft verbleiben, während der Süden
subtropisch daherkommt. Die entsprechenden Temperaturen auf 850 hPa liegen dann
zwischen 6 Grad auf Rügen und bis 12 Grad am Alpenrand. Bei den Niederschlägen
sind es weiter PVA und frontogenetische Prozesse, die teils kräftige,
schauerartige, teils gewittrige Regenfälle auslösen.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Mit der Konsistenz des IFS ist das in den letzten Tagen etwas kompliziert. Schon
am Dienstag wurden grundsätzlich die großskaligen Strukturen von den
betrachteten Modellläufen vergleichbar simuliert. Doch damals wie heute stecken
die Auffälligkeiten im Detail. Am Dienstag zeigten die Läufe mit der
Vorhersagezeit vor allem bei der Phasenverlagerung sowie die Amplitude zunehmend
Abweichungen, die auch in Deutschland wetterwirksam waren. Dennoch waren sich
vor zwei Tagen noch die Mehrzahl der Ensemblemember des IFS sowie auch mehrere
aufeinander folgende det. Lösungen einig, dass mindestens bis einschließlich
Sonntag, teilweise sogar bis Dienstag auf der Trogvorderseite eine mehr oder
weniger stark ausgeprägte Gewitterlage in Deutschland vorherrscht. Doch das
scheint nun alles Geschichte.

Am heutigen Donnerstagmorgen liefern die letzten det. IFS-Läufe bis
einschließlich Dienstag über weiten Teilen Europas bis ins Detail ähnliche
Strukturen und Prozesse. Wenn die Tage davor nicht wären, würden man das Modell
für die tolle Konsistenz loben. Doch so weit sind wir noch nicht, muss
schließlich auch noch das ENS später überzeugen.

Aus Wettersicht machen sich die nun einheitlich abgebildeten Geopotential- und
Luftdruckverteilungen schon ab Sonntag von Westen zunehmend mit einer
Wetterberuhigung bemerkbar. Allenfalls der Nordosten sowie der direkte Alpenrand
scheinen übereinstimmend noch bis durch Stau und hochreichendem Tief mit etwas
Niederschlag versorgt. Bis auf die Randnotiz des Höhentiefs über der südlichen
Ostsee hat sich meist die Vorhersage des det. GFS vom Dienstag durchgesetzt,
welches damals schon auf eine raschere Wetterberuhigung und schnellere Zufuhr
erwärmter Polarluft setzte.

