S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 18.06.2022 um 10.30 UTC

Zunehmend wechselhaft, vor allem am Mittwoch und Freitag Gewitter mit
Unwettergefahr. Am Wochenende leichter Temperaturrückgang.

Synoptische Entwicklung bis zum Samstag, den 25.06.2022

Am Dienstag liegt Deutschland am warmen Rand der Frontalzone, die von
Südgrönland über Island nach Skandinavien verläuft und sich dort aufsplittet.
Ein zuvor darin nach Südosten abgelaufener Trog hat die Subtropikluft über die
Mittelgebirge hinweg in den Süden Deutschlands abgedrängt. Allerdings kam durch
einen vorherigen Austropfprozess ein Höhentief über der Biskaya zustande. An
dessen Vorderseite wird feuchtwarme Luft aus dem westlichen Mittelmeerraum nach
Norden geführt, so dass sich von den westlichen Mittelgebirgen nach Niederbayern
reichend eine markante Luftmassengrenze zwischen feuchtwarmer Subtropikluft und
der zuvor eingeflossenen und noch über dem Norden und Nordosten vorhandenen
maritimen gealterten und relativ trockenen Polarluft ergibt. Absinken im Bereich
eines breiten Höhenkeils, der sich zwischen dem zur Ukraine abziehenden Trog und
dem über der Biskaya liegenden Höhentief aufwölbt, dämpft die Konvektion, so
dass sich einzelne Gewitter lediglich durch orografische Unterstützung vor allem
über dem südwestdeutschen Bergland und an den Alpen entwickeln können.
In der Nacht zum Mittwoch wird die Luftmassengrenze durch einen weiteren, in der
Frontalzone nach Südosten ablaufenden Trog aktiviert, so dass sich über dem
gesamten Mittelgebirgsraum von Westen nach Osten übergreifend Gewitter
entwickeln können, die teils in schauerartigen Regen eingelagert sind. Da die
Passage dieses Troges lediglich im Norden und Nordosten Deutschlands erfolgt und
nachfolgend in diesen Gebieten Absinken einsetzt, verbleiben am Mittwoch die
Gebiete vom Mittelgebirgsraum aus südwärts trogvorderseitig, was die
Gewittertätigkeit in diesen Gebieten aufleben lässt. Dabei besteht
Unwettergefahr durch heftigen Starkregen, auch Sturmböen und vor allem im Süden
größerer Hagel sind nicht auszuschließen.
Am Donnerstag wölbt sich, ausgehend von Südeuropa, erneut ein Rücken über
Mitteleuropa hinweg bis in den nahen Ostatlantik auf. Hierdurch wird die
Frontalzone wieder nach Norden gedrückt. Absinken über dem weitaus größten Teil
Deutschlands sollte wetterrelevante Konvektion unterbinden. Allerdings wird das
vor der Biskaya liegende Höhentief von einem Kurzwellentrog umlaufen, der, nach
Nordfrankreich schwenkend, etwas Hebung generiert. Dies reicht, um in der nach
wie vor über dem Westen und Süden Deutschlands liegenden feuchtlabilen Luft
erneut Gewitter auszulösen. Schwerpunkt der Gewittertätigkeit dürfte dann der
südwestdeutsche Mittelgebirgsraum und der Alpenrand sein. Allerdings ist die
Wahrscheinlichkeit für Unwetter geringer als am Mittwoch.
In der Nacht zum Freitag weitet sich über dem mittleren Nordatlantik ein Trog
nach Süden aus. Allmählich südostwärts schwenkend bezieht dieser Trog das über
der Biskaya liegende Höhentief in seine Zirkulation ein, was von diesem
einstigen Cut-Off-Tief nur noch einen Sekundärtrog übrigbleiben lässt. An der
Vorderseite dieses Troges stellt sich deutschlandweit eine süd-südwestliche
Strömung ein, mit welcher feuchtwarme und labil geschichtete Luft auch in den
Nordosten Deutschlands gelangt. Daher wird in weiten Teilen Deutschlands die
Gewittertätigkeit bis hin zum Unwetter aufleben. Eine Ausnahme stellt
wahrscheinlich noch der Nordosten dar, wo hochreichende Konvektion durch das
Entrainment trockenerer Luft aus dem Ostseeraum unterbunden wird. Da sich das
gesamte Zirkulationsmuster danach etwas nach Nordosten verlagert, werden
nachfolgend von diesen Gewittern auch die nordöstlichen Landesteile erfasst.
Im erweiterten mittelfristigen Vorhersagezeitraum gelangt Deutschland an die
Vorderseite eines Höhentiefkomplexes über den Britischen Inseln, wobei der
hiervon ausgehende breite Trog in die Nordsee und im Laufe des Montags nach
Mitteleuropa schwenkt. Hierdurch stellt sich ein eher wechselhafter
Wettercharakter mit Schauern und Gewittern ein, wobei die Unwettergefahr
geringer wird. Insgesamt erfolgt von Nordwesten her ein leichter
Temperaturrückgang.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Bis einschließlich Mittwoch ist der aktuelle Lauf gegenüber den gestrigen
Modellrechnungen noch relativ konsistent. Bereits am Donnerstag zeigen sich
signifikante Unterschiede. Die beiden gestrigen Simulationen ließen in der
Frontalzone einen Trog nach Südosten ablaufen, was im Norden und zum Teil auch
in der Mitte Deutschlands im 850 hPa-Niveau ein Temperaturrückgang auf ca. 5
Grad zur Folge hätte. Der aktuelle Modellauf ist in diesen Gebieten bis zu 10 K
wärmer.
Das Höhentief über der Biskaya, das nach dem aktuellen Modelllauf bereits am
Freitag „eingefangen“ wird, war nach den beiden gestrigen Läufen noch
„selbständig“ und die Strömung über Mitteleuropa durch die von Nordwest nach
Südost verlaufende Frontalzone geprägt. Demzufolge würde sich nach dem
aktuellsten Modelllauf am Freitag noch einmal ein Temperaturanstieg auf deutlich
über 30 Grad abzeichnen. Am Samstag wird der Trog dann vom heutigen 00
UTC-Modelllauf weiter westlich gesehen als dass dies bei den gestrigen
Modellläufen der Fall war. Folglich verbleibt Deutschland wahrscheinlich noch in
der Warmluft. Im erweiterten mittelfristigen Vorhersagezeitraum wird die
Ostverlagerung des Höhentiefkomplexes hinausgezögert, was die Gewittertätigkeit,
wenngleich in einer dann etwas abgeschwächten Form, am Leben hält und den
Temperaturrückgang erst später und nicht so ausgeprägt einsetzen lässt.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Bis einschließlich Mittwoch stützen die verfügbaren Modelle weitgehend die oben
beschriebene Entwicklung. Prognoserelevante Unterschiede lassen sich bis dahin
nicht ableiten.
Ab Donnerstag zeigen sich signifikante Abweichungen. ICON lässt als einziges
Modell einen markanten Trog auf Mitteleuropa übergreifen, wogegen die anderen
Vorhersagemodelle durchweg einen Rücken im Programm haben. Somit ergibt sich am
Freitag nach ICON eine Trogrückseite mit Temperaturen kaum über 20 Grad und nach
den anderen Modellen trogvorderseitig Warmluftzufuhr mit erneutem
Temperaturanstieg bis deutlich über 30 Grad.
Am Samstag würde sich nach ICON Hochdruckeinfluss ergeben, wogegen die anderen
Modelle nahezu deutschlandweit (EZMW, kanadisches Modell) oder nur im Norden und
Nordwesten (GFS) die Gewittertätigkeit aufleben lassen.
Im erweiterten mittelfristigen Vorhersagezeitraum würde sich nach GFS und nach
dem Modell des kanadischen Wetterdienstes merklich kühlere Luft mit
Tageshöchsttemperaturen von kaum über 20 Grad wesentlich rascher nach Osten
durchsetzen als dass dies bei EZMW der Fall ist.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Das EPS des GFS stützt weitgehend das hauseigende deterministische Modell,
verzögert aber das Übergreifen des Troges in Richtung Mitteleuropa und damit
auch den Temperaturrückgang. Dies ist aber nicht so ausgeprägt der Fall wie beim
EZMW. Der erneute Temperaturanstieg am Freitag lässt sich beim EPS des GFS nicht
finden. Der Rückgang der Temperaturen ab dem kommenden Wochenende lässt sich
auch anhand des EPS des GFS herausarbeiten. Dabei zeichnet sich hinsichtlich der
Temperaturen eine Nordwest-Südost-Staffelung ab. Niederschlagssignale werden
deutschlandweit gezeigt, meist ohne Indizien für Starkniederschläge zu liefern.
Diese sind auf den Alpenrand begrenzt.
Das EPS des EZMW zeigt im erweiterten mittelfristigen Vorhersagezeitraum das
Übergreifen des Troges auf Mitteleuropa (und damit auch den von Nordwesten her
einsetzenden leichten Temperaturrückgang) etwas rascher als der deterministische
Lauf, was Parallelen mit dem EPS des GFS ergibt. Zwar werden 4 Cluster gebildet,
die jedoch durchweg eine Trogvorderseite mit einem sich annähernden Trog zu
bieten haben. Unterschiede ergeben sich lediglich in der Ausprägung des sich
annähernden Troges. Das Clustering gemäß Großwetterlagen stützt diesen Trend,
wobei allerdings ein reichliches Drittel der Member eine erneut beginnende
Blockierung andeuten. Von einer Zonalisierung und einer ausgeprägten
West-Wetterlage, wie sie in früheren Jahren erfolgte, kann hier keine Rede sein.
Wie das EPS des GFS zeigt auch das EPS des EZMW am Freitag keine ausgeprägte
Temperaturspitze, sondern vielmehr bis dahin ein relativ hohes Temperaturniveau.
Ein nachhaltiger, aber nicht allzu kräftiger Temperaturrückgang (auf Werte, die
in der Nähe des langjährigen mittels liegen) kommt wahrscheinlich erst am
letzten Juniwochenende zustande.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Am Dienstag ist im Südwesten bei Tageshöchsttemperaturen um 35 Grad erneut eine
hohe Wärmebelastung zu erwarten. Außerdem entwickeln sich über dem
südwestdeutschen, mit geringerer Wahrscheinlichkeit auch über dem westlichen
Bergland einzelne Gewitter; Unwetter durch heftigen Starkregen sind dabei nicht
auszuschließen.
Am Mittwoch setzen südlich etwa einer Linie Eifel-Lausitz Gewitter ein, vor
allem über dem Bergland besteht hierdurch Unwettergefahr durch heftigen
Starkregen, im Süden zudem durch größeren Hagel und (schwere) Sturmböen.
Am Donnerstag erfolgt dagegen eine weitgehende Wetterberuhigung, nur über den
Südwestdeutschen Bergland und an den Alpen entwickeln sich im Tagesverlauf
einzelne starke Gewitter; Unwetter sind dabei nur wenig wahrscheinlich.
Am Freitag wird es erneut schwülwarm und die Gewitter greifen über den
Mittelgebirgsraum hinweg wahrscheinlich bis etwa zur Elbe aus. Dann besteht
wieder eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Unwetter, vor allem durch heftigen
und teils mehrstündigen Starkregen. Am Samstag wird von diesen Gewittern dann
auch der Nordosten Deutschlands erfasst.

Basis für Mittelfristvorhersage
EPS(EZMW), anfangs MOS

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Thomas Schumann