S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 23.08.2022 um 10.30 UTC

Zunehmende Gewitterneigung mit Unwetterpotential, zunächst weiter sehr warm bis
heiß und erst zur neuen Woche verbreitet kühler.

Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 30.08.2022

Im mittelfristigen Zeitraum übernehmen die Wetterlagen Trog Westeuropa bzw.
Hoch Nordmeer zyklonal das Zepter in der Wetterküche. Dabei beschreibt Erstere
die Höhenstrukturen, die von Freitag bis Dienst mehr oder weniger stark
ausgeprägt vorherrschen. Das Hoch über dem Nordmeer ist schließlich die
bodennahe Folgeerscheinung von einem Rücken, der sich vom Atlantik über Island
hinweg nordwärts amplifiziert. In Kombination miteinander sorgen sie zum
Wochenende insgesamt für einen unbeständigen, zu Schauern und Gewittern
neigenden Wettercharakter.

Zu Beginn in der Mittelfrist am kommenden Freitag soll nach Leseart des IFS ein
Höhentief leicht östlich von Island liegen und von dort einen Trog südwärts
aufspannen, dessen Achse über die Britischen Inseln hinweg bis nach
Zentralspanien reicht, nach Süden zu jedoch an Amplitude einbüßt, sodass die
Strömung deutlich auffächert. Die vorderseitige WLA des Troges stützt dabei
einen kräftigen Rücken, der sich vom zentralen Mittelmeerraum über das östliche
Mitteleuropa hinweg bis nach Finnland erstreckt. Gleichzeitig ist über dem
Atlantik ein großräumiges Höhenhoch zu finden. Am Boden korreliert das Höhentief
bei Island mit einem Bodentief an gleicher Stelle. Zudem steht ein in die
nordwestliche Strömung auf der Westflanke des Höhentiefs eingelagerter,
markanter Kurzwellentrog mit einem sich intensivierenden Bodentief westlich der
Britischen Inseln in Verbindung. Für das Wetter in Deutschland sind aber eher
andere Strukturen wetterbestimmend. So kann sich ab Freitag auf der Vorderseite
des Troges im Bereich geringer Geopotential- und Luftdruckgegensätze schwacher
Tiefdruckeinfluss in Deutschland breitmachen. Zudem ist in die südwestliche
Grundströmung auf der Vorderseite des beschriebenen Troges ein Frontenzug
eingelagert, der sich langsam ostwärts schiebt und ab Freitagabend auf den
Nordwesten des Landes übergreift und dabei im Bereich von Westdeutschland ein
schwachen Bodentief induziert. Aus Wettersicht liegt Deutschland im Zustrom sehr
warmer bis heißer und zunehmend labil geschichteter Subtropikluft. Im
Tagesverlauf sollen die Cape-Werte in Höhe schnellen und in der Osthälfte
regional die 1500 J/kg überschreiten. Zudem ist die Luftmasse bei PPW von 30 bis
43 triefend nass. Die diabatische Hebungskomponente bekommt dann auch noch
Unterstützung durch konvergente Bodenströmungen. Demnach soll sich etwa von
Schleswig-Holstein bis nach Sachsen eine Konvergenz ausbilden und die vertikalen
Umlagerungen anheizen. Die Folge sind nahezu landesweit teils kräftige Gewitter,
die jedoch Ihren Schwerpunkt westlich des Rheins sowie im Osten und Teilen der
Mitte haben, nachts teils noch intensivieren und leicht ostwärts verlagern.

Am Samstag bleibt vieles unverändert. Der Trog über Westeuropa kann sich noch
etwas amplifizieren und schickt vereinzelt kurzwellige Anteile mit der Strömung
nordwärts. Insgesamt kommt der Trog geringfügig ostwärts voran und drängt somit
den Rücken nach Polen. Auf der Trogrückseite kann sich gleichzeitig ein weiterer
schwacher Rücken ausbilden und bodennah hohen Luftdruck über den Britischen
Inseln und der Nordsee stützen. Der Trog selber samt Höhentief zwischen Island
und Norwegen induziert bodennah eine Tiefdruckrinne, die von Lappland bis in die
Adriaregion reicht. Auf der Westseite der Rinne liegt schließlich der besagte
Frontenzug, der nach Deutschland vordringt. Da sich im Nordwesten und Westen
nachts hoher Luftdruck von Frankreich her anpirscht, verliert der Frontenzug
dort an Aktivität, sodass bei stabilen Verhältnissen Wetterberuhigung einsetzt.
Ansonsten muss am Samstag im Umfeld der Luftmassengrenze sowie auf dessen
Vorderseite in der sehr warmen bis heißen und feuchten Subtropikluft bei
vergleichbaren Bedingungen zum Vortag erneut mit teils kräftigen Gewittern
gerechnet werden.

