S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 28.09.2021 um 10.30 UTC

Wechselhaft und noch relativ mild, im Südosten auch warm. Dabei zeitweise
windig. An der Nordsee und im westlichen Bergland Gefahr von Sturmböen, an und
in den Alpen am Sonntag Föhnsturm.

Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 05.10.2021

Am Freitag und Samstag liegt Deutschland an der Vorderseite eines
Höhentiefkomplexes, der aus mehreren Tiefzentren zwischen Schottland und Island
besteht. Dieses System wird durch einen breiten Höhenkeil blockiert, der sich
von der Schwarzmeerregion bis in die Barents-See erstreckt. In die über
Mitteleuropa resultierende südwestliche Strömung wird ein wellendes
Frontensystem eingesteuert, das ab der Nacht zum Samstag im Nordwesten und
Westen zeitweise Niederschlag bringt, aber im Tagesverlauf unter geringer
Ostverlagerung an Wetterwirksamkeit verliert. Nach Südosten hin sind größere
Auflockerungen zu erwarten, was dort die Temperatur auf teils spätsommerliche
Werte steigen lässt.
Ausgehend von einen aus Südgrönland erfolgenden Vorstoß arktischer Polarluft
bildet sich ein markanter Sekundärtrog, der den Höhentiefkomplex umläuft und bis
Sonntagabend nach Galizien schwenkt. Gleichzeitig wird ein weiterer Sekundärtrog
über die Nordsee hinweg nordostwärts gesteuert. Letzterer stößt eine markante
Zyklogenese über den Shetlands an und aktiviert das dann auf den äußersten
Nordwesten Deutschlands schleifend übergreifende Frontensystem, so dass sich im
Nordwesten und Westen zeitweise Regenfälle ergeben. Dabei kann im westlichen
Bergland Dauerregen nicht ausgeschlossen werden. Bedingt durch den zur
Nordwestspitze Spaniens schwenkenden Sekundärtrog steilt die Strömung über
Mitteleuropa auf und wird stärker, so dass sich an und in den Alpen eine
Föhnlage (mit Föhnsturm in den Hochlagen) ergibt.
Mit der am Montag erfolgenden Verlagerung dieses Sekundärtroges ins westliche
Mittelmeer intensivieren sich die Niederschläge über dem Südosten Frankreichs,
wogegen das sich dann von der Ostsee in den Südwesten Deutschlands erstreckende
Niederschlagsband infolge mangelnder dynamischer Unterstützung an
Wetterwirksamkeit verliert. Nach wie vor ergibt sich eine
Nordwest-Südost-Staffelung der Temperaturen, wobei der Föhn an und in den Alpen
in der Nacht zum Montag wahrscheinlich zusammenbricht.
Bis Dienstag entwickelt sich von der Labradorsee her ein weiterer Trog, der,
Neufundland überquerend, rasch in den westlichen Nordatlantik schwenkt. Dieser
Trog bezieht den Ex-Hurrican „Sam“, immerhin ein Tropensturm, der zeitweise Kat.
3 erreicht hatte, in seine Zirkulation ein. Stromab verstärkt sich als Ergebnis
einer Downstream Development der über den Britischen Inseln liegende Trog und
rückt nach Osten vor, was eine erneute Intensivierung des diagonal von der
Ostsee in den Südwesten Deutschlands reichenden wellenden Frontensystems mit
sich bringt. In dessen Bereich sind erneut zeitweise Niederschläge zu erwarten.
Im erweiterten mittelfristigen Vorhersagezeitraum endet „Sam“ als Sturmtief bei
Island. Der dann auf Mitteleuropa übergreifende Trog tropft in mehreren
Schritten aus, was länger andauernde Niederschläge über dem süddeutschen
Bergland und an den Alpen mit sich bringt. An dessen Nordflanke entwickelt sich
eine Hochbrücke, so dass sich am Freitag im Norden und Westen, später
wahrscheinlich auch in den anderen Gebieten, eine ruhige Herbstlage (mit der
Gefahr von leichtem Frost oder zumindest Bodenfrost) einstellt. Wie rasch dies
vonstattengeht, ist noch unsicher. Die neue Version (47r3) simuliert diesen
Prozess deutlich verzögert.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Bis einschließlich Montag ist der aktuelle Lauf gegenüber den beiden gestrigen
Modellrechnungen weitgehend konsistent. Prognoserelevante Unterschiede lassen
sich bis dahin nicht ableiten. Am Dienstag lässt der heutige 00 UTC-Lauf die
Strömung ausgeprägter mäandrieren, wodurch sich der dann auf Frankreich
übergreifende Trog weiter nach Süden erstreckt als dass dies bei weiter
zurückliegenden Modellrechnungen der Fall war. Demzufolge lässt der aktuellste
Lauf diesen Trog auch austropfen.
Das kräftige, ab Dienstag in die Nordsee ziehende Bodentief wurde bereits ab dem
gestrigen 12 UTC-Lauf nicht mehr simuliert.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Bereits ab Samstag zeigen sich Unterschiede zwischen den Vorhersagen der
verfügbaren Modelle. Während ICON die oben beschriebene Version stützt, zeigt
GFS die Welle, die nach ICON/EZMW vor Cornwall liegt, knapp 1000 km weiter
westlich. Das Modell des kanadischen Wetterdienstes ist eher mit EZMW
vergleichbar. Als Folge lassen EZMW, das kanadische Modell und ICON am Sonntag
das sich aus dieser Welle entwickelnde Sturmtief über Nordengland hinweg in die
nördliche Nordsee ziehen, wogegen GFS dieses Tief sich über dem Ärmelkanal zu
einem Sturmtief intensivieren lässt. Nach GFS wäre demnach am Sonntag und in der
Nacht zum Montag im Nordwesten und Westen Deutschlands eine Sturmlage
vorstellbar. Eine Föhnlage an den Alpen würde sich nach allen Modellen ergeben.
Der sich bis ins westliche Mittelmeer ausweitende Trog bringt am Montag südlich
der Alpen eine Zyklogenese zustande, die von den Modellen unterschiedlich
intensiv (am kräftigsten nach GFS) erwartet wird, aber die das kanadische Modell
nicht im Programm hat. Demzufolge ergeben sich Unterschiede, was den
Zusammenbruch der Föhnlage an den Alpen betrifft. Vom Atlantik wird am Montag
eine weitere Welle eingesteuert, die sich nach ICON zu einem
Ärmelkanal-Sturmtief (wie GFS am Samstag) entwickeln soll. Dies würde für den
Nordwesten und Westen Deutschlands in der Nacht zum Dienstag und
Dienstagvormittag eine Sturmlage ergeben. Nach GFS zieht dieses Tief von der
Biskaya nach Mittelfrankreich, über Deutschland würde es demnach windschwach
bleiben. Und nach EZMW wie auch nach dem kanadischen Modell kommt keine
derartige Entwicklung zustande.
Der oben beschriebene Austropfprozess lässt sich auch nach GFS und nach dem
kanadischen Modell verfolgen, läuft aber nach den amerikanischen Modellen
rascher ab als nach EZMW. Nachfolgend würde sich nach GFS und dem Modell des
kanadischen Wetterdienstes eher eine antizyklonale Westlage mit einem leichten
Südwest-Einschlag einstellen, wobei es im Nordwesten und Norden leicht
unbeständig bleiben dürfte.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Das EPS des GFS stützt eher die Variante des EZMW (mit dem am Mitte kommender
Woche von Norden und Westen her einsetzenden antizyklonalen Einfluss) als die
Version des hauseigenen deterministischen Modells. Die am Sonntag vom
deterministischen Modell gezeigten Signale für eine Sturmlage im Nordwesten und
Westen Deutschlands werden nur von einem Fünftel der EPS-Member bestätigt.
Das EPS des EZMW wird bis H+240 in 5 Cluster untergliedert, die sich
hinsichtlich der Simulation des Austropfprozesses unterscheiden. Bemerkenswert
ist, dass immerhin etwa 20 Member auf die Variante der amerikanischen Modelle
(mit der antizyklonalen West-Südwestlage) setzen. Hinsichtlich einer möglichen
Sturmlage am Sonntag lässt sich etwa bei einem Fünftel der Member eine
Gradientzunahme in den hierfür relevanten Bereich ableiten. Allerdings wird von
diesem EPS-Membern nahezu durchweg eine nördlichere Zugbahn des entsprechenden
Tiefs angenommen als dass dies beim EPS des GFS der Fall ist. Daher besteht
nicht die Gefahr einer schweren Sturmlage. Der EFI liefert deutliche Signale,
wobei hier in das Modellklima der Oktober als relativ windschwacher Montag
eingeht. Ähnliches gilt auch die die Niederschläge im westlichen Bergland am
Sonntag, die ebenfalls vom EFI eher überzeichnet werden.
Ob nach Mitte der kommenden Woche sich nun eine antizyklonale Westlage einstellt
oder der Süden und Südosten durch eine Verzögerung des Austropfprozesses noch
längere Zeit zyklonal beeinflusst wird, ist noch nicht sicher. Etwas
wahrscheinlicher ist jedoch die letztere Variante.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Am Freitag sind in Nordfriesland und in exponierten Lagen der westlichen
Mittelgebirge einzelne stürmische Böen zu erwarten. Sonst bestehen
wahrscheinlich keine markanten Wettergefahren.
Am Samstag treten nur noch mit geringer Wahrscheinlichkeit an der Nordseeküste,
auf den Inseln sowie im westlichen Bergland stürmische Böen auf. Auch auf
Alpengipfeln können durch eine beginnende Föhnlage erste Sturmböen zustande
kommen.
Am Sonntag erreicht die Föhnlage an den Alpen ihren Höhepunkt, an und in den
Alpen sind Sturm- und schwere Sturmböen auf Berggipfeln zu erwarten, stürmische
Böen können auch in föhnanfälligen Tälern nicht ausgeschlossen werden.
Wahrscheinlich bricht der Föhn in der Nacht zum Montag zusammen.
Im westlichen Bergland besteht am Sonntag die Gefahr von Dauerregen über 40 l/m²
innerhalb von 24 Stunden.
In Abhängigkeit von einer möglichen Sturmtiefentwicklung über der Nordsee (die
wenig wahrscheinlich ist, aber nicht ganz ausgeschlossen werden kann) sind mit
geringer und zum Montag eher abnehmender Wahrscheinlichkeit auch an der
Nordfriesischen Küste sowie in exponierten Lagen der westlichen Mittelgebirge
Sturm- und schwere Sturmböen vorstellbar.

Basis für Mittelfristvorhersage
EPS, anfangs MOS

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Thomas Schumann