SXEU31 DWAV 081800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 08.11.2021 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Gediegene Hochdrucklage mit jahreszeitüblichen Grenzschichtproblemen und nur
wenig Schmackes.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC

Aktuell … stehen die Zeichen in weiten Teilen Mitteleuropas und somit auch in
Deutschland auf Hochdruckeinfluss. Dabei schiebt sich nicht nur immer mehr ein
schöner Höhenrücken von Westen her zu uns rein, nein, auch am Boden nimmt das
Druckfeld immer antizyklionalere Konturen an. Einerseits erfolgt von der Biskaya
und Frankreich her eine stetige Kräftigung des über Deutschland weit nach Osten
reichenden Keils (SILVI), andererseits steigt der Luftdruck auch von Nordeuropa
her. Konkret, das heute Morgen mit seinem Schwerpunkt noch über dem nördlichen
Skandinavien positionierte Hoch TILDA wandert zur südlichen bzw. südöstlichen
Ostsee, von wo aus es immer stärker Fühlung zum o.e. Keil aufnimmt.

Angesichts solcher Rahmenbedingungen haben zyklonale Strukturen im Allgemeinen
und Tiefs im Besonderen schwer, einen Fuß in die atmosphärische Tür zu bekommen.
Dabei weist die großräumige Wetterkarte durchaus ein paar prominente Vertreter
der zyklonalen Kaste auf. Exemplarisch seien an dieser Stelle das mediterrane
Tief BLAS sowie die nordwesteuropäische Sturmzyklone STEPHANE erwähnt. Ersterer
wird in den nächsten Tagen einigen Anrainern des westlichen Mittelmeers ´ne
Menge Regen bringen, während zweiterer rund um Island respektive zwischen Island
und Norwegen für ein gewisses Quantum an Aufruhr verantwortlich zeichnet. Bei
uns hingegen sind die Einflüsse des Herrn STEPHANE nur peripherer, wie die
weiteren Ausführungen beleuchten werden.

Zunächst mal widmen wir uns der kommenden Nacht zum Dienstag, in der sich die
frisch eingeflossene polare Meeresluft (T850 heute Abend um 0°C) weiter
stabilisiert. Die Absinkinversion wird sukzessive immer weiter nach unten
gedrückt und findet sich am Morgen in weiten Landesteilen um 800 hPa wieder (im
Süden tendenziell eher tiefer). Im Norden und Osten fällt vor allem vor
Mitternacht hier und da noch etwas Regen oder Nieselregen, bevor es später mehr
und mehr abtrocknet. Allerdings dauert von der Nordsee her die Zufuhr starker
Bewölkung an (leichte WLA), was aber immerhin eine frostfreie Nacht garantiert.
Davon kann im Süden und Südwesten – quasi südlich der zonal exponierten
Divergenzachse – nicht die Rede sein. Bei Aufklaren kühlt es ab in den leichten
Frostbereich bis -3°C, in den Alpentälern z.T. noch darunter. Darüber hinaus
bildet sich insbesondere im Süden und in der Mitte Nebel bzw. Hochnebel, zum
Teil löst sich die tiefe SC-Bewölkung vom Tage auch gar nicht auf. Vor diesem
Hintergrund gilt es auch zu berücksichtigen, dass vielleicht nicht überall in
den frostbewarnten Regionen die Temperatur auch tatsächlich in den negativen
Bereich zurückgeht. Der Wind spielt keine große Rolle, lediglich auf einigen
Schwarzwaldhöhen kommt mit Hilfe von Low-Level-Effekten die Bise etwas in Fahrt,
was unter dem Strich Böen der Stärke 7-8 Bft um Ost zur Folge hat.

Dienstag … verlagert sich das Zentrum des doppelnamigen Bodenhochs
(Verschmelzung von SILVI und TILDA) in die Region zwischen Baltikum und dem
nördlichen Balkan (zur Mittagszeit etwas über 1030 hPa). Damit gelangen wir auf
die „warme“ Westflanke des Hochs, auf der es – teils advektiv, teils
absinkbedingt – zu einem signifikanten Anstieg der 850-hPa-Temperatur kommt. Bis
zum Abend geht´s hoch auf 3 bis 8°C, im südlichen Alpenvorland bis zu 10°C. Das
Druckfeld bleibt stark antizyklonal geprägt durch einen kräftigen, nach Westen
gerichteten Keil, der quasi das o.e. Hoch mit weiterhin hohem Luftdruck (relativ
gesehen) über der Biskaya und dem Seegebiet westlich davon verbindet.

Da auch das Geopotenzial trotz beginnender Abflachung und leichter Progression
des Rückens (am Abend erreicht die Hauptachse Polen und Tschechien) hoch bleibt
und in weiten Landesteilen für Absinken sorgt (die Inversion wird immer weiter
nach unten gedrückt, im Süden auf 900 hPa oder noch darunter), steht einem
weitgehend antizyklonal geprägten Dienstag nichts im Wege. Weitgehend? – Jo, im
äußersten Norden und Nordwesten, quasi von den Ost- zu den Nordfriesen und
vielleicht noch hinüber bis zu den Angeln machen sich weiterhin leichte WLA
sowie die periphere Passage einer Warmfront bemerkbar, die zum Sturmtief
STEPHANE (morgen Mittag mit etwas unter 975 hPa direkt bei Island) gehört. Die
Wolkendecke bleibt weitgehend geschlossen und sogar ein paar Tropfen Regen oder
Nieselregen sind in homöopathischähnlichen Dosen möglich.

Mit jedem Kilometer weiter südlich werden die Wolken dünner und brüchiger
respektive nehmen die Anteile tiefer Bewölkung ab. Heißt aber nicht, dass morgen
überall die Sonne zum Zuge kommt. Wie fast immer in dieser Jahreszeit gilt es
sich gegen zähe Nebel- und Hochnebelmaterie zu behaupten, was nicht immer
einfach ist. Immerhin, die meisten numerischen Produkte zeigen sich bezüglich
der Auflösung der lästigen Grauschleier spätestens bis zum frühen Nachmittag
ziemlich optimistisch, was synoptisch auch begründet ist. Zum einen sorgt das
o.e. Absinken für eine weitere Stauchung der Grundschicht mit gleichzeitiger
Abtrocknung von oben. Zum anderen unterstützt der gebietsweise leicht auflebende
Wind (im Süden um Ost, sonst um Süd) durch etwas turbulente Durchmischung.
Insbesondere dort, wo Mittelgebirge überströmt werden (im morgigen Fall vor
allem die westlichen Erhebungen, aber auch in Ostbayern der Bayerische bzw.
Böhmerwald) wird im Lee die Auflösung von Nebel/Hochnebel begünstigt, während
die Luvlagen ebenso wie einige abgekoppelte Flussniederungen oder Täler eher in
der Hinterhand sind. Weitgehend frei von Sorgen sind auch Lagen oberhalb 600 bis
800 m.

Dass zu dieser Jahreszeit die niedertroposphärische Erwärmung nicht 1:1 nach
unten weitergegeben wird, ist evident. Trotzdem reicht es in weiten Teilen der
Nordhälfte für passable und für Anfang November überdurchschnittliche 9 bis
13°C, während sonst 6 bis 10°C, bei ganz zähem Nebel sogar nur 5°C oder noch
etwas weniger auf der Karte stehen. Noch mal zurück zum Wind, der in den meisten
Gebieten aus warntechnischer Perspektive keine Aktien besitzt. Einzig in
exponierten Hochlagen hält sich zunächst noch die Bise mit Spitzen 7-8 Bft,
Tendenz im Tagesverlauf nachlassend. Und auch über sowie an der Deutschen Bucht
reicht es im Warmsektor für einige steife Böen 7 Bft, auf Sylt und Amrum
exponiert am Nachmittag sogar für einzelne stürmische Böen 8 Bft aus Südwesten.

In der Nacht zum Mittwoch tut sich wenig an der synoptischen Konstellation, auch
wenn uns die schwach ausgeprägte Frontalzone von Nordwesten etwas dichter auf
die Pelle rückt. Das reicht aber bei Weitem nicht, um die Kaltfront des zum
Nordmeer ziehenden Tiefs STEPHANE so weit voranzuprügeln, dass sie deutsches
Hoheitsgebiet erreicht. Eher wird sie durch Schleifen über der westlichen und
nördlichen Nordsee ausgebremst. So steht die Nacht mit Ausnahme des äußersten
Nordens und Nordwestens (stark bewölkt bis bedeckt) einmal mehr im Zeichen
klassischer Grenzschichtprozesse. Sowohl deterministische als auch
probabilistische Verfahren signalisieren vornehmlich in der Mitte und im Süden
eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für teils dichten Nebel. Außerdem arbeitet sich
die Zone potenziellen Luftfrosts vom Süden bis in die Mitte, punktuell sogar bis
an den Südrand des Norddeutschen Tieflands voran. Der anfangs über der Nordsee
noch flott daherkommende Südwestwind schwächt sich im Laufe der Nacht immer
weiter ab.

Mittwoch … gelangen wir zwischen den langsam nach Osten abwandernden
Höhenrücken und einen flachen, von UK/Irland ebenfalls nur zögerlich ostwärts
vorankommenden Trog. Die schwache südliche bis südwestliche Höhnströmung bleibt
antizyklonal konturiert, lediglich Richtung Nordsee wird sie zunehmend
indifferent bis leicht zyklonal. Da dort gleichzeitig die Kaltfront – wenn auch
schleppend – etwas Boden nach Südosten hin gut macht, verwundert es nicht, dass
die Bewölkung vom nördlichen Niedersachsen bis nach SH und später auch im
gesamten Ostseeküstenbereich immer weiter zunimmt und es rund um die Deutsche
Bucht sowie im nördlichen SH zeitweise leicht regnet.

Der große Rest des Vorhersageraums zehrt weiter vom Hochdruckeinfluss, auch wenn
der sich etwas abschwächt. So erreicht das Zentrum des großen Bodenhochs
(SILVI/TILDA, wobei offiziell wahrscheinlich nur noch TILDA übrigbleibt) die
Ukraine, von wo aus sich aber noch immer ein veritabler Keil bis in unseren Raum
erstreckt. Für Teile der Mitte und Süddeutschlands bedeutet das eine
möglicherweise ganztägig andauernde trübe Angelegenheit durch Nebel oder
Hochnebel (Auflösungsprozesse werden schwächer und weniger simuliert als für den
morgigen Dienstag), wobei höhere Lagen ausgenommen sind. Der meiste Sonnenschein
wird für die Regionen zwischen der frontalen Bewölkung im äußersten
Norden/Nordwesten und dem Nordrand des zentralen Mittelgebirgsraums simuliert,
also von NRW bis hinüber nach Sachsen und BB. Je nach Sonnenangebot erreicht die
Temperatur Höchstwerte zwischen 5 und 12°C, bei zähem Nebel auch darunter. Ganz
im Süden könnte es je nach Ausprägung und Lage der Inversion bis rund 15°C mild
werden. Der Wind spielt keine prominente Rolle, selbst in Kaltfrontnähe ist
wegen des aufgeweichten Gradienten im Bodentrogbereich nicht viel los.

In der Nacht zum Donnerstag kommt die Kaltfront aufgrund ihrer weitgehend
strömungsparallelen Ausrichtung nur wenig landeinwärts voran. Außerdem hält der
schier unsterbliche Hochkeil im Süden weiterhin tapfer dagegen, so dass frontale
Bewölkung und zeitweilige Regenfälle nicht über das nördliche Niedersachsen mit
HB und HH, SH und MV nicht hinauskommen. In den übrigen Gebieten heißt es
„business as usual“, meint teils klar, vielfach aber auch Ausbreitung bzw.
Neubildung von Nebel und Hochnebel. Zudem geht die Temperatur im Süden und in
der Mitte gebietsweise in den leichten Frostbereich zurück.

Donnerstag … startet um 11:11 MEZ die sogenannte fünfte Jahreszeit. Was die in
diesem Winter wert sein wird, wird sich zeigen, interessiert den wenig
karnevalsaffinen Verfasser norddeutscher Herkunft aber auch nur peripher.
Wettermäßig fällt der Start jedenfalls relativ unspektakulär aus. Zwischen dem
nach wie vor über dem westlichen Mittelmeer befindlichen hochreichenden Tief
BLAS und der über Nordeuropa verlaufenden, nur leicht schwingenden Frontalzone
greift in weiten Landesteilen eine zonal exponierte Potenzialbrücke, die den
never ending, von der Schwarzmeerregion bis zum nahen Atlantik reichenden
Hochkeil stützt. Unter diesen Umständen macht es der Kaltfront alles andere als
Spaß, weiter nach Süden vorzustoßen. Zwar kommt die tiefe SC-/ST-Bewölkung bis
etwa zu einer Linie Niederrhein-Berlin voran (noch leichte Modellschwankungen),
die frontalen Regenfälle – ohnehin alles andere als intensiv – schwächen sich
aber immer mehr ab.

In der Mitte und im Süden lautet die Faustregel „oben hui, unten pfui“, meint,
in den Niederungen häufig zäher Nebel oder Hochnebel, in den Hochlagen viel
Sonne. Trotz Luftmassenwechsels (Zufuhr subpolarer Meeresluft) bleibt es im
Nordwesten mit 10 bis 13°C ziemlich mild. Ansonsten hängt die Entwicklung der
Tagestemperatur stark von der Höhenlage, er Lage zur Inversion sowie vom
Sonnenangebot ab. Während es in höheren und mittleren Lagen Süd- und
Mitteldeutschlands teilweise bis in den zweistelligen Bereich geht, heißt es in
einigen Niederungen „warm anziehen“ angesichts rund 5°C.

Modellvergleich und -einschätzung

Die großräumige Entwicklung ist unstrittig. Kleine Differenzen betreffen die
Grenzschichtphysik (Bildung und Auflösung von Nebel/Hochnebel sowie die daran
anschließende Temperaturentwicklung), wobei die DMOs sowie die MOS-Outputs im
Falle ganztägigen Graus wohl etwas zu hoch ausfallen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann