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S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 28.06.2022 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Bis Mittwoch vor allem im Süden, Osten und in Teilen der Mitte Gewitter mit
lokalem Unwetterpotenzial. Donnerstag und Freitag mit Kaltfrontpassage von West
nach Ost überregionale Schwergewitterlage möglich.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC

Aktuell … liegt Deutschland zwischen einem langgestreckten Rücken über
Osteuropa und einem Langwellentrog vor den Toren Westeuropas. Nahezu
achsensenkrecht unter dem Drehzentrum des Troges nordwestlich von Irland findet
sich das steuernde Tief TINA (995 hPa). Der Rücken stützt das kräftige
Blockadehoch FRIDO (1030 hPa) mit Schwerpunkt über Karelien. Aufgrund der
blockierenden Wirkung des Rückens und wiederholten Regenerationsprozessen des
Troges ist das großräumige Muster weiterhin ziemlich stabil. Deutschland
verbleibt demnach über die komplette Kurzfrist hinweg in einer südlichen bis
südwestlichen Höhenströmung. Darin eingelagerte Störungen in Form kurzwelliger
Troganteile sorgen für einen insgesamt eher unbeständigen Wettercharakter und
für eine von teils unwetterartigen Gewittern geprägte Warnlage.

Am heutigen Dienstag brachte ein flacher Rücken zunächst eine Wetterberuhigung.
Er schwenkt im Laufe der kommenden Nacht unter Konturverlust über den Norden und
Osten Deutschlands nach Skandinavien. Das kleine Zwischenhoch verzieht sich
ebendahin. Dem Rücken folgt ein Randtrog, der von Oberitalien zum Alpenraum
zieht. Die Südhälfte gelangt bereits auf die leicht diffluente Vorderseite.
Luftruckfall induziert die Bildung eines kleinen Leetiefs, das sich im Verlauf
vom östlichen Alpenrand löst und nach Niederbayern verlagert. Im Zuge dessen
wird die sehr feuchte und instabile Warmluft vom Südosten wieder etwas nach
Norden bis in die Mitte und den östlichen Mittelgebirgsraum verfrachtet.

Die trogvorderseitige Hebung sorgt für eine zunehmende Niederschlagstätigkeit,
die sich vom Süden und Südosten allmählich bis zum zentralen und östlichen
Mittelgebirgsraum ausweitet. In Südostbayern wird dabei 300-600 J/kg ML-CAPE
simuliert. Zudem zieht sowohl die hochreichende als auch die
niedertroposphärische Scherung vorübergehend an, sodass dort insbesondere am
Abend und eingangs der Nacht erhöhte Unwettergefahr durch organisierte,
rotierende Gewitterzellen besteht, die mit heftigem Starkregen, größerem Hagel
und schweren Sturmböen einhergehen können. In den übrigen Regionen werden mit
Vorstoß der Warmluft über die stabile Grenzschicht zumindest gebietsweise 200
bis 500 J/kg MU-CAPE aufgebaut, sodass schauerartiger Regen mit einzelnen
eingelagerten Gewittern zu erwarten ist. Dabei ist örtlich Starkregen möglich.
ICON-D2-EPS rechnet leicht erhöhte Wahrscheinlichkeiten für heftigen Starkregen

25 mm/h in Unterfranken und Ostsachsen.

In weiten Teilen des Nordostens, Nordens und Nordwestens sowie ganz im Westen
verläuft die Nacht ruhig und mitunter aufgelockert bewölkt. Dort liegen die
Tiefstwerte bei 12 bis 7 Grad, unter den Wolken bei 18 bis 12 Grad.

Mittwoch … wandert der Kurzwellentrog unter Konturverlust über den Süden
Deutschlands nordostwärts und erreicht abends Ostbayern. Das damit in Verbindung
stehende, ehemalige Leetief befindet sich mit Kern dann noch knapp vorderseitig
etwa über dem Dreiländereck Thüringen-Sachsen-Bayern. Die feuchte und instabile
Warmluft kommt damit vor allem im Osten noch etwas nach Norden voran, während
sie im Westen eher stagniert und sich später sogar wieder nach Süden
zurückzieht. Somit liegt die – zugegeben etwas diffuse – Luftmassengrenze
nachmittags in etwa auf einer Linie Pfalz-Harz-Berlin. Südöstlich davon lebt die
Schauer- und Gewittertätigkeit nach vorübergehender Abschwächung ab den
Mittagsstunden wieder auf. Die feuchteste und instabilste Luft liegt zwischen
Alpenrand, Ostbayern und Sachsen. Dort werden nach ICON6 im Tagesverlauf
folglich verbreitet 300-600 J/kg, örtlich sogar bis 800 J/kg ML-CAPE aufgebaut.
Die Scherung ist moderat bis schwach, sodass eher mit Multizellen zu rechnen
ist, die zu einem größeren Cluster zusammenwachsen können. Bei PPW’s zwischen 35
und 40 mm steht der Starkregen im Fokus, der in den genannten Regionen räumlich
eng begrenzt durchaus heftig (>25 mm/h) oder gar extrem (>40 mm/h) ausfallen
kann. Die höchsten Wahrscheinlichkeiten für Unwetter liefert das ICON-D2-EPS für
die ostbayerischen Mittelgebirge und Teile von Thüringen und Sachsen. (Schwere)
Sturmböen Bft 8-10 können vor allem im Umfeld größerer, organisierter
Gewittersysteme nicht ausgeschlossen werden, die den äußersten Südosten und
Osten streifen. Hagel spielt eher eine untergeordnete Rolle. Ansonsten sind
sowohl Feuchte als auch Labilität geringer ausgeprägt, teils ist die Labilität
auch von der Grenzschicht abgehoben. Dies dämpft das Gefahrenpotenzial,
Starkregen kann aber generell nicht ausgeschlossen werden.

Im Norden, Nordwesten und Westen bilden sich in trockenerer Luft unterhalb einer
Inversion zwischen 700 und 800 hPa allenfalls flache Quellwolken, die
Schauerneigung ist gering. Auch im Südwesten stabilisiert die Luft
trogrückseitig im Tagesverlauf, sodass die sonnigen Abschnitte zunehmen.

Die Höchsttemperaturen liegen erneut zwischen 21 Grad an der See und bis 29 Grad
im Binnenland, wobei die höchsten Werte im Westen und Südwesten erreicht werden.

In der Nacht zum Donnerstag schwenken Randtrog und Bodentief nach
Nordostdeutschland. Nachfolgend wird die südwestliche Strömung wieder ein wenig
antizyklonaler, sodass von Süden her der Druck steigt. Schauer und Gewitter
verlagern sich mehr und mehr in den Nordosten und Osten, eventuell als größerer
Gewittercluster organisiert. Die Gewitter koppeln sich höchstwahrscheinlich von
der Grenzschicht ab und zumindest nach ICON-Lesart finden sich die höchsten
MU-CAPE-Werte eher über Polen. Somit geht die größte Gefahr vom Starkregen aus,
der aber weiterhin unwetterartig ausfallen kann.

Ansonsten klingen Schauer und Gewitter ab, in der Westhälfte bleibt es durchweg
trocken. Gebietsweise klart es auf. Dann gehen die Temperaturen zurück auf 14
bis 8 Grad, sonst liegen die Tiefstwerte zwischen 19 und 14 Grad.

Donnerstag … verbleiben wir auf der Vorderseite des Langwellentrog mit
Drehzentrum bei den Hebriden. Da seine Hauptachsachse nach England und
Westfrankreich schwenkt und sie dadurch eine leicht negative Neigung bekommt,
dreht die Strömung über Deutschland leicht auf Südsüdwest zurück.
Trogvorderseitig beginnt der Luftdruck stärker zu fallen, sodass sich eine
Tiefdruckrinne formiert, die abends Westdeutschland erreicht. Die sich knapp
westlich daran anschließende Kaltfront bleibt noch westlich des
Vorhersagegebietes, sodass ganz Deutschland in den Zustrom sehr warmer bis
heißer Luft gelangt (T850 zwischen 11 und 19 Grad).

Wenn die nächtlichen Gewitter über dem Osten und Nordosten zur Ostsee abgezogen
sind, stellt sich in zunächst in etwas trockenerer Luft ein freundlicher und
überwiegend trockener Mix aus viel Sonne und lockeren Quellwolken ein. Einzelne
Wärmegewitter bilden sich am ehesten über dem süddeutschen Bergland und an den
Alpen, wo sich Reste der feuchteren Luft halten. Bei 500 bis 1500 J/kg ML-CAPE,
PPW’s um 30 mm und schwacher Scherung handelt es sich um pulsierende
Einzelzellen, die vorübergehend aber sehr kräftig sein und mit (heftigem)
Starkregen und Hagel einhergehen können. Spannend wird es am Nachmittag im
Westen, wenn sich mit der Tiefdruckrinne wieder deutlich feuchtere Luft
durchsetzt, die mit Annäherung des Troges auch zunehmend labilisiert. Als
Auslösemechanismus kann sowohl die in der Rinne eingelagerte Konvergenz als auch
die Kaltfront dienen. Den Gewittern stehen laut ICON6 500 bis 1000, örtlich bis
1500 J/kg ML-CAPE zur Verfügung. Bei zunehmender, moderater Scherung und PPW’s
zwischen 30 und 40 mm können sich die Gewitter recht gut organisieren und
heftigen Starkregen bringen. Unwettergefahr besteht zudem aufgrund von größerem
Hagel bei Superzellen und Gewitterböen bei linienhafter Organisation.

Zuvor wird es verbreitet sehr warm heiß bei Höchstwerten zwischen 26 und 33
Grad, kühler ist es nur an der Küste.

In der Nacht zum Freitag kommen die Gewitter weiter ostwärts voran. Vor allem
durch heftigen Starkregen besteht weiterhin Unwettergefahr. Zwischen Ostsee und
Sachsen bleibt es wahrscheinlich noch trocken und auch im Westen lässt der Regen
hinter der Kaltfront ausgangs der Nacht nach.

Dort gehen die Temperaturen bei Auflockerungen auf 13 bis 7 Grad zurück, sonst
liegen die Tiefsttemperaturen meist zwischen 19 und 14 Grad.

Freitag … greift die Trogachse auf den Westen und Südwesten Deutschlands über,
dahinter wölbt sich über Südwesteuropa ein flacher Rücken auf. Die
Tiefdruckrinne zieht mitsamt Konvergenz und nachfolgender Kaltfront im
Tagesverlauf über die Osthälfte des Landes nach Osten ab. Inwieweit sich der
Osten und Südosten noch bis zur Nachmittagszeit in der Warmluft befindet, bleibt
abzuwarten. Sollte es der Fall sein und Einstrahlung vorherrschen, könnte
nochmal CAPE in der Größenordnung von 1000 bis 1500 J/kg aufgebaut werden. Bei
moderater bis starker Scherung sind dann wieder organisierte, schwere Gewitter
möglich, die in allen Belangen unwetterträchtig sein können.

In der Westhälfte stellt sich nach Abzug der frontalen Regenfälle im
Einflussbereich eines sich von Westen hereinschiebenden Hochkeils ein munterer,
aber überwiegend trockener Sonne-Wolken-Mix ein.

Während an Oder und Neiße nochmal 30 Grad erreicht werden könnten, sind in
postfrontal einfließender, frischer Meeresluft (T850 auf 8 bis 5 Grad absinkend)
nur noch 18 bis 24 möglich.

Modellvergleich und -einschätzung

Obwohl die Modelle die Geopotenzial- und Druckverteilung recht ähnlich
simulieren, gibt es – typisch für ein konvektives Niederschlagsregime – größere
Diskrepanzen hinsichtlich der räumlichen Verteilung der Niederschläge.
Da die Wahrscheinlichkeiten für unwetterartige Entwicklungen für die kommende
Nacht insgesamt eher gering ausfallen und die Gewitter größtenteils „elevated“
sein dürften, kann auf eine Vorabinformation verzichtet werden. Die
Warnherausgabe erfolgt, wie bei konvektiven Ereignissen üblich, im Nowcast.
Für den morgigen Mittwoch ziehen die Wahrscheinlichkeiten für heftigen
Starkregen in Teilen der Südosthälfte (siehe Text) dann etwas deutlicher an,
zudem besteht die Möglichkeit, dass der äußerste Osten und Südosten von
organisierten Gewittersystemen gestreift werden könnte. Eine Vorabinfo ist –
stand heute – dann durchaus ins Kalkül zu ziehen.
Im Zuge der Kaltfrontpassage am Donnerstag und Freitag ist von West nach Ost
eine überregionale Schwergewitterlage möglich.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Adrian Leyser