SXEU31 DWAV 171800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 17.08.2022 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
In der Nacht im Südwesten und Nordwesten teils starke oder schwere Gewitter. Am
Donnerstag gebietsweise Gewitter mit Unwetterpotential. Auch am Freitag
gebietsweise kräftige Gewitter.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC

Aktuell … liegt Deutschland auf der Vorderseite eines Langwellentroges, der
sich von der Nordsee über die Bretagne bis nach Spanien erstreckt. Während er im
Laufe der Nacht in seinem nördlichen Teil, also über der Nordsee und
Großbritannien, kaum nach Osten vorankommt, greift er im südlichen Teil
allmählich auf das westliche Mittelmeer über. Das in den Trog eingebettete
Höhentief verlagert sich bis zum Morgen von der Bretagne über die Loire-Mündung
hinweg nach Südosten. Auf seiner Rückseite, in etwa auf einer Linie
Südwestspitze England – Ostwestfalen, beginnt sich der Trog einzuschnüren, was
auf einen beginnenden Abtropfprozess hindeutet. Da auf der Ostflanke des
Höhentiefs Vorticityadvektion ebenso zu beobachten ist wie eine zunehmend
zyklonale Höhenströmung, kommt es im Bereich der Savoyer Alpen, des Genfer Sees
und des Schweizer Mittellands zu Hebungsprozesse. Diese Konvektion wird mit der
Höhenströmung nach Baden-Württemberg gesteuert. Dabei sind sich die Modelle über
die Form und Intensität der zugehörigen Schauer und Gewitter noch nicht einig.
Insbesondere ICON-D2 simuliert einen größeren MCS, der sich zwischen Schwarzwald
und Schwäbischer Alb nordwärts hindurchschieben soll. Im weiteren Verlauf soll
die Gewittertätigkeit dann nachlassen und von großflächigem Starkregen abgelöst
werden, der bis zum Morgen je nach Modell den Main erreicht oder sogar etwas
nordwärts darüber hinweg ausgreift, mal mit Schwerpunkt über Hessen, mal mit
Schwerpunkt über Unterfranken. Die MCS-Idee greift auch GFS auf, dieses Modell
legt den Schwerpunkt allerdings in den Bereich Oberrhein und Schwarzwald.
Gegenüber den genannten Modellen sind die ICON und EZMW-Lösungen defensiver,
diese Modelle sehen von einem größeren Gewittercluster komplett ab. Und dann
kommt als weitere Unsicherheit das zeitliche Timing hinzu. Das französische
Modell AROME simuliert den Gewittercluster (auch dieses setzt also auf einem
MCS) schon um 18 UTC über dem Schwarzwald und ist damit etwa 3 Stunden früher
als ICON-D2, welches wiederum dem amerikanischen GFS vorauseilt. Letztendlich
zeig sich also noch viel Modellunsicherheit bezüglich der nächtlichen
Entwicklung im Südwesten. Aber auch die Entwicklung im Nordwesten ist durchaus
spannend. Dort sorgt ein kurzwelliger Anteil des Trogresiduums über der Nordsee
für Hebung. In der Folge haben sich dort schon am Nachmittag intensivere
Gewittercluster bis in den Unwetterbereich gebildet. Laut ICON, EZMW oder auch
UK10 sollen die heftigsten Prozesse dabei über den Niederlanden ablaufen.
Demgegenüber denken AROME und auch GFS daran, auch den Westen Niedersachsens und
Schleswig-Holsteins anzukratzen. Im Gegensatz zum Südwesten sind zumindest keine
deutlichen Unterschiede im Timing zu erkennen, so dass davon ausgegangen werden
kann, dass die Gewitter bis zum Morgen komplett aus Deutschland abgezogen sein
werden.

