S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 26.09.2021 um 10.30 UTC

Großwetterlage SW/Ww: Zunächst nur im Nordwesten deutlich zyklonal, zum
kommenden Wochenende generell. Dabei ansteigendes Sturm- und
Dauerregenpotenzial. Mild, im Südosten mitunter warm.

Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 03.10.2021

Die Mittelfrist ist geprägt von einer relativ stabilen großräumigen
Geopotenzialverteilung. Sie ist gekennzeichnet durch eine starke positive
Anomalie, die von Kanada über den Arktischen Ozean bis nach Nordwestrussland
reicht und einer südlich daran anschließenden negativen Anomalie mit Schwerpunkt
meist zwischen den Britischen Inseln und Island. Bezogen auf die Absolutwerte
befindet sich Deutschland demnach vorderseitig eines umfangreichen, sich
regenerierenden Höhentiefkomplex über dem nahen Nordostatlantik und einem
blockierenden Rücken über Osteuropa. Gemittelt ergibt sich daraus eine meist
südwestliche Anströmung, die mildes bis warmes Wetter begünstigt. So klar die
großräumigen Strukturen sind, maßgeblich für den genauen Wetterablauf und des
-charakter ist das kurzwellige, in die Südwestströmung eingebettete
Trog-Keil-Muster, dessen Ausprägung und Timing zunehmend unsicher sind. Dazu
kommen diverse tropische Systeme (u. a. Hurrikan SAM, Taifun MINDULLE) als
zusätzliche Unsicherheitsfaktoren. In erster Näherung ergibt sich eine nach
Nordwesten zunehmende Zyklonalität bei gleichzeitig abnehmendem
Temperaturniveau. Im Hinblick auf das Warnmanagement steht ein erhöhtes
Sturmpotenzial im Nordwesten im Fokus, während nach Südosten ruhigeres Wetter
dominiert. Zum Ende der Mittelfrist deutet sich eine Ostverlagerung bzw. ein
Abbau der positiven Anomalie über Nordeuropa und Russland an, was über
Mitteleuropa eine Zonalisierung und allgemein zyklonales Wetter mit weiter
ansteigendem Sturmpotenzial bedeuten würde.

Trotz der erwähnten Unsicherheit soll an dieser Stelle ein auf IFS00Z
basierendes grobes Vorhersagekonzept vorgestellt werden.

Am Mittwoch greift ein scharfer Kurzwellentrog auf Deutschland über. Sowohl an
der von Nordwesten übergreifenden Kaltfront des korrespondierenden kleinen
Sturmtiefs über der Nordsee, als auch an der vorgelagerten Front über dem
Südosten und Osten Deutschlands kommt es zu schauerartig verstärkten
Regenfällen. Einzelne Gewitter sind bevorzugt im Südosten und Osten (eventuell
mit Starkregen) sowie in der mit Höhenkaltluft in Verbindung stehenden
Konvektion im Nordwesten (eventuell mit Sturmböen) möglich. Auch abseits der
Schauer und Gewitter sind rund um die Nordsee Sturmböen (Bft 8-9)
wahrscheinlich, höhere Windgeschwindigkeiten (Bft 10, exponiert Bft 11) je nach
Ausprägung des Tiefs nicht ausgeschlossen.

Am Donnerstag zieht der Trog ostwärts ab. Nachfolgend setzt sich (bis Freitag)
in der Südosthälfte ein Rücken respektive eine Hochdruckbrücke durch, was (nach
Nebelauflösung) freundliches und mildes Wetter zur Folge hat. Die Nordwesthälfte
bleibt auf der Vorderseite des nordatlantischen Höhentiefs unter zyklonaler
Südwestströmung, in der ein schleifendes Frontensystem eingebettet ist, das mit
Regenfällen zumindest den Norden und Nordwesten erfasst. An der Nordsee sowie
zunehmend auch auf exponierten Berggipfeln der Mittelgebirge und Alpen ist es
zeitweise stürmisch.

Am Samstag und Sonntag soll sich nach Lesart der beiden letzten IFS-Läufe der
Höhentiefkomplex annähern und sich auch in der Südosthälfte eine zyklonale
Südwestströmung etablieren. Die Frontalzone liegt schleifend diagonal über
Deutschland, sodass kräftige Regenfälle bzw. Dauerregen als Warnelement im Auge
behalten werden sollte. Im Fokus steht aber weiterhin das nun generell
zunehmende Sturmpotenzial: Aufgrund der sich verschärfenden Temperaturkontraste
zwischen Nordwesten und Südosten gelangt Deutschland unter einen für die
Jahreszeit sehr gut ausgeprägten Jetstreak. Auch die Möglichkeit einer
signifikanten Föhnsituation an den Alpen besteht.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Bis Freitag ist die Konsistenz der jüngsten IFS-Modellläufe gut. Die
großräumigen Strukturen sind recht klar, nur die genaue Ausprägung und das
Timing des kleinräumigen, in die Südwestströmung eingebetteten Trog-Keil-Musters
springt von Lauf zu Lauf noch leicht.
Am kommenden Wochenende laufen die Simulationen etwas stärker auseinander.
Sowohl der heutige IFS-00Z- als auch der gestrige IFS-12Z-Lauf rechnen einen
stärkeren Einfluss des Troges und allgemein zyklonaleres, unbeständigeres
Wettergeschehen als die Vorläufe. IFS12Z rechnete ein kräftiges Sturmtief (<980
hPa) über der Nordsee, was das weiter ansteigende Sturmpotenzial zum Ende der
Mittelfrist unterstreicht.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Im Großen und Ganzen zeigen die anderen Globalmodelle kein nennenswert von IFS
abweichendes Szenario. Auch zum kommenden Wochenende sowie in der erweiterten
Mittelfrist sehen alle vorliegenden Modelle eine zunehmende Zyklonalität über
Mitteleuropa. Auffällig ist auch, dass alle Modelle ein sehr starkes Zentraltief
über Nordwesteuropa rechnen, an dessen Flanke Bodentröge und Schnellläufer
erhöhtes Sturmpotenzial für Deutschland bereitstellen. Die Position und
Ausprägung insbesondere der Tröge und Schnellläufer differieren von Modell zu
Modell sowie von Lauf zu Lauf natürlich noch sehr stark.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Bis Freitag ist der deterministische Lauf von IFS00Z gut in die recht eng
gebündelte EPS-Kurvenschar eingebettet.
Ab Samstag weiten sich die Rauchfahnen von 850-hPa-Temperatur und
500-hPa-Geopotenzial deutlich auf, was die Unsicherheiten im Hinblick auf die
Ausprägung des zyklonalen Einflusses des nordatlantischen Höhentiefkomplexes
bzw. auf die Lage der Frontalzone verdeutlicht. Der deterministische Lauf läuft
im Nordwesten bei der Temperatur eher im unteren Bereich (T850 Hamburg um 3
Grad), im Südosten im oberen Bereich der Streuung (T850 München auf rund 15 Grad
ansteigend!), allerdings gleichzeitig innerhalb eines deutlichen
Verteilungsfokus. Das Szenario des IFS-Laufes mit einer diagonal über der Mitte
Deutschlands schleifenden Frontalzone mit großen Temperaturkontrasten scheint
also ein nicht unwahrscheinliches zu sein. Einige Member zeigen allerdings auch
im Nordwesten ein ansteigendes Geopotenzial- und Temperaturniveau.

Im Zeitraum +72-96 h (Mittwoch/Donnerstag) werden 2 Cluster gebildet, die alle
dem Regime „Blocking“ zugeordnet werden und sich kaum unterscheiden.
Im Zeitraum +120-168 h (Freitag bis Sonntag) weitet sich das EPS auf 3 Cluster,
die alle den Übergang von „Blocking“ zu „positive NAO“ vollziehen. Grund dafür
ist der bereits angesprochene Abbau der positiven Geopotenzialanomalie über
Nord- und Osteuropa. Unterschiede ergeben sich u. a. bei der Frage, wie nah der
Höhentiefkomplex über dem Nordostatlantik dem Vorhersagegebiet kommt. Cluster 2
und 3 (17+14=31/51 Member, inkl. HL und CL) sind progressiver und dabei etwas
stärker „bestückt“ als Cluster 1 (20/51 Member).

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

STURM:
Über den gesamten Zeitraum der Mittelfrist im Nordwesten erhöhtes
Sturmpotenzial. Insbesondere im Nordseeumfeld zeitweise Sturmböen Bft 8-9
wahrscheinlich. Vor allem auf den Inseln und an exponierten Küstenabschnitten
schwere Sturmböen Bft 10 gering wahrscheinlich und orkanartige Böen Bft 11 nicht
ganz ausgeschlossen.
Vor allem ab Freitag auch auf Gipfeln der Mittelgebirge und Alpen zunehmend
stürmisch mit Böen Bft 8-9, exponiert Bft 10.

GEWITTER/STARKREGEN:
In der Nacht zum Mittwoch und Mittwoch tagsüber im Südosten und Osten
schauerartig verstärkter, mitunter gewittriger Regen mit lokalem Starkregen bis
25 l/qm (ein- und mehrstündig).
Ab Mittwochnachmittag bis in die Nacht zum Donnerstag hinein im Nordwesten
einzelne kurze Gewitter mit Sturmböen gering wahrscheinlich. Durch wiederholte
Schauer oder Schauerstraßen an der Nordsee Starkregen um 20 l/qm in wenigen
Stunden nicht ausgeschlossen.

DAUERREGEN:
Ab Sonntag entlang einer schleifenden Front ansteigendes Risiko für Dauerregen
bis 50 l/qm in 24 Stunden. Unwetter (>50 l/qm) nicht ausgeschlossen.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS det. + EPS, MOS-MIX

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser