S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 03.04.2022 um 10.30 UTC

Großwetterlage Wz: Vor allem am Mittwoch und Donnerstag stürmisch, im Norden
schwerer Sturm/Orkan (Unwetter) möglich. Von Donnerstag bis Samstag teils
ergiebige Niederschläge (ebenfalls Unwetter möglich).

Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 10.04.2022

Die Mittelfrist startet am Mittwoch und Donnerstag mit einer für die Jahreszeit
recht strammen, zyklonalen Westlage. Das steuernde, hochreichende Zentraltief
befindet sich mit Drehzentrum über dem nordöstlichen fennoskandischen Raum. An
seiner Westflanke erfolgt ein Kaltluftvorstoß vom Nordmeer in Richtung
Nordostatlantik und Britische Inseln, was in eine Randtrogentwicklung mündet. An
der Südflanke des Zentraltiefs schwenkt derweil ein kurzwelliger Anteil von
Belarus und der Ukraine ostwärts nach Westrussland. Dazwischen stellt sich über
West- und Mitteleuropa eine westliche Höhenströmung ein. Die Frontalzone
verläuft, gekennzeichnet durch die Jetstream, leicht mäandrierend etwa zwischen
dem 50. und 55. Breitengrad. Aufgrund sich deutlich verschärfender
Temperaturgegensätze verstärkt sich der Jet über den Britischen Inseln. In dem
sich herausbildenden, zum Donnerstag nach Mitteleuropa vorstoßenden Jetstreak
werden maximale Windgeschwindigkeiten von 160 kn erreicht, was für die
Jahreszeit sicher das obere Ende des Möglichen markiert. Ein Tief über
Schottland gelangt zunehmend in den linken Ausgang des Jets in den Bereich
starker Höhendivergenz, zudem erfährt es vorderseitig eines aus dem Randtrog
herauslaufenden kurzwelligen Troganteils starke PVA. Die Zutaten für eine rapide
Zyklogenese sind somit prinzipiell bereitgestellt, wenngleich abgewartet werden
muss, wie gut sie räumlich und zeitlich überlappen.

Nach IFS-Lesart intensiviert sich das Tief auf knapp 970 hPa und zieht bis
Donnerstagabend über die mittlere Nordsee und Dänemark nach Südschweden.
Deutschland gelangt am Mittwoch zunächst in den Warmsektor in den Zustrom milder
Meeresluft (T850 0 bis +3 °C). Die Kaltfront erreicht das Land in der Nacht zum
Donnerstag und kommt am Donnerstag tagsüber aufgrund ihrer strömungsparallelen
Exposition quer über Deutschland ins Schleifen. Postfrontal gelangt in den
Norden ein Schwall polare Meeresluft (T850 auf -1 bis -5 °C absinkend).

Trotz der Unsicherheiten im Hinblick auf die Tiefentwicklung steht zweifelsfrei
die Windentwicklung im Fokus des Warnmanagements. Am Mittwoch sind – zunächst
mit Ausnahme des Südens – bereits verbreitet stürmische Böen (Bft 8)
wahrscheinlich, im Bergland Sturmböen (Bft 9), in Gipfellagen je nach Höhenlage
Böen Bft 10-11. Am Donnerstag verschärft sich die Windentwicklung, wobei zwei
Schwerpunkte auszumachen sind. Zum einen sorgt eine ostwärts schwenkende, offene
Frontalwelle für eine Gradientverschärfung in der Südhälfte, sodass verbreiteter
Sturmböen (Bft 9) zu erwarten sind. Zum anderen steht dem Norden im Zuge eines
ostwärts durchziehenden Bodentroges eine schwere Sturmlage bis ins Binnenland
ins Haus. An den Küsten könnte eine Unwetterlage drohen aufgrund von
orkanartigen Böen (Bft 11), je nach Ausprägung des Bodentrogs sogar durch
Orkanböen (Bft 12).

Mit dem schleifenden Charakter der Frontalzone setzt sich zudem auch der
niederschlagsreiche Wetterabschnitt fort und erfährt sogar nochmals eine
Intensivierung im Hinblick auf die Niederschlagsmengen. In der Schleifzone, die
am Donnerstag irgendwo über der Mitte oder dem Süden liegt, muss gebietsweise
mit 24-stündigen Mengen um 30 l/qm, in den Weststaulagen der Mittelgebirge mit
bis zu 50 l/qm gerechnet werden. Auch unwetterartige Summen über 50 l/qm sind
nicht ausgeschlossen. Auf der kalten Seite der Frontalzone geht der Regen mit
einfließen der Polarluft teilweise wieder in Schnee über. Aufgrund der guten
Durchmischung und des maritimen Luftmassencharakters dürfte das aber vornehmlich
die höheren Mittelgebirgslagen betreffen und sich eher im „gelben Bereich“
abspielen.

