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SXEU31 DWAV 041800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 04.03.2022 um 18 UTC
Markante Wettererscheinungen:
Trotz Wachablösung (auf LINO folgt MARTIN) Fortdauer der hochdruckbestimmten
Witterung. Dabei vorübergehend mehr Wolken/Hochnebel und noch kälter. Weiterhin
verbreitet leichter bis mäßiger Nachtfrost.
Synoptische Entwicklung bis Montag 12 UTC
Aktuell … weist die großräumige Potenzialverteilung weiterhin ein stark
meridional geprägtes, blockierendes Muster auf. Während das nahe Osteuropa sowie
Teile des östlichen Mitteleuropas von einem umfangreichen Trogkomplex überdeckt
werden, erstreckt sich vom westlichen Mittelmeer bis hoch in den Norden
Skandinaviens ein langgezogener und vergleichsweise schmaler, in seiner Wirkung
aber sehr potenter Höhenrücken. Beide Systeme interagieren in der kommenden
Nacht im Uhrzeigersinn. Im Klartext, der Rücken beginnt leicht nach Südosten zu
kippen, gleichzeitig weitet sich der Südteil des Troges über den Balkan und
Italien westwärts aus. Konsequenz für uns: Die Höhenströmung dreht etwas nach
rechts auf glatt Nordost, was im Grunde aber völlig wumpe ist, weil sich unser
Wetter ausschließlich in der unteren Troposphäre, sprich in der Grenzschicht
abspielt.
Womit wir bei der Luftdruck- und Luftmassenverteilung wären, die in hohem Maße
die derzeitigen ereignisarmen Ereignisse im und um den Vorhersageraum bestimmen.
Die Hauptrolle spielt (noch) das schon seit Tagen bekannte Hoch LINO mit Zentrum
über Südschweden. Es steuert mit östlicher Strömung kontinental geprägte, aber
nicht vollkommen ausgetrocknete Kaltluft zu uns, die am frühen Morgen an der
Neiße auf 850 hPa nicht mehr weit von -10°C entfernt ist. Zwar lockert bzw. löst
sich die im Osten und Nordosten langsam westwärts ausgreifende CU-/SC-Bewölkung
respektive die noch vorhandenen Hochnebelfelder teilweise auf, ganz verschwinden
werden sie aber nicht. Außerdem bildet sich gebietsweise neuer Hochnebel,
stellenweise ist gerade im Osten auch Bodennebel am Start.
Nach Westen und Süden hin verläuft die Nacht hingegen überwiegend klar. Die
Temperatur sinkt landesweit auf 0 bis -5°C, im Süden und Südosten sowie partiell
in der Mitte bis zu -8°C (mäßiger Frost), in einigen Alpentälern über Schnee auf
rund -10°C. Glätte ist am ehesten dort ein Thema, wo dichter Nebel und negativ
temperierte Beläge auftreten. Außerdem besteht in den östlichen und südöstlichen
Mittelgebirgen streckenweise die Gefahr gefrierender Nässe, lokal vielleicht
auch durch geringen Schneefall bzw. Schneegriesel (hervorgerufen durch Anstau).
Samstag … dreht der Rücken weiter in südöstlicher Richtung quasi wie ein
Stundenzeiger auf der Uhr, der die 3-Uhr-Stellung ansteuert. Am Abend verläuft
die Achse von Nordfrankreich bis zu den baltischen Staaten, was in etwa der
2-Uhr-Marke entspricht. 6 Stunden später, also zum Datumswechsel, hat der Rücken
dann die volle Zonalstellung erreicht, die Achse markiert dann etwa die
niederländisch-deutsch-polnische Nord- und Ostseeküste. Dass damit eine weitere
Rechtdrehung der Höhenströmung auf nahezu Ost einhergeht, ist evident. Nicht
verschwiegen, weil für die nahe Zukunft wichtig, sollen an dieser Stelle die
Bewegungen knapp westlich von uns. So wölbt sich über dem nahen Atlantik nicht
nur ein neuer Rücken auf, dort steht auch schon das nächste Hoch auf der Matte.
Gott zum Gruße MARTIN, der um 12 UTC mit seinem Zentrum (knapp unter 1035 hPa)
knapp nördlich von Irland liegt. Gemeinsam mit „Kumpel“ LINO, der sich unter
leichter Abschwächung von Südschweden südwärts orientiert, nehmen sie eine
Tiefdruckrinne nebst Okklusion in die Zange, die bogenförmig von Frankreich über
Skandinavien bis zu einem Tief östlich von Jan Mayen (12 UTC) verläuft. Weder
Rinne noch Front haben unter diesen Voraussetzungen eine Chance, in Deutschland
einen Fuß in die Tür zu bekommen, so dass unser Wetter weiterhin
hochdruckbestimmt bleibt.
Dass das nicht zwingend landesweiten Affenhochglanz bedeutet, hat man ja heute
im Osten und Nordosten gesehen. Unterhalb der sich etwa zwischen 850 und 800 hPa
etablierenden Absinkinversion wird weiterhin kalte (T850 am Abend -5 bis -10°C
mit den kälteren Werten im Osten) und direkt unterhalb der Inversion leidlich
angefeuchtete Luft von Osten herantransportiert. Solche Konstellation stellen
die Numerik immer vor große Herausforderungen, kommt es doch auf eine der
Realität möglichst sehr nahe kommende Parametrisierung von Turbulenz- und
Grenzschichtprozessen an, was nicht einfach ist.
Fakt ist, dass Vieles darauf hindeutet, dass SC-/ST-Bewölkung, an der Inversion
breitlaufende CU-Wolken sowie Hochnebel weiter nach Westen ausgreifen als dass
heute der Fall war. Die Frage lautet nun, wie sieht die Wolkenstruktur aus.
Extrem pessimistisch gibt sich IFS, das die Wolkendecke sehr kompakt berechnet
mit nur wenigen Lücken. Zumindest der Norden und Osten würden demnach so gut wie
keine Sonne abbekommen. Die meisten anderen Modelle gehen die Sache
optimistischer an, heißt, die Wolkentextur erscheint insgesamt flockiger,
aufgelockerter, mit einer gewissen Struktur versehen. Letzteres erscheint dem
Verfasser das etwas realistischere Szenario, auch wenn es wahrscheinlich nicht
überall klappen wird mit den Lücken respektive Auflockerungen. Insbesondere im
Stau der östlichen und zentralen Mittelgebirge, wo vereinzelt sogar ein paar
Schneekrümel möglich sind, bleibt es wahrscheinlich dicht. Ansonsten helfen der
Tagesgang mit der doch schon solide hochstehenden Märzensonne sowie eine nahezu
trockenadiabatische und somit gut durchmische Grenzschicht mit, der Zähigkeit
der tiefen Bewölkung beizukommen und eine gewisse Struktur zu erzeugen. Je
weiter man sich im Westen und Südwesten der Republik aufhält oder etwa die
alpennahen Gebiete als Aufenthaltsort auserkoren hat, desto gelassener kann man
den morgigen Tag auf sich zukommen lassen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dort die
Sonne ganztägig relativ ungehindert von einem vielleicht nicht gerade
stahlblauen Himmel scheint, ist groß (der Alterungsprozess der Luftmasse sorgt
für eine reduzierte Luftqualität bzw. erhöhte Fremdstoffkonzentration, was die
Mei-Streuung und somit den Dunstfaktor erhöht).
Der östliche Wind lebt mitunter zwar leicht böig auf, hält sich aber weiterhin
deutlich unter den Warnschwellen. Während sich dort, wo das Gewölk zäh und
geschlossen bleibt, die Temperatur nicht allzu weit vom Gefrierpunkt entfernen
kann, reicht es tief im Westen so gerade noch für 10°C – punktuell.
Die Nacht zum Sonntag leitet ganz allmählich die Wachablösung von LINO hin zu
MARTIN ein. Während Letzterer schottisches Festland erklimmt, schwächt sich
Ersterer immer weiter ab und bleibt quasi nur noch als nach Osten gerichteter
keilförmiger Fortsatz seines „Kollegen“ übrig. Auch in der Höhe ist ein
Regiewechsel ausgemachte Sache. Während der zonale Rücken bei uns an Substanz
verliert, plustert sich das atlantische Pendant immer weiter auf bis hoch nach
Ostgrönland.
Bei uns gilt es zunächst mal zu konstatieren, dass die Luft noch etwas kälter
wird als sie ohnehin schon war. Bis zum Morgen geht´s im Osten runter auf bis zu
-12°C, wenn auch nur auf 850 hPa. Ansonsten bekommt die schwache Bodenströmung
zunehmend eine nördliche Komponente, was im Norden von der Nord- und Ostsee her
einen niedertroposphärischen Feuchtefluss in Gang bringt. Dabei breitet sich
teils hochnebelartige Bewölkung südwärts aus. ICON (nicht -D2), z.B. aber auch
SuperHD simulieren in Küstennähe sogar ein paar Schneeschauer der Marke
„Lake-Effekt light version“. Betrachtet man ein Prognosesounding, dann findet
man die Inversion bei rund 850 hPa mit einer Temperatur nahe -10°C und einer
labilen Grundschicht darunter. Ob das wirklich reicht für ein paar Schauer hängt
in großem Maße vom Feuchteeintrag ab, der offensichtlich noch unterschiedlich
simuliert wird.
