SXEU31 DWAV 011800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 01.01.2022 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Übergang zu zyklonaler Westlage; regnerisch, stürmisch und ab Dienstag deutlich
kälter.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC

Aktuell … liegt Mitteleuropa im Einflussbereich eines Höhenrückens, der sich
vorderseitig eines atlantischen Langewellentroges aufgewölbt hat. Seine Achse
zieht derzeit über dem östlichen Mitteleuropa, sodass die Warmluftadvektion bei
uns in den nächsten Stunden allmählich nachlässt. Dabei ist außergewöhnlich
warme subtropische Luft eingeflossen. Die 850- hPa-Temperatur liegt bei etwa 3
°C im Osten und bis 12 °C im Westen. Bodennah hat sich unterhalb der
Absinkinversion feuchte Meeresluft angesammelt, die von der Nordsee um das
Bodenhoch herum geholt worden ist. Durch schwache Hebung an der bereits
durchgezogenen Warmfront ist diese Schicht im Norden und Osten nahezu gesättigt,
was sich in tiefer Bewölkung äußerst aus der örtlich leichter Regen oder
Sprühregen fällt. Der Südwesten befindet sich an der Nordwestflanke des
Bodenhochs. Hier und im Süden ist die Luft etwas trockener, sodass es hier
verbreitet aufgelockert ist.
So gibt es im Süden, dort wo die niedrigeren Taupunkte von ~4 °C vorherrschen,
lokal leichten Frost, der bereits bewarnt wurde. Auf Grund der sehr feuchten
Luft wird sich in den Auflockerungszonen vielerorts rasch dichter Nebel bilden.
In der Nacht zieht der Höhenkeil unter Abschwächung weiter ostwärts. Dadurch
kommen wir zunehmend in den zyklonalen Einfluss des atlantischen Sturmtiefs,
dessen Kern einen Split vollzieht. Die zugehörige Kaltfront, die im thermischen
Feld nur sehr schwach ausgeprägt ist, greift bis zum Morgen mit Regen auf den
Norden über. Sie wird aber von einer schwachen Welle zurückgehalten, richtet
sich zunehmend strömungsparallel aus und gelangt dadurch ins Schleifen. Durch
den zunehmenden zyklonalen Einfluss nimmt der Gradient im Nordwesten deutlich
zu. Auf den Nordwesten greift somit ein markanter Low-Level-Jet mit bis zu 60 kt
auf 850-hpa über, der allerdings durch eine Sperrschicht in der Grundschicht von
dieser entkoppelt bleibt, sodass sich nur spärlich starke Böen bis zum Boden
durchsetzen.

Sonntag … zieht der östliche Tiefkern des steuerenden Sturmtiefs unter
Verstärkung ins Nordmeer, während der westliche Tiefkern die Koppelung zum Jet
verliert und sich dadurch abschwächet. Der Höhenkeil wird nach Osteuropa
abgedrängt. Über Mitteleuropa zonalisiert die Strömung, sodass die Wetterlage in
eine zyklonale Westwetterlage übergeht. Dabei schleift die wellende Kaltfront
über dem Norden Deutschlands. Akkumuliert werden in ihrem Bereich 7-15, l/m²
berechnet.
Erst am Nachmittag setzt sich mit Passage der Welle die Front allmählich nach
Südosten in Bewegung und erreicht gegen Abend die Mitte. Der Süden Deutschlands
wird noch leicht antizyklonal beeinflusst. Die 850-hpa-Temperatur liegt dort
noch bei etwa 10 °C. Bei Sonne und zunehmenden Wind, der durch den
Leitplanken-Effekt intensiviert wird, wird die Grundschicht vergleichsweise
besser durchmischt. Somit sind dort Höchstwerte von bis zu 18 °C möglich.
Ansonsten gelangt Deutschland unter den Einflussbereich des Jets. Auf 850-hpa
liegen die Windgeschwindigkeiten zwischen 40 und 60 kt. Allerdings im Warmsektor
in stabiler Schichtung. Im Bergland treten Sturmböen auf. Auf den Brocken
orkanartige Böen. In welcher stärke sich die Böen in tieferen Schichten
durchsetzen ist noch etwas unsicher. Während MOSMIX und SuperHD im Nordwesten
einzelne 8er-Böen simulieren, ist ICON-D2 dort deutlich defensiver.

In der Nacht überquert uns dann in der zonalen Grundströmung eine weitere Welle
im Bodendruckfeld. Der 850-hPa-Wind erreicht in der nördlichen Mitte
Geschwindigkeiten von 60 kt. Dieses Mal ist die Grundschicht in der
eingeflossenen rückkehrenden Polarluft (850 hPa-temperatur ~0°C) deutlich
labiler geschichtet. Auch auf 500 hPa fällt die Temperatur auf -28 °C. Somit
wird eine schmale aber hochreichende CAPE-Fläche von 100-200 J/kg simuliert.
Dies sollte für Gewitter reichen. SuperHD und ICON-D2 simulieren an der Welle
in der Reflektivität eine kommaartige Struktur, mit höheren Reflektivitäten die
sich von der Eifel bis zum Emsland erstreckt und von dort aus den Norden und die
nördliche Mitte überquert. An eigelagerten Gewittern können Sturmböen auftreten.
Ansonsten werden die höchsten Windgeschwindigkeiten mit verbreitet 70 bis 90
km/h auf der Rückseite der Welle in der labilsten Luft simuliert.
Die Reste der alten Kaltfront erreichen unterdessen den Süden.

Montag … sorgt eine hochreichend zonale und lebhafte Strömung für einen
windigen und wechselhaften Wochenstart. Der Jet verläuft über Süddeutschland,
das steuernde Tief (Kernisobare jetzt sogar 965 hPa) liegt weiterhin über der
Norwegischen See. Mit frischem Südwest- bis Westwind wird nach wie vor labil
geschichtete subpolare Meeresluft advehiert (T850 -2 bis +2°C, T500 um -30°C in
der Nordhälfte), in der es zu schauerartigen Regenfällen (in Staulagen um oder
etwas über 10 l/m² innert 12 h möglich) und einzelnen Gewittern kommt.
In der Nacht zum Dienstag entwickelt sich vorderseitig eines Atlantiktroges ein
Wellentief über dem Norden Frankreichs bzw. je nach Modell auch über dem
Ärmelkanal. Die Warmfront dieses Wellentiefs greift in der Nacht auf den Westen
Deutschlands mit kräftigen Regen über, der auch am Dienstag noch anhält.

Dienstag … sind die Prognosen bezüglich des Welltiefs noch unsicher. Vorallem
seine Zugbahn wird von den Modellen noch unterschiedlich simuliert. Zumindest
haben sich die Modelle bereits in so weit geeinigt, dass der Kern irgendwo über
die Mitte zieht. Da sehr feuchte subtropische Luftmassen involviert ist, ist mit
stärkeren Niederschlägen zu rechnen. ICON-6 rechnet mit über 40 l/m² in den
Staulagen der südlichen Mittelgebirge. Auch der Kerndruck des Wellentiefs ist
noch unsicher. Mit am intensivsten wird es von UKMO-EU simuliert. Hier bildet
sich sogar eine kleine Shapiro-Keyser(SK)-Zyklone mit ausgeprägten
Cold-Conveyor-Jet (CJ), was in der Mitte für schwere Sturmböen sorgen würde. Im
ECMWF ist der Kerndruck noch tiefer. Die SK-Struktur und der CJ sind hier kaum
ausgeprägt. Dafür wird aber ein Warmsektorsturm mit bis zu 50 kt auf 500 hPa
berechnet. Schwächer wird die Zyklone von ICON und GFS gezeigt. Hier ist sie
eine offenere Welle, dennoch aber mit einem Warmsektorsturm im Süden.

Rückseitig dieser Welle wird eine weitere Kaltfront von Norden nach Süden
geführt. Denn an der Ostflanke eines Atlantikkeils wird die Polarluft über dem
Nordmeer straffen nördlichen Strömung nach Süden advehiert. Diese Kaltfront
läuft im Laufe des Tages in die Welle hinein und die 850-hPa-Temperaturen sinken
von Norden her wieder auf unter -5 °C. Das geschieht im GFS deutlich schneller
mit starkem Temperaturgradient zu der subtropischen Luftmasse. (+10 °C auf 850
hPa am Alpenrand und -7 °C über Nordhessen). Der Temperaturgradient facht die
querfrontale Zirkulation an, sodass sich die Niederschläge auch auf der kalten
Seite nochmals verstärken. Kräftige Schneefälle mit bis zu 20 cm wären der Fall.

In allen anderen Modellen lassen die Niederschläge mit Ankunft der 2. Kaltfront
deutlich nach.

Modellvergleich und -einschätzung

Auch wenn die grundlegende Wetterlage eindeutig ist, bleibt der genaue Ablauf
bezüglich der Wellen noch unsicher. Besonders am Dienstag lässt sich
diesbezüglich noch keine klare Linie herausarbeiten. Vieles hängt vom Zeitpunkt
des Eintreffens der polaren Kaltluft ab.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Christian Herold