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S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 09.05.2022 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Westlage: Norden zyklonal und unbeständig, Mitte/Süden antizyklonal und
frühsommerlich. Ab Mittwochabend zunehmendes Gewitterpotenzial.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC

Aktuell … befindet sich Deutschland noch im Einflussbereich eines Rückens, der
sich sichelförmig von der Biskaya über Frankreich bis nach Westdeutschland und
von dort über den Norden nach Skandinavien erstreckt. Ein Langwellentrog über
dem Nordatlantik stößt mit seinem hochreichenden Drehzentrum bis ins Seegebiet
zwischen Island und Schottland vor und weitet sich bis zu den Britischen Inseln
und zur Nordsee vor. Dadurch wird der Rücken etwas nach Südosten gedrückt und
liegt mit seiner Achse Dienstagfrüh diagonal zwischen Südwest- und
Ostdeutschland. Der Rücken stützt Hoch WOLF mit Schwerpunkt über dem Baltikum.
Der Hochkeil, der sich von ihm ausgehend über die Nordhälfte Deutschlands bis
zur Bretagne erstreckt, wird durch von Westen einsetzenden Luftdruckfall
abgebaut bzw. nach Süden in Richtung Alpenraum verdrängt. In der Folge dreht die
Strömung über Deutschland auf Südost bis Süd. Dabei kommt die feuchtere, durch
Taupunkte zwischen 7 und 13 Grad gekennzeichnete Luftmasse, die tagsüber noch
über der Südwesthälfte lag, wieder bis in den Nordwesten und Norden voran. Der
Nordosten und Osten verbleiben im Bereich der trockeneren Festlandsluft bei
Taupunkten von teils 5 bis 0 Grad.
In der feuchten Luftmasse, die insbesondere im Süden (etwa entlang und südlich
der Donau hochreichend instabil geschichtet ist), haben sich mit orographischer
Unterstützung vor allem im Umfeld des Bayerischen Waldes und an den Alpen einige
Schauer und Gewitter gebildet, die aufgrund geringer Verlagerungsgeschwindigkeit
und PPW’s bis knapp 20 mm lokal Starkregen brachten. Mangels Antrieb dürfte die
Konvektion mit dem Tagesgang rasch in sich zusammenfallen, genauso wie die
flache Konvektion in Form harmloser Quellwolken in der übrigen Südwesthälfte. In
der Nordosthälfte herrschte tagsüber ohnehin makellos blauer Himmel, sodass die
Nacht eingangs generell wolkenarm oder klar verläuft. Im Süden bilden sich
eventuell einige flache Dunst- und Nebelfelder.
Im Verlauf erreichen – bedingt durch einsetzende WLA – hohe Wolkenfelder die
Nordwesthälfte, im Westen und Nordwesten auch mittelhohe Wolken. Dies dämpft die
Abkühlung etwas, sodass Bodenfrost meist kein Thema mehr ist. Am ehesten tritt
er örtlich im Osten auf.

Dienstag … verlagert sich das hochreichende Drehzentrum des Langwellentroges
zur Norwegischen See. Der vorgelagerte Rücken wird dabei noch etwas nach Süden
gedrückt und verläuft mit seiner Achse nun über Süddeutschland. Der Norden und
die Mitte des Landes gelangen somit auf die diffluente Vorderseite des
Langwellentroges. In die westsüdwestliche Höhenströmung ist ein Kurzwellentrog
eingelagert, der von den Britischen Inseln über die Nordsee nach Schweden
schwenkt. Dieser drückt die Kaltfront des steuernden Zentraltiefs XAVERINE
südostwärts. Sie erreicht im Tagesverlauf mit dichten Wolken und leichtem Regen
den Norden und Nordwesten. Präfrontal wird eine sehr feuchte Luftmasse
herangeführt (spez. Feuchte bis 500 m teils bis knapp 9 g/kg), die
niedertroposphärisch labilisiert wird. ICON6 simuliert im Nordwesten und Norden
folglich 100 bis 200 J/kg ML-CAPE. Die Labilitätsfläche wird aber bereits bei
etwa 600 hPa von einer markanten Inversion gekappt, sodass zwar vorlaufende
Schauer, aber eher keine Gewitter zu erwarten sind. Allerdings frischt der
südwestliche Wind vor der Kaltfront vorübergehend etwas auf und dreht mit
Passage dergleichen vorübergehend auf West bis Nordwest. Einzelne Böen Bft 7
sind dann durchaus möglich. Eine Warnung muss das aber nicht unbedingt nach sich
ziehen, vor allem die deutschen Modelle sind durchweg zurückhaltend.
Ansonsten wird mit der sich einstellenden Südwestströmung eine nicht ganz so
feuchte (spez. Feuchte 5-7 g/kg), nach Südosten dafür zu aber zunehmend
instabile Luft zu uns. Allerdings sorgt der Rücken, der weiterhin eine schmale
Hochdruckbrücke über dem Alpenraum stützt, für recht starkes Absinken, was sich
in den Prognosesoundings in einer Absinkinversion bei etwa 700 hPa manifestiert.
Es wird also vermeintlich bei der Ausbildung von harmlosen Quellwolken bleiben.
Vielleicht reicht es über dem Bergland vereinzelt für einen schwachen Schauer,
mehr sollte es aber nicht geben. Insgesamt sollte der Wettercharakter – mit
Ausnahme des Nordens und Nordwestens – trotz der teils etwas dichteren Zirren
aber als recht sonnig wahrgenommen werden.
Die aus Südwesten advehierte Luftmasse wird wärmer, T850 liegt am Tagesende bei
9 bis 13 Grad, postfrontal im Norden und Nordwesten bei 4 bis 8 Grad. Dort
werden Höchstwerte von 17 bis 24 Grad, sonst frühsommerliche 25 bis 29 Grad
erreicht.

In der Nacht zum Mittwoch kommt die Kaltfront über dem Norden noch etwas weiter
ins Landesinnere voran. Aufgrund fehlender Hebungsimpulse in der glatten
westlichen Höhenströmung bleibt sie aber schwach ausgeprägt, sodass nur
vereinzelt etwas Regen fällt, etwa bis zu einer Linie Emsland-Nordbrandenburg.
Der Wind schwächt sich eingangs der Nacht wieder deutlich ab und es sind keine
warnwürdigen Böen mehr zu erwarten. Richtung Süden bleibt ohnehin der
Hochdruckeinfluss wetterwirksam. Dort ist es neben einigen hohen Wolkenfeldern
teils klar. Es kühlt auf 13 bis 8 Grad ab.

Mittwoch … wird der nordatlantische Langwellentrog durch einen von Grönland
zur Irmingersee gerichteten Kaltluftvorstoß regeneriert, dabei bildet sich ein
neues hochreichendes Drehzentrum knapp westlich von Island. An der Südflanke
wird ein Kurzwellentrog nach Nordwesteuropa gesteuert. Timing und Ausprägung
dieser Kurzwelle werden von den Modellen nach wie vor recht unterschiedlich
simuliert. Der Knackpunkt scheint dabei, wie weit er nach Südwesten zurückhängt
oder ob er gar abtropft. Bildet man einen Mittelwert ergibt sich am Tagesende
eine Achsenposition in etwa von Südnorwegen über die mittlere Nordsee bis zum
Ärmelkanal. In jedem Fall wird der Rücken dadurch weiter nach Süden zum
Alpenraum verdrängt. Deutschland liegt damit vollständig unter der
westsüdwestlichen Höhenströmung, die im Vorfeld des o. e. Kurzwellentroges
glatt, nach Süden zu sogar leicht antizyklonal konturiert bleibt.
Mangels dynamischer Hebungsantriebe liegt die Kaltfront unter
Auflösungstendenzen schleifend über dem Norden oder der nördlichen Mitte. Die
Niederschläge an ihr sollten folglich nachlassen, wobei es aber eher stark
bewölkt bleibt. Zum Abend gelangt der Nordwesten dann eventuell schon auf die
Vorderseite des o. e. Kurzwellentroges unter PVA. Nach IFS und ICON erreicht die
mit dem Trog korrespondierende Kaltfront bereits mit Regen den Norden und
Nordwesten bzw. das Nordseeumfeld, nach GFS wird sie durch eine
Randtiefentwicklung über England noch zurückgehalten.
Im übrigen Land dominiert dagegen noch schwacher Hochdruckeinfluss und die
Advektion warmer Luftmassen verstärkt sich sogar noch etwas (T850 zwischen 10
und knapp 15 Grad). Die Luft labilisiert im Vergleich zum Vortag weiter,
allerdings zeichnet sich im Bereich der ehemaligen Absinkinversion (700-500 hPa)
weiterhin eine stabilere Schicht ab, zudem dürfte eine recht trockene
Grundschicht (starke inverse-V-Struktur in den Prognosesoundings und
Wolkenuntergrenzen teils über 800 hPa) dämpfend auf etwaige Konvektion wirken.
Die sich im Tagesverlauf zur Sonne gesellenden Quellwolken haben es also wieder
sehr schwer, zu Schauer oder gar Gewittern heranzureifen. Dennoch, ein paar
Signale dafür gibt vor allem am Nachmittag und Abend mit Annäherung des Troges
und der Kaltfront seitens von IFS, GFS und den Modellen von Kachelmannwetter
(Super HD, Swiss Standard).
Im wolkigen Norden und Nordwesten werden nur 19 bis 24 Grad, sonst durchaus
sommerliche 25 bis 29 Grad, vor allem am Oberrhein und im Rhein-Neckar-Raum
erstmals in diesem Jahr knapp über 30 Grad erreicht.
Der gut ausgeprägte Temperaturgradient über der nördlichen Mitte begünstigt die
Entwicklung eines diabatischen Tiefs in der Warmluft (schön zu sehen vor allem
bei ICON und IFS), was zu einer Gradientverschärfung über der Mitte führt. In
der Folge frischt der Wind im Tagesverlauf gebietsweise stark böig auf (Bft 7).

In der Nacht zum Donnerstag schwenkt der Kurzwellentrog nach ICON und IFS nach
Schweden bzw. zur Ostsee, die Kaltfront wird rückseitig bis zur Mitte geführt.
Mit Abzug des Troges verliert sie aber an Wetterwirksamkeit, sodass es am
ehesten noch im Norden und Nordwesten ein paar Millimeter Regen geben kann. In
der GFS-Berechnung zieht das bereits erwähnte Randtief über die Deutsche Bucht
und den Norden Deutschlands zur südlichen Ostsee. Im Bereich des Wellenscheitels
würde es im Norden dann auch mal kräftiger regnen, aber wohl ohne das Erreichen
von Warnschwellen.
In der Mitte und im Süden labilisiert die Luft im präfrontalen Bereich weiter,
wobei in etwas zyklonalerem Umfeld dann eher mal einzelne Schauer oder sogar
Gewitter generiert werden könnten.
Die Tiefsttemperaturen bewegen sich meist zwischen 15 und 8 Grad.

Donnerstag … verlagert sich das neue, hochreichende Drehzentrum des
Langwellentroges über Island in Richtung Nordmeer. Zwischen dem über das
Baltikum nach Nordwestrussland abziehenden und einem neuen, zu den Britischen
Inseln schwenkenden Kurzwellentrog konturiert sich die westliche Höhenströmung
vorübergehend wieder leicht antizyklonal. Die Kaltfront erreicht die südliche
Mitte Deutschlands und gerät ins Schleifen, erweist sich in dem antizyklonalen
Umfeld aber als ziemlich inaktiv. Der Süden verleibt in der feucht warmen und
instabilen Luft (ICON: ML-CAPE 200 bis 600 J/kg), in der sich trotz leichten
Absinkens vor allem über dem Bergland und an den Alpen Schauer und Gewitter
entwickeln können. Bei mäßiger hochreichender Richtungsscherung sind auch
organisierte Gewitter mit Sturmböen und Hagel möglich, auch Starkregen sollte
man trotz gewisser Zellverlagerung bei PPW’s um 25 mm ins Kalkül ziehen. Eine
überregionale Unwetterlage scheint nach aktuellem Stand aber unwahrscheinlich.
Ansonsten ist bei wechselnder Bewölkung an der Kaltfront vor allem nach Osten zu
noch etwas Regen möglich, ansonsten bilden sich vereinzelt Schauer, die in der
kühleren, stabileren Luftmasse (T850 2 bis 6 Grad) aber eher keine Warnrelevanz
haben.
Der Westwind frischt im Tagesverlauf gebietsweise wieder auf, hier und da reicht
es vielleicht für Böen Bft 7.
Bei den Höchstwerten stellt sich ein markantes Süd-Nord-Gefälle ein. Im Süden
geht es nochmal rauf auf bis zu 28 Grad, im Norden werden kaum 20 Grad, an der
Nordsee kaum 15 Grad erreicht.

Modellvergleich und -einschätzung

Vor allem im Hinblick auf den Kurzwellentrog am Mittwoch und Donnerstag zeigen
sich zwischen den Modellen, aber auch innerhalb der verschiedenen Läufe
einzelner Modelle prognoserelevante Unterschiede, auf die im Text bereits
eingegangen wurde. Diese Volatilität in den Berechnungen führt dazu, dass
haltbare Aussagen zur möglichen Gewitterlage ab Mittwochnachmittag/-abend,
insbesondere aber zum Donnerstag noch nicht getroffen werden können. Im Text
wurde das in den 6UTC-Läufen dominierende Szenario beschrieben.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Adrian Leyser