S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 22.01.2022 um 10.30 UTC

Nordwestlage bleibt Trumpf: anfangs antizyklonal, in der zweiten Wochenhälfte
zyklonaler. Vor allem an der See und im Bergland zeitweise stürmisch, in höheren
Lagen winterlich, an den Alpen viel Schnee.

Synoptische Entwicklung bis zum Samstag, den 29.01.2022

Die Mittelfrist startet am Dienstag und Mittwoch wieder mal mit äußerst ruhigem
Wettergeschehen. Zwar schwächt sich das wetterbestimmende Höhenhoch über
Frankreich ab, ein neues, kräftiges Höhenhoch westnordwestlich der Azoren
springt aber sofort in die Bresche. Zwischen diesen beiden antizyklonalen
Protagonisten und einer recht weit nördlich über dem Nordostatlantik und
Nordeuropa verlaufenden Frontalzone liegen weite Teile West- und Mitteleuropas
somit großräumig betrachtet unter einer antizyklonal konturierten nordwestlichen
Höhenströmung. Es verwundert daher nicht, dass auch im Bodenfeld eine
langestreckte, von den Azoren bis zum Balkan reichende Hochdruckzone das Sagen
hat. Geht man ins Detail geht, könnte der Hochdruckeinfluss aber vorübergehend
von einem kleinen Höhentief gestört werden, das nach IFS von 00Z von der Nordsee
her kommen über Deutschland südostwärts gesteuert wird. Zudem schwenkt eine
schlappe Kaltfront eines Tiefs über dem Nordpolarmeer in den Nordosten des
Landes. Beide Störungen sorgen wie schwache Hebung der feucht kalten
Grenzschicht über das 850-hPa-Niveau hinaus, was man schön am plötzlichen
Absinken der 850-hPa-Temperatur auf 0 bis -6 Grad erkennt. Es ist allerdings
fraglich, ob die Sättigung über -10 Grad hinausgeht, sodass eher keine
nennenswerten niederschlagsbildenden Prozesse einsetzen. Sprühregen und/oder
Schneegriesel können in der Südhälfte bei leichtem bis mäßigem Nachtfrost
allerdings zu Glätte führen.

Am Donnerstag kommt etwas mehr Bewegung in das Wettergeschehen. Ein
Kurzwellentrog schwenkt unter sukzessiver Vergrößerung seiner Wellenlänge von
den Britischen Inseln und der Nordsee nach Deutschland. Der Trog ist recht
scharf gekrümmt, sodass vorderseitig kräftige PVA wirksam wird, was zu einer
signifikanten Zyklogenese führt. Das resultierende Tief soll nach IFS-Lesart
recht weit südlich über den Skagerrak nach Südschweden ziehen und sich auf unter
995 hPa vertiefen. Das okkludierte Frontensystem des Tiefs bringt von Nordwest
nach Südost zeitweise Regen, ab mittleren Lagen der Mittelgebirge (400 m ± 100
m) sowie im Süden und Südosten Schnee. Markante Neuschneemengen über 10 cm in 12
h sind aber unwahrscheinlich. In nachfolgender, durch Höhenkaltluft
labilisierter polaren Meeresluft (T850 um -5 Grad, T500 -30 bis -35 Grad)
entwickeln sich Schneeregen-, Schnee- und Graupelschauer, auch einzelne Gewitter
mit Sturmböen sind denkbar. Auch die „skaligen“ Böen werden recht verbreitet
warnwürdig, vor allem an der See und im Bergland sind Sturmböen, an der Nordsee
schwere Sturmböen möglich. Je nach Tiefentwicklung können Sturmböen auch im
Binnenland in der Nordosthälfte nicht ausgeschlossen werden.

Am Freitag schwenkt der Trog allmählich südostwärts durch. Dahinter stellt sich
am Rande des Höhenhochs nördlich der Azoren eine antizyklonal konturierter
nördliche Höhenströmung über Deutschland ein. Durch kräftige NVA kann sich ein
Keil des sich verstärkenden Hochs über dem Ostatlantik nach Mitteleuropa
ausweiten. Die Schauertätigkeit zieht sich im Tagesverlauf in den Südosten
Deutschlands zurück. Wobei teils bis in tiefere Lagen Schneeregen oder Schnee
fällt. Insbesondere an den Alpen kommt es staubedingt noch zu länger anhaltenden
Schneefällen. In Staulagen sind markante Neuschneemengen zwischen 10 und 20 cm
in 12 bis 24 Stunden möglich. Auch in den höheren Lagen der südöstlichen und
östlichen Mittelgebirge ist nochmal mit nennenswertem Neuschneezuwachs zu
rechnen. Der Wind lässt von Westen im Tagesverlauf wieder nach.

Am Samstag schwenkt ein Kurzwellentrog vom Nordmeer nach Skandinavien. Die sich
im Tagesverlauf zyklonal konturierende Höhenströmung über Deutschland dreht
dabei auf Nordwest rück und nimmt deutlich an Fahrt auf (Jetstreak mit 130 kt in
300 hPa erfasst von Nordwesten her Mitteleuropa). Das auf Deutschland
übergreifende Frontensystem des mit dem Trog korrespondierenden Tiefs über
Nordeuropa ist im Okklusionsprozess begriffen. Dennoch wird vor allem in den
Norden und Westen vorübergehend mildere Luft herangeführt (T850 zwischen 1 und 3
Grad), sodass die von Nordwest nach Südost voranschreitenden, etwas kräftigeren
Niederschläge dort als Regen fallen. Nach Süden und Osten zu kann sich die
mildere Luft immer schlechter bodennah durchsetzen, sodass die Schneephase an
Bedeutung gewinnt. Während es in tiefen Lagen allenfalls vorübergehend schneit,
könnte es in den höheren Lagen der östlichen und südlichen Mittelgebirge sogar
markante Neuschneemengen um 10 cm in 12 h geben. An den Alpen setzt eine
neuerliche Stausituation ein, sodass in Hochlagen bis in den Sonntag hinein mit
Neuschneemengen zwischen 10 bis 20 cm zu rechnen ist, lokal auch mehr. Auch der
Wind ist wieder ein Thema, an der See und im Bergland sind (schwere) Sturmböen
wahrscheinlich (auf Schneeverwehungen achten!), sonst sind zumindest über der
Nordhälfte Sturmböen durchaus möglich.

In der erweiterten Mittelfrist soll Deutschland zwischen dem ostatlantischen
Hoch und dem Trog über Nord- und Osteuropa weiter unter einer Nordwestströmung
verbleiben. Der neuste IFS-Lauf favorisiert dabei die zyklonale Variante, wobei
Deutschland zumeist auf der „kalten“ Seite der Frontalzone liegen soll.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die großräumigen wetterwirksamen Strukturen werden von den IFS-Modellläufen vor
allem bis Wochenmitte sehr konsistent berechnet.
Der Trogvorstoß am Donnerstag und Freitag wird im jüngsten IFS-00Z-Lauf etwas
früher und massiver gerechnet, inklusive eines recht markanten Sturmtiefs über
dem Süden Skandinaviens. In den beiden Vorläufen wurde dieses Sturmtief über dem
Nordmeer und dem Norden Skandinaviens simuliert. Die im 00Z-Lauf von heute
Morgen anvisierte flächigere Sturmlage sollte daher noch mit Vorsicht genossen
werden.
Ab Samstag divergieren die Modellberechnungen auch im Hinblick auf die
großräumige Struktur der Wetterlage stärker. Der vom neusten IFS-00Z-Lauf
gerechnete neuerliche Trogvorstoß mit nachfolgendem nass kalten Rückseitenwetter
fand in den vergangenen Läufen noch nicht statt. Vielmehr sollte Deutschland
unter einer antizyklonalen Nordwestströmung liegen, wobei die Frontalzone
vornehmlich den Nordosten traktiert und sich weite Teile des Landes auf der
warmen Seite eben jener befunden hätten.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Das kleine Höhentief am Dienstag/Mittwoch hat nur IFS auf der Agenda, GFS und
ICON betonen dafür die Hebung an der schwachen Kaltfront in der Osthälfte
Deutschland etwas stärker.
Der Trog am Donnerstag/Freitag wird von GFS und ICON weniger massiv und etwas
verzögert simuliert. Das korrespondierende Tief befindet sich über dem Nordmeer
bzw. Skandinavien, sodass der Gradient über Deutschland in beiden Modellen
schwächer ausfällt. Auch UKOMO und GEM sehen eher einen zyklonalen Streifschuss.

Danach favorisiert GFS – im völligen Gegensatz zur IFS – nach Warmfrontpassage
am Samstag das antizyklonale Wettergeschehen am Rand eines kräftigen Höhenhochs
über Westeuropa. Mit Abstrichen trifft das auch auf GEM zu.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Bis einschließlich Mittwoch sind die Rauchfahnen des 500-hPa-Geopotenzials sehr
eng gebündelt. Bei der 850-hPa-Temperatur öffnet sich zwar ein nicht
unerheblicher Spread, dies hat aber lediglich etwas mit den Prognoseunschärfen
im Hinblick auf das kleine Höhentief zu tun bzw. auf die damit in Verbindung
stehenden (schwachen) Hebungsantriebe. Das hat aber kaum Relevanz für das
Wetter- und Warngeschehen.
Am Donnerstag weitet sich die Rauchfahne auch beim Geopotenzial leicht auf, was
die Unsicherheiten in Bezug auf den Kurzwellentrog unterstreicht. Haupt- und
Kontrolllauf finden sich eher am unteren Rand der Memberschar, simulieren also
eine vergleichsweise „scharfe Trogpassage“. Besonders markant ist die
Schwankungsbreite des IFS-EPS beim Luftdruck. Für Flensburg beispielsweise liegt
der minimale Luftdruck am Donnerstag/in der Nacht zum Freitag zwischen 990 und
1025 hPa, wobei der Hauptlauf wieder eher im unteren Drittel anzutreffen ist.
Von einem rudimentären Bodentrog bis hin zu einem Sturmtief ist also alles
dabei.
Ab Freitag blähen sich die Rauchfahnen deutlich auf. Einem kurzen Anstieg von
Geopotenzial und Temperatur folgt am Wochenende und zu Beginn der nächsten Woche
bei der Mehrheit der Ensemble-Mitglieder eine Talfahrt, wobei der Hauptlauf
insgesamt recht gut eingebettet erscheint (T850 Median in der Mitte Deutschlands
bei um -5 Grad). Die nass kalte, zyklonale Nordwestlage ist also mitnichten nur
eine „Spinnerei“ des Hauptlaufes. Eine Minderheit bleibt auf höherem
Geopotenzial- und Temperaturniveau bzw. führen eine stärkere Schwingbewegung aus
(zyklonale Nordwest- bis Westlage mit Einbinden wärmerer Luftmassen).

Im Zeitraum +120-168 h werden 3 Cluster gebildet. Sie vollziehen einen Übergang
von „Blocking“ zu „Atlantic Ridge“, 2/3 am Ende sogar zu „positive NAO“. Sie
unterscheiden sind im Hinblick auf den Trog (C1 und C2 (37/51) mit schärferer
Trogpassage, C3 (14/51) mit etwas schwächerer).
Im Zeitraum +192-240 h wird das EPS in 2 Cluster unterteilt. C1 (29/51; Atlantic
Ridge) ist gekennzeichnet durch eine zyklonale Nordwestlage, C2 (22/51, positive
NAO) von einer zyklonalen Westlage.

FAZIT: Am Dienstag und Mittwoch geht es noch ruhig zu, den Prognoseunschärfen in
Bezug auf das kleine Höhentief kann man aufgrund der geringen Wetterwirksamkeit
gelassen gegenüberstehen.
Am Donnerstag erfolgt mit einer ersten Trogpassage wahrscheinlich der Übergang
zu einer zyklonaleren Phase mit windigem und nass kaltem Wetter im Tiefland,
Schnee im Bergland und insbesondere an den Alpen. Unklar ist dabei, ob es zu
einer flächigeren, aber sicherlich nicht dramatischen Sturmlage kommen könnte.
Fraglich ist die weitere Entwicklung zum und über das Wochenende hinweg. Das
Szenario der zyklonalen Nordwest- bis Westlage, wie sie von den „Europäern“
favorisiert wird, findet noch nicht bei jedem Modell Anklang.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Dienstag und Mittwoch passiert dahingehend nichts. Lokales GLATTEIS durch
gefrierenden Sprühregen kann aber natürlich nie gänzlich ausgeschlossen werden.

Am Donnerstag und Freitag sind an der See und in Hochlagen STURMBÖEN
wahrscheinlich, im Binnenland zumindest im Norden und Osten gering
wahrscheinlich. An der Nordsee können SCHWERE STURMBÖEN (noch) nicht
ausgeschlossen werden.
An den Alpen sind staubedingt markante NEUSCHNEEmengen zwischen 10 und 20 cm in
12 bis 24 Stunden möglich.

Nach vorübergehender Windabschwächung sind im Laufe des Samstags und am Sonntag
an der Küste und in Hochlagen STURMBÖEN erneut wahrscheinlich. Eine
großflächigere Sturmlage mit verbreiten Sturmböen und SCHWEREN STURMBÖEN an der
See ist nicht ausgeschlossen.
An den Alpen muss erneut mit länger anhaltenden Schneefällen und NEUSCHNEEmengen
zwischen 10 und 30 cm gerechnet werden. Die Gesamtneuschneemengen von Donnerstag
bis Sonntag könnten sich dort somit teilweise auf über 50 cm belaufen.

Der EFI hat darüber hinaus keine Signale für ungewöhnliches oder extremes
Wetter.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS det.+EPS, MOS-MIX

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser