S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 16.01.2022 um 10.30 UTC

Anfangs v.a. Norden/Osten windig bis stürmisch und teils nasskalt, im Verlauf
von Westen Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 23.01.2022

Die großräumige Entwicklung über dem atlantisch-europäischen Raum kann man in
wenigen Sätzen zusammenfassen. Während über dem Nordpazifik noch das
Wetterregime Rücken über Alaska, über Nordamerika entsprechend ein LW-Trog
vorherrscht, baut sich trogvorderseitig ausgehend von kräftigen Zyklogenesen im
Raum Neufundland über dem zentralen Nordatlantik immer wieder ein kräftiger
Höhenrücken auf (GWL: Atlantischer Rücken). Diese starke Amplifizierung wirkt
auch stromab bis nach Skandinavien und Europa. Andererseits sind die ablaufenden
Wellen innerhalb der quasistationären Lage recht progressiv in Bezug auf ihre
ostwärtige Verlagerung. Dieser Umstand dürfte auch etwas mit dem derzeit sehr
starken Polarwirbel in der mittleren und unteren Stratosphäre zu tun haben, der
dort zonal gemittelt (auf 60 Grad Nord) weiterhin für überdurchschnittlich
starke zonale Winde (Westwinde) sorgt. Troposphärisch haben wir wie gesagt eher
eine recht ausgeprägte Amplifizierung der zirkumpolaren Wellen, die allerdings
durch die starke Westwinddrift (dynamische Kopplung mit der Stratosphäre)
insgesamt eher progressiv ausgerichtet bleiben dürfte. Von daher sind
meridionale Kaltluftausbrüche aufgrund der synoptischen Konstellation zwar
weiterhin möglich (am stärksten wohl vom östlichen Mitteleuropa bis zum Balkan),
jedoch insgesamt nur vorübergehender Natur.

Nun konkret zur Mittelfristvorhersage:

Am Mittwoch und Donnerstag kräftigt sich der Höhenrücken (mit Bodenhoch) etwa
westlich der Britischen Inseln. Demgegenüber zieht ein Langwellentrog über
Skandinavien über das östliche Mitteleuropa hinweg südostwärts. Das zugehörige
Bodentief zieht im Verlauf nach Finnland. Damit einhergehend erfolgt über
Deutschland die Kaltfrontpassage. Die 850-hPa-Temperatur geht entsprechend auf
etwa -7 bis -8 Grad im Norden und ca. -3 bis -4 Grad im Verlauf an den Alpen
zurück. Begleiterscheinungen sind im Nordosten einzelne kurze Gewitter (in 500
hPa etwa -38 Grad, verbunden mit einer markanten PV-Anomalie in der oberen
Troposphäre, die einen dynamischen Trigger dafür darstellt). Zudem muss
bevorzugt in der Nordosthälfte zumindest mit stürmischen Böen, an der See und
auf den Bergen teils mit schweren Sturmböen aus westlicher, später
nordwestlicher Richtung gerechnet werden. Ob es in den Mittelgebirgen für
markanten Schneefall reicht, bleibt abzuwarten, an den Alpen ist das im Verlauf
mit größerer Wahrscheinlichkeit zu erwarten.

Am Freitag ziehen an der Ostflanke des Hochs (das nun über den Britischen Inseln
liegt) weitere Randtröge über das östliche Mitteleuropa hinweg südostwärts.
Dabei wird die Osthälfte von der -10 Grad-Isotherme in 850 hPa gestreift,
wohingegen im Westen die Werte im weiteren Verlauf auf etwa -4 bis -2 Grad
ansteigen. An den Alpen und im Südosten lassen die Schneefälle allmählich nach,
auch der westliche bis nordwestliche Wind wird langsam schwächer (anfangs an der
Küste sowie den zentralen und östlichen Mittelgebirgen noch teils stürmisch).

Zum Samstag weitet sich ein Hochkeil von den Britischen Inseln bis nach West-
und Mitteleuropa aus, gleichzeitig wird von der Nordsee mit einer Warmfront
allmählich mildere Luft eingesteuert. Bis zum Abend soll die 850 hPa-Temperatur
demnach im Norden und Westen auf ca.+1 bis +3 Grad steigen, während im Südosten
noch etwa -2 bis -4 Grad vorherrschen. Die Wetterlage fällt somit von zunächst
Nordwest zyklonal (NWz) auf Nordwest antizyklonal (NWa) zurück. Das sieht z.B.
auch das ICON-Modell in recht ähnlicher Lesart.

Am Sonntag bleiben wir laut ICON in dieser Konstellation (NWa), gemäß IFS wird
der Höhenrücken progressiv und soll ziemlich genau über Mitteleuropa liegen,
wohingegen das Bodenhoch bereits in Richtung östliches Mitteleuropa unterwegs
sein soll (rückseitig des LW-Troges über dem Balkan). Das würde wiederum bei uns
recht ruhiges und zu Nebel neigendes Wetter bedeuten. Die Temperatur in 850 hPa
liegt am Montagmorgen meist zwischen +2 und +6 Grad.

In der erweiterten Mittelfrist pendeln die Cluster des IFS zwischen NWa und Hoch
Mitteleuropa (HM). Im Verlauf taucht ebenso NW zyklonal wieder auf. Insgesamt
bleiben die beschriebenen großräumigen Strömungsmuster erhalten, wobei im
weiteren Verlauf weiter nördlich auch eine gewisse Zonalisierung der Strömung
nicht ausgeschlossen ist. Aber auch das würde für Mitteleuropa irgendwas
zwischen Hochrandlage und Hochdruckbrücke bedeuten, also eher weiter
antizyklonal geprägtes Wetter.

Noch zwei Worte zur Prognose des NAO-Index (NOAA): Im Prinzip beschreibt dessen
Streuung gerade zum Ende der MiFri die dargelegten Unterschiede in der
GWL-Simulation: sieht man doch sowohl Member mit NAO positiv (überwiegend zonale
Strömungsmuster) als auch mit NAO negativ (Trog über Skandinavien oder
Blocking), wenngleich letztere in der erweiterten Mittelfrist allmählich
abnehmen.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Der aktuelle IFS-Lauf weist gegenüber den Vorläufen eine recht gute Konsistenz
auf. Die Großwetterlage NWz ist zunächst zwar weiterhin recht wahrscheinlich,
allerdings scheint nun der LW-Trog am Donnerstag weiter östlich zu ziehen. Daher
werden insgesamt weniger Niederschläge v.a. in der Westhälfte simuliert. Im
weiteren Verlauf soll sich der Hochdruckeinfluss von Westen wieder ausweiten,
von West- bis nach Mitteleuropa reichend. Diese Tendenz verstetigt sich in den
Vorläufen allmählich.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Gängige Globalmodelle wie ICON oder GFS sehen die synoptische Entwicklung bis
zum Ende der Mittelfrist recht ähnlich. Unterschiede ergeben sich in der genauen
Lage und Progressivität der Rücken-Trog-Strukturen. Zum Ende hält ICON den
Höhenrücken über den Britischen Inseln fest mit zonal ausgerichteter
Hochdruckzone über West- bis nach Mitteleuropa, wodurch sich im Prinzip erneut
NWa einstellt.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Bzgl. der Cluster lässt sich Folgendes festhalten:
Im Zeitschritt t+120…+168 h überwiegen noch die Lösungen mit Atlantischem Rücken
bzw. Europeen Blocking, einschl. der beschriebenen Konsequenzen für
Mitteleuropa.

Im Zeitschritt t+192…+240 h mischen sich neben vielen Clusterlösungen mit
diversen Blockierungen auch einzelne zonale Muster mit NAO positiv ein,
allerdings mit nördlich verschobener Frontalzone. Die Mehrheit der Cluster
stellt also wie bereits gesagt Blockierungen dar, entweder über dem Nordatlantik
oder über West- und Mitteleuropa.

Bei Analyse der Rauchfahnen für einen beliebig gewählten Ort in
Mitteldeutschland ergibt sich folgendes Bild:
Die Werte der 850 hPa-Temperatur haben ihr Minimum etwa gegen Donnerstag, um
dann allmählich wieder anzusteigen (Haupt- und Kontrolllauf, allerdings mit
recht großer Streuung der Member nach oben).

Auch beim Niederschlag besteht am Donnerstag und Freitag ein Maximum (sowohl in
Bezug auf Wahrscheinlichkeit als auch bei der Menge). Zum Wochenende lässt die
Niederschlagsneigung wieder deutlich nach.

Beim Geopotenzial in 500 hPa finden wir auch ein Minimum etwa am Donnerstag,
hiernach ist ein stetiger Anstieg zu verzeichnen, mit recht geringer Streuung
auch am Ende der MiFri. Damit lässt sich der oben beschriebene Trend auch in den
Rauchfahnen wiederfinden.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Am Mittwoch an der Küste und im Bergland stürmische Böen oder Sturmböen aus
westlicher Richtung (Bft 8 bis 9). In der Nacht zum und am Donnerstag bevorzugt
in der Nordosthälfte zumindest stürmische Böen (Bft 8) aus nordwestlicher
Richtung, im Küstenumfeld sowie auf den Bergen Sturmböen und schwere Sturmböen
(Bft 9 bis 10) wahrscheinlich. Im Nordosten zudem einzelne kurze Gewitter mit
Sturmböen (Bft 9) möglich. In den Mittelgebirgen >10 cm Neuschnee in 12 h gering
wahrscheinlich, an den Alpen jedoch im Verlauf um 15 cm in 12 h wahrscheinlich.

Am Freitag und in der Nacht zum Samstag vor allem im östlichen und südöstlichen
Bergland weitere Schneefälle, dabei nochmals >10 cm in 12 h nicht ganz
ausgeschlossen. Anfangs auf den Bergen und im Küstenumfeld noch stürmische Böen
oder Sturmböen (Bft 8 bis 9) aus nordwestlicher Richtung möglich, später
nachlassend.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS, ICON, GEFS, MOSMIX, NOAA-NAO

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Dr. Jens Bonewitz