SXEU31 DWAV 230800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 23.05.2022 um 08 UTC

GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL SWz, Übergang zu NWz
Heute südlich des Mains teils unwetterartige Gewitter mit Wind bis in den
Orkanbereich und großem Hagel. Im weiteren Wochenverlauf deutliche
Wetterberuhigung und kühlere Luftmassen.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC

Montag… befindet sich über Deutschland zu Tagebeginn noch ein Höhenrücken, der
aber bereits von WLA und Konvektion aus der Vornacht überlaufen ist.
Gleichzeitig liegt über Westeuropa ein umfangreicher Langwellentrog, der sich
langsam ostwärts schiebt. Auf seiner Vorderseite kann man einen markanten
Kurzwellentrog erkennen, der sich über Frankreich befindet und am Nachmittag
nach Deutschland zieht. Dieser Kurzwellentrog lässt sich auch schön im
Q-Vektor-Divergenzfeld sowie anhand eines Maximums im IPV-Feld finden.

Gekoppelt an den Kurzwellentrog soll sich ein derzeit bei Paris befindliches
Randtief vertiefen und weiter in Richtung BeNeLux ziehen. Zum späteren Abend
wird schließlich die Deutsche Bucht erreicht, wobei der Kerndruck bis nahe 990
hPa fallen soll. Mit der Trogvorderseite und der damit einhergehenden
südwestlichen Strömung wird ein Schwall feuchtwarmer und labil geschichteter
Luft nach Deutschland geführt. So steigen die 850 hPa Temperaturen im Süden zum
Nachmittag auf über 15 Grad. Mit der verstärkten Südkomponente wird es
vorübergehend sogar leicht föhnig. Dies lässt sich auch in den ICON-D2
Prognosesoundings anhand einer abgehobenen Mischungsschicht erkennen. Der Föhn
kann sich aber nicht bis in die Täler vorarbeiten, sondern sorgt nur auf
Alpengipfeln für einzelne Sturmböen.

Derzeit ist wie angesprochen vor allem über dem Süden noch Restkonvektion aus
der Nacht aktiv. Dies ist ein ehemaliger Gewittercluster, der sich am Vortag
über Frankreich gebildet hat und vereinzelt Starkregen bringt. Die Konvektion
überläuft nun aber die Achse des Höhenrückens, was gleichzeitig ihren Tod
bedeutet. Die anfängliche Einstrahlung wird in der Folge aber zunächst einmal
deutlich ausgebremst. Gleichzeitig sorgt die Konvektion für eine Anfeuchtung der
unteren Troposphäre, die in den 00 UTC Aufstiegen noch einen großen Spread
gezeigt hat. Die Taupunkte über Deutschland sind bisher auch noch recht niedrig,
aber über Frankreich lassen sich bereits Werte zwischen 15 und 18 Grad erkennen.

Im Tagesverlauf greift die feuchte Luft dann auch auf Deutschlands über, wie man
gut auch an der Tendenz der spezifischen Feuchte mit einem deutlichen Anstieg im
Tageverlauf erkennen kann. Die feuchte Luft kommt am Abend nordostwärts bis in
die mittleren Landesteile voran. Nur der Nordosten und Osten Deutschlands
bleiben zunächst noch außen vor.

Über Frankreich lassen sich derzeit auch größere Wolkenlücken erkennen, was
dafür spricht, dass nach der anfangs recht gedeckelten Phase, im Tagesverlauf
zumindest vorübergehend Einstrahlung möglich ist. In der Folge soll sich zum
Nachmittag auch einiges an Labilitätsenergie aufbauen. Das geht insgesamt
wahrscheinlich etwa langsamer, als noch aus der Sicht von gestern erwartet, zum
Nachmittag werden von ICON-D2 aber weiterhin ML-CAPE Werte zwischen 800 und 1400
J/kg erwartet. Die feuchtlabile Luft ist kaum gedeckelt, und so muss im
Südwesten ab dem frühen Nachmittag recht verbreitet mit einer Auslöse gerechnet
werden. Diese verbreitete Auslöse hat zu Folge, dass die Gewitter auch recht
rasch verclustern können.

Schwierig zu beantworten ist derzeit die Frage, wo sich die Gewitter letztlich
dran organisieren. Der 00 UTC Lauf des SuperHD bringt an der Vorderkante der
feuchtwarmen Luftmasse linienartig organisierte Konvektion. Die Deutsche
Modellkette sieht diese Organisation hingegen nicht, sondern konzentriert die
Konvektion stärker auf den Bereich in der feuchtwarmen Luft und die Rückseite
der feuchtwarmen Luft (Kaltfront mit rückseitiger Abtrocknung). Blickt man auf
das EPS, lassen sich ebenfalls nur ein/zwei Läufe finden, die die Variante an
der Vorderkante stützen. Allerdings sind auch andere externe Modelle auf der
Seite des SuperHD wie beispielsweise das Arome.

Letztlich ist es nicht einfach vorherzusagen, welche Variante sich durchsetzt.
Mit der Linienbildung an der Vorderseite der feuchtlabilen Luft besteht vor
allem die Gefahr bezüglich Wind bis in den Unwetterbereich. So deuten die
Reflektivitätsprognosen auch mehrere Bogenelemente an. Die Windscherung
konzentriert sich vor allem auf die unteren 1 bis 3 km, während sich darüber der
Wind kaum ändern soll. Die Windvektoren in 850 hPa stehen zudem nahezu senkrecht
auf der Linie. Entsprechend sind Böen bis in den Orkanbereich denkbar. Dies wird
entsprechend dann auch in den Böenprognosen gezeigt.
Sollte die Konzentration eher auf die andere Variante sein, dann könnten die
Zellen diskreter sein, was bei der angesprochenen Scherung (im Süden immerhin
über 20 m/s) die Möglichkeit von Superzellen bietet, die dann neben Wind auch
größeren Hagel bringen können. Im weiteren Verlauf nimmt auch die 0-1 km
Scherung in Verbindung mit dem Bodentief deutlich. Damit besteht zumindest ein
gewisses Tornadorisiko, wenn vorlaufende Zellen das HKN deutlich absenken
sollten.

Zuletzt sei noch zu erwähnen, dass die meisten Modelle ab dem späten Nachmittag
auch aus den Alpen heraus kräftige Gewitter und Superzellen zeigen die dann auch
wieder großen Hagel um 5 cm und schwere Sturmböen oder orkanartige Böen zur
Folge haben können.

Natürlich ist mit den Gewittern auch Starkregen möglich. Unwetterartige Mengen
sollten aber nicht das vordergründige Warnkriterium sein.

Zusamenfassung: Ein organisierte Linie vorderseitig mit Gefahr von Bogenechos
ist noch unsicher. Je nach vorlaufender Konvektion dann mehr oder weniger starke
Aktivität in der feuchtlabilen Luft sowie mit der Kaltfront. Die Konvektion aus
den Alpen ab dem späteren Nachmittag haben eigentlich alles Modelle.
In der Nacht auf Dienstag erreicht die Restkonvektion in der zweiten Hälfte dann
den Nordosten des Landes. Unwetterartig fallen diese aber nicht mehr aus. Am
Alpenrand geht die Konvektion in der Nacht zum Teil in länger andauernde
Regenfälle über. ICON-D2 zeigt dabei auch vereinzelt noch Mengen bis in den
markanten Bereich. Die Wahrscheinlichkeit das dafür eine Warnung notwendig ist,
scheint aber nur gering. Da sich die konvektiv durchsetzten Niederschläge aber
auch am Dienstag und bis in die Nacht auf Mittwoch noch fortsetzen, bestünde
zumindest die Option einer länger andauernden markanten Dauerregenwarnung (36
h).

Daneben ist für die Nacht vor allem anfangs noch der Wind relevant, der im
Westen lebhaft mit Windböen ist. Der Gradient rückseitig des Bodentiefs ist doch
recht deutlich.

Dienstag… gelangt der Nordwesten in den Trogbereich, während im Südosten
weiterhin Reste der feuchtwarmen Luftmasse liegen. Damit gibt es im Südosten
immer wieder schauerartig durchsetzte Niederschläge. Für Gewitter sollte es zwar
allgemein nicht mehr reichen, aber die noch recht hohen ppw-Werte bis 30 mm
deuten zumindest ein gewisses Starkregenrisiko an.

Im Nordwesten ist der Trog wetterwirksam. Bei etwas höherer Feuchte und Lapse
Rates kann sich auch ein wenig CAPE aufbauen. Die Höhenwinde in 850 hPa liegen
um 30 kn. Die Windscherung ist ziemlich hoch, sodass neben Bft 7 Böen, mit
stärkeren Schauern oder Gewittern auch stürmische Böen und einzelne Sturmböen
auftreten.
Neben den konvektiven Böen wird aufgrund des Gradienten auch eine skalige
Windwarnung mit Bft 7 Böen im Nordwesten und Westen notwendig sein. Direkt an
den Küsten können auch einzelne Bft 8 Böen möglich sein.

Zwischen den beiden angesprochenen Gebieten gibt es einen breiten Streifen von
Südwesten (RLP) bis in den Nordosten (Vorpommern), wo es kaum Niederschläge gibt
und die Sonne auch längere Zeit scheinen kann.

Mit Sonnenunterstützung werden bis 23 Grad erreicht, sonst liegen die Werte auch
häufiger unter 20 Grad.

In der Nacht auf Mittwoch schwenkt die Trogachse weiter ostwärts,
tagesgangbedingt lässt die Schauertätigkeit aber nach. Vornehmlich im
Küstenumfeld sind aber weiter Schauer möglich. Auch im Südosten regnet es weiter
konvektiv verstärkt.
Im großen Rest des Landes ist es trocken. Dort wo es länger aufklart gibt es
einstellige Minima. Der Wind lässt nach und weht nur noch an der See zeitweise
stark böig.

Mittwoch… verlagert sich die Trogachse ostwärts und rückseitig beginnt die
Strömung zu zonalisieren. Im Laufe des Tages gibt es vor allem im Nordwesten und
Norden wieder einige Schauer, aber keine Gewitter mehr. Der Wind lebt im
Tagesverlauf wieder auf, mit einzelnen Windböen vor allem im Nordwesten. Auch in
Verbindung mit Schauer sind einzelne Windböen möglich. Im Südosten lassen die
Niederschläge nach, es gibt aber noch dichte Wolken. Am freundlichsten wird es
wieder in einem breiten Streifen von Südwesten bis in den Nordosten. Dort bleibt
es auch trocken.

Am Nachmittag greift im Tagesverlauf WLA mit zunehmend skaliger Bewölkung über.
Mit der einhergehenden Stabilisierung nimmt die Schauertätigkeit ab. Dafür
greifen zum Abend skalige Niederschläge auf den äußersten Norden über.

In der Nacht auf Donnerstag wandert das WLA Feld ostwärts in Richtung Ostsee. Es
fällt damit im Norden weiterhin etwas Regen, der in der zweiten Nachthälfte
wieder nachlässt. Die dichten Wolken können sich bis in die mittleren
Landesteile vorarbeiten. Weiter nach Süden und Südosten gibt es hingegen teils
größere Wolkenlücken mit einstelligen Tiefstwerten.

Warnwürdig bleibt der Wind im Küstenbereich mit Bft 7, exponiert auch Bft 8.

Modellvergleich und -einschätzung

Die grundlegende Entwicklung wird von allen Modellen gezeigt. Unsicherheiten
gibt es im Konvektionsablauf am heutigen Tag und wurde im Haupttext diskutiert.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Marcus Beyer