S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 04.07.2022 um 10.30 UTC

Norden und Osten leicht wechselhaft und mäßig warm bis warm, Südwesten trocken
und dort zunehmend sommerliches Temperaturniveau.

Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 11.07.2022

Auch das gibt es – eine Mittelfrist ohne gröbere Vorkommnisse, ohne ausgeprägte
Hitze, angenehme Temperaturwerte (subjektives Empfinden), jedoch auch vielerorts
mit anhaltender Trockenheit und Waldbrandgefahr. Der GDO/EDO-Index (globale und
europäische Trockenheitsbeobachtung) hebt mittlerweile weite Bereiche Europas
hervor mit einem Schwerpunkt von West- und Südfrankreich über Italien bis in den
Balkan, aber auch von Ostdeutschland bis nach Polen sowie über
Südwestdeutschland mit einem durchweg negativen Bodenfeuchte-Anomaliewert. Nach
dieser Mittelfrist werden sich diese Werte im Nordosten/Osten Deutschlands wohl
geringfügig verbessert, im Südwesten eher verschlechtert haben.

Aber beginnen wir mit der aktuellen Mittelfrist, die durch einen regen
Rossby-Wellenzug (RWZ) gekennzeichnet ist, der sich von Kanada über Grönland bis
nach Skandinavien erstreckt und Teil eines zirkumpolaren Wellenmusters k=4 ist.
Innerhalb der Wellenflüsse erkennt man besonders über dem nordatlantischen
Sektor in den jüngsten 7 Tagen einen regen zonalen Transport, der in die
ungewöhnlich kräftige Keilaufwölbung /skandinavische Blockierung mündete.
Während nun diese Anomalie abgeschwächt wird (bzw. sich der RWZ etwas ostwärts
verschiebt), baut sich in dieser Mittelfrist vor Irland eine neue kräftige
positive Geopotenzialanomalie auf, die wiederum durch eine quasi-stationäre
Rossby-Welle vor/über der Ostküste der USA und Ostkanada gestützt wird. Im
Zeit-Längendiagramm des IFS-ENS spiegelt sich diese Konfiguration bis mindesten
Mitte Juli wider, wobei der dann gezeigte Abbau ebenfalls unsicher ist, was
wiederum durch einen zunehmenden ENS-spread gekennzeichnet wird.

Angeregt durch diese Entwicklung deutet sich im Verlauf der Mittelfrist per
downstream development eine weitere Verwellung über Osteuropa an, die wiederum
in eine stabile Blockierung über Asien mündet. Also alles in allem eine
beständige Wellenkonfiguration, die sich über Eurasien etabliert.

Für Europa bedeutet dieses Szenario anormal kräftiges Geopotenzial bzw. hohen
Bodendruck über West-/Nordwesteuropa mit der Tendenz zu wiederholten
Entwicklungen von Langwellentrögen über Skandinavien/Osteuropa. Das wäre im
Grunde alles zu dieser Mittelfrist. Doch kommt man nicht umhin auf die
erweiterte Mittelfrist wenigstens kurz hinzuweisen.

