S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T ausgegeben am Freitag, den 11.02.2022 um 10.30 UTC
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 11.02.2022 um 10.30 UTC
Wechselhaft bis unbeständig, insgesamt recht mild und zeitweise windig bis
stürmisch.
Synoptische Entwicklung bis zum Freitag, den 18.02.2022
So, nun hat sich eine klassische und recht stabile Großwetterlage (GWL) NAO
positiv eingestellt (mit zunächst vor allem SWz bzw. Wz in Mitteleuropa). Laut
der Weather Regime frequency des IFS (Balkendiagramm) besteht bis Anfang der
übernächsten Woche (22.02.22) eine recht hohe Wahrscheinlichkeit zur Persistenz
eben dieser GWL. Das mag angesichts folgender Umstände nicht verwundern. Wir
haben derzeit einen überdurchschnittlich starken Polarwirbel (sowohl in der
unteren Stratosphäre (auf 100 hPa) mit zonal gemittelten zonalen Winden in 60
Grad N von rund 30 m/s als auch in der mittleren und oberen Stratosphäre mit
zonal gemittelten zonalen Winden in 60 Grad N von bis zu 60 m/s!). Letzterer
sorgt einerseits durch seine enormen zonalen Impulsflüsse (zonaler Wind) für
überwiegend progressive planetare Wellen (mit entsprechend kürzeren
Wellenlängen) in den mittleren Breiten, andererseits führen dessen ebenso anomal
starken meridionalen Impulsflüsse (meridionaler Wind) insgesamt zu einer
Schwächung des subtropischen Jetstreams (daher zonal gemittelt Stärkung des
subtropischen Hochdruckgürtels). Dadurch ergeben sich neben anderen Bedingungen
insgesamt günstige Voraussetzungen zur Einstellung und Persistenz von NAO
positiv im atlantisch-europäischen Raum. Ein Satz noch zur weiterhin aktiven La
Nina im zentralen und östlichen äquatorialen Pazifik. Während wir bis dato doch
recht häufig die GWL Atlantischer Rücken (AtR) hatten, die zumindest indirekt
auch eine Folge der Amplifizierung der planetaren Welle zunächst über dem
nördlichen und nordöstlichen Pazifik (als typisches synoptisches Pattern von La
Nina) und später stromab auch in abgeschwächter Form im nordatlantischen Raum
häufiger zu beobachten war. Nun ist ein weiteres Merkmal des La Nina-Einflusses
auf den Atlantik dessen Abschwächung in der zweiten Hälfte des
nordhemisphärischen Winters mit Übergang zu mehr zonalen Strömungsmustern.
Nichtsdestotrotz sollte man derzeit wohl hauptsächlich den starken
stratosphärischen Polarwirbel als Hauptverantwortlichen für die zumindest
vorübergehende Glättung und insgesamt deutliche Straffung der Frontalzone
suchen.
Nun zu den einzelnen Tagen:
Am Montag liegt Deutschland im Warmsektor eines Tiefs über der nördlichen
Nordsee, dessen zugehörige Kaltfront zögerlich von Westen übergreift. Zuvor hält
ein veritabler Süd- bzw. Südwestföhn an den Alpen an, mit 9 bis 10 hPa
Druckunterschied zwischen Lugano und Zürich. Entsprechend herrscht auf einigen
Alpengipfeln Föhnsturm. Auch im Westen und Nordwesten bleibt es windig, im
Nordseeumfeld, auf den Bergen sowie im Lee einiger Mittelgebirge mit
südwestlicher Anströmung (z.B. Harz) stürmisch. Mit der Kaltfrontpassage sinkt
die Temperatur in 850 hPa bis Dienstagfrüh auf 0 bis -2 Grad im Südosten und
etwa -5 Grad ganz im Norden. Bei guter Durchmischung überwiegt die Regenphase,
nur ganz im Osten und Südosten ist bei vorheriger Auskühlung nochmals
gefrierender Regen nicht ganz ausgeschlossen. Im Übrigen verkürzt der
nachfolgende Haupttrog seine Wellenlänge nach Norden bzw. der südliche Teil
schnürt sich allmählich ab und führt im Bereich Genua zur Zyklogenese.
Am Dienstag zieht der Trog unter Abschwächung ostwärts, gleichzeitig folgt ein
neuer markanter Kurzwellentrog von der Nordsee nach, dessen Amplitude verkürzt
ist. Markant wirkt er u.a. durch entsprechend hohe Werte der Krümmungs- und
Scherungsvorticity, was dynamisch getriggerte Konvektion und Labilisierung der
Grenzschicht auf den Plan ruft. Das heißt, vor allem in der Nordhälfte sind in
der Nacht zum Mittwoch bei Schauern und einzelnen Graupelgewittern zumindest
Sturmböen aus westlicher Richtung zu erwarten. Die 850 hPa-Temperatur sinkt bis
Mittwochmorgen im Norden bis etwa zur Mitte auf -2 bis -5 Grad, daher kann ab
den mittleren Lagen der zentralen und östlichen Mittelgebirge mal wieder etwas
mehr Schnee fallen.
Am Mittwoch gelangt Deutschland im Verlauf auf die Vorderseite eines
Tiefdruckkomplexes bei Island in einer weiterhin straffen Frontalzone. Dabei
strömt hinter der Warmfront recht milde Luft ein, mit 850 hPa Temperaturen
zwischen 2 und 5 Grad. Der sich vorübergehend etablierende Höhenrücken über
Mitteleuropa wird durch Druckfall von Nordwesten rasch wieder abgebaut.
Dementsprechend soll die Kaltfront des Nordmeertiefs in der Nacht zum Donnerstag
winkelförmig nachfolgen. Die Nacht zum Donnerstag könnte in der kompletten
Nordwesthälfte recht stürmisch werden. Ganz im Süden sind an der schleifenden
Frontalzone zum Donnerstag hin geringe Dauerregensignale vorhanden (Schwarzwald,
Allgäu).
Am Donnerstag und Freitag verbleibt Mitteleuropa im Randbereich einer sehr
lebhaften Frontalzone, die zwar mäandriert, aber trotzdem eher nördlich von
Deutschland verläuft. Genau hier nehmen die Modellunterschiede (IFS, GFS, ICON)
dann auch zu. Die Frage ist, wie glatt die Frontalzone wirklich verläuft. IFS
favorisiert als GWL hauptsächlich Wz, einige Member simulieren auch NWz. Dagegen
läuft der Hauptlauf von ICON, teils auch von GFS eher auf SWz hinaus.
Allgemein kann man prognostizieren, dass es weiterhin gebietsweise stürmisch,
regnerisch (schwache Dauerregensignale weiterhin im Schwarzwald und Allgäu) und
recht mild zur Sache geht. Damit sei auch dem Trend schon ein bisschen
vorweggegriffen – Modellunterschiede hin oder her: bis Anfang übernächster Woche
(siehe oben) bleiben zyklonale Westlagen (vorübergehend auch SWz oder NWz) recht
wahrscheinlich. Die Prognose des NAO-Index (NOAA) untermauert diese
Trendprognose, soll doch der Index bis über den 20.Februar hinaus bei Werten um
+1 beim Geopotenzial in 500 hPa verharren.
Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Der neue IFS-Lauf weist eine recht gute Konsistenz über den MiFri-Zeitraum auf.
Das gilt sowohl im Hinblick auf die Temperatur als auch die Niederschläge. Auch
die bei zyklonalen Südwest- bzw. Westlagen zu erwartende Dynamik im Hinblick auf
das Windgeschehen wird recht gut erfasst. Allgemein ist die Vorhersagegüte bei
NAO positiv und progressiven Wellen aus der Erfahrung bzw. Statistik heraus als
gut einzuschätzen.
Vergleich mit anderen globalen Modellen
Im Text weiter oben wurde auf die Modellunterschiede hingewiesen, die zum Ende
der Mittelfrist (Do/Fr) naturgemäß zunehmen. Hier sollte eher auf die
prognostizierten Großwetterlagen geschaut werden. Feintuning ist für das Ende
der Mittelfrist nicht zielführend.
Bewertung der Ensemblevorhersagen
Die Clusterlösungen des IFS sehen bis Donnerstag recht ähnlich aus (t+120…+168h,
3 gruppierte Cluster mit ähnlicher großräumiger Synoptik). Unsicher ist die
genaue Lage der straffen Frontalzone sowie diverse Verformungen, z.B. durch
kräftige Tiefvorderseiten. Diese Strukturen bleiben auch in der erweiterten
Mittelfrist erhalten. Auffällig ist die langgestreckte Zone hohen Geopotenzials
über Südeuropa, teils auch über dem südlichen Mitteleuropa (siehe Bemerkungen
weiter oben). Tiefes Geopotenzial überwiegt dagegen über dem Atlantik,
Nordeuropa bis zur Arktis (einige Member tendieren gegen Ende bzw. über die
erweiterte Mittelfrist hinaus gar zum Regime Arctic Low).
Bei den Rauchfahnen wird eine Station in Mitteldeutschland zur Analyse gewählt:
Prägnant und zugleich charakteristisch für zyklonale Westlagen ist das Auf und
Ab bei den Parametern: für die 850 hPa-Temperatur starten wir bei ca. 0 Grad
(Montag), im Verlauf geht es recht einheitlich hoch bis 5 Grad (Mittwoch), um
sich dann mit größerem Spread zwischen etwa +3 bis +4 Grad in der Spitze und -3
bis -5 Grad einzupendeln (z.B. bei vorübergehend NWz, Haupt- und Kontrolllauf).
Ähnlich sind die Spitzen beim Niederschlag zu sehen. Und das Geopotenzial in 500
hPa macht eine ähnliche Schwingung mit. Die Vorhersage scheint also stabil zu
sein, einzig die Amplitude der Ausschläge steigt zum Ende der Mittelfrist.
Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
Am Montag im Westen sowie im Lee einiger Mittelgebirge stürmische Böen (Bft 8)
gering wahrscheinlich. Im Nordseeumfeld sowie in den Mittelgebirgen stürmische
Böen und Sturmböen (Bft 8 bis 9) wahrscheinlich, auf exponierten
Mittelgebirgsgipfeln sowie in den Hochlagen der Alpen (Föhn) schwere Sturmböen
bis orkanartige Böen möglich (Bft 10 bis 11). Im Südosten Dienstagfrüh
gefrierender Regen gering wahrscheinlich.
Am Dienstag/Nacht zum Mittwoch im Norden und Nordwesten stürmische Böen und
Sturmböen (Bft 8 bis 9) wahrscheinlich, auf exponierten Mittelgebirgsgipfeln Bft
10 bis 12. In der Nacht zum Mittwoch im Norden Graupelgewitter mit Sturmböen
gering wahrscheinlich. In den Hochlagen der zentralen Mittelgebirge markanter
Schneefall gering wahrscheinlich.
Am Mittwoch und Donnerstag vor allem in der Nordhälfte und auf den Bergen windig
bis stürmisch. Ganz im Süden (Schwarzwald, Allgäu) geringe Signale für markanten
Dauerregen.
Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS, GEFS, ICON, NOAA, MOSMIX
VBZ Offenbach / Dipl. Met. Dr. Jens Bonewitz