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S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 27.01.2022 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Zyklonale Nordwestlage mit wiederholten Niederschlägen, im Bergland als Schnee.
Nach Nordosten hin zeitweise stürmisch, in der Nacht zum Sonntag voraussichtlich
schwere Sturmböen im Nordosten.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 12 UTC

Aktuell … ist der Hochdruckeinfluss in Mitteleuropa auf dem Rückzug und es
stellt sich zunehmend eine vorwiegend zyklonal geprägte Nordwestlage ein. Hohes
Geopotential ist weiterhin auf dem Atlantik nahe Irlands zu finden, während ein
Trog von der Nordsee Richtung Mitteleuropa vorstößt. Das zugehörige kräftige
Bodentief liegt aktuell über Schweden und zieht in der Nacht zum Baltikum. Der
Süden profitiert noch von einem Keil des Hochs über der Biskaya. Mit recht
kräftigem Gradienten in allen Höhen kommt die Kaltfront des Tiefs in der Nacht
recht flott von der Mitte in den Süden Deutschlands voran. Sie bringt meist nur
leichte Niederschläge, wobei die Schneefallgrenze auf etwa 400 bis 200 m
absinkt. In höheren Lagen besteht Glättegefahr durch überfrierende Nässe und
etwas Neuschnee. An den Alpen intensivieren sich die Niederschläge, so dass es
im südlichen Alpenvorland und im westlichen Alpengebiet durchaus 5 bis 10 cm
Neuschnee geben kann, in Staulagen bis 15 cm. In den Chiemgauer und
Berchtesgadender Alpen werden es bis Freitagnachmittag durchaus 10 bis 20 cm
Neuschnee, in Staulagen auch 25 cm, so dass dort eine markante Schneefallwarnung
ausgegeben wurde. Rückseitig der Kaltfront kommt es vom Norden bis zur Mitte
zunehmend zu einzelnen Schauern, da mit Zufuhr höhenkalter Luft die Atmosphäre
doch ganz ordentlich labilisiert wird. Eine weitere Baustelle ist der Wind: In
der ersten Nachthälfte ist der Gradient vor allem im Norden recht stark, so dass
an den Küsten verbreitet mit Sturmböen zu rechnen ist, in exponierten Lagen mit
schweren Sturmböen. Im nördlichen Binnenland kommt es zu stürmischen Böen,
später verschieben sich diese eher ins östliche Binnenland, während von Norden
her der Wind nachlässt. Dabei dreht der Wind verbreitet auf Westnordwest, über
der See sogar auf Nordwest. Nach Südwesten hin ist unter dem Hochdruckkeil der
Wind generell schwacher, aber auch dort wird die untere Troposphäre so
allmählich wieder etwas besser durchmischt. Die Bewölkung bleibt in der Nacht
weitgehend stark bis geschlossen, ein paar Auflockerungen kann es aber
rückseitig schon geben. Die Temperatur geht vor der Front im Süden sowie in
höheren Lagen des Mittelgebirgsraumes noch einmal unter 0 Grad, sonst bleibt es
weitgehend frostfrei.

Freitag … zieht der Trog rasch nach Osten weiter und von Westen her weitet
sich der Rücken wieder in unsere Richtung aus, so dass wir von Westen her in
eine zunehmend antizyklonal geprägte nordwestliche bis nördliche Höhenströmung
geraten. Bodennah weitet sich das Hoch wieder nach Deutschland aus, während das
Tief weiter nach Westrussland zieht. Auch von den Britischen Inseln bis nach
Island fällt der Druck wieder, so dass der Wind von Westen her auf westliche
Richtungen dreht. Insgesamt schwächt sich der Wind im Laufe des Tages deutlich
ab, da der stärkste Gradient nach Osten rauszieht. Bis zum Abend werden nur noch
einige höhere Berge (Brocken, Erzgebirge, Alpen) mit Sturmböen zu bewarnen sein.
Anfangs schneit es noch an den Alpen, im Tagesverlauf schwächen sich die
Schneefälle ab und ziehen sich ins östliche Alpengebiet zurück. In der
Südhälfte, später nur noch Richtung Südosten kommt es noch zu Schauern, wobei
bei 850-hPa-Temperaturen um -6 Grad bis in tiefere Lagen Schnee fällt und in
mittleren Lagen des Berglandes auch tagsüber noch etwas Glätte auftreten kann.
Dazwischen erlaubt die maritime Polarluft auch ein paar Wolkenlücken, ganz im
Norden kann es sogar länger sonnig werden. Allerdings gerät der Nordwesten im
Tagesverlauf schon wieder in den Bereich stärkerer Warmluftadvektion auf der
Vorderseite der Nordatlantiktiefs, so dass dort hohe und mittelhohe Wolken
aufziehen. Im Westen und im Norden verläuft der Tag weitgehend trocken. Die
Höchstwerte liegen meist zwischen 5 und 8 Grad, im Bergland und im Südosten eher
bei 2 bis 5 Grad.

In der Nacht zum Samstag schwenkt ein Keil des Hochs nach Osten durch und das
Hoch zieht sich wieder etwas nach Süden zurück, weil von Nordwesten der Druck
fällt. Damit verschärft sich vor allem in der Nordwesthälfte der Gradient
wieder. Dies hat vor allem an der Nordsee stürmische Böen zur Folge, zudem kann
es schon erste steife Böen vom niedersächsischen Binnenland über
Schleswig-Holstein hinweg bis zur Ostsee geben. Auch auf dem Brocken und später
auch im Erzgebirge frischt der Wind schon wieder etwas auf. Die Warmfront eines
kräftigen Bodentiefs über dem Nordmeer erreicht in der zweiten Nachthälfte den
Nordwesten. In ihrem Vorfeld ziehen Regenfälle von der Nordsee her auf und
erreichen bis zum Morgen schon eine Linie von der Lausitz bis zur Pfalz. In 850
hPa steigt die Temperatur stetig an und schnell über 0 Grad, am Morgen im
Nordwesten schon auf 6 Grad. Somit fällt überwiegend Regen, wobei vor allem im
Nordosten und in Schleswig-Holstein durchaus bis 10 l/qm fallen können. Nicht
ganz ausgeschlossen ist im Mittelgebirgsraum auch gefrierender Regen, falls sich
die Luft zuvor noch einmal entsprechend abkühlen kann. Im Oberharz sind auch
einige Stunden kräftiger Schneefall denkbar, dann aber wahrscheinlich nur
oberhalb 800 bis 1000 m. Während die Bewölkung im Nordwesten weitgehend
geschlossen bleibt, kann es Richtung Südosten in der durchziehenden mittelhohen
Bewölkung einige Lücken geben. Im oberen und östlichen Bergland ist noch einmal
leichter Frost möglich, ansonsten vor allem ganz im Süden, wo noch keine
Niederschläge ankommen.

Samstag … greift ein markanter Höhentrog unter Amplifizierung auf Skandinavien
und zum Abend hin ein scharfer kurzwelliger Troganteil auch auf den äußersten
Nordosten Deutschlands über, wodurch der Höhenrücken rasch über Deutschland
hinweg nach Süden abgedrängt wird. Auf der Vorderseite des Troges wird aufgrund
von PVA markante Hebung generiert. Dabei füllt sich das Bodentief über der
Norwegischen See auf, im Lee des Norwegischen Küstengebirges kann die dynamische
Hebung dagegen wirksam werden und es kommt zu einer kräftigen Zyklogenese. Das
daraus resultierende Bodentief schlägt am Abend mit einem Kerndruck von fast 965
hPa an der schwedischen Ostseeküste knapp nördlich von Gotland auf. Die
Warmfront kommt weiter nach Südosten voran, wobei weiterhin starke WLA wirksam
ist, so dass es zunehmend auch im Osten und Südosten recht kräftig regnen kann
mit Summen von teils über 10 l/qm in 12 Stunden. Die Kaltfront des Tiefs
erreicht erst am Abend die Deutsche Bucht, somit gerät das Vorhersagegebiet
komplett in den Warmsektor des Tiefs, wobei die Regenfälle dann deutlich an
Intensität verlieren. Die Schneefallgrenze steigt rasch auf deutlich über 1000
m, lediglich in den ostbayerischen Mittelgebirgen kann es am Vormittag und
Mittag vorübergehend noch kräftiger schneien. Stellenweise kann im Südosten auch
gefrierender Regen nicht ausgeschlossen werden. Die Windentwicklung bleibt
dagegen komplex. Der Gradient verschärft sich deutlich und somit gibt es im
Tagesverlauf – mit Ausnahme einiger Niederungen im Südwesten und Süden des
Landes – verbreitet steife, im Norden und Osten bis in die mittleren Landesteile
auch stürmische Böen, im küstennahen Binnenland Sturmböen aus West bis Südwest.
An den Küsten muss verbreitet mit Sturmböen, am Nachmittag und Abend auch mit
schweren Sturmböen gerechnet werden, diese sollen auch das Binnenland
Schleswig-Holsteins erreichen. Auch in den Hochlagen der Mittelgebirge legt der
Wind stark zu, dort gibt es zum Abend verbreitet Sturm- und schwere Sturmböen,
auf exponierten Gipfeln (v.a. Brocken) auch Orkanböen. Im Warmsektor steigt die
850 hPa -Temperatur verbreitet auf 0 bis +4 Grad, somit liegen die Höchstwerte
zwischen 2 Grad im ostbayerischen Mittelgebirgsraum und 11 Grad im Westen. Sonne
gibt es dabei höchstens Richtung Alpen und Schwarzwald ab und zu mal, sonst
bleibt es stark bewölkt bis bedeckt.

In der Nacht zum Sonntag zieht das Sturmtief weiter Richtung Baltikum und kann
sich sogar noch ein wenig vertiefen. Die Kaltfront greift mit schauerartigen
Niederschlägen überwiegend leichter Intensität bereits eingangs der Nacht auf
Norddeutschland über, kommt sehr rasch südwärts voran und erreicht am Morgen die
Alpen. Die Schneefallgrenze sinkt dabei allmählich wieder auf etwa 600 m, später
auch darunter, wobei die Niederschläge dann bereits rasch nachlassen. Somit
reicht es auch in den Mittelgebirgen lediglich für wenige Zentimeter Neuschnee,
im Bayerwald fallen eventuell mehr als 5 cm. In einigen Mittelgebirgsregionen
kann auch gefrierender Regen nicht ausgeschlossen werden. Deutlich interessanter
gestaltet sich die Windentwicklung, die mit Kaltfrontpassage bzw. unmittelbar
postfrontal ihren Höhepunkt erreicht. Im Norden und Osten gibt es dann
verbreitet stürmische Böen und Sturmböen aus Nordwest, auch im Binnenland bzw.
in tiefen Lagen, vor allem Richtung Küsten sowie in der Osthälfte mit
Frontpassage wohl auch schwere Sturmböen. An den Küsten selbst sind orkanartige
Böen durchaus in Betracht zu ziehen, vor allem in den westexponierten Lagen der
Ostsee. Ähnliches gilt für die Kamm- und Gipfellagen der Mittelgebirge und auch
der Alpen, auf dem Brocken und dem Fichtelberg gibt es Orkanböen. Deutlich
entspannter gestaltet sich die Windentwicklung in den Niederungen West-und
Südwestdeutschlands, wo es teilweise nicht einmal für steife Böen reicht. Der
Kaltfront folgt zwar erneut ein Schwall erwärmter maritimer Polarluft und die
850 hPa-Temperatur sinkt auf -2 bis -6 Grad, dennoch bleibt es aufgrund des
Windes in den Niederungen überwiegend frostfrei. Im Bergland gibt es dagegen
leichten Frost und Glätte.

Sonntag … zieht das Sturmtief weiter Richtung Belarus und füllt sich langsam
wieder auf. In seinem Rücken weitet sich der Höhentrog weiter nach Südosteuropa
aus, während sich hierzulande ein Höhenrücken annähert, der sich auf der
Vorderseite eines in Richtung Britische Inseln vorstoßenden Troges etwas
aufsteilt. Damit schwächt sich bei uns die nordwestliche Höhenströmung etwas ab
und wird von Südwesten her antizyklonaler. Dies spiegelt sich auch im
Bodendruckfeld wieder, wo sich vom atlantischen Hoch ausgehend wieder ein Keil
nach Süddeutschland ausweitet. Der Gradient über weiten Teilen Deutschlands
nimmt zunächst nur langsam ab, was durch etwas Tagesgang noch weiter kompensiert
wird, so dass der Wind bis zum Mittag in etwa in der nachtens beschrieben Stärke
weiterweht, lediglich an der See schwächt er sich schon deutlich ab. Am
Nachmittag fächert dann aber der Gradient deutlich auf und ganz im Südwesten (wo
ohnehin keine Windwarnungen fällig waren) schläft der Wind fast komplett ein. Am
Abend sind dann nur noch im Umfeld der Ostsee steife Böen zu erwarten, in
exponierten Lagen stürmische Böen. Auch in den Hochlagen des Erzgebirges gibt es
noch Sturmböen, dort hält der Nordwestwind voll drauf. Die Kaltfront bleibt an
den Alpen hängen, an ihr und auf der Rückseite kommt es kaum noch zu dynamischer
Hebung. Somit schneit es noch etwas im Stau der Alpen und des Erzgebirges, wobei
in der im ganzen Land wieder einfließenden Meereskaltluft (-6 Grad in 850 hPa)
die Schneefallgrenze bis unter 400 m sinkt. Dort kommen wohl um 5 cm Neuschnee
zusammen. Anfangs gibt es auch im Umfeld der zentralen Mittelgebirge noch
einzelne Schneeschauer, die aber recht wenig ergiebig ausfallen sollten. Der
Himmel dürfte sich weitgehend wechselnd bis stark bewölkt präsentieren, was aber
bedeutet, dass man abgesehen von den Staulagen überall auch mal die Sonne
durchkommen sieht, was dieser Tage schon erwähnenswert ist. Das Temperaturniveau
ist der guten Durchmischung der Luftmasse entsprechend relativ hoch, so dass
Höchstwerte zwischen 5 und 9 Grad erwartet werden.

Modellvergleich und -einschätzung

ICON, GFS und IFS (noch 00 UTC-Lauf) zeigen bis Sonntag eine recht gut
übereinstimmende Entwicklung. Leichte Unsicherheiten gibt es noch bezüglich der
genauen Zugbahn des Sturmtiefs in der Nacht zum Sonntag, auch bei der Stärke ist
ICON etwa 2 hPa zögerlicher, was aber nicht allzu viel ausmachen sollte. Während
IFS und ICON aber die orkanartigen Böen an der Küste belassen, simuliert GFS
auch im Binnenland Mecklenburg-Vorpommerns Böen über 100 km/h, so dass wir aus
aktueller Sicht haarscharf an einer Unwetterlage im Binnenland vorbeischrammen
würden. Bft 10 ist aber auch eine Hausnummer und einigermaßen sicher. Wenn wir
mit dieser Frage Cosmo-LEPS konfrontieren, so erhalten wir in der Nordosthälfte
MV’s 20 bis 60 %, für 11er aber unter 20 %. Es fällt auch auf, dass ICON die
Höhenkaltluft in der Nacht zum Sonntag etwas weiter südwestwärts ausgreifen
lässt als IFS und GFS dies tun, allerdings dürfte dies keine allzu großen
Auswirkungen haben. Bei den Niederschlagsprognosen am Samstag an der Warmfront
fällt auf, dass GFS und vor allem IFS etwas zurückhaltender sind als das oben
beschriebene ICON.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl.-Met. Peter Hartmann