S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 16.12.2021 um 10.30 UTC

Zu Wochenbeginn von Ost nach West kühler mit Nachtfrost, aber zunächst kaum
Niederschläge.

Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 23.12.2021

Um die großräumigen synoptischen Strukturen besser einordnen zu können, werden
hier zunächst wieder mögliche übergeordnete Faktoren für die derzeitige
Großwetterlage im atlantisch-europäischen Raum (Regime Blocking in Teilen des
Nordatlantiks, nach Einordnung des IFS) ins Spiel gebracht.

Seit Ende November/ Anfang Dezember hatten wir ja bereits einige Lagen mit dem
Regime Atlantischer Rücken (ATR). Ein längerperiodisches Signal (low frequency
base state) im Bereich des äquatorialen Pazifik (La Ninja, nun mit stärkerer
negativer Abweichung der Meeresoberflächentemperatur (SST) im östlichen Pazifik)
und dessen mögliche Auswirkungen wurden bereits in der Übersicht vom 23.11.2021
näher beleuchtet. Derzeit befindet sich zudem die Madden-Julian-Oscillation
(MJO) in der Phase 7, mit der stärksten Amplitude des Signals seit Juli 21. Die
Fachliteratur schreibt über einen Zusammenhang speziell dieser Phase – bei
entsprechender Ausprägung, mit statistisch gesehen höheren Wahrscheinlichkeiten
für NAO negativ.

Vermutlich beobachten wir derzeit eine Einbettung dieses Signals mit kürzerer
Periode (MJO) in ein längerfristig stabiles Signal (La Ninja), was allgemein
gesagt zur Modifikation bzw. Amplifizierung der planetaren Wellen durch
regionalen Eintrag von Wärme und Impuls führen bzw. bestehende Amplifizierungen
regional verstärken kann, was stromab (Atlantik), wenn auch in abgeschwächter
Form, mitunter zu spüren ist.

Für die weitere Entwicklung soll aber auch noch kurz auf den arktischen
Polarwirbel geschaut werden. Dieser ist in der mittleren und oberen wie auch in
der unteren Stratosphäre mittlerweile überdurchschnittlich stabil und lässt sich
zunächst weder durch die MJO noch durch La Nina groß stören. Wobei sich letztere
Einflüsse in Bezug auf regional verstärkte meridionale und vertikale
Wellenflüsse im Bereich des Nordpazifiks eher neutralisieren dürften. Ein
starker MJO-Impuls in Phase 6/7 sorgt in diesem Bereich für verstärkte
Wellenflüsse, die unter bestimmten Bedingungen bis in die Stratosphäre
propagieren, La Nina hingegen mit dem häufig beobachteten synoptischen Pattern
hohes Geopotenzial im N/NO-Pazifik schwächt das Aleutentief, wodurch wiederum
die von dort ausgehenden vertikalen Wellenflüsse in die Stratosphäre insgesamt
reduziert werden. Hier könnte also das physikalische Prinzip des Ausgleichs von
Le Chatelier zum Tragen kommen. Der generell schwächende Einfluss der easterly
Quasi-Biennalen Oszillation (QBO, durch komplexe Wellendynamik) zumindest auf
den Stratosphärischen Polarwirbel (SPV) ist bis dato nicht zu verzeichnen.

Aus dieser Betrachtung folgt die nüchterne Diagnostik, dass aufgrund des zonal
gemittelt recht starken zonalen Antriebs des Polarfront-Jetstreams (PFJ) durch
den derzeit recht starken arktischen Polarwirbel in der oberen Troposphäre und
unteren Stratosphäre über die (erweiterte) Mittelfrist hinaus wieder mit
verstärkten Signalen für NAO positiv gerechnet werden muss (siehe Prognose
IFS/GFS).

Hier noch kurz die unmittelbaren Auswirkungen auf unser Wetter:

Am Sonntag liegt Mitteleuropa zwischen einem Langwellentrog über Nord- und
Nordosteuropa und dem stark amplifizierten Höhenrücken mit einem Schwerpunkt
über den Britischen Inseln. Ein in den Trog eingebettetes kräftiges Tief über
Nordwestrussland streift mit seiner Kaltfront den Nordosten und Osten
Deutschlands. Daran gekoppelt sind nur geringe Niederschläge (im östlichen
Bergland zunehmend als Schnee). Interessanter ist die Windentwicklung durch
vorübergehende Gradientverschärfung in der NO-Hälfte. Stürmische Böen aus
nordwestlicher Richtung sollten auf das Ostseeumfeld beschränkt bleiben, im
östlichen Bergland sind jedoch auch Sturmböen, in exponierten Gipfellagen auch
schwere Sturmböen drin. Die Temperatur in 850 hPa geht bis Montagfrüh auf etwa
-2 bis -3 Grad im Südwesten bis ca. -7 Grad im Nordosten und Osten zurück.

Am Montag und Dienstag ändert sich nichts Wesentliches an der GWL. Der LW-Trog
zieht in Richtung Südosteuropa, wohingegen sich der Höhenrücken über dem
Nordatlantik etwas in Richtung Grönland ausweitet bzw. amplifiziert. Dabei wird
auch dessen Achsneigung leicht negativ. Dieser Umstand ermöglicht es Randtrögen
über Nordeuropa etwas weiter westlich gen Süden zu ziehen. Einer davon (mit
zugehörigem Bodentief) erreicht am Dienstag im Tagesverlauf Norddeutschland und
verursacht mit seinem Frontensystem erneut leichte Niederschläge, die im
Binnenland teils als Schnee fallen. Durch die erneute Gradientverschärfung sind
im Küstenumfeld steife, vereinzelt auch stürmische Böen aus westlicher Richtung
möglich. In der Nacht zum Mittwoch ist in der Nordosthälfte neben Glätte auch
die Ausbildung einer dünnen Schneedecke nicht ausgeschlossen. Nach Süden tritt
häufig mäßiger Nachtfrost auf.

Am Mittwoch und Donnerstag soll nun der Höhenrücken mit seiner Achse etwa
zwischen den Britischen Inseln – Island bis nach Grönland reichen. Gleichzeitig
nimmt der quasistationäre Langwellentrog über Nord- und Nordosteuropa durch
Vergrößerung seiner Wellenlänge eher die Form eines ausgeprägten
Höhentiefkomplexes an (IFS, ICON), wohingegen GFS die Rücken-Trog-Struktur durch
Phasenerhalt der Welle dynamischer und im Verlauf auch etwas progressiver
gestaltet. ICON und IFS hingegen lassen nun den Rücken im Verlauf über dem
Nordatlantik zunehmend in positive Achsrichtung kippen, wodurch der LW-Trog
einerseits zunehmend abgeschnürt wird, sich andererseits auch retrograd in
Richtung Südwesten bewegen soll. Diese Entwicklung würde eine Zunahme der
Niederschlagsneigung bei uns bedeuten (mit Schneewahrscheinlichkeit auch in
tieferen Lagen, bei 850hPa-Temperaturen am Donnerstag von etwa -4 Grad im
Südwesten bis -10 Grad im Osten und Nordosten. Damit ist dort auch Dauerfrost
ein Thema. Im Küstenumfeld sind steife Böen, im östlichen und südlichen Bergland
auch stürmische Böen aus nördlicher bis westlicher Richtung nicht
ausgeschlossen.

Insgesamt wird die beschriebene Variante von IFS und ICON noch etwas kritisch
betrachtet, da aufgrund der weiter oben beschriebenen übergeordneten Faktoren
eher eine Zonalisierung in der erweiterten Mittelfrist (NAO positiv) erfolgen
sollte. Diese Lösung ist in den Clustern des IFS teilweise auch enthalten, wenn
auch in der Minderzahl und mit Block über Grönland und weiter südlich mit zonal
orientierter Strömung (High-over-Low). Sollte allerdings der positiv geneigte
Rücken mit eingekeiltem und retrograden Trog über Mittel- und Westeuropa kommen,
dann sprächen wir nicht nur von einem stationären Block (Gruppengeschwindigkeit
der Welle ostwärts gleich null), auch die Phasengeschwindigkeit der planetaren
Welle (westwärts) würde dann im Verlauf weiter abnehmen (ähnlich wie ein so
genannter REX-Block).

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die Konsistenz des aktuellen IFS-Laufs ist bis zur Wochenmitte recht gut, was
die synoptischen Strukturen, einschl. warnwürdiger Parameter wie z.B. den Wind
betrifft. Ab Mittwoch weicht IFS mit der retrograden Entwicklung eines
Randtroges über Mitteleuropa von den Vorläufen deutlicher ab. Diese Entwicklung
könnte u.a. für etwas mehr Niederschläge in unserem Bereich sorgen. Aufgrund des
Vorhandenseins auch anderer synoptischer Lösungen in den gruppierten Clustern
des IFS sollte das noch mit Vorsicht zu genießen sein.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Der Vergleich mit anderen Globalmodellen wie ICON und GFS wurde bereits in den
Text weiter oben eingebaut. Im Übrigen nimmt die Divergenz der Lösungen ohnehin
erst zur Wochenmitte deutlicher zu.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Clusteranalyse des IFS ergibt folgende Ergebnisse: Bei
t +120…+168 sind zunächst keine größeren Unterschiede in der großräumigen
Synoptik zu finden, wobei sich Lage und Ausprägung des Höhenrückens beginnen zu
unterscheiden – Cluster 3 lässt z.B. den Block (nahezu ohne Achsneigung) bereits
komplett über Grönland, mit südlich verschobener Frontalzone, bei weiterhin NAO
negativ. Cluster 2 deutet dagegen auch schon die positive Achsneigung an, mit
entsprechender Amplitude und Neigung zur retrograden Entwicklung.

Bei t+192…+240 h verstetigt sich diese grob gesagte Zweiteilung der möglichen
synoptischen Muster. Die Anzahl der Cluster erhöht sich auf fünf und es tauchen
Hybridlösungen im Vergleich zu ICON und GFS auf (teils mit progressiver
Wellenentwicklung). Diese Progressivität könnte im Übrigen auch auf eine
Verschiebung des Blocks in Richtung Skandinavien bzw. Europeen Blocking
hinauslaufen. Hier sind doch noch recht viele Fragezeichen.

Bezüglich der Rauchfahnen soll eine Kurzanalyse anhand einer Referenzstation,
etwa in Mitteldeutschland (Thüringen) gelegen, erfolgen:

Die 850 hPa-Temperatur sinkt mit geringem Spread bis Dienstag/ Mittwoch auf etwa
-7 bis -8 Grad. Danach bleiben Haupt- und Kontrolllauf im Keller (vorübergehend
wird auch die -10 Grad angekratzt), während der größte Memberspread nach oben
hin besteht.

Im Hinblick auf die Niederschlagsneigung ist bis Dienstag sehr wenig zu finden,
ab Wochenmitte ist der Memberspread entsprechend da, aber Haupt- und
Kontrolllauf bleiben weiterhin bei recht geringen Niederschlagsmengen.

Bezüglich Geopot in 500 hPa ist ein nahezu stetiger Abfall zu verzeichnen, mit
relativ wenig Spread selbst um die Wochenmitte.

Damit sind keine wesentlichen Widersprüche zu dem bereits Gesagten zu
verzeichnen.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Am Sonntag sind vornehmlich an der Ostsee stürmische Böen (Bft 8) aus
nordwestlicher Richtung wahrscheinlich. Im östlichen Bergland ebenso, in höheren
Lagen Bft 8 bis 9, auf exponierten Gipfeln auch Bft 10 (schwere Sturmböen).

Am Dienstag und Mittwoch sind im Küstenumfeld sowie im Bergland stürmische Böen
(Bft 8), vorwiegend aus westlicher Richtung gering wahrscheinlich.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS, ICON, GEFS, NOAA, MOSMIX

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Dr. Jens Bonewitz