SXEU31 DWAV 041800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 04.06.2022 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Am Pfingstsonntag Schwergewitterlage mit Schwerpunkt Bayern

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC

Aktuell … erstreckt sich ausgehend von einem Höhentrog bei Jan Mayen eine
Geopotentialrinne über Skandinavien und die Nordsee hinweg südwestwärts und
mündet schließlich in einem Höhentiefkomplex mit Drehzentrum südwestlich von
Irland. Südlich an die Rinne bzw. östlich des Höhentiefkomplexes schließt sich
eine weitgehend antizyklonal geprägte südwestliche Strömung an. Dabei reicht
ausgehend von einem Höhenhoch über dem westlichen Mittelmeerraum ein flacher
Rücken über den westlichen Alpenraum über Westdeutschland bis nach Benelux.
Auf der Vorderseite des Höhentiefs wurde dabei feuchte und labile Subtropikluft
(850-hPa-Temperatur bis 16°C) in den Süden Deutschlands advehiert. Die
ML-CAPE-Werte liegen bei 600 bis 800 J/kg. Bei guter Scherung haben sich an der
Südspitze eines schwachen Kurzwellentroges (IPV-maximum aktuell über Sachsen)
einzelne Gewitter gebildet, die rückwärtig anbauten. Eine Zelle musst deshalb
bereits mit extremen Starkregen bewarnt werden. Anschließend hat sie sich in
eine Superzelle entwickelt und ist auf einer südöstlichen Zugbahn über den
Bayerischen Wald nach Tschechien abgezogen.
Von Westen nähert sich nun der Höhenkeil, wodurch es durch Absinken in den
nächsten Stunden weiter stabilisiert, sodass zunächst nicht mehr von weiterer
Gewitterauslösung auszugehen ist.

In der Nacht zum Pfingstsonntag berechnet SuperHD bereits ab Mitternacht einen
Cluster, der an der Warmfront von Frankreich kommend über Rheinland-Pfalz zieht
und unter Abschwächung Hessen trifft. AROME hat diesen Cluster nur schwach in
den Vorhersagen. SuperHD lässt die Gewitter nur abgeschwächt über Belgien
ziehen. Alle Lokalmodelle berechnen zu den Morgenstunden ein MCS, das von
Frankreich auf den Südwesten übergreift. Noch unsicher ist, wie stark die
Konvektion in diesem Bereich ist, und wenn die Gewitter abgehoben sind, ob sich
dann Sturmböen noch in der Grenzschicht durchsetzen können. Von SuperHD und
AROME werden noch Böen der Stärke 9 berechnet. ICON hat diese in den vergangenen
Läufen zurückgenommen.

Sonntag … Am Sonntag kommt bereits früh das MCS Nord-Nordostwärts voran und
schwächt sich dabei allmählich ab. Vorderseitige Einstrahlung und ML-CAPE-Werte
von 1-2 J/kg sorgen ab dem Mittag dafür, dass das MCS im nördlichen Teil wieder
aktiviert wird, bzw. dass sich neue Zellen aus der Schweiz und der Alb
herausbilden und ostwärts bzw. Nordostwärts ziehen. Diese treffen auf eine
Elevated-Mixing-Layer, die südöstlich der Alb bis zum Bayerischen Wald laut ICON
2,5-3,5 kJ/kg! CAPE zur Verfügung stellen. Zwar ist die Scherung zunächst noch
relativ gering. Ein sich am Alpenrand bildendes Lee-Tief zieht sorgt
vorderseitig für ein Rückdrehen des Windes auf Ost und stellt aber am Nachmittag
die benötigte Scherung zur Verfügung (DLS 15-20 m/s). Sollten sich isolierte
Superzellen bilden (ICON-D2 simuliert diese), so können diese Orkanböen und auch
sehr großen Hagel insbesondere in Südostbayern bringen. Falls diese Zellen, wie
auch heute anfangs rückwertig anbauen, kann lokal Starkregen um 60 l/m² fallen.
Die Lokalmodelle simulieren ab dem Nachmittag die Bildung eines kräftigen
Cold-Pools über Bayern, der die Konvektion rasch ostwärts vorantreibt. Ein
größerer Cluster der vom südlichen bis mittleren Bayern ostwärts nach Tschechien
zieht wäre Vorstellbar. Dabei steigt die Gefahr von schweren Sturmböen oder auch
lokalen Orkanböen, die auch von Super-HD und AROME insbesondere in Niederbayern
berechnet. Eine hochreichend gut durchmischte und trockene Grenzschicht
begünstigt dies. ICON-D2 hingegen lässt die Zellen längere Zeit isoliert, sodass
es mit dem Wind in der Fläche zurückhaltender ist.
Eine Vorabinformation wurde bereits herausgegeben. Insbesondere für Ober- und
Niederbayern liefern die Lokalmodelle und die Zutaten starke Signale für sehr
hohes Unwetterpotenzial.

Fraglich bleibt es, ob und wie schnell es Rückseitig der ersten Linie nochmals
auflockert. Die Modelle simulieren, dass sich Rückseitig nochmals der ML-CAPE
von Westen her über der Westhälfte mit über 1 kJ/kg regeneriert, sodass auch
durch die Hebung der eigentlichen Kaltfront, die am Nachmittag hereinläuft, im
Westen am Nachmittag erneut Gewitter ausgelöst werden, die sich als Einzel- oder
Multizellen eventuell auch in kleinen Linien organisieren. Bei schwächerer
Scherung, aber dennoch mäßiger Zuggeschwindigkeit ist das Unwetterpotenzial hier
aber geringer.

In der Nacht zum Montag erfahren die Gewitter auf ihrem weiteren Weg nach
Nordosten eine deutliche Abschwächung, da von Ostsachsen über Brandenburg bis
nach Mecklenburg-Vorpommern eine deutlich trockenere Luftmasse liegt.

Montag … Befindet sich Deutschland weiterhin auf der Vorderseite des
Höhentiefs, das seinen Kern über die südliche Nordsee verlagert hat. Dabei ist
im Nordwesten eine kühlere Luftmasse eingeflossen (850-hPa-Temperatur ~6°C).
Während im Südosten noch die Reste der feuchten-warmen Luftmasse liegen. (850
hPa-Temperatur ~ 11 °C). In den Vormittagsstunden ziehet der Restregen der
Konvektion aus der Nacht nach Osten ab und es lockert hier, wie auch in den
anderen Gebiete auf. Im Tagesverlauf bauen sich 400 – 600 J/kg ML-CAPE auf.
Somit ist mit einzelnen Gewittern zu rechnen. Unwetter können zwar nicht
ausgeschlossen werden, das Potenzial ist jedoch gering, da die Zellen doch
schneller ziehen. Für die übrigen Begleiterscheinungen wie Hagel oder Orkanböen
sind trotz mäßiger, im Nordosten im Trogbereich mit bis zu 20 m/s auch guter DLS
die niedrigen CAPE-Werte der limitierende Faktor, auch, wenn im Nordosten
einzelne Low-Topped-Mesozyklonen vorstellbar wären.
In der Nacht zum Dienstag löst sich die Konvektion weitestgehend auf.

Dienstag … zieht das Höhentief Richtung Dänemark, wodurch bei uns die
trockenere und kühlere Luft an Raum gewinnt. Unter Trogeinfluss gibt es bei ein
paar hundert J/kg CAPE tagsüber besonders im Süden und Südosten, wo die Luft
noch feuchter ist, einzelne Schauer und Gewitter. Das Unwetterpotenzial ist
dabei sehr gering.

Modellvergleich und -einschätzung

Bei den groben Entwicklungen sind sich die Modelle erstaunlich einig.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Christin Herold