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S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 19.05.2022 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Am Freitag über dem Norden und Mitte Schwergewitterlage mit Unwettern und allen
Begleiterscheinungen bis WU. Auch im Süden einzelne starke Gewitter, auf der
Zugbahn des Tiefs heftiger Starkregen bis Unwetter möglich. Am Wochenende wieder
ruhiger.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 12 UTC

Aktuell … schwenkt die Achse eines Höhenrückens langsam nach Südosten raus und
erstreckt sich im Laufe der kommenden Nacht vom westlichen Mittelmeer über
Italien zum Balkan.
An dessen Rand liegen wir in einer westsüdwestlichen Strömung, in der
kurzwellige Tröge auf der Vorderseite eines Langwellentroges über dem Atlantik
und eine von Nordwesten eindringende Tiefdruckrinne für eine deutliche Zunahme
der Zyklonalität sorgen.
In die Rinne eingelagert sind eine Konvergenzlinie und an der Rückseite eine
Kaltfront, die derzeit den Nordwesten erfasst haben und sich nachts schleifend
über den Norden legen.
Präfrontal hat sich die Zufuhr der sehr warmen bis heißen Luft aus Südwesteuropa
zu uns verstärkt, wobei sie feuchter und instabiler wird.
Das führt aktuell über dem Norden und Westen zu teils starken, auch linienhaft
organisierten Gewittern, die bei erhöhter Scherung (DLS 10 bis 15 m/s), CAPE (um
1500 J/kg) und PPWs um 35 mm auch unwetterartig ausfallen.
Auch aus den Alpen heraus, sowie orografisch getriggert auch sonst über
Süddeutschland haben sich einzelne starke Gewitter gebildet.

In der Nacht zum Freitag bildet sich in der bis Skandinavien reichenden Rinne
über der Ostsee ein Tief, wobei wie erwähnt die Kaltfront im Laufe der Nacht
über Norddeutschland ins Schleifen kommt.
Sie geht dort in die Warmfront einer Welle über, die sich unter der Vorderseite
eines markanten Randtroges bei Irland entwickelt und nach Nordfrankreich zieht.

Die Gewitter erreichen noch den Nordosten und Osten und schwächen sich dabei nur
zögernd ab. Sie verlassen uns später über die Ostsee nach Nordosten. Aber auch
im Süden können sich die Gewitter noch einige Zeit halten und in der zweiten
Nachthälfte können getriggert durch ein nächstes Hebungsgebiet neue Schauer und
Gewitter mit Starkregen auf den Südwesten übergreifen und dann via Mitte nach
Osten ziehen. Vor allem anfangs besteht Unwettergefahr, die letztlich auch im
weiteren Verlauf nicht gänzlich gebannt ist.
Die Nacht wird mild mit Frühwerten zwischen 20 und 13°C.

Freitag … greift der markante Randtrog auf Frankreich und die Nordsee über,
was uns unter seine diffluente Vorderseite bringt. Die Welle zieht dabei unter
Intensivierung ab den Mittagsstunden von NRW über das südliche Niedersachsen und
Brandenburg nach Osten, wo es in der Nacht zum Samstag Polen erreicht. An ihrer
Südflanke nimmt die Scherung über Deutschland weiter zu. Neben DLS bis 35 m/s,
sind auch niedertroposphärisch
hohe Scherungswerte um 20 m/s zu finden, begleitet von niedrigem HKN und hohen
SRH Werten, siehe auch Hodogramme.
Ansonsten sind die Luftmasseneigenschaften (PPW um 40 mm, Cape bis 1500 J/kg)
südlich der Welle ähnlich denen des Vortags, nun aber mit deutlich
„verbesserter“ Dynamik. Die Wahrscheinlichkeit für die Bildung von Superzellen
nimmt in der Warmluft zu und auch vereinzelte Tornados sind nicht
ausgeschlossen, wenn sich ab den Mittagsstunden von Westen wieder neue, teils
schwere Gewitter bilden, bzw. über Benelux aufziehen. Die Unwettergefahr steigt
vor allem in einem Streifen von NRW und Rheinland-Pfalz bis hinüber nach Sachsen
und Brandenburg an, sodass der Freitag den Höhepunkt der Schwergewitterlage
markieren dürfte. Im Westen sind zwar schon morgens Wolken da und mangels
Einstrahlung wird CAPE nicht mehr so üppig aufgebaut, hier dürfte es aber die
Dynamik richten.

Bei Oberwinden um 50 kt im Bereich der Welle sind neben heftigen evtl. auch
extremen Starkregen schwere Sturmböen und auch größerer Hagel mögliche
Begleiterscheinungen. Die Unsicherheiten sind was die Konvektion angeht noch
erheblich, je nach Organisationsgrad, in Linien oder bei Superzellen sind
Orkanböen möglich. Die Zugbahn der Welle simulieren die Modelle inzwischen aber
recht ähnlich. Auf der Spur des Tiefs sind nach anfänglich vielleicht ein paar
Blitzen auch unwetterartige Starkregenfälle bis in den extremen Bereich möglich,
wie sie von den deterministischen Modellen, aber auch von den EPS gestützt wird.

Im Süden ist die Unwettergefahr geringer, die Modelle sparen ihn teilweise
komplett aus, was aber auch nicht sehr wahrscheinlich sein dürfte. Die Luft ist
dort zwar trockener und die Höhe antizyklonal konturiert, bei sehr instabiler
Schichtung können sich aber auch dort (Orografie) einzelne Gewitter mit
Unwetterpotential vor allem durch Hagel und Starkregen bilden.

Am wenigsten passiert wohl deutlich nördlich der Zugbahn der Welle in gemäßigter
und recht stabiler Luft, wo zwar Regen durchzieht, der aber nicht warnwürdig
wird.
Auf der Rückseite des Tiefs dringt die Kaltfront über dem Westen beschleunigt
nach Süden vor, wobei an der Kaltfront und zum Tief hin auch abseits der
Gewitter Windböen und einzelne stürmische Böen, im Bergland Sturmböen möglich
sind.
Die Temperaturen steigen im Süden bis 33°C, ganz im Norden nur 20 bis 27°C und
direkt an der See werden wohl die 20°C nicht geschafft.

In der Nacht zu Samstag zieht das Wellentief Richtung Nordpolen ab, wobei auf
dessen Rückseite die Kaltfront rasch zu den Alpen vorankommt und die feucht
warme Gewitterluft durch gemäßigte und stabile Luftmassen von Nordwesten her
ersetzt werden.
Bevor es soweit ist, ziehen Gewitter, teils nicht gewittriger Starkregen
(eventuell noch WU) über den Norden und Nordosten ab und auch an der Kaltfront
sind vor allem anfangs starke, teils linienhaft organisierte Schauer und
Gewitter zu erwarten, die bis in den Süden vordringen. Mit Passage des
Tiefausläufers und an der Südflanke der Welle kann der Wind zum Teil stürmisch
auffrischen mit Sturmböen im höheren Bergland und vor allem anfangs auch bei
Gewittern.

Im Laufe der Nacht folgt über dem Norden der besagte Höhentrog mit labilerer
(höhenkalter) Luft und erneuten Schauern und einzelnen Gewittern, die aber kein
Unwetterpotential mehr besitzen. Dann kommen vor allem an den Küsten wieder
Windböen und einzelne stürmische Böen aus westlicher Richtung auf.

Samstag … nach Abzug der Frontalwelle und des Höhentroges wird die
Höhenströmung antizklonaler und von Frankreich her breitet sich eine
Bodenhochdruckzone nach Deutschland aus.
Die von Westen einströmenden gemäßigten und stabilen Meeresluftmassen gelangen
in den meisten Teilen unter Absinken. Südlich der Donau sind an der abziehenden
Kaltfront anfangs schauerartige Regenfälle möglich, aber wohl keine Gewitter
mehr. Im Tagesverlauf lockern die Wolken auch dort stärker auf.
Im Norden ist die Schichtung rückwärtig des Troges zunächst instabil mit
Schauern und einzelnen, durch stürmische Böen auch markanten Gewittern. Bei
Windgeschwindigkeiten in 850 hPa bis 40 kt sind in der Nordosthälfte Windböen
und auch ohne großartige Konvektion einzelne stürmische Böen zu erwarten. Auf
einigen Bergen und an der Ostsee kann es zu Sturmböen reichen. Am Nachmittag
greift aber auch dort die Stabilisierung und bei nachlassendem Wind lassen die
Schauer von Westen her nach.

Die Temperatur steigt im Norden auf 16 bis 21°C und auf 20 bis 26°C im übrigen
Deutschland mit den höchsten Werten am Oberrhein.

In der Nacht zum Sonntag herrscht unter der Hochdruckzone, die von Westeuropa
über Deutschland in einem Bogen ins Mittelmeer verläuft ruhiges, teils klares
Wetter. Die Luft kühlt kräftig ab, oft in den einstelligen Bereich. An der
Ostsee treten anfangs steife Böen um West auf und im Nordosten halten sich
zunächst auch noch ein paar dichtere Wolken mit letzten Tropfen. Auch ganz im
Südwesten zieht hohe Bewölkung auf, ausgehend von einem Tiefdruckgebiet über
Südwesteuropa.

Sonntag … wölbt sich ein Rücken über dem westlichen Mittelmeer weiter in
Richtung Britische Inseln auf und kommt ostwärts mit seiner Achse bis zu uns
voran. Der Bodendruck beginnt aber erneuter Erwärmung der unteren Troposphäre zu
fallen und das Tief über Frankreich weitet sich nach Nordosten aus.
Letztlich hält sich aber noch die flache Hochdruckzone, deren Schwerpunkt über
Norddeutschland liegt, und sorgt für nach Süden hin teils sonniges, aber
insgesamt meist trockenes Wetter. Im Norden und der Mitte bilden sich harmlose
Quellwolken, die an einer Absinkinversion breitlaufen.

In den äußersten Süden breitet sich auf der Vorderseite des Tiefs wieder
wärmere, feuchte und instabile Luft aus, in der es nachmittags und abends
orografisch gestützt zu einzelnen Schauern und Gewittern mit Starkregen und
kleinkörnigem Hagel kommen kann. Die Spanne der Temperaturen reicht von 27°C am
Oberrhein und Hochrhein und 16°C bei auflandigem Wind an der Ostsee.

Modellvergleich und -einschätzung

Von den Basisfeldern her ergeben sich nur wenige Unterschiede. Die Konvektion
wird noch deutlich abweichend simuliert, wobei sich teils eklatante Schwächen
der diversen hochauflösenden Modelle zeigen. Hier ist und bleibt Nowcasting
gefragt. Der Höhepunkt der Gewitterlage morgen ist mit dem Gewittertief und dank
nochmal gesteigerter Dynamik unstrittig.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Bernd Zeuschner