#DWD -> #SYNOPTISCHE UEBERSICHT #MITTELFRIST Dienstag, den 23.11.2021 um 10.30 UTC
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 23.11.2021 um 10.30 UTC
Zunehmend nasskalt, v.a. im Bergland winterlich.
Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 30.11.2021
Im atlantisch-europäischen Raum herrscht zum Beginn der Mittelfrist die
Großwetterlage (GWL) Atlantischer Rücken (ATR) vor bzw. hat sich verstetigt. Das
IFS hatte in seiner erweiterten Prognose für die Wahrscheinlichkeit des
Auftretens bestimmter Wetterregime bereits seit geraumer Zeit für Ende November/
Anfang Dezember diese GWL favorisiert (siehe Weather Regime Frequency IFS,
Balkendiagramm). Ein indirekter Einflussfaktor (bzw. Prädiktor) auf diese
Indizierung könnte die aufkommende La Ninja im östlichen und zentralen
äquatorialen Pazifik gewesen sein. Führt doch letztere im Nordostpazifik oft zur
Ausprägung hohen Geopotenzials, wodurch grob gesagt die zirkumpolare planetare
Welle auch stromab über dem Atlantik modifiziert bzw. amplifiziert werden kann.
Je nach Art der La Ninja, also entweder Ostpazifik-La Ninja oder
Zentralpazifik-La Ninja kann sich entsprechend die Phase der langen Wellen
(Pazifik/ Atlantik) verschieben. Damit einhergehend kann der NAO-Index zeitweise
negativ werden (siehe aktuelle Prognose) bzw. können sich derartige Lagen wie
Atlantischer Rücken auch wiederholt einstellen bzw. regenerieren (siehe aktuelle
Vorhersage der Weather Regime Frequency IFS vom 22.11.21, wonach diese GWL
zumindest bis zum Beginn der zweiten Dezemberwoche wahrscheinlicher sein soll
ggü. anderen GWL).
Ein anderer Faktor für die Persistenz bestimmter GWL ist auch der Zustand des
Polarwirbels (sowohl in der oberen Troposphäre als auch in der Stratosphäre).
Diesbezüglich lässt sich vermelden, dass der Polarwirbel in der oberen
Troposphäre und unteren Stratosphäre derzeit etwas angefressen wirkt, auch
aufgrund der weiter oben beschriebenen Amplifizierung der langen Wellen. Schaut
man allerdings auf die Prognosen, so soll sich der Polarwirbel doch noch etwas
regenerieren und damit die Westwinddrift im Bereich der etwas nach Norden
verschobenen Frontalzone anfeuern. Das würde auch die Prognose für NAO positiv
(gem. NOAA/GFS) in der erweiterten Mittelfrist zumindest teilweise erklären (lt.
GFS so ab 05./06.Dezember).
So, nach den übergeordneten Faktoren kommen wir nun zur aktuellen Mittelfrist,
die gemäß Modellwelt im Groben mittlerweile doch recht harmonisch aussieht.
Am Freitag stellt sich der Atlantische Rücken mit hohem Geopotenzial über dem
mittleren Nordatlantik nun mit recht großer Amplitude auf. An seiner Ostflanke
rauscht ein ebenfalls stark amplifizierter Langwellentrog mit der Trogachse in
Richtung Britische Inseln. Ein zugehöriges kräftiges Bodentief etwa über dem
Nordmeer hat wohl zum Abend den Höhepunkt seiner Vertiefung mangels weiterer
Advektionen (etwa 975 hPa Kerndruck, dann bei Schottland, im Verlauf nahezu
senkrechte Achsneigung zum Höhentief) erreicht. Im Westen und Nordwesten
Deutschlands steuert das Tief recht feuchte Luft ein. Im Nordseeumfeld verstärkt
sich der Druckgradient, was dort zu stürmischen oder Sturmböen führt.
Währenddessen verlagert sich das Höhentief über dem westlichen Mittelmeer nach
Italien, wobei es allmählich in den Bereich des südwärts amplifizierenden
Langwellentroges gelangt. Das Bodentief zieht derweil nach Norditalien und
verstärkt sich unter nun günstigeren mitteltroposphärischen Hebungsbedingungen
etwas. Gleichzeitig bildet sich im Grenzbereich von Tschechien und Polen ein
neues Tief. Ausläufer dieser beiden Tiefdruckgebiete beeinflussen den Südosten,
ggf. auch den Osten Deutschlands. Zwischen dem Schottland- und dem
Mittelmeertief wird von Nordwesten kühle Meeresluft mit T850 hPa von -4 bis -6
Grad nach Deutschland geführt.
Am Samstag weitet sich der Trog von den Britischen Inseln nach Frankreich und
ins westliche Mittelmeer aus, das Drehzentrum steuert Benelux an. Das Bodentief
füllt sich allmählich wieder auf. Derweil verstärkt sich ein im Trog
eingebettetes Bodentief über dem Nordmeer und bildet voraussichtlich einen Dipol
mit gemeinsamem Drehzentrum. Die Fronten des Tiefs greifen auf Deutschland über.
Das andere Tief macht sich derweil über Polen auf den Weg zum Baltikum und
verliert seinen Einfluss auf Deutschland. Es sorgt im Süden und Südosten aber
für einen leichten Temperaturanstieg auf -3 bis -1 Grad in 850 hPa, im Norden
und Westen bleibt es mit -4 bis -6 Grad kühler. Die Schneefallgrenze liegt bei
ca. 400 bis 600 m. Im Westen und Südwesten macht sich die Nähe zum Bodentief
über Benelux mit teils stürmischen Böen bemerkbar.
Am Sonntag stößt der Trog unter weiterer Verkürzung seiner Wellenlänge und
leichter Ostverlagerung ins westliche und zentrale Mittelmeer vor und löst dabei
eine Mittelmeerzyklogenese im Golf von Genua aus. Über Mitteleuropa verstetigt
sich die Wetterlage Tief oder auch Trog Mitteleuropa. Die 850 hPa-Temperatur
geht bis zum Abend auf -4 bis -7 Grad zurück. So kann auch die Schneefallgrenze
noch etwas absinken. Mit Ausnahme des Nordseeumfelds wird der Sonntag dann eine
nasskalte, vor allem im Bergland winterliche Angelegenheit.
Am Montag und Dienstag strafft sich die Frontalzone über dem Nordatlantik und
der ausgeprägte Höhenrücken muss etwas nach Süden weichen. Damit einhergehend
wird die Blockadehaltung etwas gelockert und unser Langwellentrog kann sich bei
aufkommender zyklonaler Nordwestlage regenerieren und muss somit nicht über dem
Mittelmeer abtropfen. Die Straffung der Frontalzone etwa von Grönland bis nach
Mittel- bzw. Südosteuropa bewirkt aufgrund höherer Baroklinität somit auch eine
Zunahme der nordwestlichen Strömung (bodennah und in der Höhe), was sich in der
Folge auch in der Phasenverschiebung des Langwellentroges äußert, der nun
östlich von uns bis zum Schwarzen Meer verläuft. Vom Nordatlantik rückt ein
neuer, noch nicht allzu amplifizierter Trog nach, wobei auf dessen Vorderseite
am Dienstag von Nordwesten (wohl vorübergehend) mildere Luft herangeführt wird
(850 hPa-Temperatur dann etwa +2 bis +4 Grad im Nordwesten ggü. -2 bis -4 Grad
im Südosten).
Für den Bereich der erweiterten Mittelfrist soll sich laut IFS-EPS die GWL
Atlantischer Rücken zumindest teilweise regenerieren. Demgegenüber amplifiziert
sich der nachrückende LW-Trog erneut von Nordskandinavien bis etwa nach
Norditalien, wobei auch dessen Wellenlänge durch einbezogene Randtröge noch
anwachsen soll. Für Mitteleuropa könnte dies zunächst die Fortdauer bzw.
Neuauflage des nasskalten, zuweilen auch winterlichen Wettercharakters bedeuten,
wobei auch dort noch mehr Unsicherheit besteht als von den Modellen bzw.
EPS-Prognosen in ihrer Konsistenz suggeriert wird.
Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Der neue Lauf des IFS weist bis Anfang nächster Woche eine recht gute Konsistenz
auf. Die Großwetterlage Atlantischer Rücken bzw. Trog Mitteleuropa verstetigt
sich. Dadurch sind sowohl die Prognosen der Temperatur als auch der
Niederschläge recht gut einzuschätzen. Unsicherheiten bestehen eher auf der
kleinräumigen Skala als auf der synoptisch-skaligen Entwicklung.
Vergleich mit anderen globalen Modellen
Die beschriebene großräumige synoptische Entwicklung wird auch von anderen
Globalmodellen wie GFS oder ICON bis zum Ende der Mittelfrist weitgehend
mitgetragen.
Bewertung der Ensemblevorhersagen
Die Cluster des IFS (t+120…+168 h) weisen drei gruppierte Clustergruppen auf,
die sich sowohl von der GWL als auch Rücken-Trogstrukturen nicht wesentlich
unterscheiden. Fraglich bleibt wie beschrieben die Amplifizierung und zonale
Verlagerung der synoptischen Strukturen.
Der Zeitschritt t+192…+240 h weist nur noch ein gruppiertes Cluster auf –
zunächst mit dem Muster Nordwest zyklonal, später vsl. erneut Trog Mitteleuropa.
Diese weiterführende Tendenz ist nichstdestotrotz als relativ unsicher
einzuschätzen (siehe Beschreibungen weiter oben). Wenn man dann noch den Blick
über die zehn Tage hinaus wagt (t+264…360), dann werden uns doch auch
Clusterlösungen mit einer lebhaften und mehr zonal ausgerichteten Frontalzone
präsentiert (entspricht NAO positiv).
Bei den Rauchfahnen wird aufgrund der zu erwartenden Wetterlage ein
repräsentativer Ort, etwa in der südlichen Mitte Deutschlands gewählt:
Hier sieht man einen klaren Trend zum Absinken der 850 hPa-Temperatur zumindest
bis Montag (auf etwa -6 Grad, enge Bündelung von Haupt- und Kontrolllauf,
relativ geringer Spread). Danach soll die 850-hPa-Temperatur relativ stark
ansteigen, allerdings bei großem Spread der Member. Auch die nachfolgende
erneute Abkühlung ist drin, allerdings auch mit breitem Spektrum der einzelnen
Member.
Beim Niederschlag gibt es von Samstag bis nächsten Donnerstag starke Signale für
leichte bis mäßige Niederschläge.
Beim Geopotenzial in 500 hPa ist das markante Absinken bis zum Sonntag
unstrittig, der Geopotanstieg ab Dienstag soll vorübergehend sein, mit der
beschriebenen Unsicherheit. Danach sieht es nach einem Auf und Ab in der
erweiterten Mittelfrist aus, das könnte die Tendenz zu NAO positiv etwas
bekräftigen.
Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
Am Freitag sind im Nordseeumfeld stürmische Böen oder Sturmböen (Bft 8 bis 9) zu
erwarten.
Von Samstag bis Dienstag sind in Alpennähe, Schwarzwald, später auch in den
Mittelgebirgen (von West nach Ost) gebietsweise markante Schneefälle
wahrscheinlich.
Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS, GEFS, ICON, MOSMIX, NOAA
VBZ Offenbach / Dipl. Met. Dr. Jens Bonewitz