S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 29.07.2022 um 10.30 UTC

Leicht wechselhaft mit einzelnen Gewittern, in der Fläche jedoch anhaltende
Trockenheit. Zur Wochenmitte von Süden wieder heiß.

Synoptische Entwicklung bis zum Freitag, den 05.08.2022

Bisher sind wir mit Blick auf die Hitze in diesem Sommer immer mit einem blauen
Auge davongekommen. Zwar gab es mehrere deftige Hitzewellen mit jeweils recht
großem „medialen“ Impact, die aber kurzlebig waren und rasch von einem
deutlichen Luftmassenwechsel abgelöst wurden. Die Auswirkungen dieser Hitze z.B.
auf ältere und sehr junge Personen soll dabei nicht heruntergespielt werden. Es
soll nur hervorgehoben werden, dass wir in diesem Sommer eingefahrenen
Hitzelagen wie in den USA, nun auch in Westkanada, in Japan, in Südeuropa oder
auch seit Wochen in China bisher entgangen sind.

2021 gab es im Sommer zeitweise größere Blockierungslagen, 2022 nicht. Wieso? In
der Folge ein unvollständiger und sicherlich recht grober Erklärungsversuch.

Im Mai und Juli 2022 wies die Region von Frankreich, der Iberischen Halbinsel
bis zur Biskaya über den Monat gemittelt anormal hohes Geopotenzial auf, wobei
die positiven Abweichungen im Mai bei rund 60 bis 80 m (bezüglich der 500 hPa
Geopotenzialfläche) und im Juli bei über 100 m lagen. Durchbrochen wurde dieses
Muster vom Juni, wo im Grunde weite Bereiche Süd- Mittel- und Nordeuropas zu
hohe Werte aufwiesen.

Schaut man sich den Sommer 2021 an, so wies der Mai eine massive negative
Geopotenzialanomalie über Nordwest- bis Mitteleuropa auf, die dann im Juni und
Juli in eine beständige positive Anomalie über Skandinavien bis Island
wechselte. Dies war auch in der Bodendruckanomalie erkennbar und äußerte sich
2021 besonders ab Mitte Juni in recht beständige, langwellige
Blockierungsmuster, wobei die nördlich ansetzende Blockierung die
schadensträchtigen Abtropfprozesse in Richtung Mitteleuropa forcierte.

Wirft man einen Blick in den Grenzbereich zur Stratosphäre, so unterscheiden
sich die Anomaliemuster im Geopotenzial zirkumpolar und vor allem in der Nähe
zum Nordpol sehr deutlich voneinander. 2021 wies im Juni und Juli beständige und
umfangreiche negative Geopotenzial-Anomaliewerte in der Nähe zum Nordpol auf und
wurde umrahmt von hohen Anomaliewerten (z.B. von Kanada über Island bis nach
Skandinavien reichend). Entsprechend nördlich setzte die Frontalzone an mit
positiven Zonalwindanomalien (250 hPa) über Grönland und negativen Werten von
West- bis Mitteleuropa.
Im Juli 2022 sieht das deutlich verändert aus mit zahlreichen Rossby-Wellen
großer Amplitude und einer zirkumpolaren Wellenzahl von 4, die mit ihrer Lage
die Frontalzone eher in Richtung Neufundland und Island/Skandinavien drückten.
Entsprechend negativ fielen die Anomaliewerte des Zonalwindes in Südeuropa aus
und sorgten bzw. sorgen dort u.a. für diesen sehr heißen Sommer (neben der
bereits in früheren Beiträgen erwähnten kräftigen Subtropenhochzelle im
absinkenden Ast der Hadley Zelle und den trockenen Verhältnisse in
Nordwestafrika).

Daher verwundert es nicht, dass in 2022 dank dieser beständigen Konfiguration
die progressive Wellenannäherung vom Nordatlantik recht erfolgreich bis nach
Mitteleuropa vordringen konnte, während Südeuropa dank der kräftigen positiven
Azorenhochanomalie durchweg von jeglicher Westdrift abgekoppelt wurde. Dabei
dominierte der Energietransfer von Wellen mit kleiner Amplitude zwischen den
großräumigen Rossby-Wellen, sodass nur selten ein meridionaler Vorstoß erfolgte
und daher die anhaltenden Hitzeperioden in Südeuropa, China etc. ermöglicht
wurden.

Und auch diese Mittelfrist (Montag, der 1. August bis Freitag, der 5. August)
dauert dieses Muster weiter an, auch wenn es für die erweiterte Mittelfrist
Anzeichen einer temporären Änderung gibt.

Die Mittelfrist beginnt am Montag über Deutschland mit einer wellenden
Frontenpassage, wobei die über der nördlichen Mitte liegende Kaltfront im
Tagesverlauf in eine nordostwärts ziehende Warmfront umgewandelt wird. Der
Spread der Frontenlage ist im IFS-ENS noch recht groß und reicht von den
zentralen Mittelgebirgen bis zu den Küsten. Im Umfeld dieser Front gibt es
wiederholt Schauer und einzelne Gewitter, wobei im aktuellen Lauf mit 24-std.
Mengen von 5 bis 10 l/qm besonders die Gebiete von NRW bis Sachsen hervorgehoben
werden. Im Vergleich zum Vorlauf ist jedoch bereits ein Abschwächungstrend der
Niederschläge zu erkennen, was mit der von Westen einsetzenden Milderung in der
Höhe und einhergehender Stabilisierung zusammenhängen könnte. Im Süden bleibt es
abgesehen von einzelnen Schauern und Gewittern trocken. Als Trost für die
niederschlagssuchenden Süddeutschen: ICON sieht es ganz anders mit einem
deutlich südlicher ansetzenden Niederschlagsschwerpunkt.

Am Dienstag und Mittwoch steigt der Bodendruck etwas an und in der Höhe wandert
ein Keil von Südfrankreich in Richtung Alpenraum. Bedeutet, dass der Norden
peripher der Keilachse liegt und somit anfällig ist für abgeschwächte
Frontpassagen, was Norddeutschland mit vielen Wolken und etwas Niederschlag
betrifft.
Ab den Mittelgebirgen südwärts kehren wir ins altbekannte sommerliche Muster
zurück mit zunehmend heißen Maxima und trockenen Verhältnissen.

Der Höhepunkt der kurzen Hitzewelle scheint der Donnerstag zu werden, da sich
die Keilachse zügig in Richtung Kroatien/Ungarn verlagert und den Weg frei macht
für den nächsten nordatlantischen Trog. Wie schon bei der letzten Hitzewelle
erreichen die Temperaturwerte in 850 hPa 18 Grad im Norden und 23 Grad im Süden.
Der thermische Keil hängt jedoch dem Schichtdickemaximum deutlich hinterher,
sodass die 2m Maxima im mittleren Ü30-Bereich verbleiben sollten.
Zudem erfolgt eine Kaltfrontpassage von Westen, die ostwärts vorankommt und dank
mäßiger präfrontaler Feuchteadvektion, jedoch hervorragender Scherung, wieder
für die eine oder andere Unwetterzelle inklusive deftigen Böen gut sein sollte.
Im ENS erfolgt die Kaltfrontpassage mit einer deutlichen Spreizung der
Memberschar, jedoch drücken weiterhin die Mehrzahl der Member die Kaltfront
sukzessive nach Polen/Tschechien. Größer werden die Unsicherheiten in
Süddeutschland, wo noch unklar ist, wo diese Front zum Liegen kommt bzw. ins
Schleifen gerät.

Zum Freitag erfasst dann nach diesem Modelllauf ein Schwall modifizierter
Polarluft mit 850 hPa Temperaturwerten von 3 bis 4 Grad im Norden und 6 bis 8
Grad in der Mitte weite Bereich Deutschlands. Nur im äußersten Süden wird die
subtropische Luftmasse mit Werten von 10 bis 14 Grad wohl nicht komplett
ausgeräumt – mal wieder. Auch hier die Bremse: diese Variante der deutlichen
Abkühlung befindet sich am untersten Rand der Meteogrammvorhersagen.

Für die erweiterte Mittelfrist deutet sich dann eine temporäre Änderung an. Im
Übergangsbereich zu Stratosphäre wird eine kräftige Rossby-Welle erwartet, die
stromab über dem europäischen Sektor für eine Aufweichung der
Geopotenzialgradienten gut wäre. Entsprechend würde der Nachschub der von Westen
nach Mitteleuropa hereinlaufenden Wellen vorübergehend abgeschwächt werden,
sodass die Blockierungsneigung erhöht wäre. Die Wetterregimevorhersage des
IFS-ENS springt für diesen Zeitraum bis Mitte August auch mit überwältigender
Mehrheit auf eine Blockierungslage im skandinavischen Sektor an sowie mit zu
hohen 2m Temperaturanomaliewerten in Westeuropa (IFS-ENS). Die Unsicherheit
ergibt sich jedoch in der Aufweichung der Geopotenzialgradienten, die für
Abtropfprozesse bzw. eine verringerte Wellenverlagerung gut ist – alles Themen,
die die Unsicherheiten in der Numerik in die Höhe treiben.
Somit wäre sicherlich noch ein Zeitfenster für eine weitere Hitzewelle in
Westeuropa gegeben, allerdings steht das noch auf sehr unsicheren Beinen. Der
Persistenz folgend dauert die Zweiteilung des Temperaturniveaus über Deutschland
weiter an, jedoch mit erhöhtem Potenzial für extremere Lösungen hin zur warmen
oder zur kühlen Seite. Eine stabile Blockierungslage ist nicht in Sicht.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die Mittelfrist wird innerhalb der jüngsten 5 IFS-Läufe sehr gut erfasst und
zeigt eine zögernde Keilaufwölbung mit einer Keilachse über den Alpen, bevor zum
Ende der Mittelfrist von Westen ein Trog auf Deutschland übergreift.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Die internationale Modellpalette hat die allgemeine Entwicklung ebenfalls recht
gut im Griff, beginnt jedoch bei der Trogpassage zum Ende der Mittelfrist etwas
zu streuen. IFS weist die progressivste Variante auf, während GFS einen
schwächeren Trog anbietet, der zudem weit nach Südfrankreich zurückhängt und
somit abtropffreudiger wirkt. Entsprechend verzögert würde hier die
Kaltfrontpassage stattfinden. Während GFS in der Folge eher wieder eine
Zweiteilung mit einem mäßig warmen Norden und einem sommerlichen Süden andeutet,
strömt bei IFS erneut ein Schwall modifizierter Polarluft bis nach
Süddeutschland. Allerdings findet sich bei GFS eine komplett andere
Bodendruckanomalie im Vergleich zu IFS wider mit mehr als 1500 km Diskrepanz der
Bodendruckmaxima.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Clusteranalyse beginnt mit 5 Clustern und dem klimat. Regime NAO +. Für
Deutschland sind die Unterschiede überschaubar, wobei wir im Auszugsbereich
einer zonal ausgerichteten Hintergrundströmung (Jet) über Nordwesteuropa liegen.
Kleinere regionale Unterschiede der positiven Geopotenzialanomalie über
Frankreich können über mehr oder weniger Niederschlag in Deutschland
entscheiden, wobei jedoch an Hand dieser Cluster noch keine Tendenz zu erkennen
ist.

In der Folge verbleiben wir mit 3 Clustern im Überhang NAO +, wobei die
Wellenamplituden deutlich zunehmen und zum Ende die Blockierungstendenz mit
„Atlantikrücken“ oder „Skandiblock“ ansteigt. Die größte Diskrepanz ergibt sich
bei der Frage, wie zügig das Geopotenzial über Osteuropa seigt und wie schnell
der Trog letztendlich nach Osten vorankommt. Der Kontroll- und der det. Lauf
befinden sich im Cluster mit der geringsten Memberzahl, sodass die aktuell sehr
progressive Variante in den kommenden Läufen ggf. etwas zurückgefahren wird.

Im Übergangsbereich zur erweiterten Mittelfrist dominiert klar das Regime
„Blockierung“ im skandinavischen Sektor. Unklar ist aber noch, wo genau diese
Blockierung ansetzt (Island, Europäisches Nordmeer, Norddeutschland?). Alle
Cluster zeigen zudem Abtropftendenzen über Südwesteuropa bzw. über dem offenen
Atlantik, wobei einige Lösungen mit der hoch im Norden ansetzenden Blockierung
nicht uninteressant für kräftige Niederschlagsereignisse in Westeuropa wären,
sich jedoch aktuell hoffnungslos in der Minderheit befinden. Diese
Unsicherheiten dauern bis t=360h natürlich weiter an mit 6 Clustern und
unzähligen Lösungen. Daher wird es für diesen Zeitraum bis Mitte August
sicherlich noch unzählige Modellsprünge geben.

Beim Blick auf das Bodendruckfeld zum Ende der Mittelfrist ergeben sich zwischen
den Modellen eklatante Unterschiede mit Blick auf die Intensität und Lage der
Bodenantizyklone über Nordwesteuropa. Interessant ist, dass IFS mit einer
kräftigen Antizyklone über England innerhalb der Numerik eher eine
Außenseiterrolle annimmt. Allerdings liegen der det. Lauf und das Ensemblemittel
von IFS nahezu deckungsgleich übereinander mit vergleichsweise geringen
Standardabweichungen. Schaut man sich hingegen das GEFS an, so liegt der
Kontrolllauf östlicher als der det. Lauf, jedoch mit einem spread von 7 hPa am
Nordrand der Bodenantizyklone. Könnte das IFS doch die stabilere Vorhersage
liefern, trotz der momentan etwas „exotischeren“ Druckverteilung?
Hingegen ergeben sich beim IFS erhebliche Diskrepanzen bei der Frage der
Luftmassenadvektion, wobei der det. Lauf des IFS mit +4 Grad in 850 hPa ein
deutlicher Ausreißer zu sein scheint, was auch innerhalb der Meteogramme zu
erkennen ist.

Die Meteogramme stützen das allgemeine Szenario einer recht sicheren Vorhersage
bis zum Ende der Mittelfrist mit einer Temperaturzunahme auf hochsommerlich
heiße Werte in weiten Bereichen Deutschlands und etwas Niederschlag, wobei die
Niederschlagssignale von Nord nach Süd deutlich schwächer werden (und sich meist
auf die wellende Front am Montag und die Kaltfrontpassage am Donnerstag
beschränken).
In der Folge (erweiterte Mittelfrist) deutet sich zwar eine Abkühlung an, doch
die Memberstreuung wird extrem mit teils 15K. Der det. Lauf des IFS liegt dabei
am untersten Ende und dürfte ggf. in der Folge etwas moderater ausfallen mit
Höchstwerten um 25 Grad und angenehm kühlen Nächten. Nach Süden zu deutet sich
der Luftmassenwechsel abgeschwächt an (850 hPa Temperatur von 23 auf 12-15 Grad
fallend) und die Member zeigen in der Folge ein Plateau in diesem Niveau,
allerdings mit ebenfalls hoher Memberstreuung. Interessant ist auch, dass die
meisten Member in der 500 hPa Geopotenzialrauchfahne einen deutlich glatteren
Verlauf zeigen als der Kontroll- und der det. Lauf. Mal schauen, ob die feinere
Auflösung des HRES hier die Nase vorne behält. Nach Süden zu geht das
Geopotenzial nur unmerklich zurück und deutet erneut eine in den Keil laufende
Kaltfrontpassage an.

GEFS sieht das ganz ähnlich, wobei auch hier, wie beim GEM, Member bis deutlich
unter das klimat. Mittel zurückgehen.

FAZIT: Die kurze Hitzewelle kommt und wohl auch ein mehr oder weniger gut
ausgeprägter Luftmassenwechsel (Ausnahme Süddeutschland), bevor in der Folge
eine große Unsicherheit herrscht, welche Luftmasse unter wieder steigendem
Bodendruck nach Deutschland geführt wird. Je nach Geometrie des 500 hPa
Geopotenzials ergeben sich Lösungen von einem ins andere Extrem.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

GEWITTER:

Am Montag ergeben sich über der Mitte und im Süden lokal geringe
Wahrscheinlichkeiten für einzelne Gewitter mit Starkregen.

Von der Nacht zum Donnerstag bis in die Nacht zum Freitag treten im Umfeld einer
ostwärts ziehenden Kaltfront markante Gewitter auf, die lokal Unwetterpotenzial
aufweisen können. Der EFI (CAPE/Scherung und CAPE) springen kaum an und werden
eher durch die kräftige Scherung etwas getriggert.

HITZE:

Die durchschwenkende Hitzewelle im Süden, der Mitte und im Osten wird zum
Mittwoch/Donnerstag mit recht deutlichen Signalen im EFI bis 0.8 und einem
leicht erhöhten SOT hervorgehoben, was den Werten der letzten Hitzewelle sehr
ähnelt. Von daher sind am Mittwoch und Donnerstag Maxima bis um 35 Grad zu
erwarten. Allerdings ist die Luftmasse mit PPWs um 25mm und recht niedriger
Grenzschichtfeuchte prädestiniert für eine vergleichsweise gute Abkühlung in den
Nächten (mit einzelnen Tropennächten in Ballungsräumen Südwestdeutschlands
entlang des Oberrheins bis ins Rhein-Main Gebiet). Von daher ist noch unklar,
wie umfangreich/zeitlich ausgedehnt mögliche Hitzewarnungen (von Freiburg aus
gesteuert) ausfallen werden.

Auch wenn die Waldbrandgefahr regional auf die leicht wechselhaften Verhältnisse
reagiert, so sollte sie doch weiterhin ein Thema bleiben, genauso wie die
anhaltende Trockenheit.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-ENS, GEFS, MOSMIX

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Helge Tuschy