S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 17.09.2021 um 10.30 UTC

Osten/Nordosten kühler, sonst zunächst im Süden/Südwesten wechselhaft, danach
trocken, vorübergehend wärmer. Zum Donnerstag von Nordwesten zunehmend windig
bis stürmisch.

Synoptische Entwicklung bis zum Freitag, den 24.09.2021

Bezüglich übergeordneter Faktoren für die Mittelfrist und darüber hinaus lassen
sich mehrere Anhaltspunkte herausarbeiten. Da wäre zum einen die weiterhin
andauernde Saison der tropischen Stürme auf dem Atlantik, die verstärkt Wärme
und Feuchte nach Norden pumpen. Andererseits deutet sich auch im Westpazifik
eine Periode mit häufigerer tropischer Sturmaktivität an (bedingt durch die
Phase der MJO sowie anderer tropischer Wellen). Hinzu kommen weiterhin
persistent recht hohe Meeresoberflächentemperaturen im Nordpazifik und Teilen
des Nordatlantik. Auf der anderen Seite führt die verstärkte Strahlungsabkühlung
in den hohen Breiten zur allmählichen Intensivierung des stratosphärischen als
auch des Polarwirbels in der oberen Troposphäre (zu sehen an den erhöhten Werten
der PV auf isentropen Flächen dort, z.B. auf 310/ 320 K). Dieses Zusammenspiel
der oben genannten Faktoren führt regional zur Zunahme der Baroklinität über dem
Nordatlantik und dem Nordpazifik. Einlaufende Wellen und Wellenzüge aus
tropischen und subtropischen Bereichen erhöhen derweil in der Folge die
Wellenzahl der polumlaufenden planetaren Wellen (vor allem mehr kurzwellige
Anteile). So könnte zumindest regional vorübergehend mehr Bewegung in das recht
eingefahrene Wellenmuster gelangen (aber auch nicht überall). Sorgen doch die
erwähnten diabatischen Faktoren auch für meridionale und lokale Wärmeflüsse, die
in der Folge die planetaren Wellen erneut brechen und damit amplifizieren
werden. Schaut man zu guter Letzt noch auf den NAO-Index, so liegt dieser
aktuell im leicht positiven Bereich, soll dann aber im Verlauf nach der Mehrzahl
der Memberschar negativ werden.

Nun konkret zur bevorstehenden Mittelfrist, einschließlich Blick über den
Tellerrand hinaus, insofern möglich.

Am Montag befindet sich der atlantisch-europäische Raum laut Einordnung nach IFS
im Regime (Skandinavisches) Blocking mit dem typischen Pattern hohen
Geopotentials über Nordskandinavien und Nordosteuropa. Demgegenüber steht tiefes
Geopotenzial über Ost- und Südwesteuropa (daran gekoppelte Höhentiefs) sowie
ausgeprägt über Grönland. Hohes Geopotenzial in Verbindung mit dem Azorenhoch
versucht eine Geopotenzialbrücke zum Skandi-Block herzustellen. Im Nordosten und
Osten des Landes fließt somit mit einer nordöstlichen Strömung relativ kühle
Luft ein, durch Überströmen der warmen Ostsee etwas angefeuchtet und
labilisiert, wodurch über das Ostseeumfeld Schauer ziehen können (auch
getriggert durch leichte Hebungsprozesse am Rande des Höhentroges über
Osteuropa, je nach Positionierung lt. Modell). Im Süden und Südwesten des Landes
bekommen wir leichte Hebungsprozesse und instabil geschichtete Luft infolge des
Höhentiefs über (Süd-)Frankreich. Schauer und einzelne Gewitter sind hier mit
von der Partie. Die 850 hPa-Temperatur weist über Deutschland eine Spanne von 0
Grad im Nordosten bis etwa 8 Grad im Südwesten auf. Im Südwesten beträgt zudem
die simulierte Temperatur in 500 hPa etwa -20 Grad. Damit liegt dort der Spread
zwischen 850 hPa und 500 hPa bei knapp 28 K, theoretisch ausreichend für
Gewitter. Aufgrund der PPW-Werte von 25, im Westen gar knapp 30 mm und ML-CAPE
von rund 200 bis 300 J/kg ist also auch lokaler Starkregen denkbar. Sonst ist
der Tag wettertechnisch unspektakulär, Ausnahme ist die Gefahr von Frost in
Bodennähe im östlichen Bergland in der Nacht zum Dienstag.

Am Dienstag und Mittwoch wird die oben beschriebene Geopotenzialbrücke zwischen
dem Azorenbereich über die Britischen Inseln, Mitteleuropa bis nach
Nordskandinavien und Nordosteuropa wohl Realität, die Höhentiefs werden
allmählich zur Iberischen Halbinsel bzw. nach Ost- und Südosteuropa abgedrängt.
Damit setzt sich mehr und mehr Hochdruckeinfluss über Deutschland durch. Einzige
Ausnahmen sind der Süden und das Ostseeumfeld, wo weiterhin Schauer denkbar
sind. Die Temperatur in 850 hPa steigen bis Mittwoch im Westen und Süden auf 10
bis 12 Grad an, im Norden und Osten auf immerhin 4 bis 6 Grad. Dabei gelangt
Deutschland am Mittwoch zunehmend auf die Vorderseite des umfangreichen Troges
über dem Nordatlantik (Achse etwa nördlich der Britischen Inseln bis
Südgrönland) in eine südwestliche Strömung, mit der trogvorderseitig
vorübergehend wärmere Luft herangeführt wird. Der Wind lebt in der Nacht zum
Donnerstag an der Nordsee, im Nordwesten sowie im höheren nördlichen Bergland
stark bis stürmisch auf und dreht auf südwestliche Richtung.

Am Donnerstag überquert die Warmfront des Sturmtiefs südlich von Island den
Norden und Westen des Landes, zudem nimmt in der Nordwesthälfte der
Druckgradient weiter zu, sodass dort sowie in höheren Lagen stürmische und auch
Sturmböen zu erwarten sind. Ob sich zum Freitag bereits eine veritable Sturmlage
entwickelt, hängt insbesondere von markanten Randtrögen (mit gekoppelten
Bodentiefs) ab, die um das steuernde Tief südlich herumgeführt werden und sich
bei entsprechender Lage zum Jet stromab noch verstärken können, zumal wie gesagt
nördlich einer deutlich gestrafften Frontalzone (die wiederum hohe
Windgeschwindigkeiten in der Nähe der Tropopause aufweist) hochreichend kalte
und PV-reiche Luftmassen bereitstehen. Bis Freitagfrüh steigt die 850
hPa-Temperatur allgemein auf 10 bis 12 Grad an, sinkt allerdings im Nordwesten
im Verlauf hinter der Kaltfront eines von ICON simulierten Bodentiefs über
Dänemark wieder auf 4 bis 6 Grad. Während die Warmfront außer etwas Landregen in
der Nordhälfte nicht viel zu bieten hat, könnten bereits in der Nacht zum
Freitag mit der Kaltfront und Passage eines markanten Randtroges im Norden
einzelne Gewitter mit Sturmböen auftreten.

Am Freitag verbleibt die Südosthälfte wahrscheinlich noch im trogvorderseitigen
Bereich der wärmeren Luftmasse (850hPa-Temperatur 11 bis 14 Grad), an den Alpen
verstärkt sich der südliche bis südwestliche Föhn mit zumindest stürmischen Böen
auf den Gipfeln. Vor allem im Norden dürfte es laut ICON am Rande des Tiefs über
der Ostsee eine windige bis stürmische Angelegenheit werden – im Binnenland Bft
8, bei Schauern und einzelnen Gewittern auch Bft 9, an den Küsten ist auch Bft
10 möglich.

Für die erweiterte Mittelfrist ist eine Fortdauer der Troglage zunächst
insgesamt wahrscheinlicher als eine neuerliche Blockierungslage für
Mitteleuropa. Andauernde meridionale Wärmeflüsse über dem westlichen
Nordatlantik sprächen zwar für eine Ausweitung hohen Geopotenzials über dem
Nordatlantik, teils bis nach Grönland. Stromab bedeutete dies allerdings eine
Verstetigung der Troglage, entweder über West- und Mitteleuropa oder aber über
Skandinavien (das entspräche der Prognose von NAO negativ). Damit ist
wechselhaftes, zeitweise windiges und relativ kühles Wetter zunächst
wahrscheinlicher.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Der neue Lauf des IFS weist nun eine recht gute Konsistenz zumindest im
Vergleich zu den letzten beiden Vorläufen auf. Am Montag scheint sich nun die
Lage des Höhentiefs über Südfrankreich zu verstetigen, mit entsprechend
simulierten Niederschlägen, teils auch konvektiv im Süden und Südwesten des
Landes. Danach herrscht bis einschließlich Donnerstag, teils auch noch bis
Freitag recht gute Konsistenz, mit dem Übergreifen der Frontensysteme des
Sturmtiefs bei Island zum Donnerstag hin. Dann kommt nach den neuesten Läufen
der Wind als Warnparameter zunehmend ins Spiel. Trockene Verhältnisse zuvor mit
ansteigenden Temperaturen am Mittwoch sind nun auch relativ sicher.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Unsicherheiten sind eher am Anfang der Mittelfrist vorhanden zwischen den
Globalmodellen IFS, GFS, ICON. Diese Unsicherheit wird maßgeblich durch die
anfangs beschriebenen Höhentiefs geprägt. Mit Annäherung des umfangreichen
Troges über dem Atlantik nähern sich die Modelle ganz gut an in ihrer Synoptik
an. Sicher trägt der gut konturierte Polarfrontjet auch zur höheren Modellgüte
bzw. -konsistenz bei.

Auffällig ist die Lösung von ICON für eine Sturmlage (v.a.im Norden) zum bzw. am
Freitag, die durch das kräftige Bodentief über der Ostsee/ Südskandinavien und
einen markanten Randtrog hervorgerufen wird.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Cluster des IFS sehen folgendermaßen aus: t+120 bis +168 h – hier findet man
drei gruppierte Clusterlösungen, wobei nur die dritte Lösung die
Blockierungslage (weiter oben beschriebene Geopotenzialbrücke, immerhin mit 11
Membern) aufrechthält, die anderen geben den Übergang zur Troglage und sogar
(vorübergehend) NAO positiv an.

Beim Zeitschritt t+192 bis +240 h (erweiterte Mittelfrist) gibt es fünf
gruppierte Cluster, wobei auch hier die Mehrzahl der Member für Mitteleuropa
eine Troglage simuliert, einzelne Member tendieren zu NAO negativ (Trog über
Skandinavien), andere lassen die Blockierung über Nordosteuropa weitgehend
bestehen bzw. regenerieren (mit der Konsequenz von möglichen
High-over-Low-Lagen). Ähnlich wird von nicht wenigen Membern im Verlauf hohes
Geopotenzial über dem Nordatlantik bis nach Grönland simuliert, was dann der
weiter oben angedeuteten Großwetterlage Atlantischer Rücken (AR) entspräche.

Insgesamt bleibt damit unklar, wann und wie sich die Großwetterlage nach kurzer
Belebung erneut festfährt.

Als Referenz für die Rauchfahnen soll jeweils ein Ort in Nord- und in
Süddeutschland dienen für die Betrachtung:
Im Norden ist die Abkühlung Anfang der Woche zu sehen mit leichtem Spread nach
oben (850 hPa-Temperatur). Zur Wochenmitte geht die Temperatur recht einheitlich
nach oben (Hauptlauf, Kontrolllauf, Memberschar). Die Konsistenz kann man bis
Freitag als recht gut einschätzen. Ähnlich sieht es beim Niederschlag aus –
erste ernstzunehmende Signale tauchen nach Wochenmitte auf. Beim Geopotenzial in
500 hPa sieht es nach guter Konsistenz bis Mittwoch etwas anders aus – danach
nimmt der Spread zwischen den Membern deutlich zu (mögliche Randlage zur
(neuerlichen) Blockierung über Nordosteuropa), wobei Haupt- und Kontrolllauf mit
dem Geopotenzial ab Donnerstag deutlich nach unten gehen.

Im Süden ist die Konsistenz bei allen Parametern (siehe oben) bis Donnerstag/
Freitag recht ähnlich. Die Unterschiede resultieren im insgesamt höheren
Temperaturniveau in 850 hPa, wobei auch hier der Anstieg ab Mittwoch gut
enthalten ist. Beim Niederschlag gibt es entsprechend der Synoptik Anfang der
Woche Signale, dann erst wieder am Freitag (wie oben beschrieben). Beim
Geopotenzial ist die Konsistenz bis Donnerstag gut, danach geht ähnlich wie im
Norden der Spread der Member deutlich auseinander, wobei auch hier Haupt- und
Kontrolllauf ab Donnerstag deutlich nach unten gehen. Dieser Spread ist, wie
gesagt den verschiedenen synoptischen Lösungen der Cluster (erweiterte
Mittelfrist) geschuldet, also die Unsicherheit bezüglich möglicher
Strömungsmuster, auch aufgrund der beschriebenen diabatischen Einflüsse,
regional verstärkt.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Im östlichen Bergland ist lokal Frost in Bodennähe wahrscheinlich. Am Montag im
Süden/ Südwesten, eventuell auch im Westen einzelne Gewitter mit Starkregen
möglich, stürmische Böen dagegen gering wahrscheinlich.

Am Donnerstag und Freitag vor allem im Norden und Westen sowie bevorzugt in
Hochlagen der nördlichen Mittelgebirge stürmische Böen, vereinzelt auch
Sturmböen. An der See bei Schauern/ Gewittern auch schwere Sturmböen (Bft 10)
nicht ausgeschlossen. An den Alpen aufkommender Föhn mit zumindest stürmischen
Böen, eventuell auch Sturmböen auf den Alpengipfeln (Bft 8 bis 9).

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS, ICON, GEFS, MOSMIX

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Dr. Jens Bonewitz