S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 16.05.2022 um 10.30 UTC

Umstellung der Großwetterlage zu mehr Tiefdruckeinfluss und kühleren Luftmassen.
Dabei von Donnerstag bis Samstag Potential für mehrere Schwergewitterlagen und
Unwettergefahr.

Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 23.05.2022

Zu Beginn der Mittelfrist lässt sich in der Höhe eine starke amplifizierte
Strömung erkennen, mit einem Trog über dem nahen Ostatlantik und einem weiteren
über Osteuropa. Dazwischen erstreckt sich ein Höhenrücken vom westlichen
Mittelmeerraum über Mitteleuropa bis zum Nordmeer, sodass sich eine Omegalage
ergibt. Die Achse des Höhenrückens liegt zur Mittagszeit gerade an der
westdeutschen Grenze, sodass die Höhenströmung nach Osten noch eine nördliche
Komponente aufweist. Dort liegen entsprechend kühlere, aber auch trockenere
Luftmassen. Weiter nach Westen nimmt die Temperatur in 850 hPa zu und auch die
spezifische Feuchte steigt an. Die beiden Luftmassen werden durch eine sich
meridional über Deutschland erstreckende Warmfront getrennt. Diese ist abgesehen
von Wolkenfeldern aber relativ wetterunwirksam (Rücken).
Durch die Achse des Rückens wird zunächst auch Konvektion im zunehmend feuchter
werdenden Warmsektor noch weitgehend unterdrückt (nur vereinzelt im west-
südwestdeutschem Bergland). Die Maxima steigen aber auf schwülheiße 30 bis 32
Grad entlang des Rheins und Werte unter 20 Grad in Richtung Polen und
Tschechien. Auch die Nächte sind deutlich unterschiedlich mit 10 bis 3 Grad in
der Südosthälfte mit örtlichem Bodenfrost und 19 bis 11 Grad in der
Nordwesthälfte.

Am Donnerstag lässt sich das Omega weiter erkennen. Die Achse des Höhenrückens
ist aber deutlich ostwärts vorangekommen und erstreckt sich nun von
Süddeutschland bis nach Polen. Sie ist damit nicht mehr so steil wie am Vortag
und weist nun eine positive Achsenneigung auf. Die Konsequenz ist, dass es von
Nordwesten her zunehmend zyklonaler wird. Der Haupttrog ist zwar noch weit weg,
aber vorgelagert lassen sich bereits Kurzwellentröge erkennen. Ein erster
befindet sich bei den Britischen Inseln, der ab dem späteren Nachmittag
interessant wird. Demnach breiten sich von BeNeLux und Frankreich teils kräftige
Gewitter auf den Westen und Nordwesten ab dem späteren Nachmittag aus. Hohe
CAPE, PPW und Scherwerte deuten eine erste Schwergewitterlage an, die erhöhtes
Unwetterpotential besitzt. Dazu wird es im ganzen Land schwülheiß mit 26 bis 32
Grad und einer milden Nacht.

Am Freitag flacht der mittlerweile nach Osteuropa weitergewanderte Höhenrücken
immer mehr ab und die zyklonale Höhenströmung über Deutschland beginnt stärker
zu zonalisieren. In den Norden hat sich bereits aus der Nacht heraus eine
Kaltfront mit kühleren und deutlich trockeneren Luftmassen geschoben. Von der
Mitte bis in den Süden wird es hingegen erneut schwülheiß und neben ersten
Gewittern im Tagesverlauf droht ab dem späteren Nachmittag mit einem neuen
Kurzwellentrog erneut eine Schwergewitterlage. Betroffen sind demnach vor allem
der Norden und die Mitte des Landes, während nach Süden der Rücken noch stark
genug ist.

Am Wochenende zonalisiert die Höhenströmung vollends und die Zyklonalität dehnt
sich auch in den Süden aus. Weitere Kurzwellentröge bringen wechselhaftes Wetter
und drängen die Warmluft nach Süden ab. Im Übergang ist am Samstag im Süden
nochmal eine Schwergewitterlage möglich. Am Sonntag kommt es schließlich
gebietsweise zu schauerartigen Niederschlägen. Gewitter sind dann allenfalls
noch an den Alpen zu erwarten. Das Temperaturniveau geht von Norden deutlich
zurück. Am Samstag gibt es in der Südhälfte noch 25 bis 30 Grad, am Sonntag wird
die Schwelle zum Sommertag nur noch vereinzelt überschritten.

In der neuen Woche geht es unbeständig weiter. Deutschland gelangt immer stärker
unter Einfluss des Troges, der sich in weiterer Folge über Mitteleuropa
amplifizieren soll. Im aktuellen Lauf würde Deutschland sogar in eine
Nordströmung gelangen, mit der 850 hPa Temperaturen unter 0 Grad herangeführt
werden würden.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die grundlegende Umstellung der Großwetterlage von einem Omega hin zu einer
zunehmend zyklonal geprägten, zonalen Großwetterlage wird von den allen
Modelläufen gebracht. Unsicherheiten ergeben sich in der Art und Weise der
Umstellung. Dies betrifft zum einen die Ausprägung des Kurzwellentroges zum
Donnerstag, der unterschiedlich scharf prognostiziert wird. Eine erste größere
Schwergewitterlage lässt sich aber überall erkennen. Die gleichen Unsicherheiten
gibt es auch für den Freitag. Der neueste ECMWF-Lauf schaut da deutlich
zyklonaler aus und mit einem stärkeren Isohypsengradienten, als noch die
Vorläufe. Eine neue Schwergewitterlage deutet sich aber überall an, ohne
Aussagen über Details.
Die Zonalisierung zum Wochenende wird ohne Berücksichtigung von Details
ebenfalls modelllaufübergreifend simuliert. Die nachfolgende Umstellung zur
neuen Woche mit dem Potential einer kühlen Nordlage ist auch im gestrigen 12 UTC
Lauf zu finden gewesen. Aber auch der gestrige 00 UTC Lauf zeigte eine kühlen
Witterungsabschnitt mit Trogzentrum über Norddeutschland (T850: <0 Grad, T500:
<-30 Grad).

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Beim Vergleich der verschiedenen Globalmodelle lassen sich große Ähnlichkeiten
bei der Umstellung der Großwetterlage erkennen. Auch bei GFS und ICON erkennt
man ein erhöhtes Schwergewitter- und Unwetterpotential sowohl am Donnerstag, als
auch am Freitag. Der genaue (zeitliche) Ablauf und die räumliche Ausdehnung sind
aber noch mit größeren Unsicherheiten verbunden.
Für das Wochenende zeigen zwar alle Modelle eine Zonalisierung, allerdings ist
das ECMWF im Vergleich zu ICON und GFS deutlich zyklonaler mit einem Trog der
weiter nach Süden ausgreift. Bei den anderen beiden Modellen ist das
Geopotential höher und der Verlauf der Isohypsen auch leicht antizyklonal. Das
gilt insbesondere für GFS, wo sich der Aufbau eines ausgeprägten Rückens zum
Sonntag andeutet.
Die neue Woche birgt noch größere Unsicherheiten. Neben der Variante einer
kühlen Trog- oder Nordlage, gibt es auch die Möglichkeit einer Rückkehr der
schwülheißen Luftmasse (Variante GFS).

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Rauchfahnen des ECMWF sind bis einschließlich Donnerstag sowohl beim
Geopotential, als auch bei der Temperatur in 850 hPa eindeutig und zeigen kaum
Spread. Erst zum Freitag beginnen die Unsicherheiten. So zeigt das Ensemble
anders als Haupt- und Kontrolllauf nochmal einen kleinen Wärmepeak von Freitag
auf Samstag über den mittleren Landesteilen, sodass die Option besteht, dass
schwülwarme Luft nicht ganz so schnell ausgeräumt wird und auch über der Mitte
am Samstag noch Schwergewitter möglich sind.
Im Anschluss lässt sich im gesamten Ensemble ein deutliche Geopotential- und
T850 hPa Rückgang verzeichnen, wobei Haupt- und Kontrolllauf im Bereich des
Median verlaufen. Für die neue Woche ist der Spread noch ziemlich groß, wobei
Haupt- und Kontrolllauf sich klar am Unterrand des Ensembles (T850 und
Geopot500) bewegen. Die deterministische Variante stellt also eher einen
Ausreißer dar. Das gilt insbesondere für die Mitte und den Süden, während nach
Norden der Spread geringer ist und sich das ganze Ensemble auf recht kühlem
Niveau befindet.

Das Clustering schöpft für den Zeitraum +120 bis +168 h (Sa00 bis Mo00) die
komplette Bandbreite an sechs Clustern aus. Die Unterschiede ergeben sich vor
allem bezüglich des sich entwickelnden mitteleuropäischen Troges. Diese wird vor
allem von den Clustern 1 bis 3 recht ausgeprägt gezeigt, während die anderen
drei Cluster höheres Geopotential und den Aufbau eines westeuropäischen Rückens
zeigen, der sich mehr oder weniger stark nach Deutschland ausweiten kann.
Im Zeitraum +192 h bis +240 h (Di00 bis D0 00 UTC) werden drei Cluster
angeboten. Alle drei deuten eine wieder stärkere Amplifizierung der
Höhenströmung an. Die Unterschiede liegen dabei ganz grundsätzlich daran, wo am
Ende die positiven und negativen Potentialanomalien zu finden sind. Cluster 1
und 2 sind annähernd gleich stark besetzt. Cluster 2 inkl. Haupt- und
Kontrolllauf zeigt einen Trog Mitteleuropa mit einem Trogzentrum über der
Nordhälfte von Deutschland. Cluster 1 zeigt die Entwicklung eines kräftigen
westeuropä1ischen Rückens, dessen Einfluss sich langsam Richtung Deutschland
schiebt. Cluster 3 ist wieder ziemlich troglastig, aber stärker zonal
orientiert.
Das Ensemble des GFS zeigt bis einschließlich Freitag relative gute Einigkeit.
Nachfolgend nimmt der Spread bei T850 (Wochenende) und anschließend auch beim
Geopotential (neue Woche) zu. Ein kühlerer Witterungsabschnitt bei niedrigerem
Geopotential erscheint auch dem GFS Ensemble folgend wahrscheinlich, wenn auch
nicht in der Ausprägung wie es das ECMWF zeigt.

FAZIT: Im Mittelfristzeitraum findet eine Umstellung der Großwetterlage statt,
ausgehend von einer stark amplifizierten Omegalage hin zu einer deutlichen
Zonalisierung bei niedrigerem Geopotential. Die Umstellung birgt sowohl am
Donnerstag, als auch am Freitag das Potential für mehrere Schwergewitterlage
(Unwetter), ausgenommen der Süden. Am Samstag deutet sich dann für den Süden
eine Schwergewitterlage an, wobei unsicher ist, ob auch nochmal die mittleren
Landesteile betroffen sind. Für das Wochenende gibt es neben der unbeständigen
ECMWF-Variante auch weniger zyklonale Lösungen. Der Verlauf neue Woche bietet
dann ein Portfolio von einer ausgeprägten Troglage oder Trogrückseite mit kühlen
Luftmassen (v.A. ECMWF) bis hin zu einer erneuten Rückkehr der schwülheißen
Luftmassen (GFS). Eine Prognose ist dann nicht mehr möglich.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Von Donnertag bis Samstag besteht das Potential für mehrere Schwergewitterlagen.
Am Donnerstag ist vor allem der Westen und Nordwesten ab dem späteren Nachmittag
betroffen, ausgreifend bis in die mittleren Landesteile in der Nacht. Am Freitag
sind der Norden und die Mitte betroffen, der Süden wohl noch außen vor. Zum
Samstag kommt dann der Süden in den Fokus. Wie weit nach Norden dann weiterhin
Schwergewitter möglich sind ist aber noch unsicher. Ein Ausgreifen bis in die
mittleren Landesteile ist zumindest möglich.

Von den Zutaten her lassen sich hohe Feuchtewerte (inkl. ppw) erkennen, in
Verbindung mit Labilität werden zudem CAPE-Werte teils > 1000 J/kg simuliert.
Gleichzeitig ist die Scherung vor allem zwischen 0 und 3 km deutlich erhöht.
Unwetterpotential besteht also aus heutiger Sicht bezüglich aller
Begleiterscheinungen. Gestützt wird dieses Potential modellübergreifend und auch
durch das EFI CAPE-Shear mit der stärksten Ausprägung am Freitag.

Basis für Mittelfristvorhersage
EZ-EPS, EZ MOS

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Marcus Beyer