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S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 09.01.2022 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Übergang der Großwetterlage von WW (Winkel West) hin zu BM (Brücke
Mitteleuropa). Damit Wetterberuhigung und wieder vermehrt Grundschichtprozesse.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC

Aktuell … steigt der Luftdruck landesweit an, was als untrügliches Zeichen für
eine Wetteränderung gewertet werden kann. Im Gegensatz zu vergleichbaren
Tendenzen der jüngsten Vergangenheit, wo sich immer nur ein mageres Zwischenhoch
ankündigte, baut sich nun eine veritable Hochdruckbrücke respektive -zone auf,
die über mehrere Tage Bestand haben wird. Wie genau die Entwicklung
vonstattengeht, wo die Tücken liegen und welche Auswirkungen das Ganze hat, dazu
im Folgenden mehr.

Zunächst mal der Blick in die Mitteltroposphäre, wo sich Deutschland im
hinteren, im westlichen Teil eines Troges befindet, der sich von der Nordsee bis
hinunter in den zentralen und östlichen Mittelmeerraum erstreckt, wo er immer
breiter läuft. Knapp westlich schließt sich über dem nahen Atlantik ein Rücken
an, der sich peu a peu an Kontinentaleuropa heranrobbt. Als „Trennlinie“
zwischen Trog und Rücken fungiert ein gut ausgeprägter Jet, der heute Abend von
UK via Frankreich bis hinunter nach Tunesien gerichtet ist.

Von der Höhe in die unteren Gefilde, wo die globale Druckverteilung ein schönes
Viererdruckfeld offenbart, dessen Konstellation frontolytisch ist. Den
zyklonalen Part übernehmen ein fettes Sturmtief über der Irminger See (sorry
liebe ELSA, aber mit Kerndruck unweit von 950 hPa bis du wirklich eine echte
Wuchtbrumme – meteorologisch gesehen) sowie das Doppeltief DOREEN IV und
CELIMENE zwischen Italia und der Türkei. Ihnen gegenüber stehen ein namenloses
Hoch knapp westlich der Iberischen Halbinsel (es kann als nach Osten
verschobenes Azorenhoch betrachtet werden, das als tragende Konstante der
Allgemeinen Zirkulation in der Regel keinen Namen verliehen bekommt) sowie der
sich gerade über Skandinavien aufbauende BERNHARD. Deutschland befindet sich
aktuell genau im Innenbereich dieses auserlesenen Quartetts (was genau genommen
ein Quintett ist), in dem sich in der Nacht zwei klar abgegrenzte Signaturen
zeigen: im Norden und Osten eine von der Nordsee südostwärts ausgerichtete
Rinne, die krampfhaft versucht, die Verbindung zwischen den Tiefs aufrecht zu
halten. Im Westen und Süden dagegen ein sich von Frankreich ausweitender Keil,
der die ersten zaghaften Annäherungsversuche der beiden Hochs markiert.

So weit, so gut, und was bedeutet das nun für unser Wetter? Fangen wir mit der
Rinne an, in die eine Okklusion eingebettet ist. Rinne und Front kommen zwar
kaum noch gegen die Blockadewirkung des guten BERNHARDS voran (der zusätzlich
noch von dem russischen Monumentalhoch ALEX supportet wird), gleichwohl sind
noch ausreichend Lebensgeister vorhanden, um eine gewisse Wetterwirkung zu
erzielen. Diese äußert sich in Form von (Niesel)Regen- und Schneefällen, die in
einem von Ostholstein respektive der westlichen Ostsee bis hinunter nach Sachsen
reichenden Korridor fallen. Aufsummiert bis morgen früh können bis zu 5 l/m²,
stellenweise auch etwas mehr Niederschlag zusammenkommen. Zwar kann es je nach
Intensität auch mal bis ganz runter schneien, wirklich liegenbleiben dürfte der
Schnee aber nur oberhalb von 300 bis 400 m. Konkret bedeutet das geringer
Neuschnee im Harz und im Thüringer Wald (Glättewarnung sollte reichen) und 1 bis
5 cm im Erzgebirge (kleine Schneefallwarnung läuft).
In Vorpommern und wahrscheinlich auch im nordöstlichen BB bleibt es
niederschlagsfrei, im Gegenteil, von der Ostsee und Polen her könnte die
Wolkendecke sogar aufreißen oder dünner werden (so wie tagsüber schon um Rügen
herum). Entsprechend geht die Temperatur wie auch weiter südlich bis in den
leichten Frostbereich zurück, während es weiter westlich in einem größeren Areal
frostfrei bleibt. Sollte es, was nicht ausgeschlossen ist, zwischen
Niederschlag/Restfeuchte auf der einen und Frostzone (mit negativ temperierten
Belägen) auf der anderen Seite zu Überschneidungen kommen, müsste kurzfristig
eine Glättewarnung ausgegeben werden.

Glättewarnungen gibt es im Westen und Süden sowie in Teilen der Mitte bereits
zuhauf, was auch in Ordnung geht. Zum einen ist durch die Tagesniederschläge
noch viel Restnässe auf Straßen und Wegen vorhanden, die bei teils auflockernder
Bewölkung gefrieren kann. Außerdem wird zusätzlich noch der eine oder andere
schwache Schneeschauer mit abgedeckt, die tendenziell im Laufe der Nacht aber
immer weniger werden. Am stärksten ist die Schaueraktivität im südlichen BW bzw.
im Grenzbereich zur Schweiz, weshalb z.B. die Schneefallwarnungen im Schwarzwald
und er Alb bis Mitternacht laufen. Auch im West- und Oberallgäu wurde noch mal
von „Glätte“ auf „Schnee“ hochgezogen.

Letztes Thema „Wind“, das im Zuge fortschreitender Gradientauffächerung aber
immer mehr in der Versenkung verschwindet. Selbst auf den prominentesten
Vertretern exponierter Kamm- und Gipfellagen wird es immer schwieriger,
Warnschwellen zu überschreiten.

Montag … beginnt der nördliche Teil des Höhenrückens im Uhrzeigersinn
südostwärts zu kippen, wodurch er sich mehr und mehr über den Vorhersageraum
legt. Absinken und starker Druckanstieg festigen die Brücke zwischen dem
Azorenhoch und dem etwas nach Osten ausweichenden Kollegen BERNHARD. Am Ende des
Tages stehen nicht nur um oder etwas über 1030 hPa auf der Karte, auch die
anfangs noch wehrhafte Rinne im Nordosten wird immer weiter „zugeschüttet“, bis
sie endgültig von der Wetterkarte verschwindet. Trotzdem, etwa von Ostholstein
respektive der westlichen Ostsee bis hinunter nach Sachsen hält sich ein
Streifen mit einer geschlossenen Wolkendecke, aus der es hier und da noch etwas
flöckelt oder nieselt. Die höchste Niederschlagsrate mit bis zu 5 l/m² ist im
Stau des Erzgebirges zu erwarten. Ob dabei ausschließlich Schnee fällt oder
evtl. auch (gefrierender) Nieselregen, ist gar nicht so einfach zu
prognostizieren. Die Absinkinversion stellt sich etwa zwischen 750 und 800 hPa
ein; während es darüber zunehmend abtrocknet, hält sich darunter eine feuchte
Grundschicht. Die Oberkante der Feuchteschicht liegt in der Nähe der
neuralgischen -10°C-Marke, ab der vermehrt Eiskeime zur Niederschlagsbildung zur
Verfügung stehen. Sie werden benötigt, um Schnee zu produzieren, was schwierig
wird, wenn die Temperatur knapp über dieser Marke stehen bleibt. Auch die
Modelle haben offensichtlich Schwierigkeiten mit dieser Grenzkonstellation:
Während ICON_Nest die Schneephase favorisiert, setzt ICON-DE mehr auf
(gefrierenden) Nieselregen.

Im großen Rest des Landes bleibt es abseits des Bayerischen Walds und des
Alpenrands, wo es mitunter noch leicht schneit, weitgehend niederschlagsfrei. Es
hält sich vielfach aber noch tiefe Restbewölkung, die aber von zwei Seiten
angegangen wird. Zum einen im Nordosten, wo sich vor allem in Vorpommern und dem
nördlichen BB der nächtliche Trend der Auflockerung fortsetzt. Zum anderen im
Westen und Nordwesten, wo das Absinken am stärksten ist und die Luftmasse per se
schon trockener ist als weiter östlich. So dürfte von NRW bis hoch zur Nordsee
mit größeren Auflockerungen oder gar längerem Sonnenschein zu rechnen sein. Die
Temperatur erreicht in der zur Ruhe kommenden subpolaren Meeresluft Höchstwerte
von rund +1°C in Vorpommern und +6°C am Niederrhein. Oberhalb 600 bis 800 m ist
leichter Dauerfrost angesagt.

In der Nacht zum Dienstag macht die Kräftigung der brückenartigen Hochdruckzone
unter der Schirmherrschaft des überlagerten breiten Höhenrückens weitere
Fortschritte. Dabei verlagert das südwesteuropäische Hoch sein Zentrum ganz
allmählich nach Norden in Richtung äußere Biskaya, wohingegen das Hoch BERNHARD
via Finnischen Meerbusen die baltischen Staaten anvisiert. Das Wettergeschehen
fokussiert sich nun noch mehr auf die Grenzschicht, was teils klare, teils
bedeckte (hochnebelartige Bewölkung) Verhältnisse, gebietsweise aber auch Nebel
bedeutet. Im Südosten, wo die Strömungskonfiguration in der Höhe noch leicht
zyklonal gefärbt (Randlage zum breiten Cut-Off-Tief vor Griechenland bzw. zum
schwächelnden Höhentrog über Nordosteuropa) und zudem noch ausreichend
Grenzschichtfeuchte vorhanden ist, kann es bevorzugt im Bergland noch etwas
schneien oder nieseln mit Glättegefahr.
Die Temperatur geht auf 0 bis -5°C, im Osten sowie im Bergland bis zu -8°C, am
Alpenrand bei längerem Aufklaren (was allerdings nicht überbordend
wahrscheinlich ist) lokal auf rund -10°C zurück. Stellenweise kann es glatt
werden durch gefrierende Nässe, Reif oder etwas Schnee.

Dienstag … bleiben die Hochdruckzone und der überlagerte Rücken das Maß der
Dinge. Dabei verspricht der Dienstag insgesamt, also in der integrierten
Flächenbilanz, mehr Sonne als der Montag. Zum einen wird die Grundschicht durch
die weiter absinkende Inversion so weit gestaucht, dass sich die Abtrocknung von
oben her bis ganz nach unten durchsetzt. Außerdem gelangt in den Osten von Polen
her trocken-kalte Luft, während im Westen der etwas auflebende Süd- bis
Südostwind mithilft, große Löcher in die Wolken-/Hochnebeldecke zu reißen oder
diese gar nicht erst entstehen zu lassen. Zwischen diesen privilegierten
Regionen wird sich eine breite Mischzone einstellen, in der es teils bedeckt
oder neblig trüb bleibt, teils aber auch mal auflockert und in höheren Lagen
(vor allem im Süden) sogar ganztägig die Sonne scheint.

Im äußersten Norden und Nordwesten allerdings tut sich eine kleine Schwachstelle
in der Hochdruckzone auf. Mit Annäherung der Frontalzone vom mittleren
Nordatlantik her kann sich das okkludierende Frontensystem eines Nordmeertiefs
dem Nordseeküstenraum nähern. Einsetzende schwache WLA lässt mehrschichtige
Bewölkung aufziehen, aus der im Tagesverlauf sogar ein paar Tropfen fallen
können. Ob sie allerdings unten ankommen, ist fraglich; wenn, dann wohl am
ehesten auf den Inseln. Dort frischt präfrontal auch der Süd-Südwestwind
vorübergehend mal etwas stärker auf, Windstärke 7 Bft dürfte aber kaum und wenn,
am ehesten auf Helgoland erreicht werden.
Die Temperatur bleibt bei zähem Nebel sowie im Grenzbereich zu Polen im leichten
Dauerfrost, während sonst 0 bis +5°C auf der Karte stehen.

In der Nacht zum Mittwoch versucht die Okklusion landeinwärts voranzukommen, was
ihr laut ICON und IFS (00 UTC), weniger nach GFS auch ein Stück weit gelingt.
Dabei kommt es in Teilen Nord- und Westdeutschland zu leichten Niederschlägen.
Vor allem am Süd-Südostrand des Niederschlagsbands, also dort, wo Luft und Böden
negativ temperiert sind, besteht die die Gefahr gefrierenden (Niesel)Regens mit
Glatteis. Allerdings ist auch die Schneephase nicht ganz ausgeschlossen,
insbesondere dann, wenn die Intensität etwas erhöht sein sollte (=>
quasiisotherme Schichtung unweit des Gefrierpunkts). Hier gilt es sich die
Prognosen und Temps kurzfristig genau anzuschauen.

Im großen Test des Landes herrscht weiterhin Hochdruckeinfluss mit teils klaren,
teils bedeckten oder nebligen Verhältnissen. Dabei stellt sich leichter, im
Süden und Südosten auch mäßiger, bei längerem Aufklaren über Schnee strenger
Frost ein.

Mittwoch … kommt die Okklusion noch etwas weiter südostwärts voran, stößt sich
dabei aber immer mehr die Hörner ab. Grund ist die mangelnde Unterstützung aus
der Höhe sowie die Tatsache, dass sich die Hochdruckzone in ihrem Westteil auf
über 1040 hPa verstärkt. So wird das schmale frontale Wolkenband mit der auf
Nord drehenden Höhenströmung zumindest nach Lesart von ICON und IFS zwar noch
bis nach Süddeutschland vorankommen, für Niederschläge wird es aber nicht mehr
oder nur noch sehr marginal reichen. Das trifft zumindest tagsüber auch für die
Warmfront eines weiteren Frontensystems zu, die den Küstenraum von West nach Ost
streift. Da die Divergenzachse der Hochdruckzone langsam nach Süden rutscht,
gelangt mit westlicher Strömung wolkenreiche Meeresluft in den Norden und Osten.
Dagegen lockert es im Westen gebietsweise auf und ganz weit im Süden, zwischen
Schwarzwald und Alpenrand scheint abseits einiger zäher Nebelfelder vielfach die
Sonne. Während sich in den Niederungen Süddeutschlands gebietsweise leichter
Dauerfrost hält, steigt die Temperatur sonst auf 0 bis 5°C, zwischen Niederrhein
und deutsch-dänischer Grenze bis zu 6 oder 7°C. Der westliche Wind frischt am
Nordrand der Hochdruckzone zwar etwas auf, doch selbst an der Küste ist die
Wahrscheinlichkeit warnwürdiger Böen (Bft 7+) sehr gering.

Modellvergleich und -einschätzung

Die Modelle simulieren die geschilderte Entwicklung sehr ähnlich, der
Generalkurs der nächsten Tage steht. Bei den Niederschlagsprozessen bleiben
freilich noch ein paar Fragezeichen, vor allem hinsichtlich der Phase. Auch die
Ausbreitung bzw. Auflösung der Grenzschichtbewölkung wird wie üblich mit einer
gewissen Streuung gerechnet.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann