S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 25.09.2021 um 10.30 UTC

Leicht wechselhaft und mild. Deutsche Bucht zunehmend stürmisch.

Synoptische Entwicklung bis zum Samstag, den 02.10.2021

Diese Mittelfrist kann als „unsicher“ umschrieben werden, wenngleich sich für
Deutschland insgesamt eher ein warnwarmer Mittelfristabschnitt andeutet.

Da wäre die zum Mittelfristbeginn ungewöhnlich umfangreiche und kräftige
positive Geopotenzialanomalie, die sich von Kanada über den Nordpol bis in den
asiatischen/russischen Bereich erstreckt. Hervorgerufen wurde diese
Geopotenzialbrücke u.a. durch kräftiges und beständiges zyklonales Wellenbrechen
im Bereich des Nordmeers und Alaskas/Westkanadas. Entsprechend deutlich fallen
die Vorhersagen der NAM aus, die in negative Gefilde abrutscht (besonders
nachhaltig bei GFS, währen sich nach IFS diese Anomalie zum Beginn den
Folgemonats und somit etwas früher erholen könnte). Kräftige Divergenz des
vertikalen Impulsflusses führte entlang des 40. bis 50. Breitengrades zu einer
Erhöhung der Zonalwindkomponente, während meridionale Konfluenz bei rund 60 Grad
Nord mittlerweile für eine Verringerung eben dieser sorgt. Dies ist in den
jüngsten gemittelten Zonalwindvorhersagen bei rund 60 Grad Nord gut zu erkennen,
denn wir steigen in diese Mittelfrist mit niedrigen Werten ein, was besonders
für den kanadisch-nordatlantisch-europäischen Sektor gilt. Auswirkungen auf den
stratosphärischen Polarwirbel gibt es noch keine, da die Kopplung fehlt – was
sich Anfang Oktober jedoch im Bereich Alaska/Chukchi-See ändern könnte. Die
jüngsten IFS-Vorhersagen bringen ihn vorerst in den Bereich des 90-iger
Perzentils.
Aber zusammengefasst schwächelt der troposphärische Polarwirbel während dieser
Mittelfrist, bevor er sich besonders über Asien sukzessive erholt.
Diese uns sehr bekannte Konstellation hat unzählige langsame/quasi-stationäre
Rossby-Wellen zur Folge, die teils als abgeschlossene Höhentiefs nach Süden
abtropfen oder variabel amplifizieren. Je nach Wellenamplitude driften diese
ostwärts, bleiben stationär vor Ort stehen oder ziehen retrograd. Zu den
dominanten Gesellen zählen ein kräftiger Langwellentrog über Alaska, ein
Höhentief über dem Osten der USA und ein weiterer Trog vor den Toren Europas.

Als wäre das noch nicht genug mischen die Tropen eifrig mit – Hurrikan SAM im
tropischen Atlantik mit Kurs knapp östlich der Karibik nach Nordwest, Nord und
später Nordost sowie Taifun MINDULLE im tropischen Westpazifik – ebenfalls auf
einem sehr ähnlichen Kurs (NW/N/NO). Beide Stürme sind kräftige Gesellen und
beide dürften im Verlauf der kommenden Tage dank wiederholter „eyewall
replacement cycles“ auch an Durchmesser gewinnen. Sie dürften erst am Ende
dieser Mittelfrist direkt ins außertropische Wettergeschehen eingreifen, doch
ihre (indirekten) Auswirkungen sind bereits deutlich früher zu erkennen. Das
alles bis ins Detail zu erklären würden den Rahmen dieser Übersicht sprengen,
doch MINDULLE entscheidet mit, wie kräftig das Höhentief über dem Osten der USA
sein wird, was wiederum darüber entscheidet, wann SAM eingefangen werden könnte,
um nach Nord bis Nordost vor der Ostküste der USA in Richtung Grönland zu
ziehen. MINDULLE entscheidet aber auch, wie intensiv eine Höhenantizyklone über
dem Osten Kanadas ausfallen wird, die ggf. Kontakt zum Azorenhoch aufnehmen
könnte. Bedeutet, dass SAM gar nicht weiter nach Nordosten vorankäme, sondern
nun vom Höhentief eingefangen in Richtung Nordostküste der USA ziehen könnte
(Erinnerungen an (Ex) Hurrikan SANDY aus 2012 werden wach). Somit würde SAM gar
nicht mehr aktiv (direkt) in unser Wettergeschehen eingreifen, was aktuell
jedoch noch in der Numerik angedacht wird.
Wollen wir es noch weiter herunterbrechen? Die Frage, wie kräftig MINDULLE
eingreifen wird entscheidet sich auch erst, wenn geklärt ist, wie zügig MINDULLE
nach Nord/Nordost vorankommt. Selbiges gilt auch für SAM. Schaut man sich hierzu
die jeweiligen Ensemble- bzw. Superensemble Zugbahndichtevorhersagen an, so
sieht man, dass bereits innerhalb dieser Mittelfrist unklar ist, wie genau die
tropischen Stürme ziehen werden (bzw. wie schnell sie Breitengrade gut machen).
Je westlicher, umso länger werden sie brauchen und umso später nehmen sie
(in)direkt Einfluss auf die Außertropen. Diese Unsicherheiten entspringen teils
der inneren Dynamik der Stürme bzw. der Konvektionsverteilung sowie durch
Satelliten erzielte und teilweise in Modelle assimilierte
Intensitätsabschätzungen. Solche Fehler wiesen in jüngster Vergangenheit auch
mal 50 bis 60 hPa auf.

SAM könnte in der Tat durch seinen indirekten Einfluss (Generierung negativer
PV) auf die Bildung eines kräftigen Keils über dem Nordostatlantik Einfluss
ausüben, was per „downstream development“ stromab einen mächtigen und sehr weit
nach Süden reichenden Langwellentrog vor den Toren Europas nach sich ziehen
würde – auch ohne direkt ins außertropische Geschehen einzugreifen.

Fokussieren wir uns abschließend noch auf den atlantisch – europäischen Sektor.
Interessanterweise wird in den Hovmöller-Diagrammen des v-Windes zwischen 30 und
60 Grad Nord eine langsame, dennoch als progressiv zu bezeichnende
Wellenverschiebung nach Osten gezeigt (ebenfalls im 500 hPa
Geopotenzialanomaliefeld zu erkennen). In Realität ist das jedoch nicht der
Fall, denn eine quasi-stationäre Rossby-Welle bleibt dank der nordhemisphärisch
stabilen Wellenverteilung zwischen Grönland und Norwegen mehr oder weniger vor
Ort liegen. Allerdings kommt es über Südosteuropa zu einer weiteren Bildung
eines Langwellentroges, was überlagernd ein leicht progressives Verhalten im
Hovemöller-Diagramm zeigt.
Von dieser stabilen Konfiguration abgesehen springen jedoch die beteiligenden
Druckzentren in den jüngsten 4 Modellläufen noch zu kräftig (siehe folgender
Absatz) und daran wird sich wohl auch in naher Zukunft wenig ändern. Allerdings
erscheint eine Blockierung realistischer und somit gehen wir jetzt mal davon
aus, dass es wahrscheinlicher ist, dass dieser Mittelfristabschnitt insgesamt
mild bis warm verläuft. Dabei bleibt jedoch noch offen, wie wechselhaft er
letztendlich ausfallen wird.

Verschmilzt man die Vorhersagen der jüngsten 3 Modellläufe, dann überwiegt
insgesamt ein wechselhafter Charakter mit Schauern und Gewittern, dazwischen
auch mit längeren trockenen Abschnitten. Dabei nimmt die Niederschlagsneigung
von Südost nach Nordwest zu. Die Höchstwerte liegen meist zwischen 16 bis 21
Grad, wobei bei lokal etwas zäherer Nebelauflösung diese Höchstwerte auch etwas
unterschritten werden könnten. Lokal ist leichter Frost in Bodennähe nicht
ausgeschlossen. Der Südwestwind frischt besonders im Nordwesten zeitweise böig
auf, wenngleich sich aus heutiger Sicht der warnwürdige Wind mit Böen Bft 7 bis
8 auf die Deutsche Bucht und deren Umfeld, sowie auf das exponierte Bergland
(Bft 8 bis 9) beschränken sollte. Auf das Potenzial kräftigerer Windböen wird am
Ende der Mittelfrist kurz eingegangen.

Zusammengefasst also eine warnarme und vielerorts nicht unfreundliche
Mittelfrist. Für eine feinere Unterteilung sind allerdings die besprochenen
Unsicherheiten noch zu groß. Weder signifikante Niederschlags- noch
Windereignisse sind mit dieser Druckkonfiguration zu erwarten, wenngleich beim
Wind ein sehr geringes Potenzial nicht unterschlagen werden soll (siehe unten).

In der erweiterten Mittelfrist würde SAM die Wellenamplituden vor den Toren
Europas deutlich vergrößern, sodass wir Luft aus Nordafrika erhalten könnten.
Tendenziell also eine Fortdauer der milden/warmen und leicht wechselhaften
Witterung. Allerdings nur, wenn SAM macht, was SAM aus heutiger Sicht auch
machen soll.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Grundsätzlich wird in den vergangenen IFS-Läufen immer wieder ein ähnliches
Geopotenzialmuster gezeigt mit tiefen Werten über Nordwesteuropa und hohen
Werten im Bereich der Azoren sowie über dem westlichen Russland. Allerdings
ähneln sich eben nur diese groben Strukturen, denn Feinheiten wie Trog- und
Keilpassagen peripher dieser Geopotenzialgebilde werden mit großen
Unsicherheiten vorhergesagt. Z.B. springt das Zentrum tiefen Geopotenzials
innerhalb der letzten 4 Läufe von Schottland zum südlichen Nordmeer, wieder
zurück nach Schottland und nun westwärts ins Seegebiet südlich von Island. Alle
Lösungen wirken sich bei uns unterschiedlich auf die Intensität eines Keils aus.

Bereits eine erste (periphere) Trogpassage zum Beginn der Mittelfrist am
Dienstag wird im jüngsten IFS-Lauf deutlich schneller gezeigt, allerdings mit
einem westlicher platzierten Höhentief, sodass nach der Trogpassage
vorübergehend eine leicht antizyklonal konturierte Höhenströmung erwartet werden
könnte. In der Folge dominiert eine südwestliche und wieder zunehmend zyklonal
geprägte Höhenströmung, während in früheren Läufen zeitweise eher eine stramme
westliche Grundströmung angedeutet wurde.

Zusammengefasst sieht es mit dem jüngsten Modelllauf von IFS nach einer leicht
wechselhaften und milden bis warmen Südwestströmung aus, die Deutschland während
der Mittelfrist beschäftigen wird. Davon ausgenommen ist kurzzeitiges
Rückseitenwetter nach der ersten Trogassage von Dienstag auf Mittwoch, wo
kühlere Meeresluft einströmen könnte.
Schauer, teils auch Gewitter und etwas Wind im Nordwesten wären somit das
Hauptthema. Allerdings sind die Unsicherheiten noch zu groß, um abschließend
sagen zu können, ob sich letztendlich der leicht antizyklonale „touch“
wetterberuhigend durchsetzen wird, oder eher der zyklonale Charakter in einer
strammen westlichen Strömung.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Bei den weiteren Globalmodellen sieht die Entwicklung sehr ähnlich aus,
wenngleich insgesamt etwas harmonischer. Daher besteht die Hoffnung, dass nun
auch die Sprünge vom IFS etwas nachlassen. Zudem ist die Persistenz z.B. bei GFS
und ICON innerhalb der jüngsten Läufe im Vergleich zum IFS etwas besser.

Dennoch ergeben sich auch hier zeitliche Diskrepanzen der jeweiligen
Trogpassagen, die Deutschland zumeist nur tangieren. Ansonsten gibt es keine
neuen Erkenntnisse beim Blick auf die weitere Numerik (die ja wiederum z.B. die
Tropenstürme variabel behandelt). Lassen wir SAM erstmal direkt ins
Wettergeschehen eingreifen, dann wird sich auch diese Einigkeit ändern, was aber
außerhalb unseres Mittelfristvorhersagehorizonts liegt.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die jüngste Clustervorhersage beginnt mit 3 Clustern, wobei das klimatologische
Regime „Blockierung“ überwiegt. Der Kontroll- und der det. Lauf befinden sich
jeweils im zweiten Cluster. Übereinstimmend wird eine kräftige positive
Geopotenzialbrücke gezeigt, die sich von Kanada bis nach Russland/Asien
erstreckt und sich besonders über Ostkanada zäh bis zum Ende der Mittelfrist
hält. Alle Cluster stützen das quasi-stationäre Wellenmuster und somit eine
teils zyklonal, teils leicht antizyklonal geprägte südwestliche Höhenströmung.
In der Folge (zum Ende der Mittelfrist) nimmt die Zahl der Cluster auf 5 zu,
wobei variable klimatologische Regime gezeigt werden. Tendenziell, wenngleich
schwächer, bleibt die Geopotenzialbrücke im hohen Norden bestehen. Ansonsten
bestimmt vor allem SAM, wie es weitergeht, was aus heutiger Sicht sehr unsicher
ist. Von einer Trog- bis zu einer Keillage, von einer milden Südwestströmung bis
hin zu einer kühleren Nordwestströmung ist alles möglich, wobei die milden
Lösungen eindeutig überwiegen. Auch wenn es Ansätze zu einem etwas
progressiveren Verhalten gibt, so streuen die Member zu stark um darauf zu
setzen – zumal der jüngste deterministische Lauf zum Ende der Mittelfrist alles
andere als progressiv aussieht.

Die Meteogramme stützen eine leicht wechselhafte Witterung mit Höchstwerten von
rund 19 Grad. Es sind keine signifikanten Wind- und Niederschlagsereignisse zu
erkennen. Bei den 850 hPa Temperatur- und 500 hPa Geopotenzial(rauch)fahnen
streuen die Member die Mittelfrist über recht stark, wobei der det. Lauf beim
Geopotenzial recht weit oben liegt und bei den 850 hPa Temperaurvorhersagen
zunächst gut eingebettet liegt, um zum Ende jedoch auf die milde Seite der
Memberschar zu rutschen. Es ist noch unsicher, wie kräftig sich der Trog über
dem Nordostatlantik auch bei uns durchsetzen kann.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

WIND:

Der Südwestwind nimmt zum Monatswechsel im Nordwesten zu, wobei aus heutiger
Sicht besonders über/im Umfeld der Deutschen Bucht stürmische Böen Bft 8 und auf
exponierten Berggipfeln wie dem Brocken auch Sturmböen Bft 9 auftreten können.
Interessant ist, dass im IFS-EPS auch geringe Wahrscheinlichkeiten für eine
ausgewachsene Sturmlage im Westen/Nordwesten zu erkennen sind (Bft 9-10 im
Nordwesten mit 1-10% bzw. ähnliche Wahrscheinlichkeiten für Bft 11 über der
Deutschen Bucht). Auch im IFS-CDB Produkt sind zum Ende der Mittelfrist im
Nordwesten Wahrscheinlichkeiten von 25 bis 40% für mehr als 34 kn und unter 10%
für mehr als 60 kn zu erkennen. Zudem zeigt das EPS auch einzelne Lösungen mit
sub-990 hPa Druckzentren über der Deutschen Bucht. Alles in allem aus jetziger
Sicht natürlich noch zu diffuse Werte um darauf anzuspringen, doch grundsätzlich
ergibt die nun anstehende Geopotenzialkonfiguration eine Wahrscheinlichkeit von
ungleich Null für eine kräftigere Windentwicklung im Nordwesten. Das hängt
natürlich auch von der endgültigen Lage des Zentraltiefs ab. Der EFI springt
bisher nur mit sehr geringen Werten über der Deutschen Bucht an.

GEWITTER mit STARKREGEN:

Auch wenn am Dienstag und Mittwoch besonders im Süden und Osten noch eine
geringe Gewitterwahrscheinlichkeit besteht, so dürfte der Starkregen nur lokal
und markant eine Rolle spielen (zu hoch wird wohl die die Zuggeschwindigkeit der
Zellen sein mit eher modellklimaneutraler Feuchteverteilung).
Von Mittwoch auf Donnerstag sind nach dem jüngsten IFS-Lauf über der Deutschen
Bucht einzelne kurze Gewitter wenig wahrscheinlich.

Nächtlicher Nebel bzw. lokaler Frost in Bodennähe sind sicherlich ein Thema,
fallen jedoch nicht unter den Begriff: „signifikante Wettererscheinungen“.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, GEFS, MOSMIX

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Helge Tuschy