Für den großen Rest des Landes gilt teils gering bewölkt oder klar (tendenziell
eher im Westen und Süden), teils hochnebelartig bewölkt oder auch neblig
(tendenziell eher im Norden und Osten). Von ganz wenigen Ausnahmen auf den
Inseln sowie einigen Küstenabschnitten abgesehen geht die Temperatur wieder in
den leichten bis mäßigen Frostbereich zurück (am kältesten der Süden und
Südosten).
Sonntag … verbringen wir am Rande des neuen, vom nahen Atlantik bis hoch zum
Nordpolarmeer reichenden Höhenrückens. Unweit von Schottland etabliert sich ein
abgeschlossenes Potenzialmaximum, das ziemlich genau über dem Zentrum des
Bodenhochs MARTIN liegt. Mit nord-nordöstlicher Strömung gelangt weiterhin kalte
Polarluft zu uns (T850 -6 bis -12°C), die zwar nicht vor Feuchte trieft, wohl
aber über der Nord- und Ostsee so viel Wasserdampf aufgenommen hat, dass es für
mal mehr, mal weniger dichte tiefe Bewölkung reicht. Die Inversion wird etwas
angehoben auf 800 hPa, darunter bleibt die Grenzschicht labil geschichtet.
Teilweise kommen die Wolken schon als Stratocumulus oder Stratus an, teilweise
bilden sich erst Cumuli, die dann an der Inversion breitlaufen. Wo genau wie die
Wolkenstruktur aussehen wird, ist schwer zu prognostizieren. Gleichwohl lässt
sich folgende Kernaussage treffen: je weiter im Westen und Südwesten, desto
höher die Sonnenchancen. Grundsätzlich schlechte Karten haben
Nord-Nordoststaulagen der Mittelgebirge, insbesondere nach Osten hin. Dort kann
es hin und wieder etwas krümeln genauso wie einzelne schwache Schneeschauer an
der Küste (vor allem an der Ostsee) nicht ganz ausgeschlossen sind. Nahezu
ausgeschlossen hingegen ist, dass es irgendjemandem in Deutschland zu warm oder
gar zu heiß wird. In den Hochlagen der Mittelgebirge herrscht (teils mäßiger)
Dauerfrost und bei Dauergrau dürfte es auch in tiefen Lagen kaum über 0 bis +2°C
hinausgehen (lokal auch hier knapp unter 0°C). Aber selbst mit
Sonnenunterstützung wird es nicht wärmer als 5 bis maximal 7°C, was in der
Nomenklatur für Höchsttemperaturen im März nüchtern mit „mäßig kalt“ angegeben
ist. Nun, manch einer wird wahrscheinlich von lausig kalt sprechen, aber klar,
ist alles subjektiv.
Objektiv betrachtet wird die Nacht zum Montag erneut eine frostige. Lediglich
direkt an der See bleibt es meist frostfrei, ansonsten stehen wieder 0 bis -8°C
auf der Karte. An der Großwetterlage ändert sich im Prinzip nichts. Die
Bewölkung vom Tage löst sich teilweise auf, teilweise bleibt es aber auch
stärker bewölkt bzw. bildet sich Hochnebel. Die Gefahr, dass sich „echter“ Nebel
bildet, ist im Nordwesten am größten, wo man gering bewölkt oder klar in die
Nacht startet. Nebel und Frost bedeuten auch stellenweise Glätte durch
gefrierende (Nebel)Nässe.
Montag … verlagern sich Boden- und Höhenhoch etwas nach Osten, wo sie über der
Nordsee zu liegen kommen. Damit nimmt der direkte antizyklonale Einfluss auf
unser Land zu, was die Sonnenanteile wieder steigen lässt. Profitieren tun vor
allem die Westhälfte sowie der Norden des Landes. In Teilen Ostdeutschlands
sowie nach Südosten zu macht sich hingegen ein flacher, südwärts ablaufender
KW-Trog bemerkbar. Zum einen lässt er die Inversion unter Abschwächung auf etwa
700 hPa ansteigen, zum anderen generiert er eine wechselnde bis starke
Bewölkung, aus der in den Mittelgebirgen sowie an den Alpen sogar etwas Schnee
fällt. Der Nord- bis Nordostwind frischt mit Unterstützung des Tagesgangs sowie
supergeostrophischer Isobarenanordnung zeitweise böig auf, erreicht aber nach
wie vor keine Warnschwellen. Thermisch geht es zwar ganz leicht nach oben, für
zweistellige Höchstwerte reicht es aber noch nicht.
Modellvergleich und -einschätzung
Wie eigentlich fast immer bei vergleichbaren Lagen wird die Großwetterlage
weitgehend kongruent simuliert. Der Teufel liegt im Detail und der heißt bei
Hoch-/Hochrandlagen „Grenzschicht-Diabolo“. Im Text wurde Einiges dazu erörtert.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann