SXEU31 DWAV 151800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 15.08.2021 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Noch zuckt die Hitze mit teils schweren Gewittern, doch Herbststurm LUCIANO ist
schon unterwegs!

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC

Aktuell … Am heutigen Sonntag wird der Startschuss für den vorübergehenden
Wetterwechsel gegeben. Von den Britischen Inseln bis nach Nordwestrussland
spannt sich ein breiter Langwellentrog auf, der nun auch zunehmend das Wetter in
weiten Teilen Deutschlands beeinflusst. In dem Langwellentrog sind ausgehend von
Höhentiefs mehrere Kurzwellentröge eingelagert, die mit der Strömung auf der
Südflanke herumgeführt werden. Von wesentlicher Bedeutung ist dabei der vom
Höhentief nordöstlich von Schottland ausgehende Kurzwellentrog, der sich von der
Nordsee südwestwärts erstreckt. Bodennah korreliert das beschriebene Höhentief
mit dem Tief LUCIANO, welches über der Nordsee wirbelt und seine Fronten nach
Deutschland peitscht. Deutschland liegt dabei in einer schwachen bis mäßigen
Südwestströmung, mit der am heutigen Sonntag vor allem in den Süden nochmals
heiße und feuchte Luft subtropischen Ursprungs gepumpt wird. Dabei zeigen die
Zutaten für die Gewittervorhersage die Explosivität der Luftmasse. Demnach
stehen den Gewittern für die Hagelentwicklung Cape-Werte bis 2750 J/kg zur
Verfügung. Bei PPW-Werten zwischen 29 und 37 mm kommt auch dem heftigen, teils
auch extremen Starkregen eine besondere Rolle zu. Einzig die Scherung ist etwas
flau. Vor allem zwischen 0 und 6 km werden von den Modellen im Süden nur 15 und
20 m/s angeboten. In dem unteren Kilometer können jedoch immerhin bis 12 m/s
verbucht werden. Allerdings wird die Gesamtscherung überwiegend durch
Geschwindigkeitsscherung gestützt. Da die Luftmasse über keinen Deckel verfügt
und die Auslöse vielerorts möglich ist, sind demnach kräftige
Einzelzellen/Superzellen nur vereinzelt im Programm. Dennoch können organisierte
Multizellen/MCS, etc. für ordentlich Unruhe suchen und sich auch zu
eingelagerten Superzellen entwickeln. Somit bekommt das Hitzeintermezzo im Süden
einen krachenden Abgang.

Denn schon in der Nacht nähert sich der Kurzwellentrog vom hochreichenden Tief
LUCIANO von Westen an, indem dessen Achse ausgangs der Nacht etwa von der
südlichen Nordsee über das Zentralmassiv bis nach Nordspanien reicht. Bodennah
ist dem Höhentrog ein Bodentrog zugeordnet, in dem schließlich eine erste
Kaltfront von LUCIANO eingebettet ist. Diese greift dabei von Nordwesten auf
Deutschland über und kann bis Montagmorgen etwa die gesamte Nordwesthälfte
überrollen. Rückseitig wird das Land von deutlich kühlerer Atlantikluft
geflutet. Während im Südosten Bayerns ausgangs der Nacht noch Temperaturen auf
850 hPa von 16 Grad erreicht werden, sind es an der Nordsee noch rund 7 Grad mit
abnehmender Tendenz. Mit Durchzug der Kaltfront kann es schließlich auch zu
vertikalen Umlagerungen kommen, die frontogenetisch als auch PVA getriggert
sind. Diese sorgen für schauerartige Niederschläge, die zudem mit einem
auflebenden, in Böen steifen Wind einhergehen. Größere Windspitzen bleiben
vorerst noch aus, da die Front zwar im diffluenten Bereich der Höhenströmung vor
dem Haupttrog liegt wo Hebung generiert wird, aber der Gradient für potentiell
höhere Windspitzen noch nicht mitspielt. Erst wenn die Front zum Morgen in den
Südosten vorankommt und dort auf die schwülheiße Luft trifft, steigt die
Wahrscheinlichkeit für teils kräftige Gewitter nochmals deutlich an.
Montag … steht dann voll im Zeichen von dem ersten herbstlich anmutenden
Sturm LUCIANO. Das Höhentief mit seinem korrelierenden Bodentief verlagert sich
über die Nordsee hinweg bis über das südliche Dänemark, um in der Nacht den Weg
nach Südschweden zu suchen. Dabei kann sich LUCIANO sogar noch leicht verstärken
und den Modellen zufolge einen Kerndruck von rund 995 hPa erreichen. Da sich
gleichzeitig das kräftige Azorenhoch ostwärts schiebt, kann sich der Gradient
deutlich verstärken. Entsprechend muss tagsüber im Nordwesten und Norden mit
steifen, an der See und im höheren Bergland mit stürmischen Böen gerechnet
werden. An exponierten Küstenabschnitten sind auch schon erste Sturmböen
möglich. Die aus dem Gradient heraus auflebende Nordwestströmung drückt zudem
die Kaltfront aus der Nacht rasch gegen die Alpen und darüber hinweg. Allerdings
konnte Sturmtief LUCIANO nicht nur kühlere Atlantikluft ins Land pressen,
sondern aus Norden sogar erwärmte Polarluft anzapfen. Markiert durch eine
weitere Kaltfront kann diese Luft das Land bis Dienstagmorgen ebenfalls komplett
einnehmen. Da die zweite Kaltfront direkt auf der Vorderseite des Haupttroges
liegt, erfährt sie ordentlich PVA und scheint nach aktuellem Stand
wetterintensiver als die Vorgängerfront zu werden. In dessen Umfeld kann es
ordentlich schütten und Blitz und Donner stehen lokal auch auf der Menükarte.
Zudem gelangt nun auch der Wind zunehmend in den Fokus. Mit Frontdurchgang sind
demnach auch neben dem Gradientwind steife bis stürmische Böen zu erwarten.
In der Nacht gelangt Deutschland dann komplett auf die Rückseite des
hochreichenden Tiefs LUCIANO in die kräftige Nordwestströmung. In der Fläche
gesehen kann sich damit einhergehend der Wind noch etwas intensivieren und in
Böen häufiger steife bis stürmische Böen sowie an der See und in Hochlagen
Sturmböen hervorrufen. An exponierten Küstenabschnitten sowie einzelnen
Gipfellagen sind auch schwere Sturmböen nicht ausgeschlossen. Mit Übergreifen
des Haupttroges wird auch nochmals der Pater-Noster in Bewegung gesetzt, sodass
die vertikalen Umlagerungen vom Ems- und Ostfriesland bis zur Ostsee
schauerartige, lokal auch gewittrige Niederschläge auslösen. Gleichzeitig läuft
die zweite Kaltfront dem Trog zunehmend voraus. Abnehmendes PVA wird aber
teilweise durch orografische Einflüsse kompensiert, sodass es vor allem am
Alpenrand auch länger kräftig regnen kann. Die Temperaturen liegen dabei auch
einem sehr moderaten Sommerniveau. In 850 hPa werden ausgangs der Nacht nur noch
Werte zwischen 3 und 7 Grad erwartet.
Dienstag … werden weite Teile des Landes noch vom hochreichenden und recht
kräftigen Tief LUCIANO über Südschweden bzw. der zentralen Ostsee regiert. Mit
der anhaltenden strammen Nordwestströmung zwischen LUCIANO und dem Hoch über dem
Nordostatlantik werden von der Nordsee teils schauerartige Niederschläge ins
Land geschoben. Hebung wird dabei zunächst von einem weiteren Kurzwellentrog
generiert. Im Tagesverlauf macht sich im Westen jedoch auch die WLA von einem
Randtief über der Nordsee bemerkbar, dessen Frontenzug über die Britischen
Inseln hinweg südostwärts zieht. Die Warmfront tangiert dabei aber allenfalls
den äußersten Westen des Landes in der Nacht zum Mittwoch. Da aber in der Höhe
gleichzeitig ein weiterer Kurzwellentrog mitmischt und somit PVA gekoppelt mit
frontogenetischen Prozessen sowie vorlaufender WLA weiter Hebung induzieren,
sind auch in der Nacht im Westen und Süden sowie Teilen der Mitte Niederschläge
wahrscheinlich. Zudem kann LUCIANO selber auch im äußersten Nordosten noch für
den einen oder anderen Regenguss sorgen. Durch die kräftige Nordwestdröhnung
bleibt vor allem im Norden und Osten auch der Wind ein Thema. Tief LUCIANO
konnte sich sogar laut ICON noch etwas intensivieren und soll einen Kerndruck
von nahe 990 aufweisen. Gleichzeitig kommt die 1020 des Azorenhochs bis nahe an
die deutsche Südwestspitze heran. Der aus dem Gradient resultierende Wind wird
dabei zeitweise durch die Kurzwellentröge noch aufgepeppt. Entsprechend ist in
der Nordosthälfte am Dienstag mit steifen bis stürmischen Böen, zeitweise sowie
in exponierten Lagen mit Sturmböen zu rechnen. Auf den Berggipfeln sind auch
schwere Sturmböen möglich. Die Temperaturen bleiben bis Mittwochmorgen sehr
verhalten. Allenfalls die WLA im äußersten Westen lässt dort die Werte wieder
etwas ansteigen. Somit werden auf 850 hPa 4 bis 7, im Westen und an den Alpen
bis 9 Grad simuliert.
Mittwoch … verlagert sich das hochreichende Tief LUCIANO langsam in die
nördliche Ostsee und verliert somit an Einfluss auf Deutschland. Gleichzeitig
kann das Azorenhoch seinen Keil über Süddeutschland und den Alpenraum stärken,
der in der Höhe mit einem Rücken über Frankreich korreliert. Insgesamt bleibt
aber die Nordwestströmung erhalten, mit der weiter kurzwellige Anteile über den
deutschen Raum hinwegschwenken. Allerdings wird der Hebungsantrieb bisher von
den Modellen nur recht schwach gesehen, sodass zwar weiter ein leicht
unbeständiger Charakter das Wetter bestimmt, jedoch längst nicht überall für
Regenschauer sorgt. Schwerpunkte könnten sich dabei an der See sowie im
Mittelgebirgsraum befinden. Auch an den Alpen sollen staubedingt weitere
Regenfälle niedergehen. Mit Abzug von LUCIANO gen Norden nimmt auch der Wind
einen Gang raus. Allenfalls im Norden und Nordosten ist er wohl noch
auffrischend unterwegs und erreicht in Böen einzelne steife, an der Ostsee auch
stürmische Böen.

Modellvergleich und -einschätzung

Die Modelle simulieren die großskaligen synoptischen Strukturen vergleichbar. Im
Detail gibt es im Verlauf der Kurzfrist allenfalls Unterschiede beim Timing der
durchschenkenden Kurzwellentröge. Das Temperaturniveau ist nahezu identisch und
auch die Windfelder werden ähnlich prognostiziert. IFS gibt nur den typischen
Aufschlag.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Lars Kirchhübel