Am Freitag und Samstag verbleibt Deutschland in der unvermindert starken
westlichen Höhenströmung, in der weitere Kurzwellentröge ostwärts ablaufen.
Damit stehen mindestens zwei weitere Frontalwellen bzw. Randtiefs in Verbindung.
Ob deren Pfad eher über dem Süden oder eher über der Mitte verläuft, muss
abgewartet werden. Vor allem Erstere könnte nochmal eine ausgewachsene Sturmlage
bringen, bevorzugt der Mitte und dem Süden. In jedem Fall setzt sich die
niederschlagsreiche Witterung fort. Entlang der Wellenscheitel ist erneut mit
24-stündigen Mengen von gebietsweise 30 bis 50 l/qm zu rechnen. Von Mittwoch bis
Samstag akkumulieren sich die Niederschlagsmengen vor allem in der Mitte und im
Süden damit auf recht verbreitet 50 bis 80 l/qm, in den Weststaulagen auf 80 bis
örtlich 120 l/qm. Allerdings gewinnt die Schneephase im Vergleich zu den
Vortagen etwas mehr an Bedeutung, da sich die Temperaturgegensätze verschärfen
und die Front zunehmenden Anafrontcharakter erhält. Auf der kalten Seite der
Frontalzone sind daher durchaus auch mal kräftigere Schneefälle möglich, die den
Abfluss etwas dämpfen könnten.

Am Sonntag und zu Beginn der nächsten Woche deutet sich eine Wetterberuhigung
an. Vorderseitig eines sich über Westeuropa aufwölbenden Rückens setzt sich von
Westen zögerlich Hochdruckeinfluss durch. Allerdings wird Deutschland zuvor
nochmal landesweit von maritimer Polarluft geflutet, sodass es zunächst eher
„frisch“ bleibt mit verbreiteten Nachtfrösten.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die IFS-Modellläufe rechnen die sich einstellende zyklonale Westlage recht
konsistent. Bis einschließlich Donnerstag sind die Unterschiede sowohl in Bezug
auf die Phase des Trog-Rücken-Musters als auch im Hinblick auf die kräftige
Sturmtiefentwicklung verhältnismäßig gering.
Zum Wochenende nehmen die Differenzen zu. In den neueren Läufen wurde die
„Schleifzone“ der Front sukzessive weiter südlich und insbesondere die
Frontalwelle am Freitag auch etwas schwächer simuliert. Dies führte zu
unterschiedlichen Schwerpunkten und Ausprägungen der Wind- und
Niederschlagsentwicklung, die folglich noch mit Fragezeichen versehen werden
muss.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Die zyklonale Westlage haben – wenig überraschend – alle vorliegenden
Globalmodelle auf der Agenda. Allerdings ergeben sich bereits mit der
Sturmtiefentwicklung am Mittwoch und Donnerstag nennenswerte Diskrepanzen. ICON
und UKMO rechnen die kräftigste Entwicklung mit einem Kerndruck von 960-970 hPa
über Dänemark, was zu einem ausgewachsenen, wenn auch nur kurzen Trogorkan an
der Küste führt. Bei GFS dagegen bleibt die rapide Zyklogenese aus, der minimale
Luftdruck beträgt nur 975-980 hPa. Ähnlich sieht es bei GEM aus, mit dem
Unterschied, dass dennoch ein markanter Bodentrog über Deutschland ostwärts
gesteuert wird. IFS stellt in gewisser Weise eine „Mittellösung“ dar.
Am Freitag und Samstag schleift die Frontalzone bei ICON, GFS und UKMO noch
etwas südlicher als bei IFS, das Wiederum Unterstützung von GEM bekommt (Mitte
vs. Süden). Das Randtief am Freitag ist bei allen Modellen deutlich
„kümmerlicher“ als bei IFS.
Die Wetterberuhigung ab Sonntag findet sich in allen Modelle wieder, wenngleich
sie sich bei GFS und GEM etwas zu verzögern scheint.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Rauchfahnen des IFS-EPS für das 500-hPa-Geopotenzial zeigen bis zum
Wochenende das für eine zyklonale Westlage typische Auf- und Abschwingen auf
insgesamt recht niedrigem Niveau. Ab Donnerstag nimmt der Spread zwar sprunghaft
zu, was aber vornehmlich durch leichte Phasenverschiebungen begründet ist.
Bei der 850-hPa-Temperatur zeigt sich über Deutschland ein sehr differenziertes
Bild, was natürlich mit der unmittelbar über Deutschland simulierten
Frontalzone/Luftmassengrenze zusammenhängt. Während die EPS-Member im Norden
deutlich mehrheitlich eine Talfahrt ausführen (Median Hamburg bei etwa -5 °C),
zeigt sich im Süden ebenfalls mehrheitlich ein sukzessiver Temperaturanstieg
(Median München bei gut +5 °C). Der deterministische Lauf ist jeweils gut
eingebettet. Über den mittleren Landesteilen ist die Verteilung dagegen fast
bifokal, wobei der deterministische Lauf meist am oberen Bereich der Verteilung
zu finden ist. Die Frontalzone liegt also ziemlich sicher irgendwo über der
Mitte, eventuell aber etwas weiter südlich, als das der deterministische Lauf
möchte.
Ein Blick auf die „Luftdruckfahne“ am Beispiel Sylt verdeutlicht die
Unsicherheiten im Hinblick auf das Sturmtief bzw. den Bodentrog am Donnerstag.
Das Geschehen im IFS-EPS spielt sich dort meist im Bereich zwischen 975 und 990
hPa ab. Das ist wahrlich kein unwesentlicher Spread!

Zu Wochenbeginn wird von fast allen Membern ein deutlicher Geopotenzial- und
Temperaturanstieg berechnet, nur sehr wenige Member möchten davon wenig oder
nichts wissen. Der deterministische Lauf ist allerdings besonders
„optimistisch“, was Temperatur- und Geopotenzialanstieg betrifft.

FAZIT: Die zyklonale Westlage bis zum Wochenende ist eingetütet. Kleinere
Fragezeichen bleiben hinter der Sturmtiefentwicklung am Donnerstag, insbesondere
was den potenziellen schweren Trogsturm mit Unwetterpotenzial im Norden
betrifft.
Unstrittig ist auch, dass sich nachfolgend (von Donnerstag bis Samstag) im
Bereich einer schleifenden Frontalzone über Teilen Deutschlands eine sehr
niederschlagsreiche Wetterphase einstellt (anfangs auch noch mit
Sturmpotenzial). Während auf der „warmen“ Seite mit ergiebigem Regen zu rechnen
ist (durchaus auch mit Unwetterpotenzial in den Weststaulagen), könnte es auf
der „kalten“ Seite mitunter zu kräftigeren Schneefällen kommen. Die
„Schleifzone“ liegt wahrscheinlich irgendwo über der (südlichen) Mitte. Wo
genau, wird man leider wohl erst kurzfristig sagen können.
End-mittelfristig – also zu Beginn der nächsten Woche – stehen die Zeichen
schließlich auf Wetterberuhigung, später dann auch auf deutlicher Erwärmung.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

STURM:
Am Mittwoch erneut auffrischender West- bis Südwestwind. Dabei vor allem im
Norden und in der Mitte stürmische Böen (Bft 8) wahrscheinlich. Im Bergland
Sturmböen (Bft 9), auf Gipfeln orkanartige Böen (Bft 11).

Am Donnerstag weitere Verschärfung der Sturmlage. Bevorzugt in der Mitte und im
Süden Sturmböen (Bft 9) wahrscheinlich, im Bergland schwere Sturmböen (Bft 10),
auf Gipfel Orkanböen (Bft 12). Im Küstenumfeld von West nach Ost schwerer
Trogsturm (Bft 10). Vorübergehend auch orkanartige Böen (Bft 11) möglich,
Orkanböen (Bft 12) nicht ausgeschlossen (UNWETTER).

Am Freitag insbesondere über der Mitte und im Süden nochmal windig bis
stürmisch. Danach insgesamt Windabnahme.

DAUERREGEN:
Im Süden und in der Mitte vor allem ab Donnerstag bis einschließlich Samstag
wiederholt länger anhaltende Niederschläge. Dabei bevorzugt in den Weststaulagen
der Mittegebirge Dauerregen (30 bis 50 l/qm in 24 h) wahrscheinlich. Vereinzelt
auch ergiebiger Dauerregen (>50 l/qm, UNWETTER) nicht ausgeschlossen.
Akkumuliert bis Samstag verbreitet 50 bis 80 l/qm, in den Weststaulagen der
Mittelgebirge 80 bis lokal 120 l/qm (UNWETTER) möglich.

SCHNEE:
Vor allem ab Freitag allerdings regional Übergang zu mitunter kräftigen
Schneefällen, dadurch teilweise Minderung oder Verzögerung des Abflusses.
Generell unsichere Prognose hinsichtlich der Niederschlagsphase und
-schwerpunkte!

EFI:
Am Mittwoch und Donnerstag weist der EFI für Niederschlag und Wind für weite
Teile West- und Mitteleuropas deutlich erhöhte Werte auf. Im Hinblick auf den
Wind deuten SOT-Werte von >1 für die Nordsee und Teile der Südhälfte
Deutschlands auf mögliche extreme Berechnungen hin. Auch beim Niederschlag
werden SOT-Werte >1 für größere Gebiete in der Südhälfte simuliert.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS det.+EPS, MOS-MIX

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser