SXEU31 DWAV 241800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 24.06.2022 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Allmählich auslaufende, aber nicht gänzlich einschlafende Regen- und
Gewitteraktivität. Am Samstag leichter Zwischenhocheinfluss, ab Sonntag von
Westen her wieder zyklonaler und gewittriger. Dafür im Osten heiß.

Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC

Aktuell … zeigt sich die großräumige Potenzialverteilung rein optisch gesehen
von ihrer ästhetischen Seite. Es doch immer wieder beeindruckend, welch
künstlerisches Potenzial in der Natur steckt. Die Rede ist von einem lupenreinen
Omega (dem 24. Und letzten Buchstaben des griechischen Alphabets), dass man
freilich nicht aus der Hans-guck-in-die-Luft-Perspektive zu Gesicht bekommt,
sondern nur beim Blick auf die Wetterkarte. Als zentraler Block des Omegas
fungiert ein inzwischen abgeschlossenes Höhenhoch, das von Südskandinavien über
den baltischen Raum hinweg bis in den Westen Russlands reicht. Nach Süden ist
aber noch ein brückenartiger Anschluss zu einem Rücken über dem zentralen
Mittelmeer gewährleistet, deren Schwachstelle im Raum Ungarn-Rumänien liegt
(geringster Abstand der 576-gpdm-Isohypsen). Rücken und Höhenantizyklone
korrespondieren mit dem vergleichsweise flachen (nur wenig über 1015 hPa),
inzwischen aber großflächigen Hoch FRIDO, der mal als dünner Hansl in Form eines
schmalen Azorenhochkeils ins Leben gerufen wurde. Inzwischen ist aus dem Hansl
der dicke Hans geworden, der sich heute Abend von Fennoskandien bis hinunter zum
Balkan erstreckt. Von dort gleitet ihm sein Einfluss auf unser Wetter mehr und
mehr aus der Hand, was tagsüber noch nicht der Fall war. Da sorgte aus dem Hoch
ausfließende trocken-heiße Luft etwa nordöstlich der Elbe für einen
sonnenscheinreichen Freitag mit Höchstwerten um oder gar jenseits der
30°C-Marke. Selbst an der Ostseeküste wurden aufgrund der ablandigen
Windkomponente nicht selten 30°C erreicht oder überschritten.

Kommen wir zu den beiden flankierenden zyklonalen Genossen, die zur
Vervollständigung des Omegas zwingend vonnöten sind. Im Osten wäre da ein
Höhentief über der Krim, das für uns aber keine unmittelbare Bedeutung hat.
Anders sieht es mit dem westlichen Part aus, wo es sich inmitten eines
veritablen Höhentrogs das hochreichende Tief REBECCA gemütlich gemacht hat.
Unweit von Irland zieht es einsam seine Kreise, wobei der Kerndruck bis Samstag
auf etwas unter 990 hPa fallen soll. Zwischen dem Trog/Höhentief auf der einen
und dem Rücken auf der anderen Seite wird eine süd-südwestliche Höhenströmung
generiert, mit der in losen Abständen immer wieder Randtröge nordostwärts
geschleust werden. Eines dieser Exemplare erreicht in den Abendstunden von
Frankreich und der Schweiz her den Südwesten, von wo aus er unter Konturverlust
nordostwärts schwenkt. Im Süden trifft der Randtrog auf eine durch vorherige
Gewitteraktivität gut durchgefeuchtete Luftmasse, die aber vornehmlich durch
niedertroposphärische KLA kontinuierlich an Labilität einbüßt. Kurzum, am Abend
und in der ersten Nachthälfte kommt es im Süden neben einzelnen Gewittern
zunehmend auch zu ungewittrigen Regenfällen, bei denen bezogen auf eine oder
mehrere Stunden am ehesten in Bayern gebietsweise das Starkregenkriterium
gerissen werden kann. Ob es letztlich sogar für Unwetter reicht (> 35 l/m²
innert 6 h), wie von ID2-EPS mit immerhin bis zu 70% Wahrscheinlichkeit
signalisiert (Lauf von 12 UTC), ist fraglich. Auf alle Fälle verlagern sich
Gewitter und Regenfälle mit abnehmender Intensität ostwärts Richtung Austria und
Tschechien, so dass es in den frühen Morgenstunden wohl nur noch rund um den
Bayerischen und den Oberpfälzer Wald sowie im Fichtelgebirge etwas regnet.
Während die anfänglich im Westen noch auftretende Konvektion mehr und mehr dem
Tagesgang sowie einem auf den Randtrog folgenden flachen Rücken zum Opfer fällt,
heißt es im Osten und Nordosten die ganze Nacht über Hab-Acht-Stellung zu
behalten. Grund sind die bis dato noch gar nicht erwähnte Tiefdruckrinne QIARA,
die heute tagsüber vom großen FRIDO sowie der daraus ausfließenden trockenen
Heißluft (Taupunkte teils unter 10°C) noch ausgebremst wurde, nun aber Stück für
Stück ost-nordostwärts vorankommt. Damit breitet sich auch die deutlich
feuchtere (Taupunkte teils über 15°C) und noch immer leidlich labil geschichtete
Luftmasse (wenige hundert J/kg MU-CAPE oberhalb der sich stabilisierenden
Grundschicht) südwestlich der Konvergenzachse immer weiter aus. Trifft nun die
Vorderseite des Randtroges mit einem kleinen PVA-Maximum im Osten und Nordosten
ein, könnte der zwar nicht gerade sprudelnde, aber durchaus vorhandene
synoptisch-skalige Hebungsimpuls ausreichen, die eine oder andere
Überentwicklung zu generieren. Dabei gilt es insbesondere auf Starkregen und
stürmische Böen oder Sturmböen 8-9 Bft zu achten, die Unwettergefahr ist aber
gering.

Samstag … setzt sich in weiten Teilen des Landes leichter Zwischenhocheinfluss
durch. Im Druckfeld ist dieser kaum zu erkennen, weil der Gradient so weit
aufweicht, dass tagsüber über Deutschland wahrscheinlich keine einzige
Hauptisobare in den Analysen auftaucht (Pech für den diensthabenden Analysator,
dem dadurch die Wochenendzulage gestrichen wird;-)). Die Hauptarbeit muss
folglich der o.e. flache Rücken leisten, der langsam ost-südostwärts über den
Vorhersageraum hinwegwandert und dabei schwaches Absinken respektive eine
schwache Inversion zwischen 700 und 800 hPa generiert. Hinzu kommt eine
vorübergehende Abtrocknung und Stabilisierung der eingeflossenen Meeresluft, die
sich im Tagesverlauf niedertroposphärisch leicht erwärmt (T850 von 9-13°C am
Morgen auf 11 bis 15°C am Abend). Lange Rede, kurzer Sinn, der morgige Samstag
verläuft in weiten Landesteilen bei einer Mischung aus Sonnenschein und mehr
oder weniger dichten Quellwolken trocken, wobei sich die Luft auf 24 bis 29°C
erwärmt. Im äußersten Westen könnten im Tagesverlauf auch ein paar hohe oder
mittelhohe Wolken am Firmament auftauchen, quasi als Vorhut einer sich durch
Wellenbildung nur gaaanz langsam nähernden Kaltfront, die in den nächsten Tagen
aber noch für Schlagzeilen sorgen wird. Sie gehört zur weiterhin vor Irland
rotierenden REBECCA, die erst zum Sonntag hin beginnt, ihren zweifelsfrei
vorhandenen Alabaster-Corpus etwas nach Osten zu verlagern.

Keine Regel ohne Ausnahme und da gilt es morgen den Osten und Nordosten zu
nennen, der im Gegensatz zu heute die anfälligste Region für konvektive
Umlagerungen darstellt. Erstens ist die Luftmasse feuchter als im Rest des
Landes (PPWs z.T. deutlich über 30 mm). Zweitens ist sie etwas labiler, so dass
drittens je nach Einstrahlung einige hundert J/kg ML-CAPE aufgebaut werden
können. Und viertens lassen sich noch rudimentäre Reste der ehemaligen
Tiefdruckrinne ausmachen, die mit lokalen Windkonvergenzen im Verbund mit
Erreichen der Auslösetemperatur (um oder etwas über 25°C) die Zündung einzelner
Überentwicklungen initiieren könnte. Bei kaum vorhandener Scherung und nur
schwachen Höhenwinden ist von pulsierenden Einzelzellen auszugehen, die
luvseitig aber anbauen können. Von daher steht eindeutig der Starkregen im Fokus
(lokale Unwetter nicht ausgeschlossen), während Hagel und Sturm nur eine
untergeordnete Rolle spielen.

In der Nacht zum Sonntag wird der flache Rücken südostwärts abgedrängt, wodurch
wir wieder voll unter die indifferente bis leicht zyklonal konturierte
süd-südwestliche Höhenströmung vorderseitig des Troges über dem nahen Atlantik
gelangen. Dabei kommt auch die Kaltfront geringfügig ostwärts voran, ihre
weiterhin höhenströmungsparallele Exposition, schwache niedertroposphärische
Winde sowie Wellenbildung verhindern aber größere Sprünge. Auf ihrer Vorderseite
fällt der Luftdruck ganz leicht, was die Bildung einer schwachen Rinne forciert,
die sich in den Westen und Nordwesten des Vorhersageraums schiebt. Damit könnten
auch erste Schauer oder Gewitter von Benelux und NO-Frankreich her auf deutsches
Hoheitsgebiet übergreifen, allerdings signalisiert die Benutzung des
Konjunktivs, dass diesbezüglich die Messen noch nicht gelesen sind (leichte
Modellunterschiede, die aber über ja oder nein entscheiden).

Was auch immer im Westen passiert, im Osten gehen die von Tage noch
übriggebliebenen Schauer und Gewitter rasch in die Knie, so dass unter dem
Strich im größten Teil Deutschlands eine gering bewölkte oder klare und trockene
Nacht zu Buche steht.

Sonntag … zieht die hochreichende REBECCA über Nordirland hinweg in Richtung
Schottland, wo sie in der Nacht zum Montag ganz im Norden anlandet. Bei uns
nimmt dadurch insbesondere im Westen die inzwischen weitgehend zyklonal
konturierte südliche Höhenströmung etwas zu. Kurze Wellen sind mit bloßem Auge
nicht zu erkennen, gleichwohl simulieren die Diagnosekarten in der Westhälfte
Hebungsantriebe, die auf ganz flache Strukturen hindeuten. Derweil greift die
nach wie vor wellende Kaltfront auf die westlichen Landesteile über, wobei sie
die präfrontale, nach Südwesten zurückhängende Rinne vor sich herschiebt.
Vorderseitig der Front gelangt eine neue Portion feuchter und potenziell
instabiler Subtropikluft nach Deutschland, in der T850 auf 14 bis 19°C steigt.
Reichlich Einstrahlung lässt das ML-CAPE gebietsweise auf über 500 J/kg,
stellenweise rund 1000 J/kg steigen, allerdings ist das Ganze nach Süden und
Osten hin stark gedeckelt. Von daher sieht es in diesen Gebieten Stand heute
eher nach wenigen, vornehmlich durch die Orografie getriggerten
Einzelentwicklungen aus, bei denen Starkregen ganz oben auf der Agenda steht. Es
soll allerdings nicht verschwiegen werden, dass einige externe Modelle dem Osten
und Nordosten etwas mehr Konvektion zutrauen.

Die Hauptaktivität ist aber eindeutig weiter westlich zu erwarten, wo die
Auslöse durch die geringere Deckelung sowie die o.e. flachen Wellen leichter
fällt. Die Zellen ziehen zwar, bei PPWs teils über 35 mm und möglichem
rückwärtigen Anbau ist mit Starkregen bis in den Unwetterbereich zu rechnen.
Aufgrund guter Scherung (LLS 15 bis 20 m/s, DLS bis 10 m/s mit unten guter
Richtungsscherung) können die Gewitter durchaus organisiert sein, so dass auch
Hagel und Sturmböen (inverse V-Struktur in der Grundschicht) keine unwichtige
Rolle spielen dürften. Details dazu wie immer in den Folgeübersichten.

Ganz im Westen und Nordwesten dreht der Wind relativ früh schon auf Südwest bis
West, wodurch eine gemäßigtere und stabilere Luftmasse advehiert wird (T850 um
10°C). Für Gewitter dürfte es in dieser Luft nicht mehr reichen, für einzelne
Schauer wohl noch. Außerdem gilt es noch eine zwar nur kleine, aber nicht
wegzudiskutierende Druckwelle zu beachten, die von Benelux und Frankreich her
übergreift und den Wind vorübergehend stark böig auffrischen lässt. Wie stark am
Ende, bleibt abzuwarten.

Die Temperatur steigt im Osten und Süden mit reichlich Sonnenschein auf 28 bis
34°C mit den höchsten Werten in Sachsen-Anhalt, BB und Sachsen. Je weiter
westlich, desto wolkiger und desto weniger warm bzw. heiß. Ganz im Westen werden
keine 25°C erreicht.

In der Nacht zum Montag deutet sich im Westen ein stärkeres Regenereignis an. So
verschärfen sich an der kaum ostwärts vorankommenden Front nicht nur die
thermischen Gegensätze, auf der kalten Seite stellt sich zudem eine veritable
Gegenstromlage ein (unten Nord-, darüber Südwind), was in einem relativ schmalen
Korridor teils gewittrigen, teils ungewittrigen Starkregen auslösen kann. Im
Grunde gehen alle Modelle in diese Richtung, einzig die genaue Positionierung
und Quantifizierung des Regenmaximums variiert noch. Man darf gespannt sein…

Im großen Rest des Landes passiert wenig bis nichts, anfänglich möglicherweise
noch auftretende Konvektion bricht unter der Last des Tagesgangs zusammen. Vor
allem im Osten wirdŽs schwierig mit dem Lüften, weil die Temperatur z.T. nicht
mehr unter 20°C sinkt (=> Tropennacht).

Montag … zieht die altehrwürdige REBECCA nordwestwärts Richtung Island ab.
Eine Nachfolgerin steht westlich Irlands aber bereits ante portas, gleichzeitig
wird auch der Höhentrog regeneriert. Damit ist die trogvorderseitige zyklonale
Südlage (Sz) bis auf Weiteres gesichert. Bei uns machen Kaltfront und
vorlaufende Rinne Fortschritte in Richtung Osten. Während am Mittag in SO-Bayern
knapp über 20°C auf 850 hPa erwartet werden, sind es an der Grenze zu den
Oranjes gerad mal 8°C. Damit weitet sich natürlich auch die Zone potenzieller
schauerartiger Regenfälle und kräftiger Gewitter ostwärts aus. Wie weit, da
steht noch in den Sternen. Es spricht aber Einiges dafür, dass weite Teile
Bayerns aber auch die Gebiete zwischen Sachsen und MV noch weitgehend außen vor
gelassen werden. Dort knallt über weite Strecken des Tages die Sonne vom Himmel
und erhitzt die Luft auf 30 bis 35, lokal sogar 36°C – widerlich! Westlich
schließt sich ein Übergangsstreifen mit z.T. schwülen 25 bis 30°C, bevor vom
Saarland bis hoch zur Deutschen Bucht respektive nach SH 20 bis 25°C auf der
Karte stehen.

Modellvergleich und -einschätzung

Die groben Abläufe passen, die Einzelheiten vor allem hinsichtlich Niederschlag
und Gewitter nicht immer. Klassiker sozusagen, bei dem wir heute einmal mehr
Nowcasting gefragt. Das Schönste am Schluss: Es regnet in Offenbach und
Umgebung.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann