SXEU31 DWAV 211800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 21.07.2022 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Wechselhafte Phasen mit Gewittern, lokal Unwettergefahr. Am Freitag und Sonntag
im Süden heiß.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 12 UTC

Aktuell … (14Z) liegt ein agiles Höhentief über Nordwestdeutschland und zieht
bis zum Abend in Richtung Hamburg/SH/NI. Dabei überstreicht das Tief postfrontal
einer Kaltfront im Osten Deutschlands eine (mäßig) feuchte Grenzschicht mit 2m
Taupunkten zwischen 15 und 19 Grad. 500 hPa Temperaturwerte um -14 Grad sind
nicht umwerfend, reichen aber aus für flächig 400-800 J/kg MUCAPE, regional um
1000 J/kg in scherungsarmer Umgebung, sodass langsam ziehende Zellen mit
Starkregenpotenzial bis in die Abendstunden im gesamten Norden ein Thema
bleiben. Punktuell kann das Erreichen der Unwetterschwelle bei unkontaminierten
PPWs von 30-35 mm (im MIMIC-TPW teils TPWs um 40 mm) nicht ausgeschlossen
werden.

Im Osten/Nordosten im Umfeld der gemächlich ostwärts schwenkenden Kaltfront sind
die kinematischen Bedingungen deutlich besser, sodass hier der Hagel bzw.
Sturmböen lokal in den Vordergrund rücken. Schwerpunkt scheint dabei der Bereich
Berlin bis Rügen zu sein und auch hier kann das Erreichen der Unwetterschwelle
lokal nicht ausgeschlossen werden.

Zuletzt können sich vom östlichen Alpenrand bis nach Niederbayern markante
Gewitter mit Hagel und Sturmböen ostwärts in Richtung Salzburg bewegen, wobei
der Organisationsgrad in Richtung „Multizellen“ tendiert (CAPE bei 500-1000 J/kg
mit 10 m/s hochreichender Scherung).

Ansonsten treten im Westen bis zum Abend einzelne Schauer auf, die sich
abschwächen, im Südwesten überwiegt der Sonnenschein und dort bleibt es trocken.
Die abendlichen Werte liegen im Süden und Osten zwischen 24 und 28 Grad und im
Nordwesten zwischen 20 und 23 Grad. Der Westwind weht frisch bis stark mit
einzelnen Böen Bft 7 auf exponierten Berglagen der Mittelgebirge.

In der Nacht zum Freitag passiert das Höhentief die Inseln Fünen/Seeland und
geht ausgangs der Nacht auf Tuchfühlung mit Göteborg in Südschweden. Im
Bodendruckfeld baut sich gleichzeitig eine schwache Hochdruckbrücke vom
Seegebiet Forties/Dogger über Benelux bis Süddeutschland auf, sodass südlich der
zentralen Mittelgebirge klare und trockene Verhältnisse erwartet werden.
Im Norden bleibt es jedoch stark bewölkt oder bedeckt mit Schauern bzw. in
Niedersachsen mit sich langsam auflösenden skaligen Niederschlägen. Innerhalb
der ID2-EPS wird das Umfeld von Rügen mit Starkregenpotenzial hervorgehoben, was
dank SST Anomalien von 1 bis (küstennah) 3 Kelvin und dem durchschwenkenden
thermischen Trog nicht komplett ausgeschlossen werden kann, die
Wahrscheinlichkeiten dahingehend sind jedoch eher gering (und eigentlich nur in
einzelnen Membern im EPS-Maximum vertreten).
An der Westflanke des Höhentiefs bleibt der Luftdruckgradient auch
niedertroposphärisch soweit erhöht, dass bei Nordwest und somit gutem fetch über
die Nordsee einzelne Bft 7 Böen in Richtung Nordfriesen (Sylt mit 70 %)
auftreten können. Ansonsten kommt der Wind im Süden schwach aus Ost, im übrigen
Land aus West bis Nordwest.
Die Tiefstwerte liegen zwischen 17 und 12 Grad.

Freitag … dauert die leicht progressive Westwetterlage weiter an. Tagsüber
wandert ein Keil mit recht schwacher Amplitude von West nach Ost über
Deutschland, bevor abends im Westen die Strömung im Umfeld der nächsten Welle
wieder auf zyklonal Südwest kippt. Von daher wird zwar ein zumeist freundlicher
Tag erwartet, jedoch besonders im Nordwesten (Umfeld der Deutschen Bucht) wird
dieser durch teils dichte Stratusbewölkung getrübt, da dort am Ostrand des
Bodenhochs und somit in einer nordwestlichen Anströmung feuchte Nordseeluft ins
Binnenland geführt wird.

Mit Blick auf die Frontenanalyse wird es ein recht anspruchsvoller Tag werden.
Die mit nordwestlicher Strömung nach Norddeutschland geführte modifizierte
maritime Polarluft kommt im Tagesverlauf in etwa bis nach Niedersachsen – Rügen
voran, bevor fallender Luftdruck über Nordfrankreich im Umfeld der nächsten
Trogpassage die Strömung auf Südwest kippen lässt, sodass sich in den genannten
Bereichen eine inaktive, da von KLA überlaufen, und wellende Luftmassengrenze
ausbildet.

Im Nordosten und Osten ziehen ausgangs der Nacht noch letzte Schauer nach Polen
ab. Nachfolgend bleibt es deutschlandweit trocken, bevor abends in Richtung
Niederrhein/Eifel einzelne Schauer auftreten können.

Eine potenzielle Unwetterregion kristallisiert sich in den späten Nachmittag-/
Abendstunden am direkten Alpenrand heraus. Die Reste der dort alternden
Subtropikluft werden mit einsetzender Südwestströmung von einer schwachen
alpinen Mischungsschicht überstrichen, sodass vom Ammergebirge bis zum
Berchtesgadener Land MLCAPE von mehr als 2000 J/kg mit hochreichender Scherung
von 10 bis 15 m/s überlappen. Die prognostischen Soundings heben das Potenzial
für kräftige Fallwinde hervor (hohes DCAPE bzw. stramme lapse rates in den
untersten 2km, trockene Schicht im Einzugsbereich potenzieller Abwinde etc.) und
entsprechend hoch sind die Böen in diversen DMOs. Im ICON-D2 EPS hingegen
verharren die Windböenwahrscheinlichkeiten bei Bft 9-10. Auf jeden Fall besteht
hier das Potenzial einer progressiven MCS Passage von West nach Ost entlang der
Alpen.

Die Höchstwerte liegen entsprechend dieser Beschreibung bei 18 bis 20 Grad im
Umfeld der Deutschen Bucht, weiter im Binnenland Norddeutschlands bei 20 bis 24
Grad und sonst von Nord nach Süd zwischen 27 und 34 Grad (mit 850 hPa Werten von
20 Grad südlich der Donau). Der Wind weht mäßig aus Nord, im Norden aus Nordwest
sowie mit einzelnen Böen Bft 7 über der Deutsche Bucht bzw. im Umfeld von
Fehmarn.

In der Nacht zum Samstag erfolgt dann die Trogpassage, die südlich der zentralen
Mittelgebirge mit der noch feucht-labilen Luftmasse interagiert. Allerdings wird
eine vorerst nur mäßig feuchte Grenzschicht (2m Taupunkte zwischen 12 und 15
Grad) von einer mäßig kühlen Luftmasse in der Höhe überstrichen (500 hPa
Temperatur um -12 Grad), sodass MUCAPE von 400-800 J/kg realistisch erscheinen
(mit deutlich höheren Werten am östlichen Alpenrand, die immer mehr in Richtung
Salzburger Land abgedrängt werden).
In den prognostischen Soundings ist zwar viel Scherung zu erkennen, jedoch nur
ein verminderter Anteil als realistisch/effektiv einzuschätzen. Inwieweit auch
nahezu „surface based“ möglich ist wird sich im Nowcast zeigen – viel muss dafür
in der Grenzschicht nicht modifiziert werden. Doch auch so reicht der
CAPE/Scherungsüberlapp aus für kräftige Gewitter mit stürmischen Böen,
Starkregen und Hagel (im Falle von mehr CAPE bzw. grenzschichtnaher Entwicklung
entsprechend lokal Unwettergefahr).

Am Alpenrand sorgt Absinken für eine verminderte Wahrscheinlichkeit
konvektiver Entwicklungen, doch wird die Passage einer Kurzwelle angedeutet, die
genau im Auge behalten werden sollte. Einzelne Modelle deuten vom Allgäu
ausgehend konvektiv verstärkten Starkregen mit teils unwetterartigen Mengen an,
während ein Großteil der Numerik die Entwicklung deutlich schwächer sieht bzw.
komplett unterdrückt. Warten wir mal weitere Modellberechnungen ab.

Die stagnierende Luftmassengrenze im Norden dient als Grenze für trockene
Verhältnisse in Richtung Nord- und Ostsee (nördlich der Front) mit Schauern bzw.
teils mehrstündigem leichten Regen südlich der Front (südliches Niedersachsen
bis Sachsen-Anhalt). Im Nordosten bleibt es bei wechselnder Bewölkung trocken.
Die Tiefstwerte liegen im Norden zwischen 14 und 11 Grad, südlich der
Mittelgebirge zwischen 19 und 16 Grad und das alles bei einem schwachen bis
mäßigen Südwestwind im Süden und Nordwestwind im Norden.

Samstag … schwenkt der Trog ostwärts weiter und erreicht mit seiner Achse zum
Abend die Oder. Rückseitig setzt mit steigendem Bodendruck Wetterberuhigung ein,
sodass im Westen nach einem teils bewölkten Start zügig die Sonne die Oberhand
gewinnt und dem Samstag einen insgesamt freundlichen Gesamteindruck verleiht.

Ansonsten ziehen aus der Nacht heraus über den Süden und gesamten Osten Schauer
und einzelne Gewitter (teils auch verclusterte Konvektion mit mehrstündigen
Regenfällen) ostwärts in Richtung Polen/Tschechien, wobei die Niederschläge nach
einer vormittäglichen Depression (Intensitätsminimum) zum Nachmittag wieder an
„Kraft“ zulegen. Meist verbleibt die Konvektion im markanten Bereich
(Graupel/Hagel und stürmische Böen). Allerdings hebt sich die Region
entlang/südlich der Donau vor allem mit kräftiger 0-3 km Scherung und
langen/geraden Hodographen hervor, sodass hier im Verlauf des späten Nachmittags
einzelne Superzellen mit Hagel bis in den Unwetterbereich sowie Sturmböen nicht
kategorisch ausgeschlossen werden können.

Die Höchstwerte liegen von Nord nach Süden zwischen 18 und 29 Grad, entlang des
Rheins punktuell bei 30 Grad. Der West- bis Nordwestwind weht mäßig bis frisch.

In der Nacht zum Sonntag klingen letzte Schauer im Süden und Osten rasch ab und
nachfolgend erwartet uns eine ruhige und häufig auch klare Nacht. Das verdanken
wir einem 1020 hPa Bodenhoch, das sich mitten über Deutschland legt. Im Südosten
können einzelne Nebelfelder entstehen und dort verharren die Tiefstwerte auch um
16 Grad. Ebenso mild verläuft die Nacht entlang des Rheins, während sonst Minima
zwischen 14 und 9 Grad erwartet werden. Der Wind weht im Uhrzeigersinn mit
schwacher Intensität um das Hoch herum.

Sonntag … baut sich vor Irland bereits der nächste Trog auf, sodass über
Mitteleuropa auch in der Höhe ein kräftiger Keil aufgewölbt wird. Mit
zunehmender WLA erreichen die 850 hPa Temperaturwerte abends im Südwesten wieder
die 19 Grad Marke und bei -6 bis -8 Grad in 500 hPa steht ein störungs- bzw.
konvektionsfreier Tag ins Haus (sieht man von schwachen Quellungen entlang der
Orografie und einem marginalen Gewitterpotenzial direkt entlang der Alpen ab).
Einzig den Norden passiert zeitweise etwas dichteres WLA Gewölk und drückt dort
die Maxima auf 22 Grad (Küstenumfeld) bis 27 Grad, während sonst von Nord nach
Süd mit 28 bis 34 Grad ein hochsommerlicher Tag erwartet wird (höchste Werte in
Richtung Oberrhein).

Modellvergleich und -einschätzung

Die Numerik hat die Kurzfrist sehr gut im Griff und selbst zum Sonntag ergeben
sich kaum Diskrepanzen bezüglich der Lage/Intensität der Keile und Tröge.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Helge Tuschy