Am Sonntag wandert das Höhentief Richtung Spitzbergen, sodass auch der Trog
unter Verkürzung der Wellenlänge über Deutschland hinweg zur Ostsee zieht. Der
Haupttrog wird allerdings durch einen neuen Kurzwellentrog in dessen Westflanke
regeneriert. Besagter Kurzwellentrog korreliert dabei mit einem Tief bei Irland
und stützt auf der Vorderseite, rückseitig des abziehenden ersten
Kurzwellentroges, einen schwachen Rücken. Dieser wiederum sorgt hierzulande in
der Nordhälfte für Zwischenhocheinfluss und Wetterberuhigung, während das Wetter
in der Südhälfte weiter von tiefem Luftdruck geprägt ist. Dabei kann im Norden
auch kühlere Meeresluft eindringen. Der Süden verbleibt aber noch in der teils
heißen Mittelmeerluft. Entsprechend sind nach IFS auch am Sonntag etwa südlich
der Linie Eifel-Berlin nochmals kräftige Gewitter zu erwarten.

Am Montag gelangt Deutschland auf die Vorderseite des zweiten Troges, der sich
weiter amplifiziert und dabei die Wellenlänge verkürzt. In der Folge drängt der
Trog den Rücken nach Osten ab, sodass dessen Achse schon von Polen über Schweden
und Norwegen in die nördliche Nordsee reicht. Bodennah kann sich zum Trog
korrelierend tiefer Luftdruck breitmachen und auch Deutschland von Westen
zunehmend einnehmen. Mit der südwestlichen Grundströmung wird die sehr warme bis
heiße Luft aus südlichen Gefilden nochmals nach Norden geschoben, sodass die
eingeflossene kühlere Meeresluft auch im Norden wieder weitgehend weichen muss.
Durch unterschiedliche Hebungsimpulse (diabatisch, frontogenetisch und PVA)
breiten sich auch die konvektiven Niederschläge wieder aus. Nahezu landesweit
stehen daher wieder teils kräftige Schauer und Gewitter auf dem Programm, wobei
der Schwerpunkt seitens IFS nördlich von Mosel und Main liegt. Erst nachts, wenn
der Kurzwellentrog mit seiner Achse langsam auf den Südwesten übergreift, werden
auch im Süden durch verstärkte PVA heftige vertikale Umlagerungen gezeigt.

