S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 22.06.2022 um 10.30 UTC

Meist Trogvorderseite, entsprechend sommerlich-wechselhaft mit Schauern und
Gewittern, aber auch trockenen Phasen/Regionen. Vorhersage vor allem zu
Wochenbeginn noch unsicher.

Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 29.06.2022

Zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums befindet sich Deutschland auf
der Vorderseite eines Langwellentrogs über dem nahen Atlantik. Eingelagert ist
ein abgeschlossenes Drehzentrum mit korrespondierendem Bodentief dicht bei
Irland, das sich so gut wie gar nicht vom Fleck bewegt. Wichtiger für den
Vorhersageraum ist allerdings ein vorlaufender Randtrog, der im Tagesverlauf
unter Konturverlust nordostwärts schwenkt. Gleiches gilt für zugehörige
Tiefdruckrinne, in der es nach Nordosten hin schauerartigen Regenfällen und
einigen kräftigen Gewittern kommt. Im großen Rest des Landes lässt sich eine
antizyklonale Deformation des Druckfeldes ausmachen, die man mit etwas Fantasie
als Zwischenhoch bezeichnen kann, dem allerdings jedwede Unterstützung aus der
Höhe fehlt. Immerhin werden bei sommerlicher Wärme, aber keiner üppigen Hitze
(T850 11 bis 16°C) großräumige konvektive Aktivitäten unterbunden. Gleichwohl
sind einzelne Überentwicklungen vornehmlich über dem Bergland nicht
ausgeschlossen.

Zum Sonntag hin regeneriert sich die leicht zyklonal konturierte
süd-südwestliche Höhenströmung neu, wobei aber zumindest mit dem bloßen Auge
zunächst keine Sekundärtröge erkennbar sind. Gleichzeitig schiebt sich in
Bodennähe von Frankreich und Benelux her eine meridional exponierte
Tiefdruckrinne zu uns rein, an deren Westrand sich eine Kaltfront ausmachen
lässt. Derweil wird in den Süden und Osten eine neue Portion sehr warmer bis
heißer und zunächst relativ trockener Luft gepumpt, in der T850 bis Tagesende
auf Werte zwischen 15°C im Nordosten und (mit Föhnunterstützung) knapp über 20°C
im Alpenvorland steigt. Schwerpunktmäßig im Westen und Nordwesten ist tagsüber
mit ersten Schauern und Gewittern zu rechnen, bevor sich dort in der Nacht zum
Montag eine Intensivierung der Wetteraktivität abzeichnet (strichweise
Starkregen mit eingelagerten Gewittern).

Am Montag verlagern sich der LW-Trog und das Drehzentrum etwas nach Osten. Dabei
kommt es zu einer leichten Amplifizierung, was die südliche Höhenströmung bei
und etwas aufsteilen lässt. Das erklärt, warum die Rinne kaum nach Osten
vorankommt. Vorderseitig wird nun noch heißere und immer noch trockene Luft
nordwärts gepumpt, bis zum Abend erreicht die 20°C-Isotherme auf 850 hPa
Sachsen-Anhalt sowie das östliche Niedersachsen. Gleichzeitig taucht im
Alpenvorland bis hoch zur Donau eine föhnunterstützte 25°C-Blase auf. Nun, ob es
tatsächlich so weit kommt, bleibt abzuwarten. Auf alle Fälle bleibt IFS sehr
konservativ, was die Wetteraktivität angeht. Sprich, Regenfälle und kräftige
Gewitter verbleiben tagsüber weitgehend in der Westhälfte und selbst in der
Nacht zum Dienstag ist die Progression so minimal, dass der Osten und Südosten
(etwas von Vorpommern bis Sachsen und von Oberfranken bis Oberbayern) noch immer
trocken bleiben.

Erst am Dienstag, wenn die Spitze des ehemaligen LW-Troges als Randtrog über
Deutschland nordostwärts schwenkt, sollen Niederschläge und Gewitter vor allem
im Nordteil etwas weiter ostwärts vorankommen. Trotzdem, auch für Dienstag
simuliert IFS in großen Teilen BBs, Sachsens und Bayerns wenig oder gar keinen
Regen respektive Gewitter. Und das, obwohl die Hitze abgedrängt und durch
gemäßigtere Luftmassen ersetzt wird.

Am Mittwoch stellt sich Hochdruckeinfluss mit nur noch geringer Schauer- und
Gewitteraktivität ein. Dazu kommt ein Süd-Nord-Gefälle der Temperatur mit rund
19°C im Süden und rund 10°C im äußersten Norden, auf 850 hPa versteht sich.

Noch ein kurzer Ausblick in die erweiterte Mitelfrist: Erneute Trogvorderseite,
sehr warm bis heiß, von West-Südwest allmählich wieder zunehmende
Gewitterneigung, trotzdem vielfach trocken.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Am kommenden Wochenende zeigt sich IFS (ECMF) zunächst noch einigermaßen
konsistent. Ab Montag ist es allerdings vorbei mit der Herrlichkeit.
Offensichtlich hat die Numerik – und hier sind ausdrücklich auch die anderen
Globalmodelle mitgemeint – große Probleme, die weitere Entwicklung einigermaßen
detailgetreu abzubilden. Zwar ist ein gewisser Trend erkennbar, wonach sich
zumindest vorübergehend gemäßigtere und trockenere Luftmassen sowie zur
Wochenmitte Hochdruckeinfluss durchsetzen sollen. Der Weg dorthin wird aber
derart volatil gezeichnet, dass belastbare Vorhersagen nur bedingt möglich sind.
Okay, geräuschlos wird das Ganze sicher nicht vonstattengehen, kräftige Gewitter
sind ebenso wahrscheinlich wie schauerartige (Stark)Regenfälle. Ansonsten aber
werden Geometrie, Timing und Intensität der wetterbestimmenden kurzen Wellen –
konkret handelt es sich um Randtröge, die aus einem über dem nahen Atlantik
positionierten Langwellentrog herauslaufen – immer wieder anders simuliert, was
das Vorhersagegeschäft alles andere als einfach macht. Exemplarisch sei hier
kurz der Montag erwähnt, wo nach IFS von heute 00 UTC die zuvor eingeflossene
sehr warme bis heiße Luft im Osten und Südosten mitnichten ausgeräumt wird und
zumindest tagsüber niederschlags- und gewittertechnisch überhaupt noch nichts
passiert.

Vor diesem Hintergrund wird in der Vorhersage verstärkt mit Allgemeinplätzen
hantiert, um die Unsicherheiten einigermaßen abzufedern.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Beim Vergleich mit anderen Globalmodellen fällt auf, dass das Modell des
Britischen Wetterdienstes (UKMO) dicht am Szenario von IFS klebt (vielleicht
klebt auch IFS an UKMO, aber die Frage sollen Exeter und Reading unter sich
klären). Dagegen ist ICON, mit leichter Verzögerung auch GFS deutlich schneller
mit dem Ausräumen der sehr warmen bis heißen Luft im Osten bzw. kommt diese erst
gar nicht oder nur abgeschwächt dort an. Ansonsten gelten eigentlich die
gleichen Aussagen wie ein Kapitel zuvor, sprich, die Tendenz ist ähnlich, die
Wege dagegen sehr individuell. Dabei wäre es vergebene Liebesmüh, hier und jetzt
jedes Modell zu würdigen, da man davon ausgehen muss, dass der nächste Lauf
schon wieder mehr oder weniger anders aussieht.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die IFS-EPS-Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte spiegeln im Großen und
Ganzen die vom Hauptlauf skizzierten Abläufe wider. Das macht die Vorhersage
aber keinesfalls sicherer, weil nämlich die o.e. Timingunterschiede auch bei den
Ensembles auftreten. Dabei fallen zwei wesentliche Dinge auf. Erstens, Haupt-
und Kontrolllauf befinden sich hinsichtlich der zu Wochenbeginn erwarteten
Abkühlung (im Westen gehtŽs ja schon am Sonntag los) jeweils am rechten Rand der
Kurvenschar und sind somit spät dran. Zweitens, der Hauptlauf markiert bei der
Hitze am Montag im Osten und Süden eine der, im Falle von München (Stichwort
25°C-Blase) sogar die heißeste Lösung.

Bei der Clusterung macht IFS-EPS für den Zeitraum T+72…96h (Samstag/Sonntag)
drei Schubladen auf, die sich für unseren Raum aber kaum unterscheiden. Ab
Montag wird dann auf Monoclusterung gestellt (T+120…168h und T+192…240h), die
den groben Ablauf Trogvorderseite-Durchschwenken eines KW-Troges-erneute
Trogvorderseite (aber stark antizyklonal gefärbt) zeigt.

FAZIT: Die vom Hauptlauf angebotenen Abläufe scheinen grob betrachtet nicht
verkehrt zu sein. Im Finetuning bleibt aber noch einiges zu tun. Beispiel: Die
für Montag apostrophierte Hitze und Trockenheit im Osten und Südosten ist auf
Basis des EPS, aber auch im Modellvergleich alles andere als sicher.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

GEWITTER:
Nur so viel. Quasi von Samstag bis Dienstag sind regionsweise teils kräftige
Gewitter bis in den Unwetterbereich wahrscheinlich. Aufgrund der
Modellunsicherheiten verzichtet der Verfasser aber auf Details

STARKREGEN:
Aufgrund der geschilderten Rahmenbedingungen sind durchaus auch mal
nicht-gewittrige Starkregenfälle möglich, vor allem nachts sowie im stabileren
Rückseitenbereich der Tiefdruckrinne. Die Hinweise dafür sind in den
deterministischen Simulationen deutlichen als in der Probabilsitik.

TROCKENHEIT:
Bei aller Diskussion und Spekulation um Gewitter und Regenfälle werden am Ende
des Mittelfristzeitraums wahrscheinlich auch wieder Regionen dabei sein, in
denen es nur wenig vielleicht sogar überhaupt nicht geregnet hat. Favoriten
dafür sind die östlichen Landesteile, was angesichts der wohl wieder
auflodernden Waldbrände keine gute Nachricht wäre. Aber auch Wassermangel und
Dürre sind gebietsweise weiterhin Thema.

HITZE/WÄRMEBELASTUNG:
Mit einer reduzierten Wahrscheinlichkeit kommt es in der Osthälfte am
Sonntag/Montag gebietsweise zu einer starken Wärmebelastung. Die EPS-Prognosen
stützen ein solches Szenario aber kaum.

StarkRR, Gewitter, Trockenheit, Hitze

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS mit Modellmix und Bauchgefühl des Verfassers.

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann