#DWD -> #SYNOPTISCHE UEBERSICHT #MITTELFRIST Sonntag, den 28.11.2021 um 10.30 UTC
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 28.11.2021 um 10.30 UTC
Wechselhaft, anfangs stürmisch und nass-kalt. Bergland winterlich.
Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 05.12.2021
Bezüglich der Ausführungen von gestern hat sich nicht viel geändert. Noch immer
deutet sich zwar vorübergehend eine Zunahme der stratosphärischen Wärmeflüsse in
den gestern genannten Regionen an, aber wie bereits erwähnt scheinen sich die
Auswirkungen auf den Polarwirbel in der Stratosphäre sehr in Grenzen zu halten.
Durch die Konvergenz des meridional ausgerichteten zonalen Impulsflusses
schwächt sich die zonale Strömung zwar im Übergangsbereich zwischen Troposphäre
und Stratosphäre etwas ab, doch je nach Modell springt dabei nur ein schwaches
„displacement“ mit einer Höhenantizyklone über den Aleuten heraus. Für solch
moderate Störungen ist der Polarwirbel in der Stratosphäre bereits zu kräftig
ausgeprägt (oberes Terzil der bisher beobachteten Intensitäten), als dass er
darauf deutlicher reagieren würde. Weiterhin scheint der troposphärische
Polarwirbel einerseits nordwärts in Richtung Laptewsee zu ziehen und sich zudem
in einen zweiten Ast über dem kanadisch-arktischen Archipel aufzuspalten, sodass
sich das „Kaltluftreservoir“ zunehmend vom Nordpol/Arktischen Ozean in Richtung
Kanada und Asien verlagert. Diese Entwicklung, einhergehend mit einem
Polarwirbel in der Stratosphäre, der nahe an der Kategorie „stark“ kratzt, ist
kein gutes Vorzeichen für den deutschen Winter. Numerische Simulationen mit
dieser Art von Konfiguration deuten auf ein anormal warmes Eurasien hin und naja
- die jüngste IFS Vorhersage für den Zeitraum Anfang bis Mitte Dezember sieht im
eurasischen Sektor positive 2m Temperaturabweichungen von 3 bis 6 Kelvin oder
mehr.
Gestern wurde noch optional ein kleines Zeitfenster angedeutet, wo um Nikolaus
herum vor Ausbildung des kanadischen Polarwirbels in der Troposphäre ein
kurzes/kleines winterliche Intermezzo in Deutschland stattfinden könnte. Ganz
abschreiben sollte man es noch nicht, denn mit günstiger synoptischer
Konstellation ist dies noch möglich, doch spätestens nach der Clusteranalyse
erkennt man, dass auch diese Option immer unwahrscheinlicher wird. Mittlerweile
sieht es gar so aus, dass eine Rückseitenepisode in dieser Mittelfrist von
Freitag auf Samstag „winterlicher“ ausfallen könnte. Mehr kann man nicht
erwarten, denn in der erweiterten Mittefrist scheint der Atlantik endgültig in
die Gänge kommen zu wollen.
Wenden wir uns aber nun der Mittelfrist zu (Mittwoch, den 1.12. bis Sonntag, den
5.12.):
Mittwoch und Donnerstag stehen unter dem Einfluss einer umfangreichen
Langwellentrogpassage, die zudem von einer kräftigen Zyklogenese begleitet wird,
die Dänemark/Südschweden mit einem ENS gemittelten Wert von rund 985 hPa
passieren sollte. Nimmt man den ENS spread des 300 hPa Geopotenzials zu Hilfe,
so erkennt man noch größere Unsicherheiten entlang der Westflanke des Troges,
sodass noch nicht abschließend geklärt ist, wie weit der Trog seine Amplitude
vergrößern wird. Mittlerweile scheint aber ein Erfassen Nordafrikas recht sicher
zu sein. Interessant ist auch, dass im Bodendruck und 850 hPa Geopotenzial-/und
Windfeld an der Westflanke des Tiefdruckgebietes erhebliche Unsicherheiten
bestehen. Schaut man sich die zyklonalen Vorticityfelder der letzten 3 Läufe von
IFS an so sieht man, dass das Modell (IFS) an einer Kernspaltung bastelt oder
wenigstens an einer markanten niedertroposphärischen Trogachse. Diese Option
könnte sich auf das Windfeld auswirken (zeitliche Verlängerung und regionale
Verschärfung bei Durchschwenken der Bodentrogachse), aber auch auf eine
„gesunde“ Kaltfrontpassage hindeuten.
Auf jeden Fall regnet es am Mittwoch im Warmsektor immer wieder etwas, in
Staulagen der zentralen westlichen Mittelgebirge auch etwas mehr
(Schneefallgrenze bei 800 bis 1200 m), während es nach Südosten zu bis weit in
den Tag meist trocken bleibt. In der Nacht zum Donnerstag erfolgt dann von
Norden die Kaltfrontpassage mit einer präfrontalen Schneefallgrenze von 600 bis
800 m – postfrontal bis in tiefe Lagen absinkend (inklusive Abtrocknung).
Am Donnerstag und Freitag sollte postfrontale „Winterstimmung“ anzutreffen sein,
verharren die Höchstwerte am Donnerstag im Norden und am Freitag abgesehen vom
Westen fast deutschlandweit bei T85 von (vorübergehend) rund -6 bis -9 Grad nur
wenig über dem Gefrierpunkt und vielleicht fällt hier und da ein schwacher
Schneeschauer – im Tiefland jedoch ohne große „Liegenbleiboption“. Vielleicht
können sich im Nordstau der zentralen Mittelgebirge regional wenige Zentimeter
Neuschnee ausgehen. Ab Donnerstagnachmittag und -abend lockert die Bewölkung
dank eines progressiven Bodenkeils rasch auf. Die Nächte zum Freitag und Samstag
werden dann teils klar und frostig kalt, wobei auch mäßiger, über Schnee auch
strenger Frost ein Thema werden könnte. Winterlicher wird es in dieser
Mittelfrist nicht mehr.
Bezüglich des Niederschlags quält sich am Donnerstag die Kaltfront weiter zu den
Alpen und lässt dort nachmittags und abends zunehmend die Schneefallgrenze
absinken. Im Alpenstau „droht“ eine flockenreiche Nacht zum Freitag (5 bis 10 cm
Neuschnee in 12h). Freitag tagsüber klingen diese Stauniederschläge rasch ab.
In der Folge trifft der nächste Langwellentrog ein, allerdings mit
vergleichsweise kürzerer Amplitude und daher recht progressiv. Wo und wann
entsprechende Zyklogenesen ansetzen ist noch sehr unsicher, sodass aus heutiger
Sicht spätestens in der Nacht zum Samstag von Westen wieder Niederschläge
einsetzen. Sollte sich dieses timing bestätigen, dann könnte in Süddeutschland
das Thema „Glatteis“ auf die Agenda rücken. Aber noch sind die Sprünge in der
Numerik zu groß, um hier auf Details einzugehen.
In der erweiterten Mittelfrist, zum Niklaus, kommt dann das angesprochene kurze
Zeitfenster, wo rückseitig des ostwärts abziehenden Wellentroges und beginnender
Keilaufwölbung über dem Nordatlantik ein kleines winterliches Intermezzo zwar
grundsätzlich möglich erscheint, doch macht man sich nichts vor – die Numerik
sieht immer pessimistischer aus. Wie genau es danach weitergeht ist noch
unsicher und kann mit dem Begriff „chaotisch“ umschrieben werden.
Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Bis einschließlich Freitag wird die zyklonal geprägte Mittelfrist (Mittwoch bis
Sonntag) sehr gut erfasst. Dieser Abschnitt umfasst die Passage eines
Langwellentroges von West nach Ost, einhergehend mit einer kräftigen Zyklone,
die am Mittwoch Dänemark ostwärts passiert. Das ENS sieht mittlerweile eine enge
Bündelung der Member, wobei der Kerndruck zwischen 980 und 990 hPa schwankt.
Erneut deuten die kräftigeren Memberlösungen eine leicht nördlichere Zugbahn an,
doch auch das Windfeld ist im ENS output mittlerweile gut gebündelt und zeigt
den Schwerpunkt über der Deutschen Bucht bis zur südlichen Ostsee (Bft 8-9,
vereinzelt Bft 10 und selbiges auf Kammlagen im Binnenland, wobei auf dem
Brocken auch die Bft 11 fallen kann).
In der Folge (zum Wochenende) greift der nächste Trog mit kürzerer Amplitude auf
Mitteleuropa über und hier divergieren die Läufe zunehmend. Grund hierfür ist,
dass bisher stromauf in Richtung Nordamerika und Nordpazifik noch eine größere
Unsicherheit bestand bzw. wiederholte Korrekturen der Trog- und Keilachsen
stattfanden (Lage/Intensität). Seit 2 Läufen stabilisiert ich dies etwas,
allerdings wirkt sich diese „Beruhigung“ vorerst nur bis auf den Nordatlantik
aus. Insofern besteht die Hoffnung, dass die nun fortwährende Korrektur des
zweiten Langwellentroges nach Westen (über Mittel- und Westeuropa) in den
kommenden Läufen abebbt. Im ENS ist auch noch kein richtiger Fokus des
Bodentiefs auszumachen, das den Trog begleitet – ein sehr diffuses Memberfeld.
Sicher scheint ein erneutes Übergreifen von Tiefdrucktätigkeit auf weite
Bereiche Mitteleuropas zum Wochenende zu sein, sodass der wechselhafte und mit
der zweiten Trogpassage auch vorübergehend etwas kältere Wetterabschnitt vorerst
weitergeht.
Vergleich mit anderen globalen Modellen
Beim Blick auf die internationale Modellpalette ergibt sich ein ähnliches Bild,
wobei jedoch hier die Modelle bereits in der Nacht zum Freitag zu divergieren
beginnen. Die von Westen dann hereinlaufenden Wellen zeigen gröbere Amplituden-
und Phasenverschiebungen auf, sodass hier noch Vieles möglich ist. Da zugleich
auch der Polarfrontjet über dem Nordatlantik immer kräftiger wird nimmt auch die
Dynamik weiter zu, sodass bereits kleinste Diskrepanzen stromab sehr große
Unsicherheiten übe Europa hervorrufen. Grundsätzlich verläuft der Beginn der
Mittelfrist und das Wochenende aber bei allen Modellen wechselhaft.
Bewertung der Ensemblevorhersagen
Die Clusteranalyse beginnt mit 3 Clustern (C) und dem klimatologischen Regime
„Atlantikrücken“, wobei sich der Kontrolllauf und der det. Lauf (K/D) jeweils im
ersten Cluster befinden.
Die Unterschiede innerhalb der Cluster sind mit Blick auf Deutschland
vernachlässigbar.
In der Folge nimmt die Zahl der Cluster auf 4 zu, wobei das klimatologische
Regime „Atlantikrücken“ noch überwiegt (K und D in C1). Hier zeigen die Cluster
für den zweiten Trog Anfang Dezember noch eine recht einheitliche Lösung,
während stromauf in Richtung Nordatlantik/Grönland und Neufundland die
Diskrepanzen rasant zunehmen. Während gestern die Mehrheit der Cluster für das
kommende Wochenende noch eine kräftige positive Geopotenzialanomalie südlich von
Grönland zeigten, wurde diese in der aktuellen Clusteranalyse etwas nach Süden
gedrückt. Gleichzeitig wird der Trog über Kanada immer rascher nach Osten
gebracht, sodass letztendlich von einer einst kräftigen Keilaufwölbung in C1, C2
und C4 gen Grönland nur noch ein schwaches Keilresiduum übrigbleibt. Nur C3
zeigt die intensive Aufwölbung, aber um das in Prozenten auszudrücken – die
Wahrscheinlichkeit für solch eine Lösung liegt nun bei unter 25%.
In der Folge nimmt die Zahl der Cluster auf 5 zu, wobei nur 2 die Blockierung
stützen, während sonst rasch von Westen der nächste Trog übergreift. Immerhin
steigt die Zahl der Lösungen für ein winterliches Intermezzo auf rund 35%.
Abgesehen davon ergeben sich im Übergangsbereich Mittelfrist-erweiterte
Mittelfrist für Deutschland Lösungen von Sturm bis hin zu einer Keilpassage und
das Chaos nimmt in der Folge weiter zu. Der einzige Hinweis, den man hier
neutral liefern kann: die Cluster deuten einige deftige Sturmlagen für
West-/Nordwesteuropa an. Mal abwarten, wie sich das manifestiert.
Bei den Meteogrammen bzw. Rauchfahnen gibt es im Vergleich zu gestern kaum etwas
Neues zu berichten – vielleicht, dass der Kontrolllauf und HRES Lauf insgesamt
besser in die Memberschar eingebettet sind. Ansonsten wird eine wechselhafte und
kühle Mittelfrist gezeigt. Der Mittwoch befindet sich mit Blick auf den Wind
bereits auf einem sich abschwächenden Ast. Was auffällt ist, dass die
Schneeoptionen für den Westen und die Mitte im Vergleich zu gestern mit der
Frontpassage zum Samstag besser aussehen, was auch mit einem kälteren
Temperaturniveau am Vortag bzw. in der vorherigen Nacht zusammenhängt.
Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
WIND:
Ganz klar steht hier der MITTWOCH im Fokus. Dank des neutral bis leicht labil
geschichteten Warmsektors dürfte die Durchmischung abgesehen vom Süden
deutschlandweit für steife bis stürmische Böen aus Südwest bis West gut sein
(Bft 7-8) sowie für Sturmböen im Bergland und über der See (Bft 9). Exponiert
(z.B. Brocken) kann man noch 1 bis 2 Bft draufschlagen. Insgesamt wird dieses
Windfeld von IFS-ENS und ICON-EPS recht homogen herausgearbeitet. Interessant
scheint noch die Windentwicklung am Abend über der Deutschen Bucht zu sein, was
mit der angesprochenen optionalen Bodentrogachse/Randtiefentwicklung
zusammenhängen dürfte. Dabei gehen die Maxima in beiden Modellen über der See
auf Bft 11-12 und beide Ensembles tragen auch Bft 9-10 Böen bis nach
Bremen/Hamburg. Im CDF Diagramm äußert sich diese Option entlang der Elbmündung
nur durch eine scharfe Spitze jenseits des Modellklimamaximums, aber natürlich
wird solch eine feine synoptische Struktur im Ensemble nicht ausreichend
aufgelöst. Insgesamt nimmt der EFI deutschlandweit von Lauf zu Lauf etwas zu,
sodass die eher flächige Ausgabe markanter Windwarnungen entlang und nördlich
der zentralen Mittelgebirge immer wahrscheinlicher erscheint.
In der Folge gibt es keine weiteren Signale im EFI bzw. nur diffuse zum Ende der
Mittelfrist. Allerdings treten über der See und im Bergland immer wieder
markante Böen im Bereich Bft 8 bis 9 auf, auf dem Brocken zeitweise auch mehr.
SCHNEE:
Hier zeigen sich keine richtigen EFI-Signale. Einzig zum Wochenende ergeben sich
nach aktueller synoptischer Konstellation Optionen, die einen leicht positiven
EFI/SOT im Westen erzeugen. Hier sind jedoch die Unsicherheiten noch sehr hoch.
Abgesehen davon kann es im Alpenstau zeitweise Neuschneemengen im Grenzbereich
gelb/ocker geben.
GLÄTTE/GLATTEIS:
Mit Frontpassage am Samstag wäre nach aktuellem timing gefrierender Niederschlag
in Süddeutschland eine regionale Option. Viel hängt von der präfrontalen
Auskühlung sowie der Intensität und dem timing der Front ab, sodass dies aktuell
nur ein allgemeiner Hinweis ist.
Winterliche Straßenglätte muss Nacht für Nacht bewertet werden, sollte jedoch
aus heutiger Sicht nicht markant ausfallen.
Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, GEFS, MOSMIX (angepasst)
VBZ Offenbach / Dipl. Met. Helge Tuschy