SXEU31 DWAV 021800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 02.06.2022 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
In der Südwesthälfte zunehmende Gewitterneigung, lokal UNWETTER – vor allem
durch heftigen Starkregen und größeren Hagel. Nach kurzer Beruhigung am Samstag
zum Pfingstsonntag erneut lokal schwere Gewitter.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 12 UTC

Aktuell … ist ein Höhentrog über dem Nordosten Deutschlands dabei ostwärts
abzuschwenken. Damit kann sich der Rücken über Westdeutschland zunehmend
nordostwärts ausweiten und somit nahezu das komplette Bundesgebiet zu
überdecken. Man muss allerdings dazu sagen, dass dieser nur äußerst flach
ausgehend von der Antizyklone über dem zentralen Mittelmeerraum angelegt ist und
damit hochgradig anfällig für flache Kurzwellentröge, die diesen überlaufen.

Bodennah erstreckt sich am Rande des Tiefs über dem Bottnischen Meerbusen (1005
hPa), das seinen Einfluss auch auf die Ostseeküste allmählich verliert
(nachlassender Wind und zunehmend Auflockerungen), eine flache Hochdruckbrücke.
Diese erstreckt sich vom Seegebiet südlich von Island über die Nordsee und
Norddeutschland hinweg bis zum Balkan. Innerhalb dieser kommt die eingeflossene
Meereskaltluft polaren Ursprungs endlich zur Ruhe und beginnt zu altern
(Taupunkte deutlich einstellig). Südwestlich davon wiederum schließt sich eine
Tiefdruckrinne über Frankreich an, die abseits des Cut-Offs westlich von
Portugal zunehmend autark agiert. In diesem Zusammenhang führt sie (langsam aber
beständig) schwül-warme subtropische Luftmassen aus dem westlichen
Mittelmeerraum mit Theta 850 nahe 50 Grad und Taupunkten um 15 Grad in den Süden
und Südwesten Deutschlands. Dort sind zwar bereits gebietsweise schauerartige
Regenfälle ausgelöst worden, Scherungswellen zwischen 850 und 900 hPa (markanter
Windsprung von bodennah Ost auf West in der Höhe) sowie kleinere Inversionen
oberhalb 800 hPa verhindern derzeit noch ein höheres Aufsteigen mit
Ladungstrennung. Ersteres ist auch gut anhand der Wolkenstruktur mit
Kelvin-Helmholz-Wellencharakter entlang der Donau erkennbar.

Zum Morgen können in der zunehmend indifferenten Höhenströmung erste schwache
Hebungsgebiete den äußersten Südwesten Deutschlands erreichen. Sicherer ist
allerdings, dass sich vorab die WLA etwas verstärkt und damit hohe
mehrschichtige Wolkenfelder vermehrt bis zur Landesmitte ausgreifen. Mehr als
einzelne Schauer Richtung Hochrhein, die als Überbleibsel entkoppelter
Gewitterreste aus Frankreich resultieren, bringen ICON-D2, AROME und UM im 12z
Lauf nicht (D2 dafür minimal im 15z Lauf entlang der Donau). Ganz verworfen
werden darf aber auch nicht die Lösung des SuperHD’s, das in den Frühstunden im
Raum Stuttgart auch einen Gewittercluster zeigt. MU CAPE geht beim ICON NEST
immerhin bis 400 J/kg bei recht hoher DLS um 20 m/s an der Französischen Grenze
um 06 UTC. Selbst wenn ist gelb, allenfalls ocker durch Starkregen um 15 l/m²
binnen einer Stunde das höchste der Gefühle.

Sonst verläuft die Nacht gering bewölkt oder klar und trocken, in
Norddeutschland garniert mit dem ein oder anderen flachen Nebelfeld (WarnMos mit
Signalen vor allem im Großraum Hamburg). Dort wird es dann auch am frischesten
mit 8 bis 2 Grad, im Süden und Südwesten bleibt es meist zweistellig bei 14 bis
10 Grad.

Freitag … reihen sich die Höhentiefs wie an der Perlenkette aufgereiht vom
Bottnischen Meerbusen über Südnorwegen, die Irische See bis zum Kap Finisterre
aneinander, womit wir auf einer breit angelegten Vorderseite in einer
indifferenten südwestlichen Strömung liegen. Die Achse des ohnehin sehr flachen
Rückens versucht (verzweifelt) Kontakt zu einer hochreichenden Antizyklone
nördlich von Schottland aufzunehmen, wird aber durch die „Perlenkette“ an
Höhentiefs und durch überlaufende, kurzwelligen Anteile ständig daran gehindert.
Deren Ausprägung und Timing ist nun entscheidend für die Auslöse der Konvektion
auch hierzulande, ähnlich wie die morgendliche Ausgangslage mit der ein oder
anderen Überraschung aus Frankreich, die so manchen Tagesgang und CAPE
Generierung zunichtemachen könnte.

Auf Basis der vorliegenden 12zu Läufe muss man festhalten: Die ultimative
Unwetterlage wird es trotz Luftmasseneigenschaften von PPW’s um 30 mm, ML CAPE
zwischen 500 und 1000 J/kg, im Süden lokal bis 1500 J/kg und 10-15 m/s, lokal
bis 20 m/s DLS und sich zunehmend nach Franken bohrender Tiefdruckrinne wohl
nicht geben. Beim Blick in die ProgSoundings fehlen zuweilen doch 2-3K an der
Auslösetemperatur. Die Hebungskondensationsniveaus wie auch die KKN’s sind mit
1500-2000m noch recht hoch, was für einen Feuchtemangel in bodennahen Niveaus
spricht. Zudem ist das Grundsetup in der Höhe trotz schwacher KW eher leicht
antizyklonal geprägt. Erst zum Abend deutet sich ein doch signifikanterer Trog
über dem Saarland an.

So wird es sicherlich einige, zunächst vom Bergland (v.a. Pfälzerwald,
Schwarzwald, Alb, Alpen) ausgehende Gewitter geben, die lokal auch mal das
Unwetterkriterium bezüglich Starkregen und größeren Hagel reißen. Gerade die
überlappenden Zutaten im Alpenvorland sprechen doch für die ein oder andere
Superzelle mit großen Hagel mit Durchmessern bis 5 cm. In der Fläche eine
Vorabinfo wird das aber – Stand heute Abend – nicht rechtfertigen. Auch die
Signale im ICON-D2-EPS sind mit 30-40% am unmittelbaren Alpenrand als Maximum
für mehr als 40 mm/12h überschaubar. Da lieferte selbst die
„Kaltluftgewitterlage“ gestern im Nordosten, die übrigens 2 Typ II Tornados
(Niederländische Nordseeküste und in Gnarrenburg/Niedersachsen) hervorbrachte,
stärkere Anzeichen. Von den Frühdiensten wird diese Fragestellung neu bewertet
werden müssen.

Sicher freundlich und trocken bleiben wird es nördlich der Mittelgebirgsschwelle
(Bereich der Hochdruckbrücke), wo allerdings auch die von Süden übergreifenden
Gewitterkomplexe und oder WLA für zeitweise dichterer hohe und mittelhohe
Wolkenfelder sorgen werden. Der daraus ausfließende Nordostwind verschärft die
Temperatur- und Feuchtegegensätze über der Landesmitte weiter. So wird es in der
Nordhälfte nach frischer Nacht angenehm warm mit Höchstwerten von 20 bis 26
Grad, in der Südhälfte zunehmend schwül bei 25 bis 28 Grad.

In der Nacht zum Samstag schwenkt der o.e. Kurzwellentrog unter Amplifizierung
ost-nordostwärts und erreicht in den Frühstunden das Zittauer Gebirge. Darin
gekoppelt ist mit hoher Wahrscheinlichkeit ein zusammenwachsender MCS, der vor
allem am Südrand bis weit in die Nacht hinein Superzellenpotential mit
Rechtsanbau/-ausscherung aufweisen wird. Demnach wäre vor allem in einem
Streifen vom Kraichgau über Unter- und Oberfranken bis zum Vogtland und
Erzgebirge das Unwetterpotential am größten (großer Hagel, teils orkanartige
Böen), aber wer weiß das 2 Tage vorher schon so im Detail. ICON-D2 und AROME
tendieren jedenfalls exakt in diese Richtung. Am Nordrand des Komplexes kann es
teils ungewittrigen, mehrstündigen Starkregen im markanten Bereich zwischen 20
und 30 l/m² geben.

Im Süden sind abseits des Komplexes nur noch vereinzelte Gewitter unterwegs,
gerade das nächtliche Gewittermaximum mit Abkühlung und Labilisierung an der
Wolkenoberkante kann örtlich aber nochmal zuschlagen.

Deutlich ruhiger verläuft die Nacht in Norddeutschland, wo man außer
Wetterleuchten nicht viel von dem Spektakel weiter südlich mitbekommen wird.
Allerdings wird die nur noch sehr schmale Hochdruckbrücke immer weiter zu den
Küsten hin abgedrängt. In der noch trockenen, gealterten Luftmasse gehen die
Temperaturen auf 10 bis 6 Grad zurück, während es weiter südlich je nach
Niederschlag bei 17 bis 10 Grad deutlich milder bleibt. Immerhin bleiben uns
Tropennächte vorerst noch erspart…

Samstag … zieht der erwähnte Resttrog, der inzwischen auch Verbindung zum
Haupttrog über Südschweden und Finnland aufgenommen hat, ostwärts ab. Dieser
Trog ist jedoch von Kaltluftadvektion überlaufen, so dass der ausgehend von dem
Hoch über der Nordsee nach Nordwestpolen reichende Hochkeil (ehemalige Brücke)
bestehen bleibt und der Trog nach Abzug des nächtlichen MCS kaum wetterwirksam
ist.

Der über dem nahen Ostatlantik liegende Höhentiefkomplex, in dem sich die beiden
Zentren (Biskaya und UK) vereinen, zieht sich vorübergehend mit seinem
Schwerpunkt etwas nach Westen zurück. Der davon ausgehende Trog schwenkt nach
Galizien, was über Frankreich die Strömung aufsteilen lässt, so dass sich dort
Subtropikluft mit PPW Werten bis 40 mm durchsetzt. Von dieser Luftmasse bleibt
Deutschland zunächst verschont, was auf den Kurzwellentrog im Norden
zurückzuführen ist, der den Hochkeil über Frankreich bremst und ihn lediglich
bis in die Südwesthälfte
Deutschlands vorankommen lässt, wo er sich tagsüber sogar weiter kräftigt und
über die Nordsee nach Norden ausdehnt.

Die über der Südhälfte liegende Luftmasse ändert sich in ihren Eigenschaften nur
wenig und wird kaum mit weiterer Feuchte (PPW 30 bis
35 mm) angereichert, CAPE steigt etwas über 1000 J/kg. Auch kann sich die
feuchtlabile Luft zunächst kaum weiter nach Norden durchsetzen, sie wird im
Tagesverlauf eher sogar wieder etwas nach Süden gedrängt, da die Hochdruckzone
über dem Norden Deutschlands mit ausfließenden mäßigen nördlichen Winden
dagegenhält.

Dennoch sind gerade über den Bergen in der Südhälfte spätestens zum Nachmittag
wieder neue Gewitter zu erwarten, da gegenüber dem Vortag umso mehr die
dynamische Hebungskomponente fehlt. Aufgrund der Luftmasseneigenschaften und nur
geringen Verlagerungsgeschwindigkeiten sind erneut (vereinzelte) Unwetter durch
heftigen Starkregen, entlang und südlich der Donau bei moderater Scherung und
hohem CAPE auch durch großen Hagel nicht ausgeschlossen.

Bevor die Gewittertätigkeit in Gang kommt, werden in der schwülwarmen Luft
selbst nach bewölktem Start rasch 25 bis 29 Grad erreicht.
Im Norden wird unter Hochdruckeinfluss nennenswerte Wolkenbildung durch Absinken
weiterhin unterbunden und die Temperaturen bewegen sich zwischen 21 und 26 Grad,
an der Küste bei auflandigem Wind bei 17 bis 20 Grad.

In der Nacht zum Sonntag verlagert sich die Rückenachse über Deutschland zögernd
nach Osten. Damit lassen die Gewitter zudem auch mit Beendigung des Tagesgangs
nach, bzw. klingen ab. Der Norden und Nordosten bleiben in trockener Luft ruhig
und kühl mit abermals vermehrt einstelligen Tiefstwerten – bodennah in
ungünstigen Lagen bis nahe 0 Grad.

Allerdings kommt der Westen im Laufe der Nacht auf die Vorderseite des Troges
über Westeuropa und ein markantes Hebungsgebiet erreicht in den Frühstunden das
Grenzgebiet zu Benelux und Frankreich. So muss ausgangs der Nacht mit ersten
teils kräftigen Gewittern im äußersten Westen und Südwesten gerechnet werden bei
Tiefstwerten zwischen 16 und 10 Grad. Da darin die subtropische Luftmasse mit
PPW bis 40 mm nochmal eine etwas intensivere Qualität bekommt, sind punktuell
Starkregenmengen bis in den Unwetterbereich nicht ausgeschlossen, die Numerik
bis dato diesbezüglich aber noch zurückhaltend.

Sonntag … steht wohl der Höhepunkt der gewitterträchtigen Lage über die
Pfingstfeiertage ins Haus. Konnte man sich bis dahin mangels Dynamik noch auf
markante und nur punktuelle Unwetterentwicklungen im Sprachgebrauch der
Warnlagetexte verständigen, so muss man nun von einer großräumiger angelegten
Gewitterlage mit Unwetterpotential ausgehen.

„Triebfeder“ ist dabei der ein wirklich markanter und scharfer Kurzwellentrog
des westeuropäischen Höhentiefs, das sich räumlich nun im Ausgang des Englischen
Kanals auch Deutschland noch ein Stück weit angenähert hat. Die Trogachse liegt
um die Mittagszeit in etwa über der südwestlichen Nordsee und reicht bis zum
Rhein-Main-Gebiet. Durch die starke Hebung wird innerhalb der Rinne die Bildung
eines eigenständigen Teiltiefs induziert, das sich in etwa entlang der
Rheinmündung bilden soll, als Rinne aber bis zu den Alpen bestand hat. Dort ist
dann wiederum durch eine leicht föhnige Anströmung im tagesverlauf die Bildung
eines separaten Leetiefs zu erwarten, das Nährboden für zusätzliche Hebung bei
besten Scherungsbedingungen liefert. Eine rückseitige Druckwelle ist
gewitterunabhängig mindestens für Böen Bft 7, vielleicht sogar 8 bis 9 gut. Für
derartige Details ist es aber noch zu früh.

Kurzum: Für die Südwesthälfte Deutschlands sind am Sonntag alle Zutaten für eine
flächendeckende Schwergewitterlage gegeben, im Westen bei weniger CAPE, kaum
Scherung und PPW’s um 40 eher durch heftigen Starkregen, im Süden bei CAPE um
3000 J/kg, DLS um 20 m/s und etwas geringeren PPW’s vorrangig durch großen Hagel
und schwere Sturmböen/orkanartige Böen. Da lässt sich selbst der EFI CAPE Shear
nicht lumpen und zeigt deutliche Signale für die Alpen und das Alpenvorland mit
Werten >0.7 bei positiver SOT.

Außen vor sind zumindest noch die Gebiete östlich der Elbe, die unter dem
„Schutz“ des Rückens noch in der stabilen und trockenen Luftmasse der Vortage
liegen. Unter dem fortwährenden Absinken stiegen die 850hPa Temperaturen
allerdings auch dort allmählich über die 10 Grad Marke an, so dass bei 24 bis
knapp 30 Grad an den Alpen verbreitet ein Sommertag zu erwarten ist. Lediglich
die küstennahen Gebiete sowie der eventuell schon sehr früh gewitterlastige
Westen mit anschließender Abkühlung und Winddrehung auf West verbleiben mit 20
bis 24 Grad mehr oder weniger knapp darunter.

Modellvergleich und -einschätzung

In den großräumigen Basisfeldern sind sich die Modelle weitgehend einig. Der
Teufel steckt jedoch im Detail. Kleinste Veränderungen in der Höhe bei Timing
und Ausprägung der Randtröge sowie die Eigendynamik durch nächtliche MCS können
entscheidend sein. Vor allem für den warntechnisch wohl anspruchsvollen Sonntag
sind die Unterschiede zwischen ICON, IFS und GFS 3 Tage im Voraus erstaunlich
gering.

In der Niederschlagsvorhersage gibt es bei derartigen lagen zwangsläufige
Unterschiede. Bereits in der Kurzfrist schwanken die konvektionserlaubenden
Modelle aber teilweise schon so stark, dass eine realistische Einordnung fast
nicht möglich ist. Beispielsweise ließ das AROME im 0z Lauf noch einen
nächtlichen Cluster bis morgen Früh vom Elsass über den Breisgau bis in den
Großraum München ausgreifen und wollte im 06z und 12z Lauf davon nichts mehr
wissen.

ICON-D2 bleibt eigentlich laufübergreifend bei der defensiven Schiene, lag
jüngst aber häufig damit oft daneben und unterschätzte bereits die
nachmittäglichen Niederschläge in Süddeutschland ein Stück weit. Letztlich
verbleibt alles im Nowcasting. Überraschung in jedweder Form sind bei derartigen
Lagen aber nicht unüblich, so dass man sich gerade in BaWü nicht wundern sollte,
wenn es nachts oder in der Früh doch mal kurz rumpelt und schüttet.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Robert Hausen