SXEU31 DWAV 161800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 16.07.2022 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Vom lokalen Frost in Bodennähe direkt in die Hitzewelle mit dem Höhepunkt zum
Dienstag. Trockenheit und Waldbrandgefahr bleiben durchweg ein großes Thema.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC

Aktuell … überquert Deutschland eine relativ inaktive Kaltfront, die besonders
dem Osten am Nachmittag noch einige, teils kräftige Schauer brachte, örtlich
auch begleitet von Blitz und Donner inkl. Stundenraten von 4 oder 5 l/qm (gut
prognostisch dank leichter Vereisungstendenzen im RGB Daytime Convection Produkt
verfolgbar). Nach Deutschland gedrückt wurde diese Front durch einen
progressiven/dynamischen Kurzwellentrog, der zum Nachmittag bereits Nordpolen
erreicht hat.
Bereits über der Mitte Deutschland war die Frontpassage mehr oder weniger nur
per Bewölkungszunahme in Form flacher Kumuli sowie durch einen Rückgang der
Taupunkte in den oberen einstelligen Bereich erkennbar. Schaut man sich die
AMDARs von München (präfrontal) und Frankfurt (postfrontal) an, so hat sich die
Front zum Nachmittag auf eine vertikale Mächtigkeit bis rund 700 hPa
abgeschwächt, forciert in dem Höhenniveau eine Inversion und erlaubt dadurch die
Zunahme der schwachen Quellungen. Aber auch diese fallen zum Abend immer mehr in
sich zusammen und die letzten schwachen Schauer verlassen Deutschland ostwärts
in Richtung Polen/Tschechien.

Überlaufen von einem sich von Benelux nach Deutschland ausdehnenden 1026 hPa
Bodenhoch schiebt sich die frontolytische Windkonvergenz bis zum Abend grob auf
Höhe Stuttgart-Straubing und bleibt dort liegen, sodass südlich davon der Tag so
endet, wie er begonnen hat: sonnig und trocken.

Der böige Nordwestwind im Norden und Osten schwächt sich im Binnenland abends
unter die Warnschwelle Bft 7 ab und in Richtung Oberrhein weht dieser eh nur
mäßig bis frisch. Die abendlichen Werte liegen im Norden bei 15 bis 19 Grad und
sonst von Nord nach Süd zwischen 20 und 27 Grad, mit den höchsten Werten entlang
des Oberrheins.

In der Nacht zum Sonntag verlässt der Kurzwellentrog unseren Interessensbereich
ostwärts und in der Folge sorgen ein über Mitteldeutschland liegendes 1027 hPa
Bodenhoch zusammen mit schwachem Geopotenzialanstieg von Südwest für eine
warntechnisch recht ruhige Nacht. Zumeist bleibt es klar und trocken, einzig im
Norden sorgt schwache Warmluftadvektion in Verbindung mit feuchterer Luft (PPWs
etwas über 20 mm) für dichtere Bewölkung, aus der bis auf einzelne Tropfen sonst
kein Niederschlag fallen sollte. Der Nordwestwind bleibt eingangs der Nacht im
Küstenumfeld der Ostsee noch leicht böig mit Bft 7 Spitzen, doch auch dort fällt
der Wind rasch unter jegliche Warnschwellen. Sonst wird nur ein mäßiger Wind aus
Nordost, im Norden aus West erwartet und das bei Tiefstwerten von 11 bis 7 Grad,
entlang der Mittelgebirge bis 5 Grad. Man halte sich fest: punktuell sind in 5
cm Höhe in ungünstigen Lagen entlang der zentralen Mittelgebirge Minima nahe 0
Grad zu erwarten, von statistischer Seite werden gar minimale Frostwerte
angedeutet. Wow! Vorhersagesoundings deuten in der eingeflossenen modifizierten
Polarluft und guter bis sehr guter Ausstrahlung eine scharfe Bodeninversion an
bei regionalen Taupunkten in 2m Höhe von 3 bis 4 Grad und Mittelwinden in der
Grenzschicht von 2 bis 4 km/h – wieso also nicht?

Sonntag … bietet dann aber keinen Spielraum mehr für frostige Stimmung – im
Gegenteil: vom Saarland über den Oberrhein bis zum Hochrhein deutet sich der
Beginn der lang anvisierten Hitzewelle mit Spitzenwerten von 30 oder 31 Grad an
Von UK10 über GFS bis ICON/IFS zeigen alle Modelle ein großräumiges, wenngleich
nicht allzu üppiges Bodenhoch mit Kerndruck von 1024-1025 hPa über
Norddeutschland bei gleichzeitigem Geopotenzialanstieg von Südwesten. Dabei
schiebt sich von Frankreich/Schweiz zum Abend die 15 bis 16 Grad Isotherme in
850 hPa in den Südwesten, was bei tagsüber ungehinderter Sonneneinstrahlung und
nahezu perfekter Durchmischung bis 850/800 hPa inklusive einer kleinen
Überadiabate für die angesprochenen Ü30 Werte ausreicht.

Im Norden und somit nördlich des Bodenhochs gelegen sorgen die Passage einer
Feuchteschliere (ansatzweise als Warmfront analysierbar) für ausgedehnte
Wolkenfelder mit gelegentlichem Sonnenschein. Auch wenn kein Niederschlag fällt,
so drückt die Bewölkung doch auf die Maxima und belässt diese mit 20 bis 24
Grad, lokal bis 25 Grad im meist mäßig warmen Bereich. Noch frischer bleibt es
zwischen Kühlungsborn und Rügen dank auflandiger Windkomponente, sodass dort die
Maxima teils unter 20 Grad hängen bleiben.

Bleibt noch die Mitte Deutschlands zu erwähnen, wo es freundlich oder sonnig und
trocken bleibt bei sommerlich warmen 25 bis 28 Grad. Doch was hier dem
allgemeinen Wohlbefinden entgegenkommt sind Taupunkte im unteren einstelligen,
teils auch leicht negativen Bereich, sodass die relative Feuchtewerte auf unter
20% fallen. Was dem Empfinden entgegenkommt ist natürlich günstig für die
Verdunstungsraten und somit ungünstig für die Trockenheit inkl. der
Waldbrandgefahr, die im Südwesten bis zur Mitte im hohen, punktuell im sehr
hohen Bereich verbleibt.

Der Wind dreht um das Bodenhoch und kommt im Süden schwach bis mäßig aus Nordost
und im Nordosten mäßig frisch aus West bis Nordwest (dazwischen insgesamt aus
nördlichen Richtungen).

Im Verlauf der Nacht zum Montag wandert das Bodenhoch in Richtung Böhmisches
Becken, sonst ändert sich wenig. Im Norden ziehen ausgedehnte Wolkenfelder
vorüber, über der Mitte ist es teils klar, teils locker bewölkt und im Süden
durchweg klar. Niederschlag ist ebenso wenig zu erwarten wie Frost in Bodennähe
bei Minima von 14 bis 10 Grad. Im Osten/Südosten kühlt es nochmal auf bis zu 7
Grad ab. In einigen Ballungszentren des Westens könnte es hingegen aber auch die
ersten Werte um 17 Grad werden.

Montag … , die Nacht zum Dienstag und den
Dienstag … tagsüber kann man in der Folge zusammenfassen und den Fokus auf
die Hitzewelle legen, die zu dem Zeitpunkt im Südwesten/Westen Europas bereits
voll im Gang ist.

Die Synoptik lässt sich schnell beschreiben. Ein cut-off vor Portugal sorgt
zusammen mit einem progressiven, von Südgrönland nach Island schwenkenden Trog
für eine umfangreiche Keilaufwölbung bzw. positive Geopotenzialabweichung, wobei
das Gesamtkonstrukt Gott sei Dank progressiver Natur ist. Dabei liegen die
höchsten Anomaliewerte des 500 hPa Geopotenzials zum Zeitpunkt der maximalen
Erwärmung am Montag über England/Nordfrankreich und am Dienstag über
Benelux/Westdeutschland.

Schaut man sich die 850 hPa Temperaturwerte am Westrand dieser 500 hPa
Geopotenzialanomalie an, so erreichen diese auf dem genannten Niveau teils
absolute Rekordwerte mit den Maxima am Montag zwischen Irland und der Bretagne
und am Dienstag von Großbritannien bis nach Benelux reichend. Woher kommt diese
Anomalie? Betrachtet man jeweils die Rückwärtstrajektorien von heute über
Portugal sowie von Dienstag über Benelux so erkennt man, dass partiell die
Advektion afrikanischer Luftmassen zur Verantwortung gezogen werden kann, jedoch
nur anteilsweise. Dies ist auch innerhalb der Staubvorhersagen von
SKIRON/Multi-model des WMO BDRC zu erkennen, die vergleichsweise geringe Werte
andeuten (was auch von aktuellen RGB Staubprodukten bisher gestützt wird). Ein
großer Part geht jedoch auf anhaltendes und kräftiges Absinken innerhalb der
Antizyklone zurück mit Sinkraten von teils mehr als 2000 m binnen mehrerer Tage
mit entsprechender adiabatischen Erwärmung. Zum Dienstag sind ähnliche
Absinkraten in allen Höhenbereichen von 500 bis über 3000 m AGL zu erkennen.
Forciert wird diese Kompressionswärme am Dienstag noch durch eine von Frankreich
ostwärts ziehende Kaltfront inklusive markantem Bodentrog, die beide bis zum
Dienstagabend Belgien und Luxemburg erreicht haben (ICON progressiv mit der
östlichsten Variante und dem Übergreifen auf Belgien, IFS, GFS und UK10 noch
knapp westlich verbleibend). Wohin genau die heiße Luft geführt wird ist z.B. im
CMC-GEPS/NCEP-GFS mit sehr geringen Diskrepanzen hinterlegt (ein Hinweis, dass
die Wärmeblase nun gut erfasst wird), wobei ein erhöhter Ensemblespread nur am
Westrand hervorgehoben wird (am Montag über der Biskaya dank geringer Diskrepanz
der cut-off Position). Zum Dienstag erhöht sich der spread über
Nordostfrankreich, was jedoch an der etwas variablen Lage der Kaltfront liegen
sollte.

Zwar fällt an beiden Tagen der Bodendruck über Deutschland, doch die
gleichzeitig höhenwarme Luftmasse dank der Annäherung des Keils unterdrückt
jegliche Konvektion.
Am Montag sorgt dichtes WLA Gewölk im Norden nochmals für einen recht
wolkenreichen Tag, doch auch hier lässt die Advektion zum Abend von Westen nach,
sodass die Wolkendecke immer stärker aufreißt. Im Süden bleibt es sonnig und
Niederschlag ist überall kein Thema.
Die Nacht zum Dienstag verläuft klar und trocken und der Dienstag sonnig und
meist wolkenlos, sieht man von einzelnen Cirren im Südwesten ab – natürlich
nehmen wir diese Anzeichen in Verbindung mit etwas Staub so ernst, dass man noch
nicht kategorisch gröbere Cirrenfelder im Südwesten ausschließen mag, doch aus
heutiger Sicht sollte kein zu strahlungsmindernder Einfluss vorherrschen.

Wenn es nun in Richtung Temperaturmaxima geht, schauen wir uns die Bodenwerte
etwas genauer an. Im Bodenfeuchteindex bzw. beim Blick auf deren Anomaliewerte
fallen die meisten Regionen des westlichen Mitteleuropas zu trocken aus, was
z.B. auch bei prozentualen Werten der Niederschlagssumme für Juli (bis gestern)
von 0 bis 10% im Westen Deutschlands nicht weiter verwundet (hier die Signaturen
einer „flash drought“). Verminderte Evapotranspiration wird auch in der fAPAR
Anomalie (Anteil der absorbierten phontosynthetischen aktiven Strahlung in Form
eines 10 tätigen Komposits) mit Werten hervorgehoben, die auf eine verminderte
Aktivität hindeuten mit einem Schwerpunkt über der Mitte Deutschlands.

Trockene Böden inkl. verminderter Evapotranspiration, ein Schichtdickeanstieg
auf rund 572 gpdam im Westen und 850 hPa Temperaturwerte von 18 bis 20 Grad vom
Niederrhein bis zum Schwarzwald sind für Maxima von 33 bis lokal 37 Grad im
Westen gut, während es sonst mit 28 bis 34 Grad von Ost nach West ebenfalls ein
hochsommerlich heißer Tag zu werden scheint. Bei ablandiger Windkomponente kommt
die Seewindzirkulation (auch inklusive verminderter Einstrahlung) nicht so
richtig in Gang, sodass besonders die Ostfriesen ebenfalls in (hoch?)sommerliche
Temperaturbereiche von 25 Grad und mehr kommen sollten. Dank meist einstelliger
Taupunkte lassen sich diese Werte jedoch deutschlandweit vergleichsweise gut
ertragen und erlauben auch recht moderate Tiefstwerte in der Nacht zum Dienstag,
die sich meist zwischen 16 und 11 Grad einpendeln und nur im Westen zwischen 19
und 16 Grad liegen (lokale Tropennächte in Ballungszentren inklusive).

Am Dienstag deutet sich der Höhepunkt der Hitzewelle an, was mehrere Gründe hat.
Der Höhenkeil liegt nun mit 590 gpdam über Westdeutschland (Keilachse morgens
über Benelux bis Vogesen und abends über Deutschland verlaufend) inkl. einer
Schichtdicke zwischen 1000 und 500 hPa von über 576 gpdam, was starkes Absinken
und eine 0-Grad Grenze bei rund 600 hPa zur Folge hat. Des Weiteren erreicht uns
die adiabatisch erwärmte und teils advehierte überhitze Luftmasse voll und ganz
mit 850 hPa Werten von 16 Grad über Rügen bis 22 oder 23 Grad im Westen. Gott
sei Dank (muss man so sagen) verbleiben die antizipierte Kaltfront und der
Bodentrog beide noch knapp westlich von Deutschland, wo dank der Querzirkulation
entlang der Front nicht nur die Advektion der Luftmasse nach Norden entlang des
thermischen Rückens forciert wird, sondern auch dank scharfem niedertrop.
Absinkens inkl. Kompressionswärme die 850 hPa Werte nochmal 1 oder 2 Kelvin
höher liegen könnten. Bei sehr guter Durchmischung dank der Querzirkulation und
bester Einstrahlung verwundern die selbst im eher genmäßigten IFS angedeuteten
geringen Wahrscheinlichkeiten für 40 Grad über Nordostfrankreich nicht.

Es ist unstrittig, dass Westdeutschland peripher dieser maximalen Hitzeblase
liegt und Spitzenwerten in der Fläche vom Emsland bis ins Saarland zwischen 36
und 39 Grad als realistisch anzusehen sind. Feinheiten wie orographisches
Absinken oder geringfügig höhere Temperaturwerte in der Höhe sollten auch hier
und da das Erreichen der 40 Grad-Marke ermöglichen. Mit Annäherung des
Bodentroges dreht der Wind in der Grenzschicht in diesen Gebieten auf Südost und
frischt z.B. in 925 hPa auf 15 bis 30 kn auf (von Ost nach West) bei Taupunkten
von teils unter 5 Grad und relative Feuchtewerte von unter 20%. Das lässt die
Alarmglocken läuten mit Blick auf die Waldbrandgefahr (ggf. bereits initiierter
Brände) und man kann die volatile Brandgefahr im gesamten Westen Deutschlands
bereits aus heutiger Sicht nicht genug hervorheben (maximiert in Richtung
Belgien, Luxemburg und Nordostfrankreich). Zusätzlich herrscht ein geringes
Potenzial für trockene Gewitter, was sich jedoch aus heutiger Sicht eher auf
Benelux beschränken sollte und von ausreichender Anfeuchtung im 600/700 hPa
Niveau abhängt.

Im Südosten und Nordosten verläuft der Tag mit 31 bis 34 Grad bzw. mit etwas
unter 30 Grad im Umfeld der Ostsee etwas gemäßigter und das bei meist schwachem
Wind aus Nordost bis Ost.

Noch abschließend ein kurzer Blick auf die Nacht zum Mittwoch, wo den Westen die
Hitzeblase inklusive Bewölkung präfrontal der Kaltfront überquert, sodass die
Tiefstwerte über der Mitte und dem Westen meist zwischen 24 und 20 Grad hängen
bleiben. Minima von um 26 Grad würden mich in einigen Ballungszentren nicht
verwundern. Da rückt das geringe Schauer und Gewitterrisiko bereits in den
Hintergrund. Im Osten bleibt es klar und trocken und mit 19 bis 16 Grad
ebenfalls sehr mild, in Richtung Niederbayern mit 13 Grad jedoch deutlich
erträglicher.

Modellvergleich und -einschätzung

Die Kurzfrist wird insgesamt sehr gut erfasst von Seiten der Modelle. Allerdings
ergeben sich feine Diskrepanzen beim Umgang der Kaltfront, die von Dienstag zu
Mittwoch Deutschland erfassen soll. Die Modelle nähern sich aber immer weiter
an, sodass der antizipierte Hitzeschwerpunkt (regional gesehen) mittlerweile
recht sicher abgeschätzt werden kann.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Helge Tuschy