Ausgehend von der sich entwickelnden Blockierung über dem Nordatlantik laufen
verstärkt äquatorial gerichtete Wellenflüsse in Richtung Nordwestafrika ab und
zwar in einen diffusen und in mehrere Zentren aufgeteilten Höhentrog, der von
vom Modellklima abweichend kräftigen Winden in der oberen Troposphäre begleitet
wird. Dieser Trog wird advektiv und ggf. auch konvektiv (in Form von latenter
Wärmefreisetzung und PV Reduktion) den Keil vor den Toren Europas stützen. U.a.
wird dieser Trog letztendlich für die erweiterte Mittelfrist entscheiden,
inwieweit sich nach der Monatsmitte heiße Luftmassen nordostwärts in Richtung
West-/südliches Mitteleuropa ausbreiten können. Wiederholt wurden dabei in den
letzten Tagen Einzelmember gesichtet, deren Temperaturwerte – drücken wir es mal
gemäßigt aus – enorm wären, was auch Hand in Hand geht mit der trockenen
Vorgeschichte der Böden, die wiederum diese Membervorhersagen wohl zu sehr
anheizen dürfte (runaway Problem der Modelle). Bei der gleichzeitig angedachten
Tendenz zu tieferem Geopotenzial über Nordosteuropa könnte das Resultat eine
kräftige Luftmassengrenze mit erheblichen Temperaturkontrasten sein, die quer
durch Mitteleuropa verläuft.
Jetzt heißt es die Entwicklung des Troges vor den Toren Südwesteuropas zu
verfolgen, der wiederum dank zahlreicher Abtropfprozesse ein Albtraum für die
Numerik darstellt mit Blick auf stabile Vorhersagen. Es sei an dieser Stelle
klar gesagt, dass das Potenzial einer Hitzewelle für Südwest/West und ggf.
Mitteleuropa nach der Monatsmitte zwar in Anfängen gegeben ist (und dann auch
für eine kräftige), allerdings sind das bisher nur schwache Hinweise, die man
jedoch bei den anstehenden Hintergrundbedingungen sicherlich mal ansprechen kann
(konvektiv unterdrückter Ast einer kräftigen konvektiv gekoppelten Kelvinwelle
über Nordafrika, was auch mit anfänglich zu trockenen Verhältnisse in weiten
Bereichen Nordafrikas in den jüngsten IFS-ENS Trendvorhersage gezeigt wird). Im
Hinterkopf sollte man auch die teils deutlich zu warmen Anomalievorhersagen der
2m Temperatur (IFS-ENS, zweite Julihälfte bis in den August) für die genannten
Bereiche behalten, die durch solch eine Geopotenzialkonfiguration gestützt
werden und wo vor allem Frankreich und Italien betroffen wären.

Das aber nur als Einschub, denn nun fokussieren wir uns auf die anstehende
Mittelfrist, die im Norden/Osten regentechnisch gar verheißungsvoll beginnt.

Am Donnerstag passiert den Norden und Osten ein Randtrog, der
niedertroposphärisch an eine Warm- und Kaltfront gekoppelt ist und zudem von
einem labil geschichteten Warmsektor begleitet wird. Die Folge sind in den
Regionen wiederholt auftretende Niederschläge, teils gewittrig verstärkt, wobei
die Ausdehnung nach Westen noch etwas unsicher ist (andere Modelle lassen auch
Westdeutschland an dem Nass teilhaben). 24-std. Niederschlagsmengen von 5 bis 10
l/qm, strichweise 10 bis 20 l/qm und im Stau der bayerischen Alpen von 20 bis 40
l/qm (und somit ggf. warnwürdig) stehen auf dem Programm. Ein Tag, an dem alle
Regentonne aufgestellt sein sollten, denn –

der Freitag, Samstag, Sonntag und Montag sind nicht mehr für größere Regenmengen
gut. Zwar bleibt es abgesehen vom Westen/Südwesten leicht wechselhaft und immer
wieder bringen Fronten in abgeschwächter Form leichte Niederschläge, die
besonders Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, die Staulagen des
Erzgebirges und den Alpenrand sowie die östlichen Mittelgebirge betreffen,
aufsummiert über diese Tage sind die Mengen mit 5 bis 10 l/qm jedoch
überschaubar. Grund für diese eingefahrene Wetterlage ist die genannte positive
Geopotenzialanomalie vor Irland sowie das kräftige und weit ostwärts reichende
Azorenhoch, das an deren Ostflanke wiederholt von schwachen Fronten inklusive
ausgedehnten Wolkenfeldern umrundet wird. Dabei werden die Höchstwerte beständig
auf 22 bis 25 Grad gedrückt, je nach Niederschlag oder Sonnenanteil auch 1 oder
2 Grad mehr oder weniger (im Umfeld der Küsten meist um 20 Grad dank beständiger
auflandiger Windkomponente, wobei der Nordwestwind am Donnerstag und Freitag
küstennah auch mal stürmisch auffrischen kann).

Anders sehen diese Tage im Westen und da besonders im Südwesten aus. Es ist nach
Abzug der Front von Donnerstag durchweg freundlich oder sonnig und überwiegend,
regional auch durchweg trocken, wobei sich die Höchstwerte von anfänglich um 24
Grad rasch auf sommerliche bis hochsommerliche 24 bis 29 Grad, entlang des
Oberrheins um 30 Grad, erholen. Man kann grob sagen, dass die zentralen
Mittelgebirge als thermische Schwelle zwischen mäßig und sommerlich warm
fungieren.

In der erweiterten Mittelfrist könnten sich dann die Temperaturgegensätze auch
in Deutschland verschärfen mit zunehmend heißen Bedingungen im Südwesten und
weiterhin mäßig warmen bis warmen Bedingungen im Norden und Osten. Noch
wichtiger – größere Niederschlagsereignisse sind weiterhin nicht zu erkennen.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die jüngsten IFS-Modellläufe zeigen die Entwicklung während dieser Mittelfrist
von Donnerstag bis Montag recht einheitlich. Dabei weitet sich nach einer
Trogpassage zum Vorhersagebeginn das Azorenhoch bis nach Westeuropa aus, sodass
Deutschland an seiner Ostflanke verbleibt, in der immer wieder Störungen in
abgeschwächter Form auf den Norden und Osten Deutschlands übergreifen. Am
Sonntag deuten die beiden letzten IFS Läufe im Vergleich zu den Vorläufen einen
antizyklonaler geprägten Kurs an, der zum Montag erneut in eine nordwestliche
Strömung kippt.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Auch die weiter Globalmodellkette sieht die Entwicklung während dieser
Mittelfrist sehr ähnlich. Größere Unterschiede ergeben sich da schon eher bei
den unzähligen Abtropfprozessen vor/über Westeuropa, die später in der
erweiterten Mittelfrist von Interesse sein werden. Bis dahin aber zeigen sich
erst zum Ende der Mittelfrist am Montag Diskrepanzen zwischen IFS und GFS, wie
kräftig der Keil noch nach Mitteleuropa gerichtet ist (IFS mit einer recht
strammen Nordwestströmung).

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Clusteranalyse beginnt mit 5 Clustern und dem klimatologischen Regime
„Blockierung“, wobei der Kontrolllauf im 3. Cluster und der det. Lauf im 5.
Cluster zu finden sind. Alle heben die anormal kräftige Geopotenzialanomalie vor
West-/Nordwesteuropa hervor, an deren Ostrand wir in einer nordwestlichen
Anströmung liegen.

In der Folge ändert sich daran wenig (bis einschließlich Sonntag), wobei in
einem Cluster das Regime „Blockierung“ vorherrscht. Über Nordwesteuropa bleibt
die kräftige positive Geopotenzialanomalie vorherrschend, wobei an deren Ostrand
über Mitteleuropa wiederholt Wellen ablaufen und dem Norden/Osten Deutschland
wechselhaftes Wetter bescheren (ohne gröbere Niederschlagsereignisse). Eine sehr
eingefahrene Wetterlage.

In der erweiterten Mittelfrist ergeben sich 4 Cluster, wobei auch weiterhin ein
Überhang des klimat. Regimes „Blockierung“ zu erkennen ist. Die Frage wird sein,
wie zonal ausgerichtet sich die Anomalie ostwärts verschieben wird. Der Großteil
der Cluster lässt die Anomalie direkt nach Nordfrankreich-Deutschland ziehen bei
noch sehr unsicherem Geopotenzialabbau über Skandinavien. Alle Cluster zeigen
einen quasistationären Langewellentrog vor Portugal, jedoch auch hier mit
Diskrepanzen bezüglich der Intensität. Beide Protagonisten werden letztendlich
entscheiden, wer welche Luftmasse erhalten wird – nach der jüngsten
Clusteranalyse wäre Südwesteuropa bis Frankreich/Italien im Blickfang
afrikanischer Luftmassen.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Im Küstenumfeld gibt es zeitweise geringe Wahrscheinlichkeiten für markante Böen
aus Nordwest (besonders am Donnerstag/Freitag – leicht erhöhter EFI).

Am Donnerstag können die Gewitter markant durch Starkregen ausfallen, wobei
jedoch die Qualität des Warmsektor noch nicht abschließend geklärt ist.
Innerhalb vom EFI CAPE/Scherung ergeben sich keine Signale.

Waldbrand und Trockenheit bleiben ein Thema, wobei die Waldbrandgefahr im
Nordosten am Donnerstag erstmal etwas abgeschwächt wird.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-ENS, GEFS, MOSMIX

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Helge Tuschy