S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 08.10.2021 um 10.30 UTC

Wechselhaft und kühler, in den Alpen Schnee. Ab Wochenmitte zumindest
vorübergehend milder.

Synoptische Entwicklung bis zum Freitag, den 15.10.2021

Wenn man sich die großräumigen Strukturen im Verlauf der Mittelfrist so
anschaut, überwiegen im atlantisch-europäischen Raum weiterhin blockierende
Verhältnisse, das heißt die planetare Welle weist hier regional (Ostatlantik,
Russland) recht starke Amplifizierungen auf.

Zumindest über dem Atlantik dürfte die nun langsam schwächelnde Hurrikan-Saison
mit bislang entsprechend starken lokalen meridionalen Wärme- (diabatische
Einflüsse), Impuls- und Feuchteflüssen in Richtung Frontalzone und die bis dato
teils recht hohen positiven Abweichungen der Meeresoberflächentemperaturen
(SST-Forcing) indirekt eine Rolle dabei gespielt haben. Obige Faktoren schwächen
sich nun erstmal ab, teils saisonal bedingt, teils auch durch andere Faktoren
wie Phase der MJO oder auch deren Interferenz mit der allmählich aufkommenden La
Nina.

Auf dem West-Pazifik dagegen scheint die Aktivität tropischer Systeme auch
bedingt durch die langsam ostwärts vorankommende MJO weiter bestehen zu bleiben.
Interessant ist hierbei, dass von IFS und GFS um die Monatsmitte eine tropische
Zyklone über dem Pazifik nordwärts gesteuert werden soll, einschließlich
extratropische Transition mit wahrscheinlich rapider Entwicklung. Über dem
Pazifik (in der Aleuten-Region) können sich solch eddy (tiefdruck-) getriggerte
vertikale Wärmeflüsse bis in die mittlere und obere Stratosphäre ausbreiten und
den ohnehin nicht sonderlich stark gestarteten Stratosphärischen Polarwirbel
(SPV, Stichwort Einfluss easterly Phase der QBO) zusätzlich schwächen. Für den
Zeitraum etwa ab dem 15.10. (Freitag) soll sich auf 10 hPa (im Arktisumfeld) ein
so genanntes Minor-Warming entwickeln mit einem Temperaturanstieg um über 10
Kelvin in diesem Bereich und Höhenlevel, allerdings soll es laut IFS und GFS
nicht zu einer kompletten Windumkehr des zonal gemittelten zonalen Windes auf 10
hPa und 60 Grad Nord auf östliche Winde kommen (Definition für Minor Warming).
Die Winde im Arktisumfeld der mittleren und oberen Stratosphäre werden aber
schon auf östliche Richtungen drehen, wodurch vom Pazifik her eine Antizyklone
den SPV in Richtung Eurasien drängen soll (so genanntes Wave-1 Forcing, also ein
Hoch/ Rücken gegenüber einem Tief/ Trog zirkumpolar auf etwa 10 hPa). Die
troposphärische Reaktion auf solch ein Ereignis dürfte beim AO/NAO-Index eine
stärker negative Reaktion hervorrufen. Kurzum, die beschriebenen Faktoren machen
zunächst wenig Hoffnung auf mehr zonal orientierte Strömungsmuster im
atlantisch-europäischen Raum.

So, nun mal der Reihe nach erstmal die Entwicklung in der Mittelfrist und
darüber hinaus in Mitteleuropa.

Am Montag liegt ein stark amplifizierter Höhenrücken über dem Ostatlantik (mit
korrespondierendem Hochdruckgebiet bei den Britischen Inseln). Demgegenüber
weitet sich ein Langwellentrog über Skandinavien süd- bis südostwärts aus und
führt hinter einer Kaltfront deutlich kühlere Luft bis in die Mitte des Landes
(850 hPa-Temperatur sinkt dort bis Dienstagfrüh auf etwa 0 bis 2 Grad). Zudem
verkürzt der Trog bei seiner Südverlagerung seine Wellenlänge, dadurch nimmt
seine Krümmungs- und Scherungsvorticity weiter zu. In 500 hPa wird eine
Luftmasse mit etwa -28 bis -30 Grad ganz in den Norden geleitet, wodurch die PV
auf 310 bis 320 K relativ hohe Werte einnimmt (8 bis 9 PVU). Das ruft
Kaltluftgewitter auf den Plan, dann begleitet von stürmischen Böen oder
Sturmböen (Bft 8 bis 9), im Verlauf aus nordwestlicher Richtung. In der Mitte
und im Süden kommen die Niederschläge auch so langsam an, in den Hochlagen der
Alpen fällt im Verlauf Schnee. Auf den Nordwesten greift in der Nacht zum
Dienstag bereits ein weiterer Randtrog von der Nordsee her mit schauerartigen
Regenfällen über.

Am Dienstag kommt der beschriebene Randtrog weiter südwärts voran und verstärkt
die Kaltluftzufuhr auch im Süden des Landes (850 hPa-Temperatur am Abend recht
verbreitet bei 0 bis 2 Grad, nur im Westen und Nordwesten teils um 4 Grad). Auch
die höhenkalte und PV-reiche Luft kommt im Nordosten des Landes weiter südwärts
voran und könnte dort für das ein oder andere Gewitter mit stürmischen Böen
sorgen. Der Wind (West bis Nordwest) ist ebenso recht lebhaft unterwegs,
Windböen, auf den Bergen und im Norden auch stürmische Böen oder Sturmböen
stehen weiterhin auf dem Programm. An den Alpen stellt sich mit zunehmend
nordwestlicher Anströmung im Verlauf eine Staukomponente ein, die
Schneefallgrenze sinkt in der Nacht zum Mittwoch auf etwa 1200 bis 1400 m, vlt.
sogar bis unter 1000m bei stärkerer Intensität. Den Hochlagen wird das eine
ordentliche Neuschneeauflage bringen.

Am Mittwoch soll sich der Langwellentrog etwas in Richtung Ost- und Südosteuropa
bewegen, von Westen soll sich der Rücken dann bis nach Westeuropa ausdehnen
(IFS), ICON lässt dagegen Deutschland weiterhin im Bereich des Troges.
Nichtsdestotrotz sollen die 850 hPa-Temperaturen bis Donnerstagfrüh auf 1 bis 4,
im Nordwesten und Westen auf um 5 Grad ansteigen. Die Schneefälle sollen
dementsprechend laut IFS im Verlauf allmählich nachlassen. Der Wind lässt
insgesamt nach und dreht auf westliche Richtung.

Am Donnerstag soll sich laut IFS die Hochdruckzone mehr nach Mitteleuropa
ausdehnen, sodass dann voraussichtlich Wetterberuhigung eintritt. Die
Niederschläge lassen insgesamt nach, der Wind ist zunächst nicht warnwürdig. Die
850 hPa-Temperatur steigt auf 4 bis 7 Grad an.

Zum/ am Freitag soll sich laut IFS über dem Ostatlantik der Höhenrücken auf der
Vorderseite einer weiter nach Süden reichenden Trogentwicklung weiter westlich
auf dem Atlantik regenerieren, sodass Deutschland (zumindest die Nordhälfte)
erneut in eine nordwestliche Strömung mit wechselhaftem Schauerwetter gelangt.
Laut ICON bleibt der Wellenzug dagegen weiter etwas westwärts verschoben, was
die Modellunsicherheit bezüglich Progressivität der Wellen ausdrückt. Nach IFS
geht nun die 850 hPa-Temperatur bis Samstagfrüh vom Norden bis in die Mitte
wieder auf etwa 0 bis 2 Grad zurück. Damit einher können in Richtung Küste
wieder stürmische Böen oder Sturmböen (Bft 8 bis 9) auftreten. Auch einzelne
Kaltluftgewitter sind dort nicht ausgeschlossen. Im Süden soll es zunächst meist
trocken bleiben.

Für die erweiterte Mittelfrist kann man erwarten, dass insgesamt die
blockierenden Verhältnisse auf dem Atlantik voraussichtlich das Geschehen
diktieren werden, unklar bleibt, inwieweit Mitteleuropa oder Teile davon
zumindest vorübergehend auch antizyklonale Strömungsmuster genießen wird. Mit
Hinblick auf das bevorstehende Minor-Warming in der Stratosphäre könnten sich
Großwetterlagen mit Blocking auf dem Ostatlantik bzw. Grönlandblocking oder aber
Skandi-Blocking einstellen.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Der neue Lauf des IFS weist recht gute Konsistenz eigentlich nur bis Dienstag
auf. Ab Mittwoch sind die Abweichungen zum 0 Uhr-Lauf von gestern schon
relevant, da nun in den letzten beiden Hauptläufen der zyklonale Wettercharakter
mit einer weiterhin nordwestlichen Strömung nach kurzer Wetterberuhigung
zunächst erhalten bleiben soll. Demnach wird auch das Hoch bis zur Wochenmitte
weiter westlich über den Britischen Inseln simuliert. Auch danach soll sich nun
nach kurzem Zwischenhocheinfluss über dem Ostatlantik erneut hohes Geopotenzial
positionieren, für Deutschland damit voraussichtlich weiterhin nordwestliche
oder gar nördliche Strömungsverhältnisse.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Im Text weiter oben sind bereits andere Globalmodelle wie GFS oder ICON
beleuchtet worden. Die Unterschiede kristallisieren sich ab Mittwoch deutlich
heraus. Die Modelle haben aufgrund stark amplifizierter Strömungsmuster
Schwierigkeiten, die Progressivität der Wellenmuster in der (erweiterten)
Mittelfrist zu erfassen. Neben wellenphysikalischen Gründen (Phasen- bzw.
Gruppengeschwindigkeit der Wellenzüge) spielen die weiter oben angedeuteten
Faktoren zumindest eine indirekte Rolle dabei.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die gruppierten Cluster des IFS für den zeitschritt t+120…+168 h zeigen vier
Clusterlösungen, die zumindest von der beschriebenen Großwetterlage
(Atlantischer Rücken bzw. Blocking) noch recht ähnlich aussehen.

Auch für den Zeitschritt t+192…+240 h sieht das anfangs auch noch nicht so
grundlegend anders aus. Die Muster divergieren dann allerdings stark, meist in
Richtung anderer Blockierungen (siehe oben). Eine Zonalisierung ist im Verlauf
lediglich in dem Muster mit ausgeprägtem Grönland-Blocking zu sehen, mit
deutlicher Südverlagerung der Frontalzone und teilweisen
High-over-Low-Strömungsmustern. Hier dürfte das stratosphärische Signal
zumindest verbrieft sein.

Für die Rauchfahnen wurden hier zwei repräsentative Orte in Nord- und
Süddeutschland betrachtet. Zunächst der Norden – die deutliche Abkühlung ab
Montag ist drin (850-hPa-Temperatur), mit größerer Streuung nach Wochenmitte
(vorübergehende Erwärmung, danach Unsicherheiten zumindest im Spread der
Member). Haupt- und Kontrolllauf gehen ab Freitag wieder runter.
Niederschlagssignale bestehen ab Montag mehr oder weniger bis zum Ende der
erweiterten Mittelfrist. Beim Geopotenzial in 500 hPa ist der Spread bis
Mittwoch gering, danach erheblich, wobei Haupt- und Kontrolllauf wieder auf dem
absteigenden Ast sind, nach kurzem Anstieg.

Im Süden kommt die Abkühlung erst zum Dienstag (850 hPa-Temperatur), hier ist
allerdings der Spread nach Wochenmitte deutlich markanter, einschl. bei Haupt-
und Kontrolllauf. Beim Niederschlag ist der Peak Dienstag und Mittwoch, danach
bestehen größere Unsicherheiten. Beim Geopotenzial auf 500 hPa ist der Spread
bis Mittwoch relativ gering, danach liegt allerdings die Mehrzahl der Member bei
einem Anstieg des Geopotenzials. Zum Wochenende hin gehen Haupt- und
Kontrolllauf und die Member stark auseinander.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Warnwürdige Parameter sind der Wind im Norden (Bft 8 bis 9), später auch auf den
Bergen. Am Montag sind zudem im Küstenumfeld kurze Gewitter mit Sturmböen
möglich, am Dienstag im Nordosten Gewitter gering wahrscheinlich.

Ab Dienstag/ Mittwoch und am Donnerstag (ICON, GFS) sind in den Alpen markante
Schneefälle (>10 cm) oberhalb etwa 1200 bis 1400 m wahrscheinlich, darunter
nicht ausgeschlossen. In Hochlagen auch deutlich größere Neuschneeauflage
(>20…30 cm) wahrscheinlich.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS, ICON, GEFS, MOSMIX

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Dr. Jens Bonewitz