Gewisse Unsicherheiten gibt es dann ab Mittwochmittag, wenn die betrachteten
Läufe bei der Phase von Trog und Rücken stark auseinanderweichen. Demnach wären
irgendwo in Deutschland wieder Niederschläge im Programm. Eine räumliche
Einordnung ist auf Basis der vergangenen IFS-Läufe derzeit aber nicht möglich.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Auch andere Globalmodelle (ICON, GFS, UKMO, GEM) zeigen grundsätzlich über den
gesamten mittelfristigen Zeitraum vergleichbare Geopotential- und
Luftdruckstrukturen. Vor allem das ICON stützt dieses Mal die Lösung des IFS,
wenngleich das ICON das hochreichende Tief über der Ostsee nicht in der
Intensität und auch nicht so weit westlich im Programm hat. Entsprechend sind
die Schauer und Gewitter im Nordosten im Vergleich zum IFS schwächer ausgeprägt
und auf das direkte Ostseeküstenumfeld bezogen. Festzuhalten ist zudem, dass der
Rücken vom ICON eine geringere Amplitude nach Norden aufweist. Durch das
abweichend simulierte hochreichende Tief im Ostseebereich kann beim ICON auch
der hohe Luftdruck weiter nach Südosten ausdehnen. Auch die Trogstruktur zum
Dienstag wird vom ICON wesentlich abgeschwächt gezeigt, was auch die Intensität
des Bodentiefs beeinflusst. Zum Donnerstag weicht das ICON dann noch weiter von
den Vorgaben des IFS ab und beschreibt von England bis nach Osteuropa eine
Geopotentialrinne, auf dessen Nordflanke sich ein Höhenhoch einnistet.
Das GFS weicht schon am Sonntag zunehmend von der IFS-Lösung ab. Aufgrund gering
amplifizierter Felder verfügen die Strukturen über eine höhere
Phasenverlagerung. Am Dienstag zeigt das GFS über Mitteleuropa sogar glatte
zonale Bedingungen. Erst ab Mittwoch bekommen die Verteilungen in der Höhe beim
GFS eine größere Meridionalkomponente. Damit gleicht sich das GFS wieder dem IFS
an, wenngleich die Trog-Rücken-Kombi eine gewisse Phasenverschiebung aufweist.
Am Boden machen sich die Unterschiede der Höhe weniger bemerkbar, sodass die
Luftdruckfelder des GFS dem des ICON ähneln bzw. zeitweise einen Mittelweg
zwischen ICON und IFS darstellen.
Das GEM stellt in der Höhe zunächst einen Mittelweg zwischen ICON und IFS dar
und schwenkt zum Ende auf die GFS-Schiene. Am Boden zeigt das GEM anfangs zum
IFS und am Ende eher zum GFS vergleichbare Strukturen.
Die UKMO-Lösung ähnelt bei Rücken inklusive Bodenhochdruckzone dem IFS, zeigt
aber analog zum GFS eine östlichere Lage des hochreichenden Tiefs über der
Ostsee.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Rauchfahnen verschiedener Städte über Deutschland verteilt zeigen bei einem
recht geringen Spread der Temperatur in 850 hPa und dem Geopotential in 500 hPa
am Sonntag, im Süden auch noch am Montag eine hohe Vorhersagegüte. Vor allem im
Westen und Norden spannt sich der ENS-Raum recht schnell auf und weist bei den
Temperaturen über den gesamten mittelfristigen Zeitraum Abweichungen von 10 Grad
bzw. 15 bis 20 hPa auf. Im Süden stehen derartige Unsicherheiten erst ab
Dienstag an. In der Mitte und im Osten ist ein recht stetigen Anwachsen der
Spreads und damit einhergehend das Abnehmen der Vorhersagegüte zu verzeichnen.
Die hohe Vorhersagegüte des IFS zu Beginn des mittelfristigen Zeitraums macht
sich auch bei der Einordnung der Strukturen der ENS-Member bemerkbar, indem nur
ein Cluster benötigt wird, um alle Unsicherheiten zu beschreiben. Dieses Cluster
kann dann dem Schema „Blocking“ zugeordnet werden.
Im Zeitraum von +120 bis +168h erklären drei Grundmuster die Unsicherheiten im
ENS-Raum. Dabei verbleiben alle Cluster auf der Linie „Blocking“. Die größten
Unterschiede zwischen den Lösungen gibt es bei dem hochreichenden Tief über der
Ostsee in puncto Lage und Intensität. Entsprechend wird auch die Wellenlänge des
Rückens leicht abweichend gezeigt. Haupt- und Kontrolllauf sind mit insgesamt 28
Member in Cluster 1 zu finden. Cluster 2 mit 15 Mitgliedern lässt das
hochreichende Tief sogar bis Donnerstag kräftig wirbeln und seinen
Einflussbereich sogar wieder bis in den Norden Deutschlands erweitern. Am Boden
west das Cluster drei den geringsten Hochdruckeinfluss auf und gibt bei einer
eher schwach gradientigen Lage ein gewisses Schauerpotential zu.
In der erweiterten Mittelfrist von +192 bis +240h beschreiben erneut drei
Cluster die Unsicherheiten im ENS-Raum. Dabei bleibt nur Cluster zwei weiter
beim Schema „Blocking“. Cluster 1 zeigt das Schema einer negativen NAO, was wohl
in einem Hoch über dem Nordmeer und einem Tief über dem Ostatlantik begründet
ist. Deutschland würde dabei auf der Südflanke des Hochs über dem Nordmeer und
Skandinavien in einer östlichen, später südöstlichen Strömung liegen. Cluster 3
kann sich bei der Einordnung nicht entscheiden und flippert von einem Schema zum
anderen. Dabei zeigen die Strukturen recht stabil einen schmalen, wenngleich
markanten Rücken, der am Boden ein Hoch über Dänemark stützt.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Vom EFI gibt im mittelfristigen Zeitraum keine Hinweise auf
überdurchschnittliche Wettererscheinungen in Bezug zum Modellklima.

Ansonsten gibt es am Sonntag im äußersten Nordosten und Osten sowie im Süden
eine erhöhte Gewitterneigung. Die konvektiven Umlagerungen können bei PPW von 20
bis 30 mm mit Starkregen bis 25 l/qm/h einhergehen. Südlich der Donau besteht
lokal auch die Gefahr vor heftigem Starkregen bis 40 l/qm. Zudem kann sich bei
Cape-Werten bis 800 J/kg auch kleinkörniger Hagel bilden. Beim Wind sollten
stürmische Böen in die Betrachtung aufgenommen werden.

Am Montag und Dienstag sind allenfalls im Ostseeumfeld noch einzelne Gewitter zu
erwarten die mit Windböen oder stürmischen Böen einhergehen können. Inwieweit
diese auch weiter ins Binnenland ausgreifen hängt vom Modell ab. Zudem lässt das
deutsche ICON am Dienstag schon im Süden erneut teils kräftigere Gewitter mit
Starkregen zu.

Am Mittwoch sollen von Südwesten aufkommen, die bis Donnerstagabend allenfalls
die Regionen östlich der Elbe verschonen. Die Verlagerungsgeschwindigkeit und
auch die Intensität der konvektiven Umlagerungen wird dabei von Modell zu Modell
noch abweichend gezeigt. Insgesamt sind dann aber wieder starke Gewitter mit
Starkregen, kleinkörnigem Hagel und Sturmböen möglich.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS, ICON-EPS, TT auch MosMix, anfangs auch det IFS/ICON

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Lars Kirchhübel