Am Dienstag und in der Nacht zum Mittwoch schwenkt der Kurzwellentrog mit seiner
Achse über Deutschland hinweg nach Osten. Bodennah korreliert der Trog mit einem
Tief bei Dänemark, auf dessen Südseite eine Kaltfront auf Deutschland übergreift
und nach Osten über das Land zieht. Rückseitig fließt schließlich kühlere
Meeresluft ein, die bis Mittwochmorgen die Subtropikluft auch im Süden verdrängt
haben sollte. Zwischen tiefem Luftdruck über Nord- und Osteuropa und hohem
Luftdruck über Südwesteuropa stellt sich zumindest vorübergehend eine
nordwestliche Grundströmung ein. Vorderseitig der Kaltfront, in der noch sehr
warmen und feuchten Luft, sind durch PVA induziert und durch diabatische und
frontogenetische Prozesse gestützt nochmals kräftige vertikale Umlagerungen zu
verzeichnen, sodass vielerorts ein weiterer Gewittertag mit Starkregenpotential
ansteht. Erst in der kühleren Meeresluft nimmt die Schauer- und Gewitterneigung
deutlich ab.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Bis einschließlich Dienstag werden die großskaligen Strukturen von den
vergangenen IFS-Läufen vergleichbar simuliert. Im Detail gibt es jedoch
deutliche Unterschiede, die auch auf das Wetter in Deutschland Einfluss haben.
Neben der abweichenden Phase der Luftdruck- und Geopotentialstrukturen, die
schließlich den zeitlichen Ablauf verändert, zeigt der neuste und sogleich in
der Phasenverschiebung langsamste IFS-Lauf ab Montag zunächst ein signifikant
stärkeres Höhentief inklusive einer südlicheren Bahn und größeren Amplifizierung
nach Süden. Entsprechend kann sich auch bodennah eine Tiefdruckzone
intensivieren und zum Dienstag weite Teile des Landes einnehmen. Als Folge muss
auf Basis der neusten Berechnungen des ECMWF anfangs mit kräftigeren und weiter
nach Süden vorankommenden Niederschlägen gerechnet werden. Im Verlauf zeigt der
neuste Lauf jedoch eine rasche Verkürzung der Wellenlänge und schnellere
Verlagerung nach Nordosten als der gestrige Lauf. Die Gewitterlage am Wochenende
auf der Trog-Vorderseite wird von den Läufen konsistent abgebildet und
wenngleich es Unterschiede in der Ausprägung gibt.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Die großskaligen Strukturen des Geopotential- und Luftdruckfeldes werden von den
betrachteten Modellen (ICON, GFS, IFS, UKMO, GEM) vergleichbar wiedergegeben,
wenngleich im Detail ab Samstagabend analog zur Konsistenz des IFS größere
Unterschiede zu verzeichnen sind. Abweichungen gibt es sowohl bei der
Phasenverschiebung als auch bei der Amplifizierung der Geopotentialmuster. Das
GFS lässt den Trog rascher durchziehen, sodass dort schon ab Montag
Wetterberuhigung einsetzt. Allerdings zapft das GFS durch ein Hoch zwischen
Island und den Britischen Inseln kühle Nordmeerluft an und transportiert diese
südwärts. Das deutsche ICON bleibt bei der Verlagerung noch hinter dem IFS
zurück und zeigt zudem auch eine geringere Amplifizierung. Somit bleibt der
Zwischenhocheinfluss länger erhalten und die schwächeren Niederschläge bevorzugt
in der Südhälfte verharrend. Gleichermaßen könnte sich nach dem ICON die
Gewitterlage länger ziehen, bevor kühlere Meeresluft dem ein Ende setzt. Das GEM
zeigt eine zum GFS vergleichbare Lösung. Das UKMO liefert zunächst einen
Mittelweg zwischen GFS und IFS, um zum Ende der Mittelfrist komplett auf das GFS
einzuschwenken.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Rauchfahnen verschiedener Städte über Deutschland verteilt zeigen bis
einschließlich Samstag, im Süden sogar bis Sonntag bei einem geringen Spread bei
der Temperatur in 850 hPa sowie dem Geopotential in 500 hPa eine recht hohe
Vorhersagegüte. Ab Sonntag bzw. Montag (Süden) wird der ENS-Raum allerdings bei
beiden betrachteten Größen deutlich aufgespannt. Bei den Temperaturen ergeben
sich zum Ende der Mittelfrist am Montag und Dienstag Unterschiede von rund 14
Grad. Beim Geopotential wird nahezu deutschlandweit ein Spread von etwa 20 hPa
gezeigt. Liegen Haupt- und Kontrolllauf bis Sonntag bei den Temperaturen meist
mittige im ENS im Bereich der höchsten Auftrittswahrscheinlichkeit, wandern
diese zum Wochenbeginn zunehmend zum oberen Rand, sodass tendenziell kühlere
Temperaturen als vom Hauptlauf prognostiziert wahrscheinlich sind. Dies
korreliert mit einem Abweichen von Haupt- und Kontrolllauf beim Geopotential hin
tieferen, weniger wahrscheinlichen Werten. Entsprechend würde das ENS des IFS
grundsätzlich analog zum GFS ein schnelleres Durschwenken des Troges mit
nachfolgendem Geopotentialanstieg inklusive kühlere Nordmeerluft favorisieren.
Wir werden es sehen.

Bei der Analyse der großskaligen Strukturen werden im Zeitraum von +72 bis +96h
insgesamt drei Lösungen präsentiert. Dabei können alle Lösungen grundsätzlich in
das Schema eines Blockings eingeordnet werden. Die Unterschiede sind insgesamt
als gering anzusehen und beziehen sich vorwiegend auf die Ausprägung des
Höhentiefs sowie die Amplifizierung des Troges gen Süden. Der Haupt- sowie auch
der Kontrolllauf sind im ersten Cluster zu finden.
Im Zeitraum von +120 bis +168h werden vier Cluster benötigt um die Geopotential-
und Luftdruckverteilung ausreichend zu beschreiben. Über den gesamten Zeitraum
bleibt das Schema Blocking dominierend. Sowohl Haupt- als auch Kontrolllauf
werden nun nur noch dem Cluster 3 mit insgesamt 12 Membern zugeordnet. Cluster 1
mit 17 Mitgliedern zeigt im Vergleich zu den anderen Lösungen zum Montag und
Dienstag einen deutlich markanteren Kurzwellentrog, der über Deutschland
hinwegschwenkt. Dabei verliert dieser an Wellenlänge und wird von zwei Rücken
kräftig in die Zange genommen. Korrelierend würden sich bodennah rascher
meridionale Verhältnisse einstellen. Die Lösung von Cluster 1 wird dabei noch
von Cluster 4 gestützt, wenngleich dort der Trog eine weniger starke
Amplifizierung nach Süden aufweist und stattdessen eine etwas größere
Wellenlänge besitzt. Dagegen zeigt Cluster 2 zum Cluster 3 vergleichbare
Strukturen, sodass die Hauptlösungen nahezu gleichverteilt sind (27 zu 24
Member).
In der erweiterten Mittelfrist von +192 bis +240h reichen wieder 3 Cluster aus
um die Unterschiede der Strukturen zu erklären. Diese sind weiter fast alle dem
Schema Blocking zugeordnet. Die Ausnahme bilden Cluster 2, welches zum Ende in
das Schema negative NAO übergeht und Cluster 3, das zum atlantischen Rücken
schwenkt. Bei aller Unsicherheit in diesem Vorhersagezeitraum kann festgehalten
werden, dass Cluster 2 eine zyklonal geprägte nördliche Strömung bevorzugt.
Cluster 3 zapft zwar auch kühle Luft aus Norden an, lässt diese aber hierzulande
unter Hochdruckeinfluss geraten. Beim ersten Clusterscheint die Zufuhr kühlerer
Luft nur ein Kurzzeitintermezzo. Denn dort soll sich wieder ein Tief über den
Britischen Inseln und der Nordsee aufbauen, sodass die Winde aus südwestlichen
Richtungen wehen würden.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Da Deutschland ab Donnerstag nahezu über den gesamten mittelfristigen Zeitraum
auf der Trogvorderseite liegt, wo sehr warme, teils heiße Luft dominiert und
durch PVA, diabatische und frontogenetische Prozesse auch ausreichend Hebung zur
Verfügung steht, stehen einige Gewittertage an.

Am Freitag liegt der Schwerpunkt voraussichtlich im Bereich einer Konvergenz im
Osten und Teilen Norddeutschlands. Bei PPW von 30 bis 40 mm in der Nordhälfte,
im Süden 25 bis 35 mm, steht vor allem der Starkregen im Fokus. Dieser kann
regional heftig ausfallen, punktuell sind ist auch extremer Starkregen möglich.
Bei linienhaften Strukturen an einer Konvergenz sind auch mehrstündige
Warnschwellen zu beachten. Bei Cape-Werten bis 1700 J/kg ist im Osten auch mit
größerem Hagel zu rechnen, wenngleich die Scherung für organisierte Strukturen
limitiert ist. Der Wind spielt wohl eher im Westen eine Rolle, da dort der
Gradient etwas größer ist. Durch Eigendynamik ist aber bei Konvektion überall
mit Sturmböen zu rechnen.

Am Samstag liegt der Gewitterschwerpunkt im Osten und Süden. Die größte
Unwettergefahr sollte dann im äußersten Osten sowie im Südosten Bayerns
vorherrschen. Dort interagieren Cape-Werte von 700 bis 1300 J/kg mit PPW von 33
bis 41 mm. Aber auch sonst sind die PPW im beschriebenen Bereich (südwestlich
der Linie Eifel-Vorpommern) mit 33 bis 44 mm sehr hoch. Somit steht weiter der
teils heftige Starkregen hoch im Kurs.

Am Sonntag ist es erneut die Südhälfte des Landes sowie Teile Ostdeutschlands wo
die Gewitterneigung hoch ist. Bei ähnlichen Bedingungen wie am Vortag bleiben
auch die Begleiterscheinungen vergleichbar. Neben zahlreichen starken Gewittern
stehen somit auch schwere Gewitter (Unwetter), lokal auch extreme Gewitter
(violett durch Starkregen) auf dem Programm.

Auch am Montag bleibt das Schauer- und Gewitterrisiko bestehen. Je nach Modell
wird der Schwerpunkt jedoch unterschiedlich simuliert. Auch die Intensität der
Gewitter zum Wochenstart sind noch nicht genau verifizierbar. Neben starken
Gewittern sind wohl aber weiter auch einzelne schwere Gewitter dabei.

Spätestens am Dienstag sollten sich die stärksten vertikalen Umlagerungen
zunehmend in den Osten und Südosten verlagern, während im Westen und Nordwesten
mit zunehmend kühlerer Meeresluft den Gewittern die Puste ausgeht.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS, ICON-EPS, anfangs auch det IFS/ICON, TT auch MOSMIX

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Lars Kirchhübel