Donnerstag … schreitet der Cut-Off-prozess weiter voran. Zwar bleibt bis zum
Abend eine Geopotentialrinne über Benelux bestehen, die tiefes Geopotential über
Nordwesteuropa mit tiefem Geopotential über Frankreich und dem westlichen
Mittelmeer verbindet, aber von der Biskaya schiebt sich mehr und mehr ein Keil
nach Nordfrankreich. Innerhalb des abtropfenden Tiefs wandert das Höhentief von
Westfrankreich bis zum Golf von Genua, womit sich auch im Bodendruckfeld ein
Tief entwickelt (Genuazyklone). Mit der südwestlichen Höhenströmung wird
weiterhin feuchte und potentiell instabile Subtropikluft zu uns geführt. Dabei
steigen bis zum Abend die PPWs bis auf fast 40 mm an, im Nordosten werden CAPE
Werte lokal bis über 2000 J/kg simuliert. Durch kurzwellige Troganteile fällt
der Druck über Südostbayern, Tschechien, Österreich, Ungarn und dem Nordbalkan,
so dass sich dort, z. B. nach ICON, eine flaches Tiefdruckrinne bilden soll, die
später auch auf Teile Mitteldeutschlands übergreift. Abgesehen von diesem Tief,
das am Abend über der Adria eine Verbindung mit einem Tief über dem zentralen
Mittelmeerraum (und damit in gewisser Weise auch mit der Genuazyklone) eingeht,
ist der Druckgradient insgesamt schwach. In der schwachgradientigen Situation
ist es auch schwierig, die Hebungsimpulse und ihre genaue Verteilung zu
benennen. Relativ klar scheint zu sein, dass es im Nordwesten und Westen wohl
weitgehend trocken bleibt, da sich dort der schwache, nach Westen ausgerichtete
Höhenkeil bemerkbar macht, der im Zuge des Abschnürungs- bzw. Cut-Off-Prozesses
entstanden ist. Hier ist die Schichtung mit Lapse-Rates über -0,5 K/100m
stabiler als in den übrigen Gebieten (Lapse-Rates teils unter -0,65 K/100m).
Ansonsten ist wohl klar, dass der Tag aus der Nacht heraus mit gewittrigen
Regenschauern in der Mitte und im Südwesten startet, die sich zögerlich nach
Norden und Nordosten bewegen. Wie es dann im weiteren Tagesverlauf weitergeht
ist unsicher. AROME lässt den Schauer- und Gewittercluster über der Mitte bis
ins östliche Niedersachsen ziehen. Bei den anderen Modellen löst er sich dagegen
auf, dafür setzen z. B. GFS, EZMW oder auch ICON-D2 am Nachmittag und Abend auf
Gewitter mit Unwetterpotential (insbesondere Starkregen über 25 l/qm in kurzer
Zeit) im Erzgebirge und im angrenzenden Mitteldeutschland. Mangels Scherung ist
der Organisationsgrad der Zellen nur gering, allerdings sind neben den
Regenfällen auch Sturmböen oder vereinzelte schwere Sturmböen nicht
ausgeschlossen. Die kräftigsten Entwicklungen werden für den Bereich der o. e.
Tiefdruckrinne vorhergesagt, was nicht heißt, dass nicht im Gesamten Osten, aber
auch in weiten Teilen des Südens kräftige Gewitter, eventuell auch mit lokalem
Unwetterpotential, möglich sind. Worauf sich die Modelle, mit Ausnahme des
ICON-D2, zumindest einigen können ist die Tatsache (naja, vielleicht doch eher
die Vermutung), dass Nieder- und Oberbayern sowie mittelfranken weitgehend
trocken durch den Tag kommen könnten. Aber es ist noch zu früh, um das endgültig
zu sagen. Da die Luftmasse nicht ausgetauscht wird, bleibt es wie am Vortag bei
hochsommerlichen Temperaturen mit 850er Temperaturen zwischen 12 und 18°C. Das
entspricht Höchstwerten, die im Osten nochmals bei bis zu 34°C liegen werden, im
Westen und Südwesten sind es dagegen teils nur 23°C.

