SXEU31 DWAV 121800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 12.06.2022 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
GEWITTER/STARKREGEN:
Ab heute Abend, vermehrt in der Nacht zum Montag im Süden aufkommende, sich
ostwärts ausbreitende schauerartige Regenfälle und Gewitter. Dabei Gefahr von
Starkregen mit Mengen bis 25 l/qm innerhalb kurzer Zeit oder bis 35 l/qm
innerhalb weniger Stunden. Vor allem südlich der Donau sowie aus den Alpen
heraus teils auch noch etwas größere Mengen möglich (UNWETTER). Außerdem
stürmische Böen 8 Bft (um 70 km/h) und kleinkörniger Hagel, vereinzelt Sturmböen
9 Bft (um 80 km/h).
In der zweiten Nachthälfte auch im Nordwesten einzelne kurze Gewitter mit
steifen bis stürmischen Böen 7-8 Bft (um oder etwas über 60 km/h). Mit geringer
Wahrscheinlichkeit auch Starkregen um 15 l/qm binnen kurzer Zeit.

Am Montagmorgen von den Alpen bis zum Bayerischen Wald mit rasch abnehmender
Wahrscheinlichkeit noch teils gewittriger Starkregen. Dafür im Norden und Osten
Schauer und kurze Gewitter mit Böen 7-8 Bft, vereinzelt 9 Bft und kleinkörnigem
Hagel.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC

Aktuell … liegt Deutschland an der Südflanke eines breiten Troges über der
Nordsee. Dieser Trog wird durch einen aus dem Raum Island hereinlaufenden
Kurzwellentrog regeneriert, der zusehends als Haupttrog in Erscheinung tritt.
Nach Osten hin hält ein Keil dagegen, der von der Iberischen Halbinsel ausgehend
über das südöstliche Mitteleuropa nach Nordwestrussland gerichtet ist. Durch
diesen Keil wird im Bodendruckfeld zunächst noch eine Hochbrücke gestützt, die
vom mittleren Nordatlantik über das nördliche Mitteleuropa und Nordwestrussland
bis in die Kara-See erstreckt. Absinken in deren Bereich lässt nur flache
Konvektionsbewölkung entstehen.
Durch den über die Britischen Inseln und in der Nacht zum Montag über die
Nordsee bis in den Nordwesten Deutschlands schwenkenden Trog dreht die Strömung
vorübergehend auf Südwest, wodurch feuchtwarme und labil geschichtete Luft in
den Süden Deutschlands gelangt, die aus dem Raum der Biskaya stammt. CAPE (MU,
KK) erreicht bis knapp 1000 J/kg, der Gehalt an niederschlagbarem Wasser 30 bis
35 mm. Zudem kommt mit der Annäherung der Trogachse vermehrt Scherung ins Spiel.
Zwar wird die Trogachse durch Kaltluftadvektion überlaufen, sodass der
Hebungsantrieb, der durch positive Vorticityadvektion generiert wird,
abgeschwächt wird, aber es bleibt noch hinreichend Hebung übrig, hochreichende
(auch abgehobene) Konvektion auszulösen. Dabei besteht Gefahr von (teils
mehrstündigem) Starkregen; auch stürmische Böen und kleinerer Hagel sind
vorstellbar. Aufgrund der Scherung können auch organisiertere Strukturen nicht
ganz ausgeschlossen werden. Aufgrund der raschen Verlagerung der
Konvektionszellen sind Unwetter durch heftigen Starkregen nur wenig
wahrscheinlich. Gegenüber weiter zurückliegenden Modellläufen greift die
Konvektion nicht mehr so weit nach Norden aus, d.h. es wird hiervon ein Streifen
vom Schwarzwald über die Donauregion bis hin zum Bayerischen Wald erfasst;
Franken bleibt hiervon höchstwahrscheinlich verschont. Heftigere Entwicklungen
können dabei auch aus den Alpen heraus zustande kommen.
Beginnend ab der zweiten Nachthälfte dürfte von der Nordsee her der Trog seine
Wirkung entfalten. Daher wird dann auch im Nordwesten die Konvektion in Gang
kommen. Dabei handelt es sich jedoch in Gegensatz zur Lage im Süden um typische
Kaltluftgewitter, die im Wesentlichen der untersten Warnstufe zuzuordnen sind.
Starkregen (aufgrund wiederholt auftretender kräftiger Schauer und kurzer
Gewitter) ist nur wenig wahrscheinlich. Hierfür müsste die Nordsee mehr
behilflich sein (in Form eines latenten Wärmestroms). Der kommt jedoch nicht
zustande, da das Wasser noch zu kalt ist.
Im weitaus größten Teil Deutschlands setzt sich aus der Kaltluftadvektion
resultierendes Absinken durch. Vor allem im Westen und südlich der Mittelgebirge
klart es längere Zeit auf. Die Nebelneigung bleibt aufgrund der Trockenheit der
Luftmasse allerdings gering.

Montag … überquert der Trog rasch den Osten Deutschlands und ist am Abend
bereits über Polen zu finden. Zur tagesgangsbedingt interessantesten Zeit hat
dieser Trog bereits die Oder und Neiße passiert. Dennoch sollte im Norden und
Nordosten noch einiges an Konvektion bis hin zu kurzen Gewittern, die auch
wiederholt auftreten können, zustande kommen. Mit der Ostverlagerung des Troges
setzt bereits am Vormittag von Nordwesten her Stabilisierung ein. Im Nordosten
ist dies erst am Abend der Fall; letzte Schauer ziehen am Abend von Vorpommern
nach Polen ab.
Kräftige und andauernde Kaltluftadvektion lässt erneut über Mitteleuropa hinweg
einen Keil nach Osten ausgreifen. Zwischen diesem Keil und tiefem Luftdruck über
Skandinavien erfolgt über dem Norden, Osten und Teilen der Mitte Deutschlands
eine Gradientzunahme. Hierdurch frischt der Wind (auch ohne Konvektion) mit Böen
bis Bft 7 auf, in Verbindung mit kräftigeren Schauern und kurzen Gewittern
können auch stürmische Böen auftreten. Normalerweise würde der Gradient
derartige Böen nicht hergeben, aber der Tagesgang plus ageostrophische
Verstärkung infolge antizyklonalem Ausfließen erklärt diese vor allem von
ICON-D2 EPS prognostizierten Böen. Auf exponierten Berggipfeln (Brocken,
Fichtelberg) sowie auf Alpengipfeln wären sogar Böen bis Sturmstärke
vorstellbar. Nach ICON-EU und auch nach EZMW sind nur in freien lagen Windböen
zu erwarten.
Im Süden dauern die Niederschläge an, die in den Frühstunden noch konvektiv
durchsetzt sind und vor allem am Alpenrand einzelne Gewitter eingelagert sein
können. Dort halten sich noch Reste feuchtlabiler Luft, die jedoch durch den
nachstoßenden Keil rasch über die Alpen hinweg nach Süden gedrückt wird. Daher
dürfte auch am Alpenrand die Wahrscheinlichkeit für Starkregen rasch geringer
werden. Ohnehin resultieren diese Niederschläge aus Stau, da der Trog längst
nach Osten abgezogen ist. Am frühen Nachmittag dürften dann auch am Alpenrand
die Niederschläge nachlassen; Restbewölkung hält sich dort jedoch bis zum Abend.

Im Westen und Süden, aber abseits der Alpen, macht sich Absinken im Bereich des
nachstoßenden Keils bemerkbar, was dort längere sonnige Abschnitte zur Folge
hat. Da mit dem Trog deutschlandweit kühlere Luft vorstößt, wird es mit 17 bis
23 Grad (und bis 25 Grad am südlichen Ober- und Hochrhein) nicht ganz so warm
wie am vergangenen Wochenende.

In der Nacht zum Dienstag nähert sich von Westen her ein breiter Rücken. Durch
diesen wird die vom Seegebiet der Azoren über Mitteleuropa hinweg bis in den
Schwarzmeerraum reichende Hochbrücke zusätzlich gestützt. Unter dieser Brücke
stellt sich eine schwachgradientige Lage ein. Allerdings sollte aufgrund der
Trockenheit der Luftmasse die Nebelneigung gering bleiben.
Etwas Gradient hält sich aufgrund der Nähe zur Frontalzone noch im Nordosten und
ganz im Norden, wodurch an der Ostseeküste (und anfangs auch in Nordfriesland)
Windböen zustande kommen. An der Vorpommerschen Ostseeküste dauern diese Böen
bis in die Frühstunden des Dienstags an.
Abgesehen vom Küstenbereich und von einigen tieferen Lagen Südwestdeutschlands
stellen sich einstellige Temperaturminima ein.

Dienstag … verlagert der sich noch ein wenig aufwölbende Höhenrücken nur wenig
nach Osten, wodurch Deutschland an dessen Vorderseite unter einer nordwestlichen
Strömung verbleibt. Nach wie vor ist die Schichtung größtenteils sehr stabil.
Etwas labilere Luft wird nur in den äußersten Südwesten und in die alpennahen
Gebiete geführt, konvektive Umlagerungen kommen allenfalls südlich des
Alpenhauptkammes zustande. Vom Allgäu bis zu den Berchtesgadener Alpen ist die
Luft zu trocken; zudem unterdrückt Absinken weitgehend die Konvektion, da kann
auch die Orografie nichts ausrichten.
Im Norden und Nordosten macht sich noch die Frontalzone mit zum Teil
mehrschichtiger, aber meist durchbrochener Bewölkung bemerkbar, ohne dass
nennenswerter Niederschlag fällt. Auch kommen an der Ostseeküste Vorpommerns bis
gegen Mittag noch ein paar Windböen Bft 7 zustande. Danach sollte auch dort der
Wind nicht mehr warnrelevant werden.
Im weitaus größten Teil Deutschlands erfolgt nahezu ungehinderte Einstrahlung,
was im Westen und Süden Deutschlands wieder einen Temperaturanstieg auf 24 bis
28 Grad zur Folge hat. Im Norden und Osten wird es mit 17 bis 23 Grad noch nicht
so warm.

In der Nacht zum Mittwoch verlagert sich der Rücken nur wenig nach Osten,
wodurch die nordwestliche Strömung über Mitteleuropa andauert. Bedingt durch
einen schwachen Trog, der sich in der über dem Atlantik relativ zonal
verlaufenden Frontalzone Irland nähert, verkürzt sich die Wellenlänge des
Rückens. An der Vorderseite dieses Troges einsetzender Druckfall bewirkt eine
Schwächung der Hochbrücke in ihrem Westteil. Über dem Vorhersagegebiet zeichnet
sich vorerst noch keine Änderung ab. Abgesehen vom äußersten Norden und
Nordosten klart es erneut auf, wobei dann aber die nächtlichen Temperaturminima
mit Werten zwischen 15 Grad am Oberrhein und um 9 Grad im Norddeutschen Tiefland
einige Grad höher liegen als in der Nacht zum Dienstag.

Mittwoch … greift der Rücken unter weiterer leichter Abflachung auf
Deutschland über. Durch diesen Rücken wird die Frontalzone ein wenig nach Norden
verschoben, wodurch dann auch im Norden und Nordosten Deutschlands die Bewölkung
zusehends auflockert. Absinken unter diesem Rücken sorgt nahezu deutschlandweit
für weitgehend ungehinderte Einstrahlung, was eine weitere Erwärmung der
Luftmasse zur Folge hat. Dies bewirkt zum einen Druckfall, so dass von der einst
wetterbestimmenden Hochbrücke nur noch eine flache Druckverteilung übrigbleibt.
Reste der Hochbrücke bzw. deren Achse lassen sich noch von der Nordsee ausgehend
zur polnischen Ostseeküste finden, gleichzeitig setzt von Südwesten her, wo die
Aufheizung am ausgeprägtesten ist, Druckfall ein, so dass sich eine, wenn auch
schwache, nördliche bodennahe Windkomponente ergibt. Zudem wird die Luftmasse
labiler, aber für die Auslösung ist orografische Unterstützung erforderlich.
Somit reicht es allenfalls inneralpin für einzelne Gewitter. Die Temperatur
steigt auf 24 bis 29, in tieferen Lagen West- und Südwestdeutschlands bis 32
Grad. Im Norden werden 19 bis 23, unmittelbar an der Küste bei Seewind 17 Grad
erreicht.

Modellvergleich und -einschätzung

Die vorliegenden Modelle stützen weitgehend die oben beschriebene Entwicklung.
Anhand der synoptischen Basisfelder lassen sich keine prognoserelevanten
Unterschiede ableiten. Zum Ende des Vorhersagezeitraumes hin lässt sich
lediglich herausarbeiten, dass externe Modelle den sich nach Mitteleuropa
verlagernden Rücken nicht so stark abflachen lassen wie dies bei ICON der Fall
ist.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann