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S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 02.01.2022 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Zyklonale Westlage, windig bis stürmisch, viel Regen und ab Mittwoch deutlich
kälter.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC

Aktuell … herrscht eine zyklonale Westlage vor. Mitteleuropa befindet sich
dabei in einer strammen westlichen Strömung im Bereich des Jets. In dieser
Strömung sind mehrere kleine Tröge eingelagert.

Aktuell zieht eine Welle über die Ostsee ab. Auf ihrer Rückseite hat sich ein
„Wolken- und Niederschlagskopf“ gebildet an dessen Westflanke trockene
stratosphärische Luft absinkt. (Sieh WV-Bild). Im Bereich von schwachen
Niederschlagsechos an der Südflanke des Wolkenkopfes hat sich vermutlich durch
potentielle symmetrische Instabilität streifenförmige Niederschlagsechos
gebildet, an denen Böen bis 88 km/h heruntergemischt wurden. Diese gehen
wahrscheinlich mit einem schwachen Coldjet einher. Diese doch recht interessante
Struktur, die in den Modellen nur schlecht abgebildet war, zieht nun nach Osten
ab, wodurch der Wind dort recht schnell nachlässt.
Ansonsten hat rückseitige eine Kaltfront Deutschland südostwärts überquert,
wobei rückkehrende, erwärmte Polarluft eingeflossen ist. Die 850-hPa-Temperatur
liegt bei etwa 0 °C. Bodennah hat sich die Abkühlung nur wenig bemerkbar
gemacht, da die Schichtung nun deutlich labiler ist. Rückseitig der Kaltfront
gibt es eine breite Subsidenzzone, von der der Südosten Deutschlands derzeit
noch mit Auflockerungen profitiert. Von Westen schieben sich allerdings bereits
die Wolken eines neuen Troges heran, der größtenteils im Bodendruckfeld
auszumachen ist.

Dieser Trog wird Deutschland in der Nacht überqueren. In den hochaufgelösten
Modellen wird besonders vom SuperHD-Modell eine kommartige Struktur simuliert,
die über die Mitte, der Kopf des Kommas über die nördliche Mitte, ziehen soll.
Dabei wird in der Höhe Kaltluft advehiert (500 hPa-Temperatur ~ -29 °C), wodurch
die Schichtung deutlich labialisiert. In den Modelltemps werden dadurch bis zu
300 J/kg MU-CAPE simuliert. Die CAPE-Fläche schmiegt sich eng an den Temp an,
ist aber dennoch sehr hochreichend. Somit muss mit eingelagerten gewittern
gerechnet werden. Ein erstes Gewitter hat sich bereits kurz vor der
niederländischen Grenze aufgelöst. Zusätzlich nimmt der Gradient noch deutlich
zu, sodass ein markanter Low-Level-Jet mit 60 kt auf 850 hPa und immerhin noch
50 kt auf 925 hPa simuliert wird. Die stärksten Böen werden Rückseitig des
„Kommakopfes“ berechnet, wo die Grundschicht am labilsten ist. Von den Modellen
werden in einem breiten Streifen über die Mitte und besonders die nördliche
Mitte stürmische Böen simuliert. In Anbetracht der Höhenwinde und der
vergleichsweise labilen Grundschicht, erscheinen die Modellprognosen etwas zu
verhalten. Sturmböen (Bft 9) sind in der nördlichen Mitte durchaus zu erwarten.
Durch die große Scherung (DLS ~ 30 m/s), können sich die Gewitter besser
organisieren. Schwere Sturmböen in Verbindung mit kleinen Liniensegmenten oder
kurzlebigen Superzellen sind durchaus möglich. Die Low-Level-Scherung ist mit
bis zu 20 m/s relativ hoch. Die Hodographen sind aber vergleichsweise glatt. Bei
niedrigem HKN lassen sich kurzlebige Tornados dennoch nicht ganz ausschließen.
Die Mittelgebirgsgipfel bekommen die volle Kraft des Low-Level-Jets mit
orkanartigen Böen und Orkanböen auf dem Brocken zu spüren. Verglichen damit
verhält sich der mäßige Wind im Südosten, der nur einzelne steife Böen
vorzuweisen hat, moderat. Auch im Norden kommt es zu einer vorübergehenden
Windabschwächung.

Montag … sorgt eine hochreichend zonale und lebhafte Strömung für einen
windigen und wechselhaften Wochenstart. Der Jet verläuft über Süddeutschland,
das steuernde Tief (Kernisobare jetzt sogar 965 hPa) liegt weiterhin über der
Norwegischen See. Mit frischem Südwest- bis Westwind wird nach wie vor labil
geschichtete subpolare Meeresluft advehiert (T850 -2 bis +2°C, T500 um -30°C in
der Nordhälfte), in der es wiederholt zu Schauer und einzelnen Gewittern kommt.
Die Höhenwinde haben sich im Vergleich zur Nacht abgeschwächt, bleiben mit 30
bis 45 kt auf 850 hPa aber immer noch recht stark. Nach einem deutlichen
Windminimum in den Morgenstunden zieht die Böigkeit im Laufe des Tages mit
Aufbau der Grenzschicht deutlich an. Besonders in Schauernähe muss wieder mit
starken Böen, vereinzelt auch mit stürmischen Böen gerechnet werden.
Der Südwesten kommt im Tagesverlauf unter einen Flachen Höhenrücken, der sich
vorderseitig eines Troges über dem Ostatlantik über Frankreich aufwölbt. Dabei
setzt WLA ein. Die Schaueraktivität lässt als Folge dessen dort am Nachmittag
deutlich nach.
In der Nacht zum Dienstag entwickelt sich vorderseitig eines Atlantiktroges ein
Wellentief über dem Norden Frankreichs bzw. je nach Modell auch über dem
Ärmelkanal. Die Warmfront dieses Wellentiefs greift in der Nacht auf den Westen
Deutschlands mit kräftigem Regen über, der auch am Dienstag noch anhält.

Dienstag … sind die Prognosen bezüglich der Welle bzw. des Wellentiefs
weiterhin unsicher. Zumindest haben sich die Modelle bereits in so weit
geeinigt, dass der Kern irgendwo über die Mitte zieht. Da sehr feuchte
subtropische Luftmassen involviert sind, ist mit stärkeren Niederschlägen zu
rechnen. GFS 12z und ECMWF rechnen ein abgeschlossenes Tief mit einer nördlichen
Zugbahn über der Mitte Deutschlands, wobei der Kern im ECMWF etwas weiter
nördlich liegt. Nach beiden Modellen fallen in einem breiten Streifen über der
Mitte 20 bis 40 mm Niederschlag. Im Westen von Rheinlandpfalz und in Teilen des
Saarlandes werden 50 – 70 mm berechnet (UNWETTER). In beiden Modellen wird ein
starker Low-Level-Jet mit bis zu 65 kt auf 850 hPa am Südrand der Welle im
Warmsektor berechnet. Die simulierten Böen bis 100 km/h erscheinen auf Grund der
Stabilität der Grenzschicht im Warmsektor doch als etwas überhöht, wenn auch die
Windgeschwindigkeit durch den Leitplankeneffekt im Süden verstärkt wird.

ICON hingegen rechnet eine offene Welle mit deutlich weiter südlicheren Zugbahn.
Hier wäre zwar auch das Saarland und dessen Umgebung mit über 40 mm betroffen,
das Hauptniederschlagfeld geht aber deutlich weiter südlich durch und würde voll
den Stau des Schwarzwaldes mit bis zu 80 mm treffen. Der Druckgradient und die
Windgeschwindigkeiten sind im ICON deutlich verhaltener, demnach treten am
Alpenrand verstärkt durch den Leitplankeneffekt stürmische Böen, sonst nur
vereinzelt Windböen auf.

Rückseitig der angesprochenen Welle wird eine weitere Kaltfront von Norden nach
Süden geführt. Denn an der Ostflanke eines Atlantikkeils wird die Polarluft über
dem Nordmeer in einer straffen nördlichen Strömung nach Süden advehiert. Diese
Kaltfront überquert im Laufe der Nacht zum Mittwoch den Nordwesten. Die
850-hPa-Temperaturen sinken von Norden her wieder auf unter -5 °C, sodass der
schauerartige Niederschlag an der Kaltfront bis in mittlere Lagen in Schnee
übergeht. Dabei werden aber nur wenige Zentimeter Neuschnee erwartet, da der
Niederschlag in der trockeneren Kaltluft rasch nachlässt.

Mittwoch … kommt es zur weiteren Austrogung über Mitteleuropa. Die Kaltfront
erreicht die Alpen und bringt dort im Stau bis zu 15 cm Schnee. Ansonsten liegt
Deutschland unter Trogeinfluss. In hochreichend kalter maritime Polarluft mit
500 hPa ~ -32 °C bilden sich wiederholt Schnee- Schneeregen und Graupelschauer.
Der Neuschneezuwachs in den Mittelgebirgen bleibt aber gering. Die Höchstwerte
liegen mit 3 bis 7 °C deutlich niedriger. Oberhalb von etwa 700 m gibt es
Dauerfrost. Bei einem immer noch kräftigen Gradienten muss vorwiegend in
Schauernähe mit starken bis stürmischen Böen gerechnet werden.

Modellvergleich und -einschätzung

Da ICON-6 mit der südlichen Variante des Wellendurchgangs alleine steht, sollte
bis auf weiteres die nördliche Variante mit den stärksten Niederschlägen in der
Mitte bevorzugt werden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Christian Herold