S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 14.06.2022 um 10.30 UTC

Zunächst heiß, ab Samstag zunehmende Gewitterneigung, zu Wochenbeginn von Westen
allmählich kühler.

Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 21.06.2022

Die bevorstehende (erweiterte) Mittelfrist wird an Überraschungen einiges
bereithalten, ist doch die deterministische Modellunsicherheit bereits zu Beginn
nicht unerheblich. Aber schön der Reihe nach. Die großskaligen Strukturen über
dem Nordatlantik zeigen nach einer (längeren) Phase von NAO positiv bis leicht
positiv erneut in Richtung stärkere Blockierungen, mit der Prognose NAO leicht
negativ am Wochenende und zu Beginn der nächsten Woche (lt. NOAA), danach aber
wieder ansteigend. IFS-ENS stützt mit einigen Membern diese Entwicklung (mit GWL
Atlantischer Rücken, ebenso vorherrschend im Weather Regime
Frequency-Balkendiagramm IFS v.13.06.22 zu sehen). Schaut man dazu noch auf die
Prognose des mittleren zonalen Winds über dem Nordatlantik und den zonal
gemittelten meridionalen Wellenflüssen, so scheint dieser Trend plausibel.
Demnach könnte die Strömung in der erweiterten Mittelfrist (so ca. ab/nach Mitte
nächster Woche) vom Nordatlantik bis nach Mitteleuropa reichend wieder mehr
zonalisieren.

Nun zur eigentlichen Beschreibung der Mittelfrist.

Am Freitag liegt ein Höhentief nahezu ortsfest vor der Iberischen Halbinsel und
pumpt vorderseitig weiter sehr heiße und trockene Luft aus Nordafrika in
Richtung Südwesteuropa. Demgegenüber bewegt sich ein ausgeprägter LW-Trog mit
Drehzentrum westlich von Island sowohl progressiv als auch noch etwas weiter
nach Süden und Südosten. Dementsprechend verstärkt sich ein ohnehin schon
veritabler Jetstream nordwestlich der Britischen Inseln (zu sehen in 300 hPa)
weiter, degeneriert aber in der Folge aufgrund vor- und nachlaufender Rücken
eher zu einem Jet-Streak. Dieser Einwurf ist nicht unerheblich, da der sich
aufteilende Jet aufgrund der vorgenannten Blockierungen seine
Gruppengeschwindigkeit bzw. ostwärtige Verlagerung verlangsamt. Zudem führt die
beschriebene Druck- bzw. Geopotenzialkonstellation (fast schon ein klassisches
Viererdruckfeld) zu starken Deformationen an der Frontalzone mit hohen
Windgeschwindigkeiten in der mittleren und oberen Troposphäre (gemäß thermischem
Windgleichgewicht). Hier kommen wir auch zu den vermuteten Problemen der
Globalmodelle mit quasi-geostrophischem Modellansatz. Durch die Deformationen in
der mittleren und oberen Troposphäre entstehen kleinräumige Vergenzen des
Horizontalwindes (und damit auch mögliche lokale Querzirkulationen), die somit
vermehrt auch ageostrophische Windkomponenten enthalten. Diese sind streng
genommen bei der quasi-Divergenzfreiheit des Horizontalwindes bei den
Globalmodellen nicht komplett erfasst und können zu Modellunsicherheiten,
teilweise auch zu Modellsprüngen führen.

Deutschland liegt noch fernab dieses Bereiches unter einer Hochdruckzone, die
sich langsam ostwärts verlagert und sich so die Zufuhr warmer Luft mit auf
südliche Richtung drehender Strömung verstärkt (850 hPa Temperatur Samstagfrüh
von Südwest nach Nordost 20 bis 12 Grad). Im Norden macht sich die Warmfront
eines nach Island ziehenden und sich verstärkenden Bodentiefs (nach ICON nahezu
rapide Entwicklung mit Kerndruck ca. 980 hPa) mit etwas Regen in der Nacht
bemerkbar. Am Alpenrand oder auch nur inneralpin sind einzelne Gewitter mit
Starkregen nicht ausgeschlossen. Bereits am Freitag lassen sich deutliche
Modellunterschiede zwischen IFS, ICON und GFS festhalten, v.a. in Bezug auf
Progressivität und Amplitude der Rücken-Trog-Struktur zwischen Westeuropa und
dem östlichen Nordatlantik.

Am Sonnabend amplifizieren die Langwellentröge und -rücken (siehe oben) weiter,
zudem hängt der südliche Teil des LW-Troges über dem Nordmeer in Richtung Irland
zurück, auch bedingt durch starke Warmluftadvektion (und damit Advektion
negativer PV) in der mittleren und oberen Troposphäre und somit zunehmend
blockierender Wirkung des vorderseitigen Rückens. Dieser zurückhängende Teil
soll nach IFS bis Sonntagfrüh abtropfen in Richtung Biskaya und dort mit dem
liegengebliebenen Höhentrog interagieren. Inwiefern zuvor vorderseitig durch PVA
eine Bodentiefentwicklung über Frankreich gestützt wird oder zumindest
Kurzwellen den Höhenrücken auf seiner Westflanke anknabbern, wird abzuwarten
sein. Relativ sicher ist die Ausbreitung der heißen Luftmasse bis in den
Nordosten Deutschlands (850hPa-Temperatur steigt von Südwest nach Nordost in der
Nacht zum Sonntag auf ca. 23 bis 19 Grad an, lediglich ganz im Norden soll diese
bei 16/17 Grad liegen). Tagsüber simuliert IFS zudem im Westen und Nordwesten
hohe CAPE-Werte (teils über 2000 J/kg) sowie moderate DLS von ca. 40 bis 50
Knoten. Inwieweit dann der Deckel (CIN) im Randbereich des kräftigen
Höhenrückens und mit Unterstützung von Kurzwellen in der Höhe und der Aufheizung
durchbrochen wird, bleibt abzuwarten. Zudem starten wir aus einer sehr trockenen
Vorgeschichte (trockene Grundschicht).

Am Sonntag soll Mitteleuropa laut IFS zunehmend auf die diffluente Vorderseite
des abgetropften Höhentroges gelangen, der sich in Richtung Britische Inseln
verlagert. Dadurch wird der Höhenrücken und damit die wärmste Luft langsam
ostwärts abgedrängt. Insgesamt erhöht sich v.a. im Süden und Westen, im Verlauf
bis in die Mitte das Potenzial kräftiger bis schwerer Gewitter mit
Unwetterpotenzial. Die 850 hPa-Temperatur liegt Montagmorgen noch bei 22 Grad im
Osten und Südosten, im Westen und Nordwesten bei ca. 15 Grad.
Die Beschreibung bleibt etwas vage, da die Modellunterschiede z.B. zu ICON und
GFS bereits erheblich sind.

Am Montag und Dienstag soll sich laut IFS der Block Richtung Ost- und
Südosteuropa verschoben haben und der abgetropfte LW-Trog von Südwesten langsam
übergreifen und allmählich kühlere Meeresluft heranführen. Zumindest im
Südosten, ggf. auch im Osten könnte auch der Montag noch heiß bleiben (850
hPa-Temperatur teils noch über 20 Grad), dementsprechend wäre der Schwerpunkt
kräftiger Gewitter eher dort zu suchen.

Für die erweiterte Mittelfrist bleibt IFS bei einem eher meridionalen
Strömungsmuster (Trog Westeuropa bzw. HB), wohingegen GFS die Strömung zonaler
gestaltet (NW zyklonal). Aufgrund der unsicheren Vorgeschichte können keine
weiteren Details besprochen werden.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die Konsistenz des neuen IFS-Laufs ist nur bis Sonntag brauchbar. Mit dem
Abtropfen des LW-Troges über den Britischen Inseln soll die Strömung
vorderseitig über Mitteleuropa nochmals aufsteilen, was einerseits die Hitze
noch andauern und andererseits mit einem Randtief über Westeuropa die Konvektion
bereits am Sonnabend vermehrt und wahrscheinlich kräftig auftreten lässt. Auch
danach gehen die synoptischen Muster mehr auseinander, wie z.B. bei ICON oder
GFS. Die Lauf-zu-Lauf-Varianz ist schon erstaunlich, der jeweilige
Ensemble-Spread lässt diese Unsicherheit zunächst nicht unbedingt bzw. in diesem
Ausmaß vermuten (Stand 13.06.22, 12z). Beim neuen IFS-EPS-Lauf (14,06.22, 0z)
wird dem aber in gewissem Maße Rechnung getragen, siehe unten.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Wie bereits weiter oben festgestellt, divergieren die Modelle bereits ab
Freitag/ Samstag, sodass die Entwicklung des aktuellen IFS-Laufes in der
Deterministik kaum Unterstützung findet. Inwiefern andere Modelllösungen
realistischer sind, lässt sich aufgrund der erwähnten Modellspezifik schwer
abschätzen.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Bei den gruppierten Clustern lässt sich folgende Information extrahieren.
Beim Cluster von t+120 bis t+168 h (Sonntag bis Dienstag) findet man nun sechs
unterschiedliche Lösungen, die Unsicherheit ist also bei den ENS-Membern
angekommen. Im Wesentlichen scheint zunächst der Abtropfprozess und dessen
Folgen Probleme zu bereiten. Ebenso unterscheidet sich die Wellenanzahl,
-amplitude und -länge, zirkumpolar betrachtet. Das geht in Richtung
Progressivität bzw. Gruppengeschwindigkeit der planetaren Wellen.

Das Cluster von t+192 bis t+240 h (Mittwoch bis Freitag, erweiterte MiFri)
bietet noch vier gruppierte Cluster an. Davon bleiben Haupt- und Kontrolllauf
eher bei einer Blockierungslage, wohingegen die Mehrzahl der Ensemble-Member
erneut auf NAO positiv und damit mehr Zonalisierung setzt, ähnlich wie GFS mit
NW zyklonal, aber auch antizyklonal (IFS).

Für die Rauchfahnen wird eine beliebig gewählte Station in der südlichen Mitte
gewählt, mit folgenden Ergebnissen.

Bei der 850 hPa-Temperatur ist der Anstieg ohne großen Spread bis Sonntag drin,
danach bleiben Haupt- und Kontrolllauf im oberen Bereich der langsam abfallenden
Temperatur, wobei v.a. der Spread nach unten sehr hoch ist.

Bzgl. Niederschlag soll es bis einschl. Samstag mit großer Wahrscheinlichkeit
trocken bleiben, danach nehmen die Niederschlagssignale moderat zu, Sonntag und
Montag haben einige Member auch konvektive Mengen über 15 l/qm drin.

Beim Geopotenzial in 500 hPa ist ebenso der Anstieg bis Sonntag verbrieft,
danach geht das Geopot allmählich wieder runter, wobei hier der Spread nicht so
stark ausgeprägt ist (allmählicher Übergang der GWL).

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Am Freitag im Südwesten, teils auch im Westen starke Wärmebelastung. An den
Alpen geringes Risiko für einzelne Gewitter mit Starkregen.

Am Samstag mit Ausnahme des Nordens zunehmend starke Wärmebelastung. Im
Tagesverlauf wsl. vom Westen bis in die Mitte kräftige Gewitter mit Starkregen,
örtlich Unwetter, ebenso größerer Hagel und zumindest Sturmböen (Bft 9) nicht
ausgeschlossen.

Bis zum Wochenende insgesamt recht verbreitete Trockenheit trotz einzelner
lokaler Gewitter.

Am Sonntag gebietsweise kräftige Gewitter mit Unwetterpotenzial, zumindest im
Süden und Osten auch noch starke Wärmebelastung.

Am Montag im Osten und Südosten noch kräftige Gewitter mit lokalem
Unwetterpotenzial, zuvor im Südosten nochmals starke Wärmebelastung nicht
ausgeschlossen.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS, GEFS, ICON, MOSMIX, NOAA

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Dr. Jens Bonewitz