In der Nacht zu Freitag kommt der Trog mit seiner Achse nach Deutschland voran,
allerdings stockt der Abtropfprozess und die Geopotentialrinne über Deutschland
bleibt erhalten. Die Tiefdruckrinne am Boden wird, in einem weiterhin
schwachgradientigen Umfeld, sehr zögerlich weiter in Richtung Osten und über dem
Osten Deutschlands auch Richtung Norden geschoben. In ihrem Bereich und damit
über Mitteldeutschland, dem angrenzenden Niedersachsen, laut ICON-D2 auch in
Mecklenburg, treten kräftige Schauer und auch weiterhin schwere Gewitter auf,
die dann in länger andauernden Starkregen übergehen. Dabei besteht
Unwettergefahr durch heftigen Starkregen, sowohl kurzzeitig als auch über
mehrere Stunden. Die Modelle sind sich allerdings weiterhin über die Intensität
und die Positionierung des stärksten Niederschlags noch nicht einig. Auch aus
den Alpen heraus und im Südwesten gibt es in der Nacht noch gewittrige
Regenfälle. Trocken soll es im Westen und Nordwesten bleiben, wobei die
850er-Temperaturen zum Morgen immer noch in einer Spanne von 11 bis 16°C zu
finden sind.

Freitag … schreitet der Cut-Off-Prozess wieder deutlicher voran. Das
Cut-Off-Tief wandert von Norditalien in Richtung Südosten und befindet sich am
Abend mit seinem Kern über der nördlichen Adria. Die Tiefdruckrinne im Osten
wandert recht langsam weiter ostwärts und erreicht am Abend mit seiner Achse
etwa die Oder und die Neiße. In ihrem Bereich bzw. an ihrer Westflanke, wo sich
eine Gegenstromlage einstellt, sind weiterhin kräftige Schauer und Gewitter zu
erwarten ICON und EZMW legen diesen Niederschlagsschwerpunkt in einem Streifen
von der westlichen Ostsee bis ins östliche Niedersachsen, GFS dagegen sieht
einen deutlich schwächeren Niederschlagspeak von Vorpommern bis zum Erzgebirge.
Ein weiterer Schwerpunkt wird auf der Nordseite des Cut-Offs über den Alpen
simuliert. Die Einschätzung der zu erwartenden Mengen schwankt jedoch noch
stark, einige Modelle wie UK10 haben auch wieder größere Gewittercluster im
Programm. Auch die Ensembles bestätigen ein Maximum im Bereich der Alpen und des
Alpenvorlands. Auch im Rest des Landes werden zumindest gebietsweise weiterhin
schauerartige, teils gewittrige Regenfälle mit Starkregenpotential simuliert,
nach Westen zu jedoch mit abnehmender Wahrscheinlichkeit und auch ohne die
Gefahr von unwetterartigen Regenmengen. Die 30-Grad-Marke wird am Freitag nur
noch in Nähe von Oder und Neiße erwartet, im Süden sind es dagegen, aufgrund der
längeren Regenfälle kaum 20 Grad.

In der Nacht zum Samstag beruhigt sich die Gewittersituation zunehmend. Dies
liegt an einem Hochkeil, der sich von Westen nach Deutschland schiebt. Zwar
fallen die Gewitter nicht gänzlich zusammen, aber sie schwächen sich deutlich ab
bzw. werden nach Nordosten abgedrängt. Die im Südosten zu erwartenden Regenfälle
gehen erneut auf eine Gegenstromlage zurück. Auf der Nordostflank des Keils
sinken die 850er Temperaturen deutlich, zum Morgen liegen sie im Emsland nur
noch bei 7°C

Samstag … schwenkt der Höhentrog des Zentraltiefs östlich von Island nur sehr
langsam von Frankreich nach Deutschland, wird aber von Kaltluftadvektion
überlaufen. Die dem Trog vorgelagerte Kaltfront des Tiefs sorgt anfangs im
Südosten noch für schauerartgien Regen. Dabei schiebt sich hinter der Front der
Azorenhochkeil nach Deutschland vor.

Modellvergleich und -einschätzung

Die Modelle haben erkennbare Schwierigkeiten, aus der ähnlich modellierten
synoptischen Lage auch ein einheitliches Bild der zu erwartenden
Wetterereignisse, insbesondere des Niederschlages in all seinen Facetten,
abzuleiten. Teils liegen die Schauer- und niederschlagsschwerpunkte weit
auseinander. Im Text wurden die wesentlichen Unterschiede dargestellt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas