SXEU31 DWAV 181800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 18.10.2021 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Allmähliche Umstellung der Großwetterlage in Richtung zyklonal und windig.
Vorläufiger Höhepunkt eine in der Nacht zum beginnende und bis in den Donnerstag
andauernde Sturmlage. Vorübergehend sehr mild, fast schon warm.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC

Aktuell … hat in Deutschland leichter Druckfall eingesetzt, der in diesem Fall
als sauberer Indikator für die unmittelbar bevorstehende Umstellung der
Großwetterlage taugt. So wird das bisher in weiten Teilen des Landes
wetterbestimmende Hoch PHILINE seinen angestammten Platz über Mitteleuropa
räumen und sich ganz allmählich ost-südostwärts zurückziehen. Damit wird der Weg
frei für die Ausläufer eines aus mehreren Kernen und Wellen bestehenden
Tiefdrucksystems (HENDRIK) über dem Ostatlantik, die in den nächsten Tagen
wiederholt über den Vorhersageraum hinwegziehen. Dabei nimmt die südwestliche
Grundströmung kontinuierlich zu, um wahrscheinlich zum Donnerstag hin in eine
großflächige Starkwind- respektive Sturmlage zu münden.

Bis es soweit ist, vergehen noch zwei Tage, an denen sich das Strömungsbild aber
grundlegend ändert. Starten wir mit der Nacht zum Dienstag, in der wie eingangs
erwähnt das Bodenhoch erste Rückzugsmanöver fährt. Nicht ganz so eilig hat es
der korrespondierende und sehr breit aufgestellte Höhenrücken, der dem Bodenhoch
deutlich hinterherhinkt, so dass seine Hauptachse (Referenz 500 und 300 hPa)
morgen früh so gerade mal die Nordsee sowie den Grenzbereich zu Benelux und
Frankreich erreicht. Dass von Westen her trotzdem die Bewölkung im Laufe der
Nacht sukzessive dichter wird und nach Mitternacht im Westen und Nordwesten
sogar etwas Regen fällt (RR12h häufig um oder unter 1 l/m²), liegt zum einen an
der Annäherung einer ersten Warmfront (sie gehört zu einem „schaukelnden“
Frontensystem über dem nahen Atlantik), die mit einem klitzekleinen KW-Trog
gekoppelt ist. Zum anderen verstärkt sich die permanent andauernde WLA, die –
wie üblich möchte man hinzufügen – den breiten Höhenrücken vollkommen respektlos
überläuft.

Frost ist in dieser zumindest niedertroposphärisch milden Luftmasse (T850 am
Morgen 7-12°C) kaum noch ein Thema. Einzig im äußersten Süden und Südosten, wo
die Grundschicht noch mal einigermaßen abgekoppelt vom Geschehen darüber ist,
reicht es gebietsweise für leichten Frost in Bodennähe. Außerdem ist im Süden in
einigen Flussniederungen sowie in Gewässernähe wieder Nebel mit Sichtweiten
unter 150 m wahrscheinlich. Noch ein Satz zum Wind. Der Gradient nimmt zwischen
dem scheidenden Hoch und dem atlantischen Tiefdrucksystem im Norden und Westen
zwar langsam zu, das große Aufbrisen bleibt angesichts stabiler
Schichtungsverhältnisse zunächst aber aus. Einzig in freien Hochlagen erreicht
der Süd-Südwestwind in Böen die eine oder andere 7 Bft, auf dem Brocken 8 Bft.

Dienstag … wandert der Höhenrücken mit fast schon aufreizender Lässig- und
Pomadigkeit über Deutschland hinweg ostwärts. Oder mit anderen Worten: Bi zum
Datumswechsel hat er den Vorhersageraum noch immer nicht vollständig überquert,
was man durchaus als Treuebekenntnis werten kann. Nutzt aber nur bedingt was,
denn das korrespondierende Bodenhoch spielt nicht mehr so richtig mit, weil es
sich mittlerweile bis nach Süd- und Südosteuropa zurückgezogen hat. Solche
„Rückzieher“ werden in der Meteorologie umgehend und sofort bestraft, in diesem
Fall durch die o.e. Warmfront, die von Westen her übergreift und dabei zeitweise
leichten Regen generiert. Dabei können im Stau einiger südwestdeutscher
Mittelgebirge (nicht Schwarzwald, sondern weiter nördlich) durchaus mal 5 bis 10
l/m² innert 12 h zusammenkommen, meist liegt die Ausbeute aber darunter.

In den Osten und Südosten sowie den äußersten Süden kommt der Regen erst spät
und meist auch abgeschwächt an, vielfach bleibt es bis zum Abend sogar gänzlich
trocken. Stattdessen kann man auf einige Aufhellungen oder gar Auflockerungen
hoffen, und auch im Südwesten lockert die Wolkendecke im späteren Tagesverlauf
wieder auf.
Der Luftdruck fällt weiter und der Gradient nimmt zu, was nicht ohne Folgen für
die Windentwicklung bleibt. Da die Schichtung aber weiterhin ziemlich stabil
bleibt, macht sich der anziehende Süd- bis Südwestwind vornehmlich in höheren
Lagen sowie später auch über der Deutschen Bucht bemerkbar. Es muss dann
vermehrt mit steifen Böen 7 Bft, auf dem Fichtelberg sowie auf See mit
stürmischen Böen 8 Bft, auf dem Blocksberg mit ersten Sturmböen 9 Bft gerechnet
werden. Bei 850-hPa-Temperaturen meist zwischen 8 und 12°C und solider
Durchmischung reicht es trotz vielfach verminderter Einstrahlung für
Tageshöchstwerte zwischen 13 und 19°C, im südlichen Oberrheingraben sowie in
Alpennähe lokal vielleicht sogar 20°C.

In der Nacht zum Mittwoch gelangen wir nun doch zunehmend auf die Vorderseite
eines umfangreichen LW-Troges über dem nahen Atlantik mit abgeschlossenem
Drehzentrum westlich der Grünen Insel. Damit dreht die Höhenströmung zurück auf
West bis Südwest, ohne dass dabei nennenswerte Hebungsprozesse in Gang kommen.
Im Gegenteil, die bis dato permanent vertretene mitteltroposphärische WLA kommt
von Westen her zum Erliegen.

Anders die Situation in der unteren Troposphäre, wo wir in den breiten
Warmsektor eines über der nördlichen Nordsee entstehenden Teiltiefs gelangen, in
dem in breitem Strom Subtropikluft advehiert wird. Auf 850 hPa verbleibt die
Temperatur lediglich im äußersten Norden unter der 10°C-Marke. Ansonsten stehen
verbreitet 10 bis 13°C, im Süden bis zu 15°C auf der Karte – Werte, die wir an
manch Sommertag nicht hatten. Von daher verwundert es nicht, dass auch die
nächtlichen 2m-Temperaturen auf hohem Niveau bleiben. Für die Nordhälfte und den
Westen, partiell aber auch den Süden liegen die Tiefstwerte zwischen 15 und
10°C.

Abschließend noch zwei, drei kurze Bemerkungen zu Wind und Wetter. Mit
Durchschwenken der Warmfront zieht der leichte Regen im Laufe der Nacht ostwärts
ab. Dahinter bleibt es trocken und vielfach lockert die Wolkendecke auf. Ganz im
Süden bildet sich stellenweise noch mal Nebel. Die Gradientverschärfung macht im
Warmsektor merkliche Fortschritte, und auch der Süd- bis Südwestwind gibt sich
alle Mühe, auf die Anzeigetafel zu kommen. Am eindrucksvollsten gelingt das
einmal mehr auf dem Brocken, wo es in Böen hochgeht auf bis zu Windstärke 11 Bft
(orkanartige Böen). Ansonsten kommen exponierte Kamm-, Kuppen- und Gipfellagen
auf 8 bis 9 Bft, einige Leelagen auf 7 Bft und die Nordsee nebst Inseln und
Küstenstreifen sowie Teilen SHs auf 7-8 Bft. An der Ostsee fällt der Wind
aufgrund der meist ablandigen Komponente schwächer aus als an der Nordsee,
sprich, es treten nur einzelne 7er-Böen auf.

Mittwoch … nähern sich der LW-Trog nebst eingelagertem Drehzentrum UK/Irland
sowie der Nordsee an, wobei die Hauptachse eine stark positiv geneigte Stellung
aufweist, sprich, nach Südwesten zurückhängt. Der Höhenrücken verabschiedet sich
nun endgültig gen Osten, was uns unter eine zunehmende und diffluent konturierte
südwestliche Höhenströmung bringt, die an den Alpen Föhntendenzen aufkommen
lässt. Dynamische Hebungsimpulse nehmen aufgrund durchschwenkender kurzwelliger
Troganteile zu und auch die von der Nordsee und Benelux sich nähernde,
tendenziell aber schleifende Kaltfront des auf skandinavisches Festland
übertretenden Teiltiefs weiß sich prominent ins Geschehen einzubringen.

Mit anderen Worten, an und auch schon vor der Front kommt es zunächst im Westen
und Nordwesten, später dann auf den gesamten Norden und die Mitte sowie den
Osten ausgreifend (hier bestehen allerdings noch Modellunterschiede) zu
schauerartigen, aber nicht allzu intensiven Regenfällen. Erst wenn am Nachmittag
und Abend von Ostfrankreich her eine flache (und auch noch nicht von allen
Modellen bestätigte) Welle an der Kaltfront nordostwärts zieht, deutet sich für
Teile Südwestdeutschlands eine leichte Intensivierung fernab irgendwelcher
Warnschwellen an. Aufgrund der fast sommerlich anmutenden präfrontalen
Rahmenbedingungen stellt sich gar die Frage nach Gewittern, die aber von der
Numerik vor und an der Front mit „nein“ beantwortet wird. Offensichtlich mangelt
es an ausreichend Labilität, um ein gewisses Quantum an CAPE zu generieren.

Anders hingegen die Situation am Nachmittag und Abend hinter der Front im Westen
und Nordwesten, wo erwärmte Meereskaltluft subpolaren Ursprungs einströmt. T850
geht auf Werte um 7°C, T500 auf rund -20°C zurück, was ausreicht, die Luftmasse
angemessen zu labilisieren. Und so verwundert es nicht, dass z.B. ICON und auch
IFS etwa 100 bis 200 J/kg CAPE anbieten, was für einzelne kurze Gewitter
hinreichend sein kann. Wenn es knallt, gilt es vor allem auf den Wind zu achten.
Erstens läuft zu dieser Zeit ein Jetmaximum genau über Nordwestdeutschland
hinweg, zweitens – und wichtiger – nehmen die niedertroposphärischen Höhenwinde
merklich zu auf rund 50 Kt auf 850 hPa und nur wenig darunter auf 925 hPa.
Entsprechend sollte man sich nicht über Sturmböen 9 Bft als begleitendes Element
zu den Gewittern wundern, zumal aufgrund guter Scherungsbedingungen diese
durchaus organisiert sein können (z.B. in Form kleiner Linien).

Gewitter hin, Organisation her, der Warnfokus wird am kommenden Mittwoch nicht
auf möglichen konvektiven Umlagerungen, sondern eindeutig auf der Wind- und
Sturmentwicklung liegen. So legt der Süd-Südwestwind auf der Südflanke des
umfangreichen Tiefdrucksystems über Nordeuropa und dem nahen Atlantik weiter zu,
auch wenn das Flachland respektive tiefe Lagen noch immer recht glimpflich
davonkommen (abzüglich der bereits erwähnten konvektiven Böen). Okay, in der
Nordwesthälfte nimmt die Anzahl an steifen Böen 7 Bft schon zu und je näher man
der Nordsee und auch SH kommt, desto eher kann auch eine stürmische Böe 8 Bft am
Start sein. An den Küsten sind Böen 8-9 Bft obligatorisch, wobei die Nord-
gegenüber der Ostsee weiterhin in der Vorhand ist (also stärkere Böen
produziert). Sturmböen 9 Bft sind auch im Norden von SH drin, während sie im
höheren Bergland zum Standardrepertoire gehören. Je nach Exposition sind auf
einigen Mittelgebirgskuppen sogar schwere Sturmböen bis Orkanböen 10 bis 12 Bft
wahrscheinlich.

Zurück noch mal zum Wetter, das im Süden und Südosten fast schon spätsommerliche
Züge annimmt. So bleibt es dort bis zum Abend nicht nur weitgehend trocken, es
scheint auch für längere Zeit die Sonne. Dabei steigt die Temperatur in der
präfrontalen Subtropikluft (T850 11 bis 15°C) vielerorts auf außergewöhnlich
milde 19 bis 23°C und mit Föhnunterstützung könnte am Alpenrand gar die
25°C-Marke in greifbare Nähe rücken. In den übrigen Landesteilen ist trotz
Kaltfront und zeitweiligen Regens ebenfalls alles andere als Frieren angesagt,
was durch Tageshöchstwerte zwischen 16 und 21° eindrucksvoll untermauert wird.

In der Nacht zum Donnerstag wird die ohnehin schon interessante synoptische
Ausgangslage noch interessanter. Zunächst mal wandert der Jet (maximales FF auf
300 hPa zwischen 130 und 140 Kt) sehr langsam über Deutschland hinweg
südostwärts. Gleiches gilt für die Kaltfront, die aber erst mal noch die o.e.
flache Welle nordostwärts passieren lassen muss, bevor sie bis zum Morgen den
Vorhersageraum hinter sich gelassen hat (Rückgang T850 auf 6 bis 1°C, nur im
äußersten Südosten noch etwas milder). Welle und Front sorgen im Süden vor allem
von BW bis hinauf nach Franken gebietsweise für üppige Regenfälle von 10 bis 15,
lokal um 20 l/m² innert 12 h. Ob es im Schwarzwald und auf der Schwäbischen Alb
staubedingt für die von ICON13 und ICON6_Nest apostrophierten 25 bis 50 l/m²
reicht (lokal sogar noch etwas mehr), muss angesichts deutlich defensiverer
Simulationen anderer Modelle sowie eher zurückhaltender Prognosen der
EPS-Verfahren (am offensivsten – oh Wunder – ICON-EPS) mit einem dicken
Fragezeichen versehen werden.

Deutlich spannender als die Frage nach dem Regen fällt die Frage nach der
Windentwicklung aus. Und da geht es in der zweiten Nachthälfte so richtig zur
Sache, wenn nämlich von Nordfrankreich her eine sehr ausgeprägte (starke
Krümmung der Isobaren), aber weitgehend offene Welle via Benelux gen SH zieht.
Auf Basis des 12-UTC-Laufs, der sich übrigens stark den externen Modellen
angepasst hat, soll erst um 06 UTC eine geschlossene 982-hPa-Isobare kurz vor
Nordseeküste SHs liegen (IFS von 00 UTC weicht kaum von dieser Lösung ab). Auf
der Südflanke der Welle kommt es zu einer formidablen Gradientverschärfung, mit
der sich von Frankreich und BeLux her rasch ein Sturmfeld auf weite Landesteile
ausbreitet. Ausgespart bis zum Morgen bleiben nach jetzigem Stand der äußerste
Norden, der Nordosten sowie der Südosten. Ansonsten erreicht der Südwestwind
Spitzen 8 bis 9 Bft, vielleicht sogar 10 Bft, auf den Bergen bis zu 12 Bft.

Noch nicht ganz klar ist die Wirkung eines knackigen, weil sehr scharfen
K-Troges, der aus dem sich regenerierenden Haupttrog herausläuft und in der
zweiten Nachthälfte auf den Westen und Nordwesten übergreift. Er verfügt über
eine äußerst hebungsintensive Vorderseite (PVA) und spült zudem labilisierende
Höhenkaltluft heran (T500 um -23°C im Westen und Nordwesten), die konvektive
Prozesse noch forcieren können. Hinzu kommt ein niedertroposphärisches
Windmaximum, das sich von Frankreich rasch nordostwärts ausbreitet mit Böen bis
zu 55 Kt auf 925 hPa und bis zu 70 Kt auf 850 hPa. Hinzu kommen allgemein hohe
Scherungswerte, so dass die genannten Parameter schon für sich allein genommen
„Action“ versprechen. Es wird darauf ankommen, wie die Überlappung der der
Zutaten ausfällt. Es sollte uns aber nicht wundern, wenn auch in der Nacht teils
kräftige konvektive Umlagerungen mit (schweren) Sturmböen auf den Plan treten.

Donnerstag … schwenkt der KW-Trog unter Konturverlust rasch ostwärts durch.
Ebenso rasch verschwindet das Wellentief in Richtung Südschweden, was den auf
westliche Richtungen drehenden Wind aber in keinster Weise davon abhält, weitere
Schlagzeilen zu produzieren. Zunächst mal verlagert sich das Sturmmaximum
(unmittelbar an der Südwestflanke des zum Tief gehörigen Bodentiefs) mit Böen
bis zu 10 Bft in den Osten. Dahinter fächert der Gradient von Westen her zwar
etwas auf, von einschlafendem Wind o.ä. kann aber mitnichten die Rede sein. Es
bleibt zunächst noch sehr windig bis stürmisch und vielleicht poltert in den
Abendstunden bereits die nächste Welle von Westen herein.

Ansonsten ziehen die Regenfälle im Süden und Südosten ab (am längsten regnet es
am östlichen Alpenrand) und z.T. lockert es im Süden und Osten sogar auf. Im
Westen und Norden hingegen stehen weitere, vielfach konvektiv geprägte
Niederschläge teils mit Blitz und Donner auf dem Zettel. Mit 12 bis 18°C bleibt
es noch ziemlich mild, der Thermohammer kommt dann erst ab Freitag, wenn die
maritime Luftmasse straight ahead aus polaren Breiten zu uns strömt.

Modellvergleich und -einschätzung

Hinsichtlich der Wind- und Sturmentwicklung zum Donnerstag hin haben sich die
Modelle angepasst. Trotzdem sind natürlich noch nicht alle Fragen getilgt (siehe
Text). Die großräumige Entwicklung zeigt aber bereits eine recht hohe Kongruenz,
so dass es im Laufe der Woche alles andere als langweilig wird. Schön!

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann