SXEU31 DWAV 191800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 19.07.2022 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Hitzeschwerpunkt im Laufe des Mittwochs langsam ostwärts verlagernd. Zudem
später von Südwesten und Westen teils heftige Gewitter (UNWETTER). Vor allem
über BaWü und NRW erhöhtes Potential für heftigen Starkregen. Zum Freitag
Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC

Aktuell … endet der 19. Juli 2022 mit etlichen Dekaden- und auch einigen
Stationsrekorden. Das deutschlandweite Maximum mit 41,2 Grad in Duisburg und
Tönisvorst wurde zwar verfehlt. 39,5 Grad wurde (Stand 19 Uhr) aber in Duisburg
immerhin auch heute gemessen. Stationsrekorde gab es vor allem in Niedersachsen
mit 39,1 Grad in Barsinghausen-Hohenbostel und Groß Berßen mit 38,7 Grad
beispielsweise. Aktuell deuten sich bildende Castellani über Norddeutschland
bereits darauf hin, dass zumindest die mittlere Troposphäre nicht nur labiler,
sondern auch feuchter wird.

Das liegt auch an der sich ostwärts verlagernden Achse des Höhenrückens, wobei
ein Höhentief den westlichen Bereich des Ärmelkanals erreicht. Die von ihm
ausgehende Hebung durch PVA wird durch gleichzeitige Kaltluftadvektion teils
wieder zunichtegemacht und bleibt in den Nachtstunden noch auf Frankreich und
Benelux beschränkt. Somit ist es unwahrscheinlich, dass erste Gewitter schon in
der Nacht auf den Westen Deutschlands übergreifen, aber nicht gänzlich
ausgeschlossen.

Mit Annäherung des Bodentiefs CAROLIN, das allmählich zur Nordsee zieht, frischt
zum einen der Südostwind auch in den Nachtstunden im Westen zeitweise auf und
zum anderen können gegen Morgen auch zeitweise hohe und mittelhohe Wolkenfelder
reindriften. In den Tieflagen und Städten entlang von Rhein, Mosel und
Nebenflüssen sind dadurch lokal sehr hohe Minima um 25°C vorstellbar, wenngleich
MOSMIX das mit den 12z Läufen noch immer nicht anbietet. Wo sich eine stabile
Grenzschicht ausbilden kann, liegen die
Tiefstwerte meist bei 20 bis 17°C. Weiter nach Osten hin bleibt der Himmel klar
und der Wind schläft ein, so dass in der der trockenen Luft die Temperaturen
meist auf 18 bis 14°C zurückgehen, im Südosten auch darunter. Lediglich in etwas
höher gelegenen Gebieten kann es, wie vergangene Nacht schon, deutlich wärmer
bleiben.

Mittwoch … verschiebt sich die Achse des Höhenrückens weiter ins östliche
Mitteleuropa und das Höhentief erreicht bis zum Abend Belgien. Die besonders
heiße Luft kommt noch etwas nach Osten voran, wird im Westen aber durch
konvektive Prozesse (dazu gleich mehr) allmählich abgebaut, bzw. durch eine
Kaltfront verdrängt. Somit liegt am morgigen Nachmittag ein Gebiet mit meist 20
bis 23°C in 850 hPa über der Osthälfte Deutschlands. Über die Qualitäten dieser
Luftmasse wurde bereits alles gesagt, so dass abgesehen von ein paar
Cirruswolken viel Sonnenschein vielfach Höchstwerte von 37 bis 40°C erreicht
werden sollten. Dabei dürfte der Hitzeschwerpunkt im Bereich Sachsen-Anhalts
liegen. Auch hier (bzw. auch in Niedersachsen,
Thüringen, Sachsen, Brandenburg und MVP) könnte es wieder an einzelnen Stationen
für neue Allzeitrekorde reichen.

Ausgehend von dem Tief über der Nordsee überquert eine flache Rinne mit einem
markanten Windsprung von Südost auf West im Laufe des Tages Deutschland vom
Westen bis der Mitte. Die Konvergenz dürfte bis zum
Abend eine Linie Wismarer Bucht-Bayerwald erreichen. Rückseitig frischt der
Westwind mitunter stark auf, so dass es insbesondere in der Nordhälfte durchaus
vermehrt zu steifen Böen (Bft 7) kommen kann. COSMO-D2 EPS zeigt den Schwerpunkt
von Cuxhaven bis nach Hamburg mit >80%. Aber auch südlich anschließend über
Hessen bis zum Bodensee liegen die Wahrscheinlichkeiten zwischen 20 und 50%.
Verbreitet Böen der Stärke 6 gibt es voraussichtlich allemal, vereinzelt auch
stürmische Böen (Bft 8).

Konvektion wird dagegen an der Konvergenz noch nicht ausgelöst, dazu ist die
Luftmasse dort einfach noch zu trocken (in nahezu allen Schichten). Das
ändert sich aber schlagartig mit der Winddrehung auf West, mit der eine deutlich
feuchtere Luftmasse (PPWs um 40 l/qm, spezifische Feuchte >10 g/kg) zugeführt
wird. Diese ist aber auch etwas stabiler geschichtet (kleine Sperrschicht
zwischen 800 und 750 hPa), so dass sich zumindest keine überbordenden CAPE-Werte
aufbauen können. Bis 1000 J/kg ganz im Süden und Richtung Ostwestfalen sind aber
durchaus drin.

Aus der Luftmasse selber wird die Auslöse schwierig, zumal bodennah rückseitig
der Konvergenz der Nordwestwind eher störend wirkt (Stichwort: kühler Fuss).
Etwas anders sieht es am späten Nachmittag und Abend aus, wenn der Wind auf
Südwest rückdreht und zudem immer mehr die PVA induzierte Hebung des Troges auf
den Westen und Südwesten übergreift. Je später der Abend desto wahrscheinlicher
einzelne Überentwicklungen (ausgehend wahrscheinlich von der Orographie sowie
von Frankreich und Benelux hereindriftend).

Ein Schwerpunkt zeichnet sich inzwischen immer mehr für die Südhälfte
Baden-Württembergs ab. Die Scherung ist zwar mit 10-15 m/s zwischen 0 und 6 km
limitiert. Allerdings lehrt die Erfahrung, dass sich in dem stark gegliederten
Gelände die Scherung auch mal schnell durch lokale Effekte selbst generiert.
Zudem ist das der Bereich, in dem die scharfe Trogspitze aus Südwesten
reinschwenkt. Sowohl ICON-D2 als auch externe konvektionserlaubende Modelle
zeigen dort starke und schnell verclusternde Konvektion mit heftigem Starkregen
bis in den Unwetterbereich hinein. Die Wahrscheinlichkeit für (mehrstündigen
Starkregen über 40 mm in 12h liegen laut aktuellem ICON-D2 EPS Lauf zwischen
Hochrhein/Bodensee und Schwarzwald bei 20 bis 50%. Nur das AROME 06z ist bis zum
Abend noch recht verhalten aufgestellt, zeigt dafür am Niederrhein eine kräftige
Gewitterlinie. Der 0z Lauf vom AROME lag aber auf Linie der anderen. Bei
linienhafter Organisation sind zudem teils schwere Sturmböen und lokal auch
größerer Hagel damit verbunden. So besteht die Aufgabe der morgendlichen
Frühkonferenz insbesondere darin, über eine Unwetter-Vorabinformation für diese
Region zu diskutieren. Sonst sollten Unwetter bis zum Abend die Ausnahme
bleiben. Die Gewittertätigkeit kommt bis dahin in etwa bis zu einer Linie
Emsland-Mittelfranken voran.

Ergänzend noch zu den Höchstwerten: Im Westen werden trotz Winddrehung auf West
immer noch 30 bis 36 Grad erreicht, die sich zudem aufgrund zunehmender Schwüle
deutlich drückender als heute im Vergleich anfühlen.

In der Nacht zum Donnerstag kommt das Höhentief bis in den Nordwesten
Deutschlands voran. Seichte KLA auf der Vorderseite deckelt weitgehend noch die
Konvektion im Osten. Trotzdem sickert auch dort zunehmend feuchte Luft ein, weil
die Konvergenz bis zum Morgen auch die Oder erreicht.

Die Gewitterschwerpunkte verlagern sich von Baden-Württemberg, dem Saarland und
Rheinland-Pfalz im Laufe der Nacht immer mehr nordwärts. Im Laufe des späteren
Abends kommen dann auch zunehmend stärkere Gewitter von Benelux in den
Nordwesten Deutschlands voran, auf der unmittelbaren Vorderseite des Höhentiefs.
Diese verclustern zunehmend zu einem mesoskaligen Komplex. Die ganz große
Labilität ist dort schon raus, so dass Hagel und Sturm von untergeordneter Rolle
sind. Bei PPWs deutlich über 40 mm dürften aber sowohl einstündiger als auch
mehrstündiger Starkregen bis in den Unwetterbereich eine Rolle spielen. ICON-D2
zeigt dies vor allem über Nordhessen, NRW und dem angrenzenden Niedersachsen.
ICON-D2-EPS liefert Unwettersignale für mehr als 40 mm binnen 12h vor allem
Richtung Bergisches Land und Sauerland. Externe Modelle rechnen meist mit 12h
Mengen zwischen 10 und 30 mm, lokal bis 50 mm. Von daher wird es DIE
Herausforderung sein, aus den konvektiv verstärkten Regenfälle rechtzeitig
(trotzdem wohl erst mit letzter Genauigkeit im Nowcasting) die lokalen Maxima
herauszuarbeiten.

Auch in dieser Region dürfte die Freude über den Regen die potentiellen
Unwettergefahren überwiegen. Die Temperatur verbleibt im Osten teils noch über
20°C, meist geht sie auf 19 bis 15°C zurück, im Westen auch darunter.

Donnerstag … zieht das Höhentief vom Nordwesten Deutschlands bis zum Abend
nordostwärts nach Seeland ab. Stärkere Hebungsgebiete fokussieren sich auf die
Zugbahn des Höhentiefs und generell die Gebiete in der Osthälfte. Die Bodenrinne
zieht nach Osten ab, so dass der Wind landesweit aus westlichen Richtungen
kommt. An der Nordsee frischt er mit Annäherung des nächsten Hochs von den
Britischen Inseln her stark böig aus Nordwest auf mit einzelnen Böen der Stärke

  1. Mithin gelangt im Laufe des Tages eine weitere Kaltfrontstaffel in
    den Nordwesten, hinter der am Nachmittag deutlich stabiler geschichtete Luft
    einfließt (T850 um 10 Grad, Lapse Rates um -0.5K/100m). Die Regenfälle aus der
    Nacht halten sich damit am längsten noch über Schleswig-Holstein und
    Niedersachsen, nehmen aber immer mehr skaligen Charakter an und schwächen sich
    am Nachmittag mit überlagerter NVA deutlich ab. Dennoch sind die weiteren
    Regenmengen um 10, lokal auch 20-30 mm sehr willkommen.

Die meisten Regionen verbleiben aber bzw. gelangen in den Bereich der sehr
feuchten (PPWs weiterhin teilweise über 40 l/qm) und warmen (T850 hPa 14 bis
18°) Luftmasse hinter der ersten Kaltfront. In der Osthälfte reicht die
Labilität generell noch für Gewitter, insbesondere der Nordosten ist noch
stärker unwettergefährdet, da dort auf der Vorderseite des Höhentiefs starke
Hebung mit Scherung zusammenfällt und hohe CAPE-Werte erwartet werden.
Allerdings steht wieder vor allem der Starkregen im Fokus. Auch in Niederbayern
und am Alpenrand halten sich noch länger Reste der potentiell feucht-instabil
geschichteten Luftmasse mit lokaler Unwettergefahr (evtl. aber auch nur noch auf
österreichischer Seite).

Im Südwesten sowie zwischen Donau und Main trocknet die Luftmasse zunehmend ab
und kompensatorisches Absinken sorgt für längere Aufheiterungen und weitgehend
trockenes Wetter.

Das Temperaturniveau geht erwartungsgemäß deutlich zurück. Dennoch bleibt es mit
Höchstwerten zwischen 26 und 32 Grad schwül-warm bis heiß. Lediglich unter den
Wolken im Nordwesten wird es mit 20 bis 25 Grad deutlich angenehmer.

In der Nacht zum Freitag zieht das Höhentief endgültig nach Südschweden ab und
damit auch letzte Regenfälle über die Ostsee nordostwärts. Der nachfolgende
Druckanstieg könnte aber an exponierten Küstenabschnitten noch für die ein oder
andere Windböe reichen.

Über der Nordhälfte bleibt es sonst meist noch bewölkt, während mit Annäherung
eines flachen Hochkeils mit dem korrespondierenden Hoch über den Britischen
Inseln es in der Südhälfte südlich der Divergenzachse vermehrt aufklart. Bei
Tiefstwerten zwischen 17 und 10 Grad kann landesweit endlich wieder gut
durchgelüftet werden.

Freitag … wird der flache Rücken im kurzwelligen Regime in der Höhe rasch
ostwärts gesteuert und der Westen des Landes gelangt zum Abend bereits auf die
nächste Trogvorderseite. Die o.e. zweite Kaltfrontstaffel erreicht in etwa die
Mittelgebirgsschwelle. Sie trennt stabil geschichtete, vergleichsweise kühle
Meeresluft im Norden (T850 um 10 Grad) von warmer, aber bodennah sowie in der
mittleren Troposphäre abgetrockneter Subtropikluft im Süden (T850 > 15 Grad, an
den Alpen 20 Grad). Die PPW’s liegen dafür noch recht moderat bei rund 25 mm im
Süden.

Mithilfe der Orographie und insbesondere mit Annäherung des Troges in den
Abendstunden sind am Alpenrand, Schwarzwald und Alb sowie in den westlichen
Mittelgebirgen später einzelne Schauer und Gewitter möglich.

Sonst scheint neben lockeren Wolkenfeldern länger die Sonne. Lediglich von der
Nordsee driften am Rande des Hochs mit nordwestlicher Strömung zähe und kompakte
Sc-Felder nach Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Bremen, aus denen
es vereinzelt auch etwas tröpfeln oder nieseln kann.

Entsprechend groß ist das Temperaturgefälle über Deutschland mit kaum 20 Grad an
der Nordsee, 20 bis 25 Grad im Norden, 25 bis 30 Grad über der Mitte und heißen
30 bis 35 Grad im Süden. Damit ist gleichzeitig auch klar, dass die Hitze im
Süden letztlich nie komplett ausgeräumt wird und aller Voraussicht nach zur
kommenden Woche einen neuen Anlauf nach Norden nimmt.

An der See kann es an exponierten Abschnitten weiterhin für einzelne Böen bis 7
Bft reichen.

Modellvergleich und -einschätzung

Bis auf (naturgemäße) Unterschiede in der Simulation der konvektiven
Schwerpunkte sind sich die vorliegenden Modellläufe in den Basisfeldern
weitgehend einig. Die Deutsche Modellkette ist bezüglich der gewittrigen
Regenfälle in der Nacht zum Donnerstag derzeit am offensivsten aufgestellt und
noch mit Vorsicht zu genießen